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17 Sep 2025
18 Sep 2025
19 Sep 2025
Di
16 Sep
16:00 - 18:00
VOSI1
Vorstandssitzung
Raum: "Fenster der Wissenschaft" (großer Sitzungssaal im obersten Stockwerk) (Standort: Charité Campus Mitte, Charité CrossOver-Gebäude (CCO), Virchowweg 6)
Mi
17 Sep
09:00 - 12:30
PRECON2
Pre-Conference: Einfach, interaktiv, individuell: Digitale Gesundheitsinterventionen selbst entwickeln – mit CIAS (UMG)
Titel: ​Einfach, interaktiv, individuell: Digitale Gesundheitsinterventionen selbst entwickeln – mit CIAS (UMG)

Veranstaltende: Universitätsmedizin Göttingen (UMG)

Moderation: Dr. Eva Maria Noack

Beteiligte: Eva Maria Noack, Steven J. Ondersma, Torge-Christian Wittke, Daniel Dekkers, Frank Müller
Raum: Seminarraum 507 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beitrag:
1
Digitale und individuell bzw. auf ein Krankheitsbild anpassbare Gesundheitsinterventionen bergen enormes Potenzial für den teilweise überlasteten Versorgungssektor. Doch die universitäre Forschung und Entwicklung in diesem Bereich ist oft schwierig: Hohe Kosten für die Entwicklung maßgeschneiderter Software und der Bedarf an technischem Fachwissen machen digitale Innovationsprojekte, insbesondere solche mit partizipativem Ansatz, häufig unmöglich.

In diesem Workshop lernen die Teilnehmenden, wie sie digitale Interventionen ohne Programmierkenntnisse selbst erstellen können und in Forschungsprojekten einsetzen – mit dem Computerized Intervention Authoring System, kurz: CIAS (www.cias.app).

CIAS ist eine open-source, nicht-kommerzielle Plattform, die es Forschenden ermöglicht, über eine grafische Entwicklungsoberfläche digitale Interventionen zu erstellen, zu überarbeiten, zu teilen und in Studien einzusetzen. Die mit CIAS erstellten Interventionen laufen plattformübergreifend als Web-Apps.

CIAS bietet eine Vielzahl individueller Anpassungsmöglichkeiten. Eine Intervention kann zeitlich-inhaltlich in Sessions gegliedert und mit einfachen Formeln auf die Studienteilnehmenden zugeschnitten werden.

Das System bietet zahlreiche Funktionen, darunter:
  • das Einbinden von Bildern und Videos,
  • animierte „Erzählfiguren“, die zu den Teilnehmenden sprechen – in 40 Sprachen (Text-to-Speech),
  • verschiedene Fragetypen (Einfach- und Mehrfachauswahl, Slider u.a.),
  • das Erstellen von adaptiven Interventionspfaden, die auf den Antworten der Teilnehmenden basieren,
  • die Randomisierung von Studienteilnehmenden in unterschiedliche Studienzweige,
  • das Versenden von SMS-Erinnerungen an Teilnehmende,
  • eine anonyme Teilnahme an Studien oder die Studienteilnahme über personalisierte Zugänge,
  • das Teilen und gemeinsame Bearbeiten von Interventionen,
  • eine sichere Kommunikation zwischen Teilnehmenden und Forschenden,
  • ein Dashboard zur Visualisierung der erhobenen Daten,
  • integrierte Sofort-Übersetzung in 100 Sprachen,
  • uvm.

Vergleichbar mit der Erstellung eines Foliensatzes in PowerPoint können App-Oberflächen arrangiert, Inhalte eingepflegt und Abhängigkeiten hinzugefügt werden. All diese Funktionen sind ohne Programmierkenntnisse nutzbar. So können nicht nur Forschende selbst Interventionen entwickeln, sondern auch ko-kreativ mit unterschiedlichen Nutzer*innengruppen.

Die CIAS-Plattform wurde an der Michigan State University (MSU) entwickelt und dort bereits in zahlreichen Forschungsprojekten, vor allem zur Verhaltensprävention, eingesetzt.
An der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen (GWDG) wird aktuell im Rahmen eines von der VolkswagenStiftung geförderten Projektes eine CIAS-EU-Version (www.cias-app.eu) entwickelt, die den Sicherheits- und Datenschutzbestimmungen der Europäischen Union entspricht. Die deutschsprachige Version ‚CIAS-EU‘ soll im Laufe des Jahres 2025 der Forschungscommunity hier zur Verfügung gestellt werden.

Dieser Workshop ist praxisorientiert. Nach einer Einführung in die Kernfunktionen von CIAS folgt eine Übungsphase. In dieser Phase können die Teilnehmenden beginnen, ihre eigenen Interventionen zu entwickeln und werden von den Referent*innen individuell unterstützt.

Nach dem Workshop verfügen die Workshop-Teilnehmenden über das nötige Wissen und die Fertigkeiten, um eigene digitale Interventionen mit CIAS zu erstellen, die sofort in der Forschung, im klinischen Alltag oder in anderen Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden können.

Für die praktischen Übungen werden die Teilnehmenden gebeten, einen eigenen Laptop mitzubringen.

Frau Dr. Eva Maria Noack
Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen (UMG), Göttingen
Herr Torge-Christian Wittke
Klinik für Immunologie und Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Hannover
Herr Daniel Dekkers
Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen (GWDG), Göttingen
Herr Frank Müller
Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen (UMG), Göttingen
Michigan State University (MSU), Flint
#Workshop 60 #internet- und mobilbasierte Interventionen (IMI) #Digitale Gesundheitsinterventionen #user-centered design #mhealth #App-Entwicklung #Partizipative Gesundheitsforschung
Mi
17 Sep
09:00 - 12:30
PRECON3
Pre-Conference: Klimagesundheitsförderung (ASH/BSPH/BIGSo)
Titel: Klimagesundheitsförderung

Veranstalende: Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) / Berlin School of Public Health (BSPH) / Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialwissenschaften (BIGSo)

Moderation: Dr. Frank Lehmann

Beteiligte: Nekisa Laura Bagheri, Lena Siedler, Eric Krase, Leonie Herzog, Jakob Walther, Frank Lehmann, Raimund Geene, Olaf Neumann, Gesine Bär, Tuan Anh Rieck, Maria Ihm, Kristina Kleinmann, Susanne Borkowski, Kerstin Baumgarten, Katrin Lattner, Elena Sterdt, Henriette Prössel, Petra Wihofszky, Nadja Körner, Michael Ewers, Michael Köhler, Anita Prasser, Susanne Moebus, Judith Schröder, Tobia Lakes, Tillman Schmitz, Marek Sierts
Raum: Seminarraum 520 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Mi
17 Sep
09:00 - 12:30
PRECON4
Pre-Conference: Strukturen und Strategien der Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter (AGJ)
Titel: Strukturen und Strategien der Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter

Veranstaltende: Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendhilfe ​​​​(AGJ)

Moderation: tba

Beteiligte: Laurette Rasch, Eric Hahn
Raum: Seminarraum 521 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 34)
Mi
17 Sep
12:00 - 13:00
AG1
AG BGM
Virtuell: https://fom-de.zoom.us/j/87138974700
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Mi
17 Sep
12:00 - 13:00
RT1
Ressort 1
Epidemiologie und Methoden der Gesundheitsforschung
Raum: Seminarraum 536 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Mi
17 Sep
12:00 - 13:00
AG2
AG Planetary & Urban Health
Raum: Seminarraum 523 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Mi
17 Sep
13:00 - 14:30
K1
Eröffnung und Keynote (Ilona Kickbusch)
Feierliche Eröffnung der 60. Jahrestagung und Begrüßung

Keynote: Ilona Kickbusch
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Mi
17 Sep
14:30 - 15:00
PK1
Pressekonferenz
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
SYM12
Partizipation im Studentischen Gesundheitsmanagement: Gesundheit am Campus neu denken! (A Westbrock)
Studierende
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Beiträge:
1
Studierende rücken zunehmend in den Fokus der Gesundheitsforschung, da aktuelle Untersuchungen erhebliche physische und psychische Belastungen sowie wachsende gesundheitliche Herausforderungen aufzeigen (z. B. [1]). Vermehrt reagieren Hochschulen mit der Etablierung eines Studentischen Gesundheitsmanagements (SGM) als Pendant zum betrieblichen Gesundheitsmanagement. Eine Schlüsselkomponente eines nachhaltigen und erfolgreichen SGM ist die Partizipation der Studierenden [2]. Partizipation im Sinne von realer Mitbestimmung, stärkt die Identifikation mit den Angeboten und steigert dadurch Akzeptanz und Wirksamkeit [3,4]. Allerdings liegen bisher nur vereinzelte Erkenntnisse darüber vor, wie erfolgreiche Partizipation im Kontext Hochschule gelingen kann: Welche Motive stehen hinter der Mitwirkung, welche organisatorischen Rahmenbedingungen werden benötigt, bei welchen Entscheidungen wollen Studierende partizipieren und welche Anliegen haben die Studierenden selbst?
Das Symposium adressiert diese Lücke durch die Präsentation von zwei umfassenden Beiträgen, die sowohl Befragungsergebnisse als auch Transfererfahrungen aus der Praxis beinhalten. Partizipation wird dabei aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet (SGM-Koordinatorin vs. engagierte Studierende). Neben der Partizipationsbereitschaft und den aktuellen Partizipationsmöglichkeiten werden die Voraussetzungen, Förderfaktoren und Barrieren der Partizipation im SGM thematisiert. Weiter werden die Bedürfnisse sowie konkrete Erwartungen und Anforderungen Studierender an Hochschulakteur*innen im Kontext der Gesundheitsförderung und -prävention am Campus thematisiert
Ein besonderer Fokus des Symposiums liegt auf der Diskussion möglicher Handlungsempfehlungen für die Praxis: Wie können wir die Erkenntnisse für die Steigerung der Qualität des Studentischen Gesundheitsmanagements im Setting Hochschule nutzen? Welche Handlungsempfehlungen lassen sich ableiten?

Referenzen

[1] Grützmacher J, Gusy B, Lesener T, Sudheimer S, Willige J. Gesundheit Studierender in Deutschland 2017: Ein Kooperationsprojekt zwischen dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, der Freien Universität Berlin und der Techniker Krankenkasse [Internet]. Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2017 [zitiert am 11. Apr. 2025]. Verfügbar unter: https://www.tk.de/resource/blob/2050660/8bd39eab37ee133a2ec47e55e544abe7/gesundheit-studierender-in-deutschland-2017-studienband-data.pdf
[2] Arbeitskreis Gesundheitsfördernde Hochschulen. Zehn Gütekriterien für eine gesundheitsfördernde Hochschule 2020 [Internet]. 2020 [zitiert am 11. Apr. 2025]. Verfügbar unter: http://www.gesundheitsfoerdernde-hochschulen.de/Inhalte/O1_Startseite/AGH-10-Guetekriterien.pdf
[3] Reitermayer J, Albrecht F. Partizipation. In: Techniker Krankenkasse, Hrsg. SGM – Studentisches Gesundheitsmanagement: Handlungsempfehlungen zu Theorie und Praxis [Internet]. Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2019 [zitiert am 11. Apr. 2025]. S. 45–8. Verfügbar unter: https://www.kompetenzzentrum-gesunde-hochschulen.de/studentisches-gesundheitsmanagement
[4] Gürster A, Helten J, Tittlbach S. Transdisziplinäre Forschung in der Gesundheitsförderung bei Studierenden – ein systematisches Review. Prävention und Gesundheitsförderung. 2021;17:380–9. DOI: 10.1007/s11553-021-00919-9
Frau Anna Westbrock
Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, Kempten
Frau Larissa Nees
Hochschule Fulda, Fulda
Frau Henriette Schulz
Hochschule Furtwangen, Furtwangen
#Symposium 60 #Studierendenpartizipation #Studentisches Gesundheitsmanagement #Hochschule #Studierendengesundheit
2

Hintergrund

Partizipation im Studentischen Gesundheitsmanagement bedeutet, die Zielgruppe der Studierenden in möglichst alle Phasen der Gesundheitsförderung, von Bedarfserhebung bis hin zur Evaluation als gleichberechtigte Partner*innen einzubeziehen. Gelingende Partizipation wirkt sich positiv auf die Akzeptanz, die Nachhaltigkeit und die Wirksamkeit gesundheitsförderlicher Maßnahmen aus [1,2]. Es bleibt jedoch die Herausforderung, Studierende zur Teilnahme zu motivieren [3]. In dieser Studie wird deshalb untersucht, welche motivationalen und organisatorischen Faktoren für die Entscheidung der Studierenden, am Studentischen Gesundheitsmanagement (SGM) teilzunehmen, von Bedeutung sind. Darüber hinaus wird untersucht, welche Rolle persönliche und studienbezogene Faktoren bei der Ausprägung der Teilnahmemotivation spielen.

Methode

Anhand eines Mixed-Methods-Designs wurde zunächst eine explorative Studie durchgeführt, um unterstützende Faktoren und Barrieren für die Studierendenpartizipation im SGM der Hochschule Kempten zu identifizieren. Dazu wurden neun Interviews durchgeführt und qualitativ ausgewertet. Die identifizierten Faktoren wurden anschließend in einer repräsentativen Stichprobe (N = 561) mit einer adaptierten Version des MORFEN-CS, einem Fragebogen zur Erfassung des ehrenamtlichen Engagements in Citizen Science Projekten, gemessen [4]. Das finale Instrument bestand aus 33 Items aus sechs Motivationskategorien (z. B. Karriere) sowie vier Faktoren der Projektorganisation (z. B. Koordination). Zusätzlich wurden die Partizipationsbereitschaft sowie demografische und studienbezogene Variablen erhoben. ANOVAs wurden verwendet, um Unterschiede in den Bewertungen der Einflussfaktoren zu prüfen. Zusammenhänge zwischen demografischen und studienbezogenen Daten und Motiven wurden mit robusten Regressionsanalysen getestet.

Ergebnisse

Mehr als drei Viertel der Studierenden äußern die Bereitschaft, beim SGM mitzuwirken. Die Organisation, Koordination und Kommunikation der Partizipationsmöglichkeiten stellen Schlüsselfaktoren für die Teilnahme dar. Die wichtigsten Motive der Studierenden sind Karriere und Werte (p < .001). Multivariate Regressionsanalysen zeigen, dass die Motive sowohl von persönlichen als auch von studienbezogenen Faktoren abhängen. Beispielsweise variiert die Bedeutung von Karriere, Werten, Lernen und gesellschaftspolitischer Verantwortung signifikant zwischen den Fakultäten (p < .05). Die Motivation durch Lernmöglichkeiten hängt zudem mit dem Geschlecht, dem Alter und dem Studienjahr zusammen (p < .05).

Diskussion

Die Studie beleuchtet zentrale Motivationsfaktoren und organisatorische Rahmenbedingungen, die die Beteiligung von Studierenden am SGM fördern. Sie verdeutlicht, dass sich die Beweggründe zwischen den Studierenden unterscheiden. Diese Erkenntnisse ermöglichen es SGM-Verantwortlichen, maßgeschneiderte Konzepte zu entwickeln: sowohl in der Projektgestaltung als auch in der Ansprache, um unterschiedliche Studierendengruppen gezielt zu adressieren. Dadurch kann die Teilnahmebereitschaft gesteigert und die Akzeptanz und Wirksamkeit der Maßnahmen erhöht werden.

Referenzen

[1] Gürster A, Helten J, Tittlbach S.
Transdisziplinäre Forschung in der Gesundheitsförderung bei Studierenden – ein
systematisches Review. Prävention und Gesundheitsförderung. 2021;17:380–9.
DOI: 10.1007/s11553-021-00919-9
[2] Jagosh
J, Macaulay AC, Pluye P, Salsberg J, Bush PL, Henderson J, et al. Uncovering the benefits of participatory research:
implications of a realist review for health research and practice. Milbank Q.
2012;90(2):311–46. DOI: 10.1111/j.1468-0009.2012.00681.x
[3] Bachert P, Wäsche H, Albrecht F, Hildebrand C,
Kunz AM, Woll A. Promoting students' health at university: key stakeholders,
cooperation, and network development. Front Public Health. 2021;9:680714.
DOI: 10.3389/fpubh.2021.680714
[4]
Moczek N, Nuss M, Köhler JK. Volunteering in the Citizen Science Project
"Insects of Saxony"-The Larger the Island of Knowledge, the Longer
the Bank of Questions. Insects 2021; 12(3).
Frau Anna Westbrock
Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, Kempten
#Symposium 60 #Studierendenpartizipation #Gesundheit #Gesunde Hochschule #Motive
3
Der subjektive Gesundheitszustand von Studierenden in Deutschland hat sich seit der Coronapandemie verschlechtert, insbesondere im Hinblick auf Erschöpfung durch Stress, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Konzentrationsstörungen und Schlafproblemen [1]. Ein Gesundheitsmanagement für und mit Studierenden im Setting Hochschule ist daher zentral, um die Gesundheit von Studierenden zu fördern und aufrecht zu erhalten [2]. Um ein Studentisches Gesundheitsmanagement (SGM) nachhaltig und erfolgreich umzusetzen, bedarf es der Partizipation von Studierenden [3].

Auch Mitglieder aus dem Fachbereich Studierende der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH) e.V. sahen sich mit den genannten Gesundheitsbelastungen konfrontiert. Daher haben sich einige nicht nur aus eigener Betroffenheit, sondern auch aus einer stellvertretenden Position für andere Studierenden heraus, mit dem Thema Studierendengesundheit und der Gestaltung gesundheitsförderlicher Strukturen an Hochschulen beschäftigt. Dabei untersuchten sie, inwieweit Studierende in SGMs aktiv mitwirken und in relevanten Netzwerken vertreten sind. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde eine bundesweite Online-Befragung zur Partizipationsbereitschaft von Studierenden durchgeführt, die sich im SGM engagieren oder dort beschäftigt sind. Dabei zeigte sich, dass der Fokus bislang oft auf der (häufig ehrenamtlichen) Mitarbeit im SGM innerhalb der Hochschule lag, wobei die Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Regel auf Gesundheitsangebote oder die Unterstützung von Befragungen beschränkt sind [4]. Um Studierenden eine Plattform für ihre Anliegen zu bieten, organisierte der Fachbereich im April 2024 in Bremen eine Tagung von Studierende für Studierende mit dem Titel „Studierende für ein gesundes Studium“, aus der ein Positionspapier resultierte. Das Positionspapier gibt Aufschluss über die Bedarfe und Forderungen Studierender zur Stärkung von Gesundheit und Wohlbefinden am Campus [5].

Insbesondere wird die Anerkennung der studentischen Diversität und die Einbindung Studierender über alle Prozess- und Gestaltungsschritte des SGMs hinweg gefordert. Für die Umsetzung sind unter anderem machtsensible Kommunikationsstrukturen, angemessene Anreiz- und Anerkennungssysteme sowie eine nachhaltige Finanzierung essenziell [5].

Der Beitrag im Symposium soll basierend auf den Erkenntnissen der Befragung und des Positionspapiers darlegen, inwieweit Studierende bereits in SGMs partizipieren und welche Forderungen sie hinsichtlich der Gesundheitsförderung von Studierenden an Hochschulakteur*innen stellen. Ferner soll, bezugnehmend auf das Positionspapier, ein gemeinsamer Austausch über relevante Handlungsempfehlungen für Hochschulen zur Förderung und Sicherstellung von Gesundheit sowie zu partizipativen Rahmenbedingungen stattfinden.

Referenzen

[1] Techniker Krankenkasse. Gesundheitsreport. Wie
geht’s Deutschlands Studierenden? 2023 [Internet]. Hamburg: Techniker
Krankenkasse; 2023 [zitiert am 11. Apr. 2025]. Verfügbar unter: https://www.tk.de/resource/blob/2149886/e5bb2564c786aedb3979588fe64a8f39/2023-tk-gesundheitsreport-data.pdf
[2] Techniker Krankenkasse. SGM – Studentisches
Gesundheitsmanagement. Handlungsempfehlungen zu Theorie und Praxis [Internet].
Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2019 [zitiert am 11. Apr. 2025]. Verfügbar
unter: https://www.kompetenzzentrum-gesunde-hochschulen.de/studentisches-gesundheitsmanagement
[3] Arbeitskreis Gesundheitsfördernde Hochschulen.
Zehn Gütekriterien für eine gesundheitsfördernde Hochschule 2020 [Internet].
2020 [zitiert am 11. Apr. 2025]. Verfügbar unter: http://www.gesundheitsfoerdernde-hochschulen.de/Inhalte/O1_Startseite/AGH-10-Guetekriterien.pdf
[4] Brandes F, Nees L, Neeland T.
Partizipationsbereitschaft von Studierenden. Unveröffentlichtes Manuskript
vorgetragen im Fachforum Gesund Studieren auf dem Kongress Armut und Gesundheit
2024 in Berlin. 2024.
[5] Deutsche Gesellschaft für Public Health,
Fachbereich Studierende. Positionspapier Studierende für ein gesundes Studium
[Internet]. 2024 [zitiert am 11. Apr. 2025]. Verfügbar unter: https://www.dgph.info/fileadmin/user_upload/PDF/Paper/Positionspapier_Studierende_fuer_ein_gesundes_Studium_27.09.2024.pdf
Frau Larissa Nees
Hochschule Fulda, Fulda
Frau Henriette Schulz
Hochschule Furtwangen, Furtwangen
#Symposium 60 #Studierendenpartizipation #Studierendengesundheit #Gesunde Hochschule #Studentisches Gesundheitsmanagement
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
SYM2
Gesundheits(kompetenz)förderung bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung: Erfahrungen, Gelingengsbedingungen und Bedarfe aus der partizipativen Praxis (D Bruland)
HL/Behinderung
Raum: Seminarraum 505 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 28)
Beiträge:
1

Hintergrund

Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (MmiB) sind in besonderem Maße von gesundheitlichen Ungleichheiten betroffen. Studien zeigen, dass sie häufiger unter chronischen Erkrankungen leiden, einen eingeschränkten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung haben und Gesundheitsinformationen oft nicht verstehen können (O’Leary et al. 2018. Latteck & Bruland 2020). Gleichzeitig mangelt es an wissenschaftlich fundierten und alltagstauglichen Konzepten zur Stärkung der Gesundheitskompetenz dieser Zielgruppe (Rathmann et al. 2019). Eine zentrale Herausforderung besteht darin, Gesundheitsförderung inklusiv, niedrigschwellig und lebensweltorientiert zu gestalten, um Teilhabe zu ermöglichen und Gesundheitschancen zu verbessern (Nadolny et al. 2023).
Ziel des Symposiums ist es, praxisbasierte Erfahrungen und wissenschaftlich gestützte Erkenntnisse zur Gesundheits(kompetenz)förderung bei MmiB zu systematisieren. Im Zentrum stehen dabei partizipative Ansätze in Lebenswelten (Schule, Eingliederungshilfe). Das Symposium diskutiert mit allen Beitragenden die Fragestellung, 1) unter welchen Bedingungen können gesundheits(-kompetenz)förderliche Prozesse gelingen, 2) welche Herausforderungen bestehen in der Umsetzung und Praxis und 3) welche konkreten Bedarfe können für die künftige Maßnahmenplanung und -umsetzung abgeleitet werden.

Methode

Die Erkenntnisse basieren auf mehreren partizipativen Projekten, die in Kooperation mit Trägern der Eingliederungshilfe und Schule, Fachkräften und Menschen mit Behinderung durchgeführt wurden. Es wurden qualitative Methoden wie Gruppengespräche, strukturierte Reflexionsrunden mit Mitarbeitenden, partizipative Entwicklung von Materialien sowie offene Beobachtungen eingesetzt. Zudem flossen Erfahrungen aus der Erprobung digitaler und analoger Lern- und Informationsformate in verschiedenen Projekten ein.

Ergebnisse

Als zentrale Gelingensbedingungen haben sich die partizipative Einbindung der Zielgruppe, eine klare Orientierung an lebensweltlichen Themen, der Einsatz barrierearmer Sprache (z. B. Leichte Sprache) sowie ein unterstützendes Setting durch Fachkräfte herausgestellt. Besonders erfolgreich waren mediengestützte Formate, z. B. kurze Videos oder interaktive Lernmaterialien, die gemeinsam mit MmiB entwickelt wurden. Eine vertrauensvolle Beziehungsebene und ausreichend zeitliche Ressourcen stellten weitere wichtige Erfolgsfaktoren dar. Gleichzeitig wurden in der Praxis strukturelle Herausforderungen deutlich: begrenzte personelle Ressourcen, unzureichende Schulung von Mitarbeitenden in Gesundheits(-kompetenz)förderung und fehlende institutionelle Verankerung von Maßnahmen zur nachhaltigen Implementierung. Auch die Heterogenität innerhalb der Zielgruppe erfordert differenzierte Angebote.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass Gesundheits(kompetenz)förderung bei MmiB möglich und wirksam ist, wenn sie bedarfsorientiert und partizipativ gestaltet wird. Die Lebensweltorientierung sowie die aktive Einbindung von MmiB in die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen fördern nicht nur Verständnis und Selbstwirksamkeit, sondern stärken auch langfristig gesundheitsbezogene Teilhabe. Es bedarf jedoch einer besseren strukturellen Unterstützung, insbesondere in Form von Finanzierung, politischer Rahmensetzung und einer verbindlichen Verankerung im Alltag von Einrichtungen der Eingliederungshilfe.
Gesundheits(-kompetenz)förderung bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung muss systematisch ausgebaut werden. Dafür sind Fortbildungsangebote für Fachkräfte, zielgruppenspezifische Materialien in Leichter Sprache und nachhaltige Strategien erforderlich, um Gesundheitskompetenz als Querschnittsaufgabe in der Eingliederungshilfe zu etablieren. Partizipation ist dabei nicht nur ein methodisches Prinzip, sondern eine Voraussetzung für gelingende und gerechte Gesundheitsförderung.

Referenzen

[1] Latteck ÄD, Bruland D. Inclusion of People with Intellectual Disabilities in Health Literacy Lessons Learned from Three Participative Projects for Future Initiatives. Int. J. Environ. Res. Public Health 2020; 17, p. 2455.
[2] Nadolny S, Bruland D, Grunwald M, Gröndahl A, Grammatico J, Richter MT, et al. Case management and care expertise as a prevention approach for adults with intellectual disabilities (FaPP-MgB): study protocol for a randomized-controlled trial. Trials 2023; 24, p. 136.
[3] O’Leary L, Cooper SA, Hughes-McCormack L. Early death and causes of death of people with intellectual disabilities: A systematic review. J. Appl. Res. Intellect. Disabil. 2018; 31, p. 325–42.
[4] Rathmann K, Nellen C, Brambrink J, Krause C. Gesundheitsbezogene Lebensqualität von Beschäftigten in Werkstätten für Menschen mit Behinderung: soziale und behinderungsspezifische Unterschiede. Prävention und Gesundheitsförderung 2019; 14(3), p. 248–55.
Herr Dr. Dirk Bruland
Hochschule Bielefeld, Bielefeld
Frau Prof. Dr. Katharina Rathmann
Hochschule Fulda, Fachbereich Gesundheitswissenschaften, Public Health Zentrum Fulda (PHZF), Fulda
#Symposium 60 #Menschen mit geistiger Beeinträchtigung #Gesundheitskompetenz #Ko-Kreation #Partizipative Gesundheitsforschung
2
Hintergrund:
Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen sowie Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf zählen zu Bevölkerungsgruppen in besonders vulnerablen Lebenslagen im Hinblick auf gesundheitliche Chancengleichheit. Studien zeigen, dass sie in einem erhöhten Maße gesundheitsbezogene Risiken aufweisen, dabei jedoch über eine geringe Gesundheitskompetenz verfügen [1, 2, 4]. Gleichzeitig bestehen strukturelle Barrieren in der Kommunikation von, der barrierearmen Verfügbarkeit und Zugang zu Gesundheitsinformationen sowie niedrigschwelligen, adressatengerechten (digitalen) Angeboten. Vor diesem Hintergrund zielen die Projekte "SKoL" („Substanzmittel-Kompetenz-Toolbox“) und "Gesundheitschamps" auf eine partizipative, lebensweltorientierte Förderung der Gesundheitskompetenz von Menschen mit Behinderungen und Heranwachsende mit sonderpädagogischem Förderbedarf ab.

Methoden:
Das Projekt "SKoL", ein Kooperationsprojekt des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Recklinghausen gGmbH und der Hochschule Fulda, verfolgt das Ziel, die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Substanzmitteln (z. B. Alkohol, Tabak, Energydrinks) bei Menschen mit sog. geistiger Behinderung zu stärken [3, 4]. Dabei wurden in einem partizipativen Entwicklungsprozess digitale, audiovisuelle und analoge Informations- und Lernmaterialien in Leichter Sprache konzipiert, erprobt und wissenschaftlich evaluiert. Die Evaluation umfasste u. a. Fragebögen in Leichter Sprache zur substanzbezogenen Wissenskompetenz. Die Ergebnisse weisen auf eine Verbesserung der Wissens-Kompetenz, nicht jedoch der Handlungskompetenz, im Nachgang der Intervention hin.
Das Projekt "Gesundheitschamps" legt den Fokus auf die Förderung von Gesundheitswissen und gesundheitsbezogener Handlungskompetenz bei Schüler*innen mit Förderbedarf der Sekundarstufe 1 [2]. Die Erprobung und Evaluation erfolgte in Förderschulen mit Schwerpunkt Lernen oder/und Geistige Entwicklung. Es kamen alltagsnahe, interaktive Methoden und Formate zum Einsatz, etwa in Form audiovisueller Materialien (mind. 2-Sinne-Prinzip), Wissens-Quizze, spielerische Anwendungen zu den Schwerpunkten, allgemeine und digitale Gesundheitskompetenz, psychische Gesundheit, Substanzen (u. a. Cannabis, Energy-Drinks), Bewegung, Ernährung, Klimawandel und Gesundheit.

Ergebnisse:
Die Evaluationsergebnisse aus SKoL zeigen, dass insbesondere audiovisuelle und interaktive Formate in Leichter Sprache gut angenommen wurden und den Zugang zu gesundheitsbezogenen Themen erleichterten. Die gemeinsame Entwicklung mit Nutzer*innen erhöhte die Relevanz und Akzeptanz der Materialien. Fachkräfte berichteten von einer höheren Motivation und Beteiligung der Teilnehmenden sowie einer Verbesserung des gesundheitsbezogenen Gesundheitskompetenz.
Im Projekt Gesundheitschamps konnte gezeigt werden, dass Schüler*innen mit und ohne Förderbedarf gleichermaßen vom niederschwelligen Zugang zu Gesundheitswissen profitierten. Die niedrigschwellige Gestaltung, der spielerische Zugang und die Einbettung in den Schulalltag förderten die Auseinandersetzung mit den o. g. Schwerpunkten der Gesundheits(-kompetenz)förderung. Besonders erfolgreich waren Einheiten unter Berücksichtigung von digitalen Endgeräten, spielerische Zugänge und individualisierte Zugangsmöglichkeiten. Nach der Erprobungsphase (12 Monate) konnten erste Wirksamkeitsnachweise in Form einer verbesserten Wissens-Kompetenz festgestellt werden.

Diskussion:
Beide Projekte verdeutlichen, dass adressatengerechte und partizipative Ansätze in der Gesundheitskompetenzförderung wirksam sind. Essenziell sind die Einbeziehung der Zielgruppe in die Entwicklung der Materialien, die Berücksichtigung sprachlicher und kognitiver Zugänge sowie die kontextbezogene Umsetzung in Schule und Eingliederungshilfe. Fachkräfte benötigen unterstützende Rahmenbedingungen, Fortbildungen und flexible Materialien, um Gesundheits(-kompetenz)förderung nachhaltig umzusetzen.
Die Projekte SKoL und Gesundheitschamps liefern praxisnahe und übertragbare Bestandteile zur Stärkung von Gesundheitskompetenz in Lebenswelten. Sie zeigen: Gesundheitskompetenzförderung bei Menschen mit Unterstützungsbedarf ist möglich – vorausgesetzt, sie ist alltagsnah, partizipativ und spielerisch gestaltet. Die digitale Verfügbarkeit und Umsetzung unterstützt dabei und erweitert die Nutzungsmöglichkeiten.

Referenzen

[1] Lutz J, Rathmann K. Gesundheitskompetenz von Schulkindern mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung: Bedarfe und Herausforderungen in der Förder- und inklusiven Grundschule. In: Rathmann K, Dadaczynski K, Okan O, Messer M, Hrsg. Gesundheitskompetenz. Berlin, Heidelberg: Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit. Springer; 2023. S. 1–15.
[2] Rathmann K, Sendatzki S, Landwehr C. Das Projekt „Gesundheitschamps – wir wissen um unsere Gesundheit Bescheid“. Präv
Gesundheitsf. 2024. DOI: https://doi.org/10.1007/s11553-024-01164-6[3] SKoL – Substanzmittel Kompetenz TOOLBOX [Internet]. [zitiert 2025 Feb 14]. Verfügbar unter: https://skol-substanzbox.de/
[4] Rathmann K, Karg S, László E, Schneider C. Bericht zur wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation des Projekts „Toolbox zur Stärkung der Gesundheitskompetenz im Bereich Substanzmittelkonsum von und für Menschen mit geistiger Behinderung (SKoL)“. Ein Kooperationsprojekt des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Recklinghausen gGmbH und der Hochschule Fulda. 2024 [zitiert 2025 Apr 6].
Frau Prof. Dr. Katharina Rathmann
Fachbereich Gesundheitswissenschaften, Hochschule Fulda, Hochschule Fulda
#Symposium 60 #Gesundheitliche Chancengleichheit #Partizipative Ansätze #Digitale Gesundheitsinterventionen #Teilhabe #Eingliederungshilfe #Schule #Leichte Sprache #Förderbedarf
3

Hintergrund

Regelmäßige körperliche Aktivität hat positive Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden (Schuch et al., 2020). Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen (MmiB) zeigen im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung ein signifikant niedrigeres Aktivitätsniveau, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Während die Bewegungsempfehlungen der WHO von 150 Minuten körperlicher Aktivität pro Woche in der Allgemeinbevölkerung von fast 50% erfüllt werden, sind es bei MmiB weniger als 10 % (Dairo et al., 2016). Reguläre Programme zur Bewegungsförderung berücksichtigen nur unzureichend die Bedarfe von MmiB, jedoch sind zielgruppengerechte Programme zur Bewegungsförderung rar (Kreinbucher-Bekerle et al. 2022, Mauro et al. 2022). Um diese Lücke zu schließen wurde eine multimodale Intervention zur Bewegungsförderung von MmiB entwickelt, die von dem partizipativen Ansatz profitierte.

Methode

Die Entwicklung folgte dem Ansatz der partizipativen Gesundheitsforschung, der die partnerschaftliche Durchführung von Forschung als eine Koproduktion verschiedener Akteure versteht (Wright et al. 2021). Zwei Arbeitsgruppen wurden gegründet:
1) Alle Projektphasen wurden mit einer Planungsgruppe mit zwei MmiB abgestimmt.
2) Forschungs- und entwicklungsbezogene Aktivitäten wurde mit einer Forschungsgruppe mit sechs MmiB umgesetzt.
Zu den genannten Gruppen gehörten weiterhin eine Projektkoordinatorin der Praxiseinrichtung und ein akademisch ausgebildeter Forscher.

Ergebnisse

Durch den partizipativen Ansatz konnten sehr heterogene Bedürfnisse und Perspektiven von MmiB im Entwicklungsprozess sichtbar gemacht werden. Beispielsweise entwickelte die Forschungsgruppe verschiedene Umfragen zur Bedarfsanalyse und zu Perspektiven von MmiB auf körperliche Aktivität. Die Erhebungsinstrumente adressierten relevante Themen von MmiB in einer für sie geeigneten Form. Die Ergebnisse wurden mit der Forschungs-AG diskutiert. Missverständnisse in der Motivation zur Bewegungsförderung wurden aufgedeckt und zielgruppengerechte Faktoren kamen als Basis für die Programmentwicklung zur Anwendung. Orientiert an den Ergebnissen wurden verschiedene zentral für das Konzept enthaltende Übungen für Alltagsbewegungen gemeinsam erprobt. Durch thematische Module, die in kleine Einheiten unterteilt sind, kann das Angebot zur Bewegungsförderung flexibel auf real bestehende Anforderungen der MmiB abgestimmt werden. Mögliche Barrieren wurden vor Implementierung ständig in beiden partizipativen Gruppen erörtert und erfolgreich umgangen. Zum Beispiel erscheint oft der Titel eines Bewegungsprogramms bereits demotivierend. Der Titel dieser Intervention wurde von der Planungsgruppe gewählt, der ein hohes Interesse in der Zielgruppe erweckt. Für die Module und die enthaltenden Übungen konnte ebenfalls eine hohe Akzeptanz erreicht werden.
Der erfolgreiche Ansatz wird in einem Nachfolgerprojekt PASpo-ID ausgebaut. Zusammen mit österreichischen Partnern werden dieses und ein weiteres Bewegungsprogramm im Tausch getestet, um Erfolgskriterien zur Bewegungsförderung von MmiB zu identifizieren. Hierfür ist ein weitreichender Einsatz von partizipativen Methoden wie Design-Workshops, inklusiven Fokusgruppen, Co-Design-Sitzungen, User Journey Mapping, Prototyping und Usability-Tests geplant. Die Zusammenarbeit ermöglicht von unterschiedlichen Erfahrungen und Best Practices zu profitieren, um wichtige Erkenntnisse zu gewinnen und Interventionen zur Bewegungs- und Gesundheitsförderung weiter für die Zielgruppe zu optimieren.

Diskussion

Durch den partizipativen Ansatz können reale Lebensbedingungen und vorhandene bewegungsbezogene Gesundheitskompetenzen von MmiB erfolgreich berücksichtigt werden, um einen aktiven Lebensstil unter Berücksichtigung von Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit zu fördern. Ein vielversprechender Weg für die weitere Erkundung von Erfolgskriterien und zielgruppengerechter Programmentwicklungen ist der Ausbau des partizipativen Ansatzes. Die partizipative Methode fördert zudem das Gefühl der Eigenverantwortung und Identifikation mit den Angeboten, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie tatsächlich genutzt werden.

Referenzen

[1] Dairo YM, Collett J, Dawes H, Oskrochi GR. Physical activity levels in adults with intellectual disabilities: A systematic review. Preventive medicine reports, 2016 (4), 209–19.
[2] Kreinbucher-Bekerle C, Melville C, Wells JSG, Ruf W. The relationship between direct care providers' physical activity behaviour and perceived physical activity needs for people with intellectual disabilities. JIDR 2022;66(12), 1023–33.
[3] Mauro A, Bruland D, Latteck ÄD. With Enthusiasm and Energy throughout the Day: Promoting a Physically Active Lifestyle in People with Intellectual Disability by Using a Participatory Approach. International Journal of Environmental Research and Public Health. 2021; 18(23):12329.
[4] Schuch FB, Vancampfort D, Firth J, Rosenbaum S, Ward PB, Silva ES, et al. Physical Activity and Incident Depression: A Meta-Analysis of Prospective Cohort Studies. The American journal of psychiatry, 2018;175(7), 631–48.
[5] Wright M, Allweiss T, Schwersensky
N. Partizipative Gesundheitsforschung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung, editors. Leitbegriffe
der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und
Methoden. Köln: BzgA; 2021. o. S.
Herr Dr. Dirk Bruland
Hochschule Bielefeld, Bielefeld
#Symposium 60 #Bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz #Menschen mit geistiger Beeinträchtigung #Gesundheitliche Chancengleichheit #Partizipative Gesundheitsforschung
4

Hintergrund

Menschen mit Behinderungen verbringen einen Großteil ihres Alltags in speziellen Wohnformen oder Werkstätten. Um ihre Gesundheitschancen zu verbessern, ist es entscheidend, gesundheitsfördernde Maßnahmen direkt in diesen Lebenswelten zu implementieren und sie bei der Maßnahmenplanung aktiv einzubeziehen.

Methode

In Zusammenarbeit mit der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) wurden drei Berliner Einrichtungen der Eingliederungshilfe über zwei Jahre bei der Einführung gesundheitsfördernder Prozesse begleitet. Im Zentrum stand ein Fachberatungskonzept, das Mitarbeitende, Leitungspersonal, Bewohner:innen und Werkstattbeschäftigte gleichermaßen einbindet. Der partizipative Entwicklungsprozess mündete in einem praxisorientierten Leitfaden sowie einer Instrumentenbox mit niedrigschwelligen Materialien, die Einrichtungen dabei unterstützen, den Prozess eigenständig weiterzuführen. Die Materialien sind barrierearm gestaltet, visuell aufbereitet und in einfacher Sprache formuliert – und damit Ausdruck einer konsequent teilhabeorientierten Gestaltung.
Parallel dazu erarbeitete die Hochschule Bielefeld ein modulares Portfolio mit verhaltens- und verhältnisbezogenen Maßnahmen in den Bereichen Bewegung, Entspannung, Suchtprävention und Ernährung. Die Maßnahmen wurden auf Basis von Interviews und Rückmeldungen aus der Praxis konzipiert und ermöglichten es Einrichtungen, passgenaue Angebote entsprechend ihrer Rahmenbedingungen zu kombinieren.
Das nexus Institut begleitete das Projekt mit einer Evaluation, bei der besonders darauf geachtet wurde, wie die partizipativen Elemente des Projekts zur Stärkung von Selbstwirksamkeit, Teilhabe und organisationalem Wandel beitrugen. ​Die Evaluation zeigte: Wo Fachkräfte, Nutzer:innen und Träger gemeinsam an gesundheitsfördernden Veränderungen arbeiten, entstehen tragfähige Strukturen und ein stärkeres Gesundheitsbewusstsein im Alltag der Einrichtungen.

Ergebnisse

Das Projekt konnte aufzeigen, wie durch partizipative Prozesse Gesundheitsförderung in Einrichtungen verankert werden kann – nicht als Zusatzaufgabe, sondern als Teil der alltäglichen Praxis. Die entwickelten Materialien unterstützten Einrichtungen dabei, eigene Wege zu finden und die Perspektiven von Menschen mit Behinderung systematisch einzubeziehen. Damit trug das Projekt zu mehr gesundheitlicher Chancengerechtigkeit und Teilhabe bei.

Diskussion

Durch die Verbindung von partizipativer Prozessberatung, niedrigschwelligen Materialien und flexiblen Maßnahmenangeboten entstanden neue Möglichkeitsräume für inklusive Prävention. Das Projekt leistete so einen praxisnahen Beitrag zur Umsetzung des Präventionsgesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention – indem es Menschen mit Behinderung als aktive Gestalter:innen ihrer Gesundheitsumwelt ernst nimmt.
Frau Marisa Kruchen
Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek), Berlin
#Symposium 60 #Gesundheitliche Ungleichheit #Menschen mit geistiger Beeinträchtigung #Gesundheitsförderung & Prävention
5
Einzelbeitrag für das Symposium mit der Einreichungsnummer 254 und den Titel „Gesundheits(kompetenz)förderung bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung: Erfahrungen, Gelingengsbedingungen und Bedarfe aus der partizipativen Praxis“.

Einzelbeitrag:

Die Förderung der Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen ist ein zentrales Element nachhaltiger Gesundheitsförderung, da gesundheitsrelevante Verhaltensweisen bereits in der Kindheit geprägt werden. Die Schule als sekundäre Sozialisationsinstanz ist eine Schlüsselrolle in der gesundheitlichen und psychosozialen Entwicklung der Heranwachsenden [1]. Im Land Bremen ist die Entwicklung aller Schulen zu inklusiven Schulen seit dem Schulgesetz von 2009 gesetzlich verankert. Darüber hinaus wurde der Gesundheitsaspekt als Kriterium in den Orientierungsrahmen Schulqualität aufgenommen.
Das von der AOK Bremen/Bremerhaven und der hkk Krankenkasse geförderte Projekt „Move [muv] in Schulen - gemeinsam viel bewegen!“ untersucht die Gesundheitsförderung an Bremer Schulen mit Fokus auf Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Wahrnehmung und Entwicklung. Grund hierfür ist, dass Menschen mit einer sogenannten geistigen Beeinträchtigung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung höheren Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind und gleichzeitig vielfältige Barrieren beim Zugang zu Gesundheitsinformationen und -angeboten aufweisen [2].
Neben einer Erhebung zum Status quo durch Lehrerbefragungen wurden Gesundheitsworkshops mit Schülerinnen und Schülern inklusiver Klassen durchgeführt, um gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen zu identifizieren. Weiter hatten die Gesundheitsworkshops zum Ziel, die Gesundheitskompetenz der Schülerinnen und Schülern zu stärken.
Die Ergebnisse der Workshops verdeutlichen die zentrale Rolle der Erwachsenen - dazu zählen Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte, Klassenassistenzen, persönliche Assistenzen und weitere - im inklusiven Klassenverband für die erfolgreiche Umsetzung gesundheitsförderlicher Maßnahmen. Ihre Haltung, ihr Engagement und ihre Fähigkeit zur individuellen Begleitung sind maßgeblich entscheidend für die Wirksamkeit von Interventionen und damit auch für die Stärkung der Gesundheitskompetenz bei Schülerinnen und Schülern mit besonderem Unterstützungsbedarf.
Der Beitrag beleuchtet Gelingensbedingungen und -bedarfe für eine erfolgreiche Gesundheitsförderung im inklusiven schulischen Setting. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen dabei die strukturellen und personellen Voraussetzungen sowie die Rolle der multiprofessionellen Zusammenarbeit.

Referenzen

[1] Marchwacka M. A. Gesundheitsförderung – eine pädagogische Herausforderung?. In: Marchwacka M. A., Hrsg. Gesundheitsförderung im Setting Schule. Wiesbaden: Springer VS, 2013: 11-28. DIO: 10.1007/978-3-658-00528-3_1.
[2] Wetzel L. D., Rathmann K. Inanspruchnahme und wahrgenommene Barrieren des Gesundheitswesens bei Menschen mit Behinderung in Deutschland: Ergebnisse des GEDA 2014/2015-EHIS-Survey. Prävention und Gesundheitsförderung. 2020; (15): 332–339. DOI: 10.1007/s11553-020-00768-y.
Frau Fenja Brandes
Special Olympics Deutschland im Land Bremen e.V., Bremen
Special Olympics Deutschland im Land Bremen e.V., Bremen
#Symposium 60
6

Hintergrund

Als gering literalisiert gelten Personen, die allenfalls einfache Sätze lesen und schreiben können. Laut der repräsentativen LEO-Studie gelten 6,2 Millionen Personen bzw. 12,1% der erwerbstätigen Bevölkerung in Deutschland als gering literarisiert (Grotlüschen et al. 2020). Eng mit grundlegenden Lese- und Verständnisfähigkeiten sind Gesundheitskompetenzen verknüpft. Bislang fehlte es für gering literarisierte Menschen an konkreten zielgruppenspezifischen Fördermaßnahmen, die zur Verbesserung ihrer Gesundheitskompetenz beitragen. Um diese Lücke zu schließen, entstand ein Forschungs-Praxis Projekt (DiGeKo) des Instituts für Interdisziplinäre Genderforschung und Diversity in Kooperation mit dem Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit (FH Kiel). In Kooperation mit verschiedenen Partnerinstitutionen aus der Praxis der Alphabetisierung und Gesundheitsförderung wurde in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit Betroffenen eine kultursensible App ohne Lesetexte entwickelt, die Menschen mit Alphabetisierungsbedarf leichten Zugang zu vertrauenswürdigen Gesundheitsinformationen gibt und so eine bessere gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.

Methode

Durch Partizipation gelang ein agiler Entwicklungsprozess, der einen ständigen Austausch auf Augenhöhe zwischen der Zielgruppe und den Projektdurchführenden beinhaltete. Bestehende Arbeitskreise und Stadtteilkonferenzen dienten als Zugangswege, um Menschen zu erreichen, die nicht oder nur eingeschränkt lesen und schreiben können. Diese konnten die Prototypen der App testen und ihr Feedback einbringen. Vor der Entwicklungsphase wurden qualitative Interviews mit der Zielgruppe geführt, um Bedarfe zu erfassen und Strategien im Umgang mit dem Gesundheitssystem zu erkennen.

Ergebnisse

Aufgrund des Fokus auf visuelle Elemente und Informationen in einfacher Sprache ist die App für eine breite Zielgruppe geeignet. Die Navigation ist dazu sehr übersichtlich gestaltet. Die App hat den Fokus auf Gesundheitsinformation mithilfe von Video- und Audioformaten in einfacher Sprache gelegt. Nutzer:innen finden beispielsweise Hilfestellungen für die Vorbereitung ihres Besuchs von Ärzt:innen, zum Verständnis eines Beipackzettels oder zum Einlösen eines Rezeptes. Ein mehrsprachiges Angebot ist das langfristige Ziel für die App und konnte jetzt durch die Website https://digeko.net/ z.T. schon ermöglicht werden. So profitieren ebenfalls Menschen mit Fluchterfahrung von der DiGeKo-App. Die zielgruppengerechte Entwicklung konnte nur durch den Austausch mit potentiellen Nutzer:innen erreicht werden.
Eine Herausforderung ist die nachhaltige Verbreitung des Angebots, um auch neue Anforderungen im Gesundheitswesen mitzudenken. Zur nachhaltigen Verbreitung und Optimierung des Angebotes erfolgte die Gründung des Kompetenznetzwerkes DiGeKo-Net, welches von der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Schleswig-Holstein e.V. koordiniert wird. Das Netzwerk besteht aus verschiedenen Akteuren der Forschung und Praxis und arbeitet nun an der Weiterentwicklung der Angebote, die auch auf der Homepage leicht zugänglich sind. Weiterhin wird der Kontakt zu Nutzenden für die Weiterentwicklung aufrechterhalten.

Diskussion

Diese App ermöglicht gering literalisierten Menschen mit und ohne Migrationshintergrund mithilfe digitaler Medien einen einfachen Zugang zu Gesundheitsinformationen und fördert ihre gesellschaftliche Teilhabe. Das Ende 2023 gegründete Kompetenznetz „DiGeKo-Net“ engagiert sich für die gesundheitlichen Belange und den digitalen Kompetenzerwerb dieser Zielgruppe und fördert die Verbreitung der kostenfreien App. Zudem bietet es Raum für fachlichen Austausch, kollegiale Beratung und Öffentlichkeitsarbeit.

Referenzen

[1] Grotlüschen A, Buddeberg K, Solga, H. Leben mit geringer Literalität – ein Paradigmenwechsel. In: Grotlüschen A, Buddeberg K, editors. Leo 2018 Leben mit geringer Literalität. Bielefeld: wbv; 2020. p. 5 – 11.
Herr Michael Schwarz
Edition MedGuide, Husum
Frau Corinna Buschmann
Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Schleswig-Holstein e.V., Kiel
#Symposium 60 #Personen mit geringer Literalität #Gesundheitliche Chancengleichheit #Gesundheitskompetenz #Prävention und Gesundheitsförderung
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
WS1
Die Zusatz-Weiterbildung Sozialmedizin. Die modulare Kurs-Weiterbildung als Herausforderung und Chance für die Gewährleistung personbezogener selbstbestimmter Teilhabe und interprofessioneller Ko-Kreation im funktional differenzierten Gesundheitssystem
Sozialmedizin
Raum: Seminarraum 507 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beitrag:
1
Hintergrund
Sozialmedizin als bundesrepublikanisches Spezifikum ist als Wissenschaft charakterisiert durch ihre Interdisziplinarität in Methodik und Wissenstransfer sowie in praktischer Dimension wesentlich durch die Koordination gelungener Kooperation medizinischer und sozialer Professionen [1]. Die Sozialmedizin bildet in ihren induktiv-individualmedizinisch fundierten Interventionen das Pendant zu deduktiv-normativen Konzeptionen des Public Health in dessen sozialhygienischer Tradition [2, 3]. Der wesentlich koordinativen Schlüsselrolle von Sozialmedizinerinnen und Sozialmedizinern im funktional ausdifferenzierten Sozial- und föderal administrierten Gesundheitssystem korrespondiert auf der Grundlage der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) und deren Operationalisierung im (Muster-)Kursbuch (MKB) Sozialmedizin der Bundesärztekammer die dezidierte, länderspezifisch adaptierte, umfängliche und ausdifferenzierte Regulierung der – eine obligat fachärztliche Qualifikation voraussetzenden – sozialmedizinischen Zusatz-Weiterbildung (ZWB).

Nach der MWBO umfasst die ZWB Sozialmedizin die Bewertung von Art und Umfang gesundheitlicher Störungen, die Beurteilung von deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und selbstbestimmte Partizipation unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen Krankheit, Gesundheit, Gesellschaft und Individuum, die sachkundige Steuerung von dessen sozialgesetzlich verbriefter Integration sowie die versorgungsrelevante Beratung der Sozialleistungsträger. Entsprechend des MKB ist sozialmedizinische Expertise erforderlich bei der Interpretation von handlungsleitenden Begriffen wie Krankheit,Behinderung, Arbeitsunfähigkeit, Invalidität, aber auch Rehabilitation, Rente, ebenso MdE, GdB, GdS, Leistungsvermögen, Teilhabe und den damit verbundenen Versicherungsansprüchen [4].

Laut MKB zielt dann demzufolge die sozialmedizinische Weiterbildung auf die Befähigung, innerhalb des gegliederten Systems der sozialen Sicherung personzentriert – in Anwendung des bio-psycho-sozialen Modells und der daraus abgeleiteten ICF – die Versorgung von Patienten zu bahnen, diese zu beraten und im Auftrag der Sozialleistungsträger zu begutachten. Ziel sozialmedizinischer Expertise ist – Individuum zentriert – frühzeitig Teilhabebedarfe zu identifizieren, die indizierten Leistungen untereinander sowie diese mit adäquaten Versorgungsformen im Gesundheits- und Sozialsystem zu synchronisieren sowie die Akteure kompetent und zielgerichtet anzuleiten, systemimmanent Ressourcen des Gesundheits- und Sozialsystems zweckbestimmt und nachhaltig zu nutzen.

In Rückbesinnung auf die bis ins Kursbuch des Jahres 2010 tradierte Weiterbildungsprogrammatik im Sinne der „Entwicklung einer sozialmedizinischen Identität“ können durch die interdisziplinär strukturierten Kursinhalte zum Erwerb oder der Vertiefung kognitiver und Methoden- sowie Handlungskompetenz über die auf reinen Obliegenheiten- und Aufgabenerfüllung zentrierte interprofessionelle Kooperation hinaus im gelingenden Diskurs und horizonterweiternder Hospitationen perspektivisch Impulse gesetzt werden für eine systemgestaltende Ko-Kreation. Wichtig wäre – in Anbetracht der facettenreichen sozialmedizinischen Institutionen und trägerspezifischen Versorgungseinrichtungen – neben einer Flexibilisierung des praktischen Erwerbs von „Weiterbildungsinhalten unter Befugnis“ – gerade auch im Hinblick auf eine Äquivalenz der durch Ärztekammern der Bundesländer regulierten Weiterbildung – eine noch ausstehende Harmonisierung der Strukturierung und Durchführung der 320-stündigen Kurs-Weiterbildung, verteilt auf je acht einwöchige Module.

Methode
Workshop zum Gedankenaustausch und konstruktiver Dialog seitens Vertreterinnen/Vertretern aus den sozialmedizinischen Akademien der Länder, erfahrener Referentinnen/Referenten bei den Sozialmedizinkursen, Weiterbildungsbefugter für Sozialmedizin, Führungspersönlichkeiten aus sozialmedizinischen Institutionen, akademisch Lehrender und sozialmedizinisch Interessierter durch Moderation von Mitgliedern des Ressorts „Praktische Sozialmedizin und Rehabilitation“ der DGSMP. Schwerpunkte mit Blick auf die Länderspezifika sind: ​​
  • Organisation der Module, Formate und Lehreinheiten (physische und virtuelle Präsenz, Blended-Learning, E-Learning)
  • Realisierung und Integration von Exkursionen (Betriebe, Sozialgericht etc.)
  • Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit der Akademien (z. B. hinsichtlich Referenten, E-Learning)
Diskussion
Der Workshop will diskursiv ko-kreativ die Basis schaffen für eine reguläre Institutionalisierung eines Kolloquiums sozialmedizinischer Akademien bei den DGSMP-Jahrestagungen.

Referenzen

[1] Gaertner T, von Mittelstaedt G. DGSMP – Interdisziplinarität zur Förderung von Sozialmedizin und Prävention. Gesundheitswesen 2016; 78: 120-125.
[2] Niehoff J-U, Schneider F. Sozialhygiene – das Ende einer akademischen Disziplin? In: Abholz H-H, Hrsg. Jahrbuch für Kritische Medizin. Band 18. Kritische Medizin im Argument. Wer oder was ist „Public Health“. Sonderband AS 198. Hamburg: Argument-Verlag; 1992: 54-77.
[3] Klemperer D. Sozialmedizin – Public Health – Gesundheitswissenschaften. Lehrbuch für Gesundheits- und Sozialberufe. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Bern: Hogrefe AG; 2020.
[4] Bundesärztekammer, Hrsg. (Muster-)Kursbuch Sozialmedizin auf der Grundlage der (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018. 2. Auflage. Berlin: Bundesärztekammer; 2022.
Herr Dr. med. Thomas Gaertner
Medizinischer Dienst Hessen, Oberursel
#Workshop 60 #Sozialmedizin #Weiterbildung #sozialmedizinische Akademien #biopsychosoziales Modell #Versicherungsmedizin
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
WS3
LSBTQ-sensible Versorgung fängt mit der Lehre an – ein Workshop zur Verbesserung der Lehre über die LSBTQ-sensible Gesundheitsversorgung im Medizinstudium
LGBT
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Beitrag:
1
LSBTQ-Personen (lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer) haben spezielle Bedarfe in der Gesundheitsversorgung – von erhöhter Einsamkeit, über sexuell übertragbare Erkrankungen bis hin zu medizinischer Transitionsbegleitung für Trans oder Non-binäre Personen. Gleichzeitig machen LSBTQ-Personen häufig eigene Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitssystem.[1,2] In der internationalen Forschung geben Ärzt*innen häufig Unsicherheiten im Umgang oder Wissenslücken zu LSBTQ-Personen und LSBTQ-assoziierten Themen an. [3]
Im Medizinstudium sind Inhalte zur Versorgung von LSBTQ-Personen bisher nicht flächendeckend verankert. [4] An einigen Universitäten gibt es hierzu einzelne Lehrveranstaltungen, wie bspw. in Berlin, Greifswald und Leipzig.

Ziel dieses Workshops der Arbeitsgruppe Sexuelle und Geschlechtliche Diversität (Ressort 9) ist eine Bestandsaufnahme vorhandener Lehrangebote, um ein Best-Practice Konzept zu identifizieren und ein Leitbild für die Lehre zu entwickeln.

Beantwortet werden folgende Fragen: Was wird benötigt, um die Lehre und daraus resultierende Versorgung von LSBTQ-Patient*innen zu verbessern? Welche Ansätze gibt es bereits und wie lassen sich diese in Handlungsempfehlungen übertragen?
In diesem Workshop sollen aktuelle Lehrformate verschiedener Universitäten zusammengetragen und diskutiert werden. Anschließend werden verschiedene mögliche Themenschwerpunkte der inklusiven Lehre in Gruppen, inklusive passender didaktischer Methoden diskutiert und erarbeitet. Dabei wird es neben allgemeinen Themen, wie einer LSBTQ-freundlichen Praxisgestaltung, auch um gruppenspezifische Bedarfe wie die medizinische Transitionsbegleitung von Trans oder Nonbinären Personen und besondere Gesundheitsrisiken wie Einsamkeit, Mentale Gesundheit oder STI-Prävention gehen. [5] Der Workshop bietet auch Raum für einzelne, von den Teilnehmenden, gewünschte Themengebiete.
Final kann durch abgeleitete Handlungsempfehlungen für die curriculäre Lehre der Humanmedizin die zukünftige Ausbildung von Ärzt*innen verbessert werden.

Referenzen

[1]             Pöge K, Dennert G, Koppe U, Güldenring A, Matthigack E, Rommel A. Die gesundheitliche Lage von lesbischen, schwulen, bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen. 2020.
[2]             De Vries L, et al. LGBTQI*-Menschen am Arbeitsmarkt: hoch gebildet und oftmals diskriminiert. DIW Wochenbericht 36 / 2020, S. 619-627.
[3]              Hinchliff S, Gott M, Galena E. 'I daresay I might find it embarrassing': general practitioners' perspectives on discussing sexual health issues with lesbian and gay patients. Health Soc Care Community. 2005;13(4):345-53.
[4]             Brandt G, Prüll L, Paslakis G. LGBTIQ+Related Healthcare Aspects in Medical Education in Germany. Psychother Psychosom Med Psychol. 2022;72(9-10):397-409.
[5]           Herrmann WJ, Buspavanich P, Oeser P, Berger M, Lech S, Gellert P. Veränderung hausärztlicher und psychotherapeutischer Versorgung in Deutschland während der ersten beiden COVID-19-Lockdowns 2020 und 2021: Zwei Befragungswellen unter Berücksichtigung von Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. 2023;177:26-34.
Frau Anna Wittenstein
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin
Herr Malte Radde
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin
Frau Gerda Matzel
Frau Simone Spangler M.A.
Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport, Berlin
Studium der Sportwissenschaften, Musik und Psychologie. Lehre und Forschung, Sporttherapie, sportpsychologische Betreuung und Beratung (asp), Musikphysiologie und systemische Beratung (SG)
Frau Rieka von der Warth
Universitätsklinikum Bonn Institut für Hausarztmedizin, Bonn
Herr Dr. med. Philip Oeser
Charité - Universitätsmedizin Berlin Institut für Allgemeinmedizin, Berlin
Herr Prof. Dr. med. Wolfram Herrmann
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin
#Workshop 60 #LGBTQI related health #Bewegte Hochschullehre #Diversitätskompetenz
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
WS2
Partizipation in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung: Erkenntnisse aus dem Projekt KlimaKiez Badstraße und gemeinsame Reflexion zu Herausforderungen und Gelingensbedingungen anhand der Good Practice-Kriterien
Kommune und Kommunikation
Raum: Seminarraum 536 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beitrag:
1

Hintergrund

Partizipation gilt als zentrales Prinzip in der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung und ist eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltige Veränderungen. Die Kriterien guter Praxis der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung bieten Fachkräften ein praxisnahes Instrument zur Qualitätsentwicklung. Doch wie lässt sich Partizipation konkret und nachhaltig in der Praxis umsetzen? Und welche Strukturen fördern oder behindern Ko-Kreation auf Augenhöhe?
Ziel des Workshops: In diesem Beitrag stellen wir die Good Practice-Kriterien mit Fokus auf Partizipation vor und diskutieren deren Anwendung am Beispiel des Projekts KlimaKiez Badstraße. Dieses Projekt verbindet Klimaanpassung mit partizipativer Gesundheitsförderung im Quartier und stärkt die Selbstorganisation von Bewohner*innen. Gemeinsam mit den Teilnehmenden und Vertreter*innen der AG Qualitätsentwicklung und Good Practice beleuchten wir Gelingensbedingungen, Herausforderungen und Reflexionsfragen zur praktischen Umsetzung von Partizipation in der Gesundheitsförderung.

Methode

Im interaktiven Workshop erhalten die Teilnehmenden Impulse zur praktischen Anwendung der Good Practice-Kriterien mit Fokus auf Partizipation. Das Projekt KlimaKiez Badstraße dient als konkretes Beispiel, das Klimaanpassung mit partizipativer Gesundheitsförderung im Quartier verbindet.
In dialogischen und interaktiven Methodenformaten reflektieren die Teilnehmenden ihre Erfahrungen und identifizieren Gelingensbedingungen. Der Workshop kombiniert inhaltliche Impulse mit interaktiven und praxisbezogenen Formaten:
- Vorstellung der Good Practice-Kriterien mit Schwerpunkt Partizipation
- Vorstellung des Praxisbeispiels KlimaKiez Badstraße
- Interaktive Reflexion: Was braucht es für gelingende Partizipation? Welche Hindernisse und fördernden Faktoren gibt es?
- Gemeinsame Erarbeitung eines Katalogs zur Reflexion & Bewertung von Partizipation in Projekten der Gesundheitsförderung
- Diskussion zur Transferierbarkeit auf andere Kontexte (insb. Umweltgerechtigkeit & soziallagenbezogene Gesundheitsförderung)

Ergebnisse

Die Teilnehmenden sollen ein tieferes Verständnis für die praktische Umsetzung und Herausforderungen von Partizipation in der Gesundheitsförderung erhalten. Sie reflektieren eigene Erfahrungen und erarbeiten gemeinsam Anhaltspunkte für gelingende Partizipation:
- Identifikation zentraler Erfolgsfaktoren für Partizipation in Gesundheitsförderungsprojekten
- Entwicklung eines Reflexionskatalogs für Fachkräfte, um Partizipation in der Praxis zu evaluieren
- Anregungen für eine Publikation zu Herausforderungen und Lösungsansätzen in der partizipativen Gesundheitsförderung

Diskussion

Gelingende Partizipation ist anspruchsvoll, aber machbar. Sie erfordert unterstützende Strukturen, eine Begleitung von Fachkräften sowie die Bereitschaft für kontinuierliche Reflexion.
Der Workshop zeigt anhand praktischer Beispiele und gemeinsamer Reflexion, wie Beteiligung gelingen kann. Der Workshop schafft Raum für Erfahrungsaustausch und methodische Orientierung in der Qualitätsentwicklung.
Frau Henrieke Franzen
Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit/ Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V., Berlin
Frau Jennifer Hartl
Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit/ Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V., Berlin
Herr Robert Esau
gruppe F Freiraum für alle GmbH, Berlin
#Workshop 60
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
VS1
Gesundheitliche Risiken und Ressourcen
Gesundheitliche Risiken und Ressourcen
Raum: Seminarraum 520 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beiträge:
1
Einleitung: Seit Jahren gibt es einen Zuwachs an Pflegebedürftigen, der in seiner Stärke nicht ausschließlich durch demografische Faktoren erklärt werden kann. In diesem Kontext kommt der Prävention von Pflegebedürftigkeit eine relevante Rolle zu. Hierbei ist die Gesundheitsversorgung älterer Menschen von zentraler Bedeutung. Befunde dazu, inwiefern diese ein Potenzial zur Vermeidung oder Verzögerung von Pflegebedürftigkeit besitzt und ob dieses Potenzial alters- und geschlechtsspezifisch unterschiedlich ausgeprägt ist, können genutzt werden, um die Versorgung im Hinblick auf eine drohende Pflegebedürftigkeit besser auszurichten. Die Zielsetzung des hier vorgestellten Beitrags ist es, alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede im Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen und Pflegebedürftigkeit zu analysieren.

Methoden: Die vorliegende retrospektive Kohortenstudie basiert auf einer bundesweiten Vollerhebung von AOK-Versicherten ab 60 Jahren in den Jahren 2015 bis 2021. Zur Bildung der Datengrundlage wurden Routinedaten aller AOK-Kranken- und Pflegekassen verknüpft. Unter Verwendung von multipler logistischer Regression wurde die Assoziation des Outcomes erstmalige Pflegebedürftigkeit im Jahr 2021 mit verschiedenen Leistungen der Gesundheitsversorgung (u.a. Vorsorge, Fachärztliche Versorgung, Disease-Management-Programme, Heil- und Hilfsmittel) analysiert. Neben der Adjustierung für Confounder wie Alter, Geschlecht, regionale Faktoren und Morbidität wurden Interaktionseffekte der Versorgungsvariablen mit insgesamt acht Alters- und Geschlechtsgruppen gebildet, um zu prüfen, ob sich die gemessenen Effekte entlang dieser Faktoren unterscheiden. Zur Kategorisierung metrisch skalierter Versorgungsvariablen wurde der Fisher-Jenks-Algorithmus verwendet. Die Studienpopulation besteht aus 5,7 Mio. AOK-Versicherten, die bis einschließlich 2020 nicht pflegebedürftig waren.

Ergebnisse: Frauen machten einen Anteil von 54,1% der Studienpopulation aus und das Durchschnittsalter lag bei 71,5 Jahren. Insgesamt wurden 344.626 AOK-Versicherte (6,0%) 2021 erstmalig pflegebedürftig. Über alle Alters- und Geschlechtsgruppen hinweg weist eine häufige Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen gegenüber keiner einen signifikanten negativen Zusammenhang mit Pflegebedürftigkeit auf. Frauen der Altersgruppe 60 bis 69 Jahre weisen mit 0,50 die niedrigste Odds Ratio (OR) auf, das 95%-Konfidenzintervall (CI) beträgt 0,46 – 0,53. Für Männer derselben Altersgruppe stellt sich der Zusammenhang mit einer OR von 0,54 (CI 0,50 – 0,58) nur leicht weniger ausgeprägt dar. Im Alter ab 90 Jahren liegt die OR der Frauen bei 0,73 (CI 0,67 – 0,80) und die der Männer bei 0,64 (CI 0,57 – 0,71). Während häufige Physiotherapie in den Altersgruppen bis 90 Jahre eine signifikante Assoziation mit dem Nichteintreten von Pflegebedürftigkeit aufweist, ist dies im Alter ab 90 Jahren nicht mehr der Fall. Auch in den Bereichen fachärztliche Versorgung, Disease-Management-Programme und orthopädische Hilfsmittel zeigen sich erhebliche Unterschiede in den alters- und geschlechtsspezifischen Subgruppen.

Schlussfolgerung: Die vorliegende Analyse zeigt, dass zwischen Gesundheitsversorgung und der Vermeidung oder Verzögerung von Pflegebedürftigkeit zum einen ausgeprägte Zusammenhänge bestehen und diese sich zum anderen erheblich nach Alter und Geschlecht unterscheiden. Insbesondere im jüngeren Alter von 60 bis 69 Jahren weisen die hohen Effektstärken auf ein großes Präventionspotenzial hin. Um dieses attestieren zu können sind weitere Untersuchungen unter Einbezug relevanter Prädiktoren wie Verhaltensprävention, Mobilität, soziale Einbindung und sozioökonomischer Status, die größtenteils nicht auf Basis von Routinedaten messbar sind, vonnöten.
Herr Till Baldenius
Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Berlin
#Präsentation #Routinedaten #Prävention #Logistische Regression #Pflegebedürftigkeit #Versorgung
2

Hintergrund

Immer mehr AU-Tage sind auf psychische Erkrankungen zurückzuführen. Am häufigsten sind dafür depressive Erkrankungen verantwortlich (118 AU-Tage pro 100 Versichertenjahre) [1]. Eine besondere Herausforderung stellen Depressionen bei Männern dar: Verglichen mit Frauen suchen Männer sich, wenn sie depressive Symptome erleben, nur ca. halb so häufig professionelle Unterstützung [2]. Ziel der vorliegenden Studie war es zu untersuchen, wie sich diejenigen Männer, die professionelle Hilfe für Ihre Depressionen aufgesucht haben von denen unterscheiden, die dies (bisher) nicht getan haben.

Methode

Im Rahmen eines Online-Fragebogens wurden 209 Männer befragt, die bereits persönlich von Depressionen betroffen waren. 106 Männer (50.7%) hatten zum Befragungszeitpunkt aufgrund ihrer depressiven Symptome Kontakt ins Gesundheitssystem aufgenommen (K), 103 hatten dies bisher nicht getan (oK). Insgesamt waren die Teilgruppen durchschnittlich ca. 32K bzw. 29oK Jahre alt und wiesen einen PHQ-2-Score [3] von 3.83K bzw. 3.85oK auf, was einer Major Depression nach DSM-V entspricht. Zusätzlich wurden verschiedene Einstellungs- und Wissenskonstrukte mittels etablierter Fragebögen erfasst.

Ergebnisse

Um zu untersuchen, ob über die erfassten Konstrukte erklärt werden kann, welche Männer Hilfe gesucht haben, wurden acht Konstrukte in eine schrittweise, binär-logistische Regression mit bidirektionaler Selektion aufgenommen. In das Modell wurden ausschließlich Konstrukte eingeschlossen, die sich signifikant zwischen den Gruppen unterschieden und bei denen dieser Unterschied nicht auf den Anteil derer zurückzuführen war, die bereits eine Therapie abgeschlossen hatten. Das finale Modell enthielt vier Prädiktoren: Depression Literacy, Einstellungen ggü. Psychotherapie, Symptomverleugnung und Allgemeine Selbstwirksamkeit. Das binär-logistische Regressionsmodell war statistisch signifikant, χ²(4) = 50,775, p < .001 (Varianzaufklärung von Nagelkerkes R² = .288). Umgerechnet in die Effektstärke f² nach Cohen zeigte sich ein starker Effekt (f² = .404). Der Gesamtprozentsatz korrekter Klassifikationen war 73.2%, mit einer Sensitivität von 70.9% und einer Spezifität von 75.5%. Die AUC der ROC-Kurve betrug 78% (95%-KI [71.6-84.3%], p < .001, SE = 0.032). Eine höhere Depression Literacy (OR: 2.27) und eine positivere Einstellung ggü. Psychotherapie (OR: 1.55) erhöhten die Wahrscheinlichkeit, dass die Männer Kontakt ins Gesundheitssystem aufgenommen hatten. Stärkere Symptomverleugnung (OR: 1.31) sowie eine höhere Selbstwirksamkeitserwartung (OR: 1.90) hingegen reduzierten diese Wahrscheinlichkeit.​​​​​

Diskussion

Es konnten vier bedeutsame Prädiktoren aus den Bereichen „Wissen und Einstellungen“ für das Aufsuchen professioneller Hilfsangebote durch depressive Männer identifiziert werden: Männer, die mehr über Depressionen wussten und eine positivere Einstellung gegenüber professioneller Hilfe hatten, nahmen eher Hilfe in Anspruch, während Männer, die ihre Symptome verdrängten, dies seltener taten. Dass eine höhere Selbstwirksamkeit, mit einer geringeren Kontaktaufnahme einherging, könnte darüber erklärt werden, dass der Fokus des Konstrukts darauf liegt, Dinge aus eigener Kraft zu bewältigen. Es ist folglich denkbar, dass eine höhere Selbstwirksamkeit die Überzeugung depressive Symptome eigenständig überwinden zu können, begünstigt und somit die Wahrscheinlichkeit, dass Hilfe aufgesucht wird, reduziert. Insbesondere in der Förderung depressionsbezogenen Wissens sowie der Stärkung einer positiven Wahrnehmung von Behandlungsangeboten liegen Chancen, mehr Männer zu motivieren, bei depressiven Episoden Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Baustein sollte hierbei die Sensibilisierung von u.a. Arbeitgebenden, Hausärzt:innen oder auch GKVs für Depressionen bei Männern darstellen. Darüber hinaus könnte ein weiterer Ansatzpunkt darin bestehen, die Inanspruchnahme von Hilfe so zu reframen, dass sie mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung zu vereinbaren ist.

Referenzen

[1] Hildebrandt-Heene S, Dehl T, Zich K, Nolting HD. Gesundheitsreport 2023: Analyse der Arbeitsunfähigkeiten. Gesundheitsrisiko Personalmangel: Arbeitswelt unter Druck. 1. Auflage. Storm A, Herausgeber. Heidelberg: medhochzwei Verlag; 2023. 1 S. (Beiträge zur Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung).
[2] Rabe-Menssen C, Dazer A, Maaß E. Report Psychotherapie 2021. [Internet] Berlin (DE): Deutsche PsychotherapeutenVereinigung e.V.; 2021 [cited 25 Mar 2025]. Available from: https://www.dptv.de/fileadmin/Redaktion/Bilder_und_Dokumente/Wissensdatenbank_oeffentlich/Report_Psychotherapie/DPtV_Report_Psychotherapie_2021.pdf
[3] Löwe B, Kroenke K, Gräfe K. Detecting and monitoring depression with a two-item questionnaire (PHQ-2). Journal of Psychosomatic Research. Februar 2005;58(2):163–71.
Frau Ann-Kathrin Grotenburg
Institut für Psychologie, RWTH Aachen University, Aachen
#Präsentation #Depressionen #Männer #Hilfesuchverhalten
3
Ziel. Das Ziel dieser Studie war es, den Zusammenhang zwischen verschiedenen Bildungsniveaus und der Wirkung der kognitiven Verhaltenstherapie bei Depressionen im höheren Lebensalter (LLD-CBT) im Vergleich zu einer unterstützenden unspezifischen Intervention (SUI) zu untersuchen.
Methoden. Es wurde eine Sekundäranalyse der multizentrischen, randomisierten kontrollierten Studie „CBTlate“ mit n=229 Teilnehmern im Alter von 60 Jahren und älter durchgeführt, die an mittelschweren bis schweren Depressionen litten und entweder LLD-CBT (n=115) oder SUI (n=114) erhielten. Eine Intention-to-Treat-Analyse wurde unter Verwendung von multivariaten gemischten linearen Modellen durchgeführt.
Ergebnisse. Während das Modell keinen signifikanten Gesamteffekt des Bildungsniveaus auf das Behandlungsergebnis zeigte, ergab die Subgruppen-Analyse einen signifikanten Behandlungseffekt für die Gruppe mit niedrigem Bildungsniveau (Gruppen*Zeit-Interaktion, x2(2)= 6,45; p=0,040), wobei LLD-CBT der SUI in der Reduktion der depressiven Symptome überlegen war. Es gab keinen entsprechenden signifikanten Effekt für die Gruppen mit mittlerem und hohem Bildungsniveau. In der niedrigeren Bildungsgruppe waren die Remissions- und Ansprechraten im LLD-CBT im Vergleich zur SUI-Gruppe zum Follow-up signifikant höher.
Schlussfolgerung. Die Teilnehmer haben möglicherweise, abhängig von ihrer schulischen und beruflichen Bildung, unterschiedlich auf LLD-CBT und SUI angesprochen. Dies sollte in zukünftiger Forschung und möglicherweise bei der Behandlung von Patienten mit LLD berücksichtigt werden.
Frau Sina Gerhards
Universität Leipzig, medizinische Fakultät, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig
#Präsentation #kognitive Verhaltenstherapie #Depression im Alter #Bildung
4
Empfehlungen für ein „gesundes“ Schlafverhalten berücksichtigen häufig die Schlafdauer, die für die Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit wichtig ist [1]. Eine zu kurze Schlafdauer stellt einen bedeutenden Risikofaktor für zahlreiche nichtübertragbare Erkrankungen, darunter Adipositas, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie psychische Störungen dar [2]. Internationale Schlafempfehlungen definieren bei Erwachsenen weniger als sieben Stunden als eine kurze Schlafdauer [3]. Ziel der vorliegenden Auswertung war es, mögliche Risikogruppen in der Erwachsenenbevölkerung für eine kurze Schlafdauer zu identifizieren.

Die Analysen basieren auf repräsentativen Daten von 8026 Erwachsenen im Alter ab 18 Jahren mit Wohnsitz in Deutschland, welche im Rahmen der standardisierten, telefonischen Querschnittsbefragung GEDA 2023 (Gesundheit in Deutschland aktuell) erhoben wurden. Die Erfassung des Schlafverhaltens basierte auf selbstberichteten Angaben zur üblichen Zubettgehzeit, Einschlafdauer und Aufwachzeit an Werktagen und Wochenenden innerhalb der letzten vier Wochen. Die Befragung erfolgte im Zeitraum von Mai 2023 bis Januar 2024. Die durchschnittliche Schlafdauer (Mittelwerte, 95%-Konfidenzintervall, KI) und die Schlafdauer in Kategorien (<7 Stunden / ≥7 Stunden in %, 95%-KI) wurden in der Gesamtbevölkerung sowie nach Geschlecht, Altersgruppen (18–29 J., 30–44 J., 45–64 J., 65+ J.) und Bildungsgruppen (nach CASMIN) betrachtet. Die Zusammenhänge zwischen diesen Determinanten und einer kurzen Schlafdauer (<7 Stunden) wurden anhand von Poisson-Regressionsmodellen analysiert.

Insgesamt betrug die durchschnittliche Schlafdauer an Werktagen 07:15 h (95%-KI 07:12–07:18) und an Wochenenden 07:54 h (7:51–07:57). An Werktagen schlafen 39,4 % (37,7–41,2) und an Wochenenden 22,7 % (21,3–24,2) weniger als 7 h. Die durchschnittliche Schlafdauer der Kurzschläfer betrug werktags 5:58 h (5:55–6:01) und an Wochenenden 6:03 h (5:57–6:10). An Werktagen hatten alle Altersgruppen unter 65+ Jahren sowie Erwachsene der niedrigen Bildungsgruppe eine höhere Wahrscheinlichkeit, weniger als 7 h zu schlafen. An Wochenenden zeigte sich für Frauen sowie die Altersgruppen 18–29 Jahre und 30–44 Jahre eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine kurze Schlafdauer, d.h. diese Gruppen schliefen deutlich länger im Vergleich zur Referenzgruppe. Erwachsene in der niedrigen und mittleren Bildungsgruppe wiesen im Vergleich zur hohen Bildungsgruppe sowohl an Werktagen als auch an den Wochenenden eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, weniger als 7 h zu schlafen.

Ein erheblicher Anteil in der Bevölkerung zeigt Schlafzeiten von weniger als 7 h: dies trifft vor allem auf Männer, jüngere Altersgruppen (werktags), ältere Altersgruppen (am Wochenende) sowie Personen aus der niedrigen Bildungsgruppe zu. Um kurzen Schlafzeiten als Risikoverhalten differenzierter zu beschreiben, sind weitere Auswertungen erforderlich, welche unter anderem Bettgehzeiten, Social Jetlag oder die Schlafqualität berücksichtigen. Präventionsmaßnahmen, die die Schlafhygiene adressieren, sollten auch Risikogruppen in den Blick nehmen, welche von einer kurzen Schlafdauer betroffen sind.

Referenzen

[1] Hirshkowitz M, Whiton K, Albert SM, Alessi C, Bruni O,
DonCarlos L, et al. National Sleep Foundation’s sleep time duration
recommendations: methodology and results summary. Sleep Health. 2015;1(1):40-43.
[2] Itani O, Jike M, Watanabe N, Kaneita Y. Short sleep
duration and health outcomes: a systematic review, meta-analysis, and
meta-regression. Sleep Med. 2017;2:246-256.
[3] Watson NF, Badr MS,
Belenky G, Bliwise DL, Buxton OM, Buysse D, et al. Recommended amount of sleep for a
healthy adult: a joint consensus statement of the American Academy of Sleep
Medicine and Sleep Research Society. Sleep.
2015;38(6):843-844.
Frau Dr. Anja Schienkiewitz
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Präsentation #Schlafdauer #kurze Schlafzeiten #Risikogruppen #Gesundheitsmonitoring
5
Hintergrund

Vitamin D ist ein fettlösliches Vitamin, das eine wichtige Rolle im Knochenstoffwechsel spielt. Den größten Beitrag zur Vitamin-D-Versorgung leistet die Eigensynthese unter dem Einfluss von ultravioletter Strahlung. Die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten wird derzeit nur für Risikogruppen bei nachgewiesenem Mangel empfohlen [1]. Wir haben das Wissen über Vitamin D und die Einnahme von Vitamin-D-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln sowie damit assoziierte Determinanten in Deutschland untersucht.

Methoden

Im November 2024 wurden 4.156 Teilnehmende im Alter von 16 bis 65 Jahren im Rahmen einer bundesweiten Online-Befragung (NCAM-online) rekrutiert und zur aktuellen Supplementierungspraxis mit Vitamin D sowie zum Wissen über gesundheitliche Wirkung und Risikogruppen für eine Unterversorgung mit Vitamin D befragt (Mehrfachnennungen möglich). Die Daten wurden deskriptiv und multivariat ausgewertet.

Ergebnisse

In den 12 Monaten vor der Befragung nahm etwa ein Viertel der Befragten (22,7%) ganzjährig und 28,4% zeitweise (z.B. nur im Winter) Vitamin-D-Supplemente ein. Einem Drittel der Befragten (33,7%) wurde die Einnahme von Vitamin D jemals von einer medizinischen Fachperson empfohlen. In der logistischen Regressionsanalyse waren weibliches Geschlecht (OR = 1,28; p=0,005), höheres Lebensalter (z.B. OR 56-65 Jahre = 2,79; p<0,001), ärztliche Empfehlung zur Einnahme (OR = 5,41; p<0,001), Bräunungsverhalten (z.B. OR für aktuelle Solariennutzung = 1,54; p<0,001) und Lebensstilvariablen (z.B. OR täglich > 3 Portionen Obst und Gemüse = 1,53; p<0,001) signifikant mit der ganzjährigen Einnahme von Vitamin D assoziiert. Von allen Befragten gab die Mehrheit (78,8%) an, dass Menschen, die sich wenig oder gar nicht im Freien aufhalten, korrekterweise eine Risikogruppe für Vitamin-D-Mangel darstellen. Säuglinge (29,6%) und Menschen mit dunkler Hautfarbe (11,0%) wurden jedoch von weniger als einem Drittel der Befragten als Risikogruppe identifiziert. Die am häufigsten genannte gesundheitliche Wirkung von Vitamin D war die Stärkung des Immunsystems (71,5%), gefolgt von einer stimmungsaufhellenden Wirkung (49,3%), der Förderung der Hautgesundheit (45,0%) und der Vorbeugung von Osteoporose (44,0%). Befragte, die Vitamin-D-Supplemente einnahmen, stimmten allen Items zu gesundheitlichen Wirkungen von Vitamin D signifikant häufiger zu, auch denjenigen, für die keine bzw. derzeit keine ausreichende Evidenz vorliegt.

Diskussion

Trotz der aktuellen Empfehlungen nahm die Mehrheit der Befragten Vitamin D ein, ohne dass ein medizinisch bestätigter Mangel vorlag. Es erscheint zudem notwendig, die gesundheitlichen Wirkungen einer Vitamin-D-Supplementierung sowie die Risikogruppen für eine Vitamin-D-Unterversorgung klarer zu kommunizieren, um den Wissensstand der Bevölkerung zu diesem Thema zu verbessern.

Referenzen

[1] Bundesinstitut für Risikobewertung. Stellungnahme 055/2023. Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin D - sinnvoll oder überflüssig? Berlin: Bundesinstitut für Risikobewertung; 2023.
Frau Dr. Tatiana Görig
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
#Präsentation #Nahrungsergänzungsmittel #Wissen #Wissenschaftskommunikation
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
SYM8
Lernen und Handeln im Kontext von Planetary Health und Urban Health: Neue Impulse aus der Forschung (A Freiberg)
Planetary Health
Raum: Seminarraum 521 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 34)
Beitrag:
1

Hintergrund

Methode

Ergebnisse

Diskussion

Der Klimawandel hat weitreichende Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit. Extreme Wetterereignisse, veränderte Ökosysteme und klimabedingte Gesundheitskrisen erfordern interdisziplinäres Handeln. Akteur:innen aus Wissenschaft, Politik, Praxis und Zivilgesellschaft arbeiten gemeinsam an Minderungs- (Mitigation) und Anpassungsstrategien (Adaptation). Planetary Health und Urban Health stellen dafür zentrale und komplementäre Forschungsfelder dar. Während Planetary Health die globalen Zusammenhänge zwischen klimabedingten Umweltveränderungen und Gesundheit unter Einhaltung der planetaren Grenzen betrachtet, fokussiert sich Urban Health auf die spezifischen gesundheitlichen Auswirkungen urbaner Lebensräume, einschließlich Luftqualität, Hitzeinseln und sozialer Ungleichheiten in Städten.
Mit der Gründung einer neuen Arbeitsgruppe innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) zu Planetary Health und Urban Health wird der zunehmenden Bedeutung dieser Themenfelder eine Plattform für interdisziplinären und multiprofessionellen Austausch geboten. Die Arbeitsgruppe verfolgt das Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse zu bündeln, Handlungsempfehlungen zu entwickeln und interdisziplinäre Forschungsprojekte zu initiieren.
Das Symposium bietet einen Einblick in aktuelle Forschungsergebnisse im Bereich Planetary Health und Urban Health. Im Fokus stehen Kompetenzentwicklung und praxisorientierte Handlungsansätze für Akteur:innen im Gesundheitswesen und der Stadtentwicklung. Ziel ist es, neue Impulse für Forschung und Praxis zu setzen und den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in nachhaltige gesundheitspolitische Maßnahmen zu fördern.
  • Beitrag 1: Der Zusammenhang von umweltbezogener Nachhaltigkeitskompetenz und Gesundheitsverhalten bei Jugendlichen in Deutschland
  • Beitrag 2: Zusammenhang von umweltbezogener Nachhaltigkeitskompetenz und Gesundheitsverhalten - eine systematische Übersichtarbeit
  • Beitrag 3: Entwicklung eines englischsprachigen Planetary Health-Onlinekurses: Ergebnisse einer Bedarfserhebung
  • Beitrag 4: Wie klingen urbane Grünflächen: Erste Ergebnisse des CitySoundscapes-Projekt
  • Beitrag 5: Gesundheitliche Chancengleichheit in Klimaanpassungsplänen deutscher Großstädte
Herr Jens Bucksch
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Fakultät für Natur- und Gesellschaftswissenschaften, Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung, Heidelberg
Frau Lisa Paulsen
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Fakultät für Natur- und Gesellschaftswissenschaften, Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung, Heidelberg
Frau Dr. Michaela Coenen
Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Medizinische Fakultät, LMU München, München
Institute for Medical Information Processing, Biometry and Epidemiology (IBE), Faculty of Medicine, LMU Munich, Pettenkofer School of Public Health, München
Frau Sophia Baierl
Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Fakultät, Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, München
Pettenkofer School of Public Health, München
Frau Claudia Quitmann
Institute of Global Health, University Hospital Heidelberg, Medical Faculty University Heidelberg, Heidelberg
#Symposium 60 #Planetary Health #Urban Health #Nachhaltigkeitskompetenz #Nachhaltige Stadtentwicklung #Gesundheitliche Chancengleichheit
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
VS2
Gesundheitssystem und Versorgung
Gesundheitssystem und Versorgung
Raum: Seminarraum 523 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beiträge:
1
Hintergrund:
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine irreversible Erkrankung, die durch eine progressive Verschlechterung der Atemfunktion charakterisiert ist. COPD im Endstadium geht mit einer hohen Letalität und einem erheblichen Leidensdruck einher. Die Palliativmedizin hat das Ziel, Symptome von Patient:innen mit unheilbaren chronischen Erkrankungen zu lindern sowie ihre Lebensqualität zu verbessern. Während der Einsatz von palliativmedizinischer Versorgung in Deutschland bei onkologischen Erkrankungen gut etabliert ist [1], bleibt ihre Rolle in der Versorgung von Patient:innen mit schwerer COPD bisher wenig erforscht. Ziel dieser Studie ist, die Versorgungsbedürfnisse von Patient:innen mit schwerer COPD sowie ihrer informellen Versorger:innen zu explorieren und den normativen Bedarf aus Sicht der formellen Versorger:innen zu eruieren.

Methode:
Es wurden 52 semi-strukturierte Interviews mit 17 Patient:innen mit schwerer COPD, zehn informellen Versorger:innen sowie zehn Hausärzt:innen, acht Lungenfachärzt:innen und sieben Palliativmediziner:innen geführt. Die qualitativen Daten wurden inhaltsanalytisch nach Kuckartz [2] mit MAXQDA ausgewertet.

Ergebnisse:
Die meisten identifizierten Bedürfnisse lassen sich in drei miteinander verknüpfte Bereiche einordnen: 1) Häusliche Versorgung, 2) Management von Atemnot und Angst sowie 3) Notfallplanung und stets erreichbare Ansprechpartner:innen. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patient:innen mit einer schweren COPD eine Versorgungslücke erfahren, die nicht nur durch spezialisierte Palliativversorgung zu schließen ist. Patient:innen und ihre informellen Versorger:innen berichten, oft erst im Endstadium von dem Verlauf und der Letalität von COPD zu erfahren. Missverständnisse, auch unter Hausärzt:innen und Pneumolog:innen, über Palliativmedizin als reine Sterbebegleitung sowie die Schwierigkeit, den Verlauf von COPD akkurat zu prognostizieren, erschweren zusätzlich den Zugang zu Palliativversorgung. Patient:innen, die bereits in der Palliativversorgung eingebunden waren, schätzten insbesondere die Förderung von Autonomie und Sicherheitsgefühl. Informelle Versorger:innen erfuhren Entlastung durch die enge Betreuung seitens der Palliativteams.

Diskussion:
Behandler:innen sollten Patient:innen mit schwerer COPD frühzeitig über den Verlauf der Erkrankung sowie die potentiellen Vorteile einer Palliativversorgung informieren. Zudem könnten Sie von Hilfestellungen profitieren, die aufzeigen, ab wann eine Aufklärung über und die Einleitung von (spezialisierter) Palliativversorgung bei Patient:innen mit schwerer COPD indiziert wäre. Eine adäquate Palliativversorgung von Patient:innen mit schwerer COPD könnte auch informelle Versorger:innen entlasten. Allerdings sind COPD-spezifische Versorgungsansätze erforderlich, um die Bedürfnisse und Bedarfe der Patient:innen mit schwerer COPD sowie deren An- und Zugehörige angemessen zu erfüllen.

Referenzen

[1] Leitlinienprogramm Onkologie, S3-Leitlinie Palliativmedizin-Kurzversion,
Version 2.3,  Februar 2021. Online Verfügbar:
https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Palliativmedizin/Version_2/LL_Palliativmedizin_Kurzversion_2.3.pdf
(letzter Zugriff: 17.03.2025).
[2] Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis,
Computerunterstützung. 4th ed. Weinheim und Basel: Beltz Juventa; 2018.
Frau Dr. Kira Schmidt-Stiedenroth
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Präsentation #Qualitative Forschung #COPD #Multiperspektivistischer Ansatz #Palliativversorgung
2
Einleitung
Krankheiten im Mund- und Zahnbereich werden als globale Herausforderung für Public Health betrachtet, da sie mitunter drastische gesundheitliche und wirtschaftliche Belastungen darstellen können, die auch starke Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben [1]. In der Europäischen Union (EU) sind etwa die Hälfte der Bevölkerung von Mund- und Zahnkrankheiten betroffen [2]. Hierdurch verdeutlicht sich die Notwendigkeit, allen Menschen in der EU Zugang zu zahn- und mundgesundheitlicher Versorgung zu ermöglichen, ohne dass diese in finanzielle Not geraten. Dies wird auch mit dem dritten Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG 3) gefordert. Bislang fehlen Ansätze, die Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme in den EU-Länder im Bereich der Mund- und Zahngesundheit zu überprüfen, deren Zielerreichung zu analysieren, und somit Daten für eine evidenzbasierte Politiksteuerung zu liefern. Hierfür sind Indikatoren essenziell – so wie sie auch generell für die Bewertung der Leistungsfähigkeit von Gesundheitssystemen verwendet werden – um einzelne Dimensionen der Leistungsfähigkeit der Mund- und Zahngesundheit zu analysieren und gezielt zu verbessern. Aus diesem Grund sollen erstmalig gezielt Indikatoren zur Mund- und Zahngesundheit identifiziert werden.
Methoden
Die vorliegende Studie ist Teil des Horizon Europe Projekts „PRUDENT“ (Prioritization, incentives and Resource use for sUstainable DENTistry). PRUDENT (www.prudentproject.eu) verfolgt einen Mixed-Methods-Ansatz und zielt darauf ab, einen innovativen und kontextadaptiven Rahmen für die Verbesserung der Finanzierung der zahn- und mundgesundheitlichen Versorgung zu entwickeln und umzusetzen. Hierfür sollen unter anderem Indikatoren zur Leistungsbewertung des zahnmedizinischen Gesundheitssystems entwickelt werden. Dies ist die Voraussetzung, um in einem zweiten Schritt deren Implementierung in ein EU-weites Dashboard für eine evidenz-basierte Politiksteuerung umzusetzen. Das Ziel der vorliegenden Studie ist eine Konsentierung von Indikatoren zur Zahn- und Mundgesundheit mittels einer modifizierten Delphi-Methode. Im Sinne von Ko-Kreation und Teilhabe werden hierfür relevante Akteure aus Wissenschaft, öffentlichen Behörden, Politik, Zivilgesellschaft, Patientenorganisationen und aus den Gesundheitsfachberufen eingebunden.
Ergebnisse
Mittels eines Mapping-Ansatzes wurden mehr als 1.200 Indikatoren aus internationalen und nationalen Datenbanken sowie aus wissenschaftlicher Literatur identifiziert, die für den Bereich der Zahn- und Mundgesundheit relevant sind. Im zweiten Schritt wurden diese subsummiert und anhand des WHO Health Systems Framework [3] geclustert (z.B. Zugang, Qualität, Bevölkerungsgesundheit). Mittels einer modifizierten Delphi-Methode werden die so geclusterten Indikatoren im nächsten Schritt hinsichtlich ihrer Relevanz bewertet, so dass nach drei Runden eine konsentierte Indikatorenliste vorliegt (Juni 2025).
Schlussfolgerung
Im Sinne einer evidenz-basierten Politiksteuerung ist es wichtig, die Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme im Bereich der Mund- und Zahngesundheit über Indikatoren darzustellen und somit Vergleiche und Länder-übergreifendes Lernen zwischen den EU-Ländern zu ermöglichen.

Referenzen

[1] Peres MA, Macpherson LM, Weyant RJ, Daly B, Venturelli R, Mathur MR et al. (2019). Oral diseases: a global public health challenge. The Lancet, 394(10194), 249-260. [2] Institute for Health Metrics and Evaluation. Global Burden of Disease Study. (2025). Available from: https://vizhub.healthdata.org/gbd-results/.
[3] World Health Organization. (2007). Everybody's business. WHO's framework for action. Geneva: World Health Organization.
Frau Katharina Achstetter
Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin, Berlin
#Präsentation #Mund- und Zahngesundheit #Evidenzbasierung #Politiksteuerung #Gesundheitssysteme #Indikatoren
3

Hintergrund

Trotz steigender Prävalenz psychischer Belastungen bleibt die Inanspruchnahme psychotherapeutischer Versorgung bei jungen Erwachsenen in Deutschland gering (1). Psychische Erkrankungen manifestieren sich häufig bereits in dieser Lebensphase und können unbehandelt langfristige gesundheitliche und soziale Folgen haben (2).
Neben strukturellen Hürden wie langen Wartezeiten oder regionalen Versorgungsunterschieden können subjektive Faktoren wie Gesundheitskompetenz oder problembezogene Selbstzuschreibungen eine entscheidende Rolle spielen (3). Diese Studie untersucht Häufigkeit und Art wahrgenommener Barrieren sowie individuelle und regionale Einflussfaktoren auf die Inanspruchnahme professioneller Hilfe bei psychischen Belastungen durch junge Erwachsene in Deutschland.

Methode

Analysiert wurden Daten einer Online-Befragung von Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren (n=3051) im Rahmen der Studie zur psychischen Gesundheit junger Erwachsener in Deutschland (JEPSY). Teilnehmende wurden aus der zweiten Welle der Kinder- und Jugendgesundheitsstudie (KiGGS) des Robert Koch-Instituts rekrutiert.
Zur Erfassung des unerfüllten Hilfebedarfs wurde gefragt: „Ist es schon einmal oder öfter vorgekommen, dass Ihnen eine professionelle Hilfe angeraten wurde oder Sie selbst darüber nachdachten, es dann aber nicht gemacht haben?“ Personen, die dies bejahten, wurden zu fünf Barrierenkategorien befragt: 1) Angst vor öffentlicher Stigmatisierung, 2) Angst vor dem psychotherapeutischen Setting, 3) Problemleugnung, 4) Hilfesuchstigma, 5) praktische Hürden.
Indikatoren auf Personenebene umfassten Geschlecht, Alter und subjektiven sozialen Status (adaptierte MacArthur Scale) sowie Gesundheitskompetenz (Klassifikation nach M-POHL-Netzwerk (4)).
Hinweise auf einen Hilfebedarf wurden anhand folgender Indikatoren erfasst:
  • Depressive und Angstsymptome (PHQ-4, Summenwert ≥ 3 als positives Screening),
  • Psychische gesundheitsbezogene Lebensqualität (pHRQoL) (PROMIS Global Mental Health-Skala, kategorial, T-Werte)
  • Problematischer Substanzkonsum (DSM-5 CC, Konsum von mindestens vier alkoholischen Getränken oder nicht verschriebenen Substanzen an mehr als der Hälfte der Tage eines Monats)
Indikatoren auf Kreisebene umfassten sozioökonomische Deprivation (GISD, Quintile), Kreistyp (städtisch, intermediär, ländlich) sowie Versorgungsdichte an ärztlichen und psychologischen Psychotherapeut:innen (pro 10.000 Einwohner:innen, Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung).
Gruppenunterschiede zwischen Personen mit und ohne Hinweise auf einen Hilfebedarf wurden mittels Mann-Whitney-U-Tests analysiert. Der Zusammenhang zwischen individuellen und regionalen Faktoren und der Wahrscheinlichkeit eines unerfüllten Hilfebedarfs wurde mittels Mehrebenenregressionsmodell analysiert.

Ergebnisse

42,6 % der Befragten berichteten, trotz angeratenem oder selbst empfundenem Bedarf keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Die häufigsten genannten Barrieren waren Problemleugnung und Hilfesuchstigma. Personen mit Hinweisen auf einen Hilfebedarf wiesen über die meisten Barrierenkategorien hinweg signifikant höhere Werte auf als die jeweiligen Vergleichsgruppen. Frauen (OR = 2,21, 95 % KI = 1,63–3,01), Personen mit niedrigem subjektiven sozialen Status (OR = 0,94, KI = 0,87–0,99) sowie Befragte mit positiven Screenings auf depressive (OR = 1,67, KI = 1,16–2,41) oder Angst-Symptomatik (OR = 1,71, KI = 1,25–2,33) berichteten signifikant häufiger von einem unerfüllten Hilfebedarf. Eine bessere psychische gesundheitsbezogene Lebensqualität (OR = 0,00–0,04) sowie ausreichende Gesundheitskompetenz (OR = 0,65, KI = 0,43–0,98) waren mit einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit unerfüllten Bedarfs assoziiert. Keiner der regionalen Indikatoren zeigte einen Zusammenhang mit einem unerfüllten Hilfebedarf.​​​​​​

Diskussion

Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, Barrieren im Hilfesuchverhalten junger Erwachsener abzubauen. Neben strukturellen Maßnahmen sind insbesondere niedrigschwellige Angebote erforderlich, die Wahrnehmungs- und Bewertungskompetenzen fördern sowie Selbststigmatisierung verringern. Maßnahmen zur Reduktion von Hilfesuchstigmata und verstärkte Aufklärung über psychische Gesundheit könnten dazu beitragen, Barrieren der Inanspruchnahme abzubauen.
Frau Dr. Vera Birgel
Robert Koch-Institut, Berlin
#Präsentation #Unerfüllter Bedarf #Inanspruchnahme psychotherapeutischer Versorgung #Gesundheitskompetenz #Hilfesuchverhalten #psychische Gesundheit
4

Hintergrund

In Deutschland sind ca. 380.000 Menschen von einer Parkinson-Erkrankung [1] und ihren motorischen und nicht-motorischen Symptomen betroffen [2,3]. ParkProReakt möchte mithilfe einer digitalen Plattform und dem Einsatz von Wearables proaktiv und frühzeitig Symptomveränderungen bei Parkinson-Betroffenen erkennen, um gezielte, individuelle und schnelle Anpassungen in der Therapie zu ermöglichen. Es soll untersucht werden, ob die neue Versorgungsform ParkProReakt eine Verbesserung der Lebensqualität und eine Veränderung der Inanspruchnahme von gesundheitlichen Leistungen und somit deren Kosten hervorruft.

Methode

Im Rahmen der gesundheitsökonomischen Evaluation werden zunächst die Leistungsinanspruchnahmen, die mittels eines standardisierten Fragebogens zur Inanspruchnahme medizinischer und nicht-medizinischer Leistungen im Alter (FIMA) zur Baseline (und nach dem Interventionszeitraum von 6 Monaten) erhoben wurden, analysiert und bepreist. Für die Durchführung einer Kosten-Effektivitäts-Analyse wird ebenfalls der primäre Endpunkt, die krankheitsspezifische Lebensqualität (PDQ-39) ausgewertet.

Ergebnisse

Zum Zeitpunkt der Einreichung des Abstracts wurden erste Baseline-Daten von bis zu 180 Parkinson-Betroffenen analysiert (Stand 15.01.2025). Da die Rekrutierung Ende Februar 2025 beendet wurde, liegen voraussichtlich im September 2025 alle Daten der Teilnehmenden vor. Erste deskriptive Auswertungen der Baseline-Daten zeigen ein durchschnittliches Alter der Befragten von 66,7 Jahren (± 10,1) und eine Geschlechterverteilung von 70,6 % Männern und 29,4 % Frauen. Hinsichtlich sämtlicher soziodemografischer Merkmale liegen keine signifikanten Unterschiede zwischen der Interventions- (IG) und Kontrollgruppe (KG) vor. Die Ergebnisse des FIMA verdeutlichen, dass 90 % der Patient*innen in den drei Monaten vor Studieneinschluss durchschnittlich 1,5-mal (± 0,9) eine*n Neurologen/Neurologin und 80 % 2,6-mal (± 1,9) eine*n Hausarzt/Hausärztin aufsuchten. In Hinblick auf das therapeutische Angebot zeigte sich die höchste Inanspruchnahme bei der Krankengymnastik (69,4 %), während die Ergotherapie (16 %) und Logopädie (13,8 %) seltener genutzt wurden. Lediglich 3,3 % der Patient*innen nahmen einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch, während 33,3 % der Betroffenen angaben, regelmäßig Hilfe von Familie und Freunden zu erhalten. Zum Zeitpunkt der Baseline-Erhebung erreichte die IG einen PDQ-39-Summenscore von 19,9 (± 13,2), während die Lebensqualität der KG mit 21,8 (± 15,7) eingeschränkter war. Der Unterschied zwischen den Gruppen ist nicht signifikant. Die Daten zeigen, dass die Teilnehmenden durch körperliche Missempfindungen (30,8 ± 22,6) am stärksten in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind, während der Bereich der sozialen Unterstützung (11,1 ± 15,2) am wenigsten zu einer Lebensqualitätseinschränkung beiträgt.

Diskussion

Da die finalen Analysen der Daten zum Zeitpunkt der Einreichung noch nicht abgeschlossen sind, kommt es hier zu Vermutungen. Es wird davon ausgegangen, dass sich die krankheitsbezogene Lebensqualität der Betroffenen durch die neue Versorgungsform verbessert und es in Folge zu bedarfsgerechten Inanspruchnahmen gesundheitlicher Leistungen kommt.

Referenzen

[1] Dammertz L, Holstiege J, Ng F, Kohring C, Heuer J,
Akmatov MK, et al. Morbus Parkinson in der vertragsärztlichen Versorgung – Regionale Unterschiede der
Diagnoseprävalenz und Komorbiditätsanalysen anhand bundesweiter
Abrechnungsdaten im Zeitraum 2010 bis 2019. Zentralinstitut für die
kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr.
22/01. Berlin 2022. DOI: 10.20364/VA-22.01.
[2] Parkinson J. An essay on the shaking
palsy. 1817. J Neuropsychiatry Clin Neurosci. 2002 Spring;14(2):223-36; discussion 222. DOI: 10.1176/jnp.14.2.223.PMID: 11983801.
[3] Chaudhuri KR, Yates L, Martinez-Martin P. The non-motor symptom complex of Parkinson's
disease: a comprehensive assessment is essential. Curr Neurol Neurosci Rep.
2005 Jul;5(4):275-83. DOI: 10.1007/s11910-005-0072-6. PMID: 15987611.
Herr Nicolas Pardey
LiKe Healthcare Research GmbH, Berlin
#Präsentation #Parkinson #Multimodale Versorgung #Digitale Versorgungsmodelle
5
Hintergrund:
Hüftfrakturen – insbesondere Schenkelhals- und pertrochantäre Frakturen – zählen weltweit zu den häufigsten und folgenreichsten Verletzungen im höheren Lebensalter. Sie gehen mit erheblicher Morbidität, Mortalität und einem hohen Versorgungsaufwand einher. Betroffen sind vor allem ältere, gebrechliche Menschen, bei denen das Sturzrisiko erhöht ist und schon geringfügige Stürze aufgrund osteoporosebedingter Knochenschwächung zu Frakturen führen können. Mit der demografischen Alterung steigt die Häufigkeit kontinuierlich – auch in Deutschland –, und stellt Gesundheitssysteme zunehmend vor Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich postoperativer Verläufe. Da Hüftfrakturen fast immer stationär und operativ behandelt werden müssen, sind sie nicht nur mit längeren Krankenhausaufenthalten verbunden, sondern häufig auch mit Selbstständigkeitsverlust, Pflegebedürftigkeit und einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko.
Im Gegensatz dazu stehen elektive Eingriffe bei Coxarthrose, die ähnliche Operationstechniken erfordern, jedoch in Durchführung und Nachversorgung planbar sind. Der Vergleich beider Indikationen liefert wertvolle Erkenntnisse darüber, welchen Einfluss Versorgungsumstände auf den weiteren Gesundheitsverlauf haben. Ziel dieser Studie war es, Unterschiede in der Mortalität nach akuten und elektiven Hüftoperationen zu untersuchen, Risikofaktoren zu identifizieren und daraus Konsequenzen für die Versorgung vulnerabler älterer Patient:innen abzuleiten.

Methode:
Grundlage der Analyse ist eine Zufallsstichprobe deutscher GKV-Routinedaten (N=250.000, Beobachtungszeitraum 2004–2019). Eingeschlossen wurden 10.310 Personen ab 50 Jahren, bei denen zwischen 2004 und 2014 eine Operation aufgrund einer Schenkelhalsfraktur, pertrochantären Fraktur oder Coxarthrose durchgeführt wurde. Die Sterblichkeit wurde zu drei Zeitpunkten (30 Tage, 1 Jahr, 5 Jahre) analysiert. Zur Adjustierung wurden Cox-Regressionen gerechnet, wobei für Geschlecht, Alter, Komorbiditäten, Pflegebedürftigkeit, Entlassdiagnose und Wochentag der Operation kontrolliert wurde.

Ergebnisse:
Die Mortalitätsraten betrugen 5 % nach 30 Tagen, 15,6 % nach einem Jahr und 38,9 % nach fünf Jahren. Frakturpatient:innen wiesen im Vergleich zu elektiven Coxarthrose-Patient:innen signifikant höhere Mortalitätsrisiken auf. Einflussreiche Faktoren waren unter anderem Geschlecht, fortgeschrittenes Alter, Multimorbidität (z. B. Herzinsuffizienz, Schlaganfall, Demenz), und Pflegebedürftigkeit. Frauen hatten über alle Zeitpunkte geringere Mortalitätsrisiken als Männer. Während die kurzfristige Mortalität stark durch akute Komorbiditäten beeinflusst wurde, standen langfristige Verläufe eher mit chronischen Belastungen und Pflegebedürftigkeit in Verbindung. Kein konsistenter Einfluss zeigte sich hinsichtlich des Wochentags der Operation.

Diskussion:
Die Ergebnisse unterstreichen, dass Unterschiede in der Mortalität weniger auf den operativen Eingriff selbst, sondern insbesondere auf die Akutsituation bei Notfalleingriffen und die strukturellen Versorgungsbedingungen zurückzuführen sind. Hieraus ergeben sich zentrale Ansatzpunkte für eine patientenzentrierte und ko-kreative Versorgungsplanung: Besonders ältere, mehrfach belastete Patient:innen benötigen frühzeitige, koordinierte und sozial eingebettete Unterstützungsangebote vor und nach der Operation. Die Studie leistet somit einen Beitrag zur Diskussion um gesundheitliche Teilhabe, indem sie strukturelle Barrieren und Ungleichheiten im Zugang zu sicherer und nachhaltiger Versorgung adressiert. Sie zeigt auf, wie gesundheitliche Chancengleichheit durch eine systematischere Einbindung der Lebenssituation vulnerabler Gruppen gefördert werden kann.
Frau Dr. Daniela Georges
Universitätsmedizin Rostock, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Rostock
Universität Rostock, Lehrstuhl für Empirische Sozialforschung und Demographie, Rostock
#Präsentation #proximal femur fracture #coxarthrosis #mortality #elderly
6

Hintergrund

Hospital-at-Home, d.h. die krankenhausbasierte Versorgung von Patient:innen in ihrem häuslichen Umfeld, hat sich seit den 1990er-Jahren in Ländern wie Israel, Großbritannien, Spanien und den USA zunehmend etabliert. Hospital-at-Home-Konzepte versprechen eine sichere und zugleich effizientere Versorgung geeigneter Patientengruppen in der häuslichen Umgebung anstelle des Krankenhauses. Dabei liegt der Fokus auf der Vermeidung von stationären Aufnahmen - “admission avoidance” - oder einer früheren Entlassung aus dem Krankenhaus - “early discharge”. In Anbetracht des steigenden Bedarfs an Gesundheitsleistungen und der zunehmenden Knappheit personeller und finanzieller Ressourcen im deutschen Gesundheitssystem bieten diese Konzepte das Potenzial der Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und zugleich kosteneffizienten Versorgung. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland jedoch, was die Umsetzung von Hospital-at-Home-Konzepten betrifft, hinterher, was auf einen Mangel an geeigneten Vergütungsmodellen und auf regulatorische Hürden zurückzuführen ist.​ Best Practices aus anderen Ländern können u.a. Aufschluss darüber geben, für welche Indikationen bzw. Patientengruppen Hospital-at-Home geeignet ist, welche technologischen und personellen Voraussetzungen bestehen und wie Prozesse gestaltet werden können, um eine Integration von Hospital-at-Home in bestehende Versorgungssysteme zu ermöglichen. Ziel der Studie ist es, die wissenschaftliche Evidenz zu internationalen Hospital-at-Home-Ansätzen systematisch zu erfassen und auszuwerten, um Potenziale und Handlungsoptionen für die Implementierung von Hospital-at-Home im deutschen Gesundheitssystem zu identifizieren.

Methode

Unter Berücksichtigung der JBI-Methodik [1] und der PRISMA-Checkliste [2] wird ein Scoping Review durchgeführt, um Primärstudien und Übersichtsarbeiten zu Hospital-at-Home-Konzepten systematisch zu erfassen und auszuwerten. Die Literaturrecherche wird in den Datenbanken PubMed und Web of Science durchgeführt und durch eine gezielte manuelle Suche (Citation Tracking, Graue Literatur) ergänzt. Die Auswahl der Publikationen erfolgt durch zwei Reviewer in einem zwei-stufigen Screening-Prozess. Anschließend folgen die qualitative Auswertung und narrative Synthese der relevanten Ergebnisse. Die zentralen Erkenntnisse werden im Kontext des deutschen Gesundheitssystems reflektiert, um konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Ergebnisse

Die systematische Literaturrecherche und Datenanalyse werden im Mai 2025 abgeschlossen, sodass im September 2025 die Ergebnisse präsentiert werden können. Sie umfassen einen Überblick über die internationale Evidenz zu Hospital-at-Home-Konzepten, mit Fokus auf geeignete Indikationen, Behandlungsoutcomes, Patientenzufriedenheit sowie ökonomische Effekte. Zudem werden konkrete Potenziale und Handlungsoptionen für eine Implementierung von Hospital-at-Home im deutschen Gesundheitssystem aufgezeigt und diskutiert.

Diskussion

Die Studie generiert eine Übersicht des aktuellen Forschungsstands hinsichtlich internationaler Hospital-at-Home-Konzepte. Diese Erkenntnisse zeigen die Potenziale für die Implementierung von krankenhausbasierten Versorgungsmodellen im häuslichen Umfeld in Deutschland auf und können die Umsetzung und begleitende Evaluation unterstützen.

Referenzen

[1] Peters MDJ, Godfrey CM, Khalil H, McInerney P, Parker D, Soares CB. Guidance for conducting systematic scoping reviews. Int J Evid Based Healthc. 2015;13:141–6. DOI: 10.1097/XEB.0000000000000050.
[2] Tricco AC, Lillie E, Zarin W, O'Brien KK, Colquhoun H, Levac D, et al. PRISMA Extension for Scoping Reviews (PRISMA-ScR): Checklist and Explanation. Ann Intern Med. 2018;169:467–73. DOI: 10.7326/M18-0850.
Frau Anna-Lena Brecher
inav - privates Institut für Versorgungsforschung, Berlin
#Präsentation #Hospital at Home #Scoping Review #Integrated Care
7
Hintergrund:
Die Versorgungsengpässe von Kindern und Jugendlichen führen insbesondere im ländlichen Raum zu langen Anfahrtswegen oder einer Verlagerung der pädiatrischen Versorgung auf Hausärzt:innen [1]. Gezielte Kooperationen zwischen fach- und allgemeinärztlichen sowie ambulanten und stationären Versorgungsakteuren können eine Möglichkeit sein, die Versorgungssituation zu verbessern [2, 3]. Im Modellprojekt KUNOLand rotieren Weiterbildungsassistent:innen (WBAs) der Kinder- und Jugendmedizin aus der Klinik (KUNO Klinik St. Hedwig, Regensburg) für sechs Monate in zwei allgemeinärztliche Praxen im ländlichen ostbayerischen Raum (Landkreis Cham), um die wohnortnahe Versorgung zu verbessern und die intersektorale Zusammenarbeit u.a. durch die Entwicklung einer telemedizinischen Anwendung zu stärken. Diese Studie evaluierte das Modellprojekt hinsichtlich Machbarkeit und (vorläufiger) Wirksamkeit.

Methodik:
Das Evaluationskonzept orientierte sich an den Empfehlungen des Medical Research Council [4] und veranschaulichte die angenommenen Wirkzusammenhänge in einem logischen Modell. Die Evaluationsfragen wurden anhand dieses Modells auf den Ebenen Kontext, Implementierung und Ergebnisse abgeleitet. Der Evaluationszeitraum umfasste die Rotationen von April 2022 bis März 2025. Das vorliegende Datenmaterial aus quantitativen und qualitativen Erhebungsmethoden umfasste: Kurzumfrage über Erwartungen (N=13), semi-standardisierte leitfadengestützte Interviews mit Projektbeteiligten (WBAs=11, Klinikärzt:innen= 5, niedergelassene Ärzt:innen=6), Dokumentationsbögen zu über 120 Klinikkontakten, Praxis-Routinedaten sowie eine Online-Umfrage bei Eltern (N=16), deren Kinder von einem/r WBA behandelt wurden.

Ergebnisse: Die Ergebnisse aus den einzelnen Erhebungsmethoden stimmten inhaltlich überein und können als Gesamtergebnisse berichtet werden: Das Modellprojekt KUNOLand erwies sich als machbar. In beiden allgemeinärztlichen Praxen konnten über den gesamten Evaluationszeitraum WBAs der Kinder- und Jugendmedizin angestellt werden, und die Eltern nahmen das Angebot gut an. Trotz Unterschieden in der konkreten Ausgestaltung in den beiden teilnehmenden Praxen führte das Modellprojekt dazu, dass mehr Kinder und Jugendliche mit einem erweiterten Behandlungsspektrum versorgt werden konnten, wodurch die Versorgungslage in der Region verbessert und die wohnortnahe pädiatrische Versorgung gefördert wurde. Die Umsetzung der telemedizinischen Anwendung stieß auf technische und praktische Hürden, jedoch konnte die Anbindung an die Klinik überwiegend durch telefonische Rücksprachen gewährleistet werden. Sowohl die WBAs als auch das Praxispersonal erwarben neue Kompetenzen. Als besonders lehrreich wurde seitens der WBAs die Einsicht in den ambulanten Sektor genannt, was sich auch aus Sicht der Klinikärzt:innen positiv auf ihre spätere Kliniktätigkeit auswirkte. Auch seitens der Praxen konnten Kompetenzen erweitert werden (z.B. Routine bei vorher seltenen Krankheitsbildern).

Diskussion: Die positive Bewertung hinsichtlich der Machbarkeit und Wirksamkeit des Modellprojekts KUNOLand legt eine Weiterführung bzw. Ausweitung des Projekts nahe. Um eine erfolgreiche Umsetzung in der Zukunft zu gewährleisten, sind verschiedene Förderfaktoren entscheidend. Dazu gehören finanzielle Aspekte, wie z.B. Ausgleiche für Verdienstunterschiede zwischen Klinik und Praxis für die WBAs, langfristige Planungsmöglichkeiten für alle Beteiligten (u.a. transparente Einbindung der Rotation im Weiterbildungskonzept) und die Teilnahme motivierter Praxen (u.a. Bereitschaft für technische und strukturelle Erweiterungen). Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die Bedeutung solcher Modellprojekte für die nachhaltige Verbesserung der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen.

Referenzen

[1] Kleinke F, Nowack A, Beyer A, Hoffmann W, van den Berg N. Kompensation von Leistungen zwischen Hausärzten und Kinder- und Jugendmedizinern am Beispiel der Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen – Analyse von bundesweiten KBV-Daten. [Differences in Billing Patterns Between GPs and Pediatricians Using Early Diagnostics in Children and Adolescents as an Example: Analysis of Nationwide Data from Statutory Health Insurance Physicians].
Gesundheitswesen 2022. DOI: 10.1055/a-1791-1276.[2]     Eber S, Barucija A, Schmideder A, Voss H von, Dickerhoff R, Lang M. Die ambulante Pädiatrie im Wandel.
Kinder-und Jugendmedizin. 2024;24:50–60.[3]     Rodeck B, Renz S. Sektorenübergreifende Versorgung in der Pädiatrie. Monatsschrift
Kinderheilkunde. 2025;173:113–9. DOI: 10.1007/s00112-024-02052-1.[4]  Graham Moore SA, Barker M, Bond L, Bonell C, Hardeman W, Moore L, et al. Process evaluation of complex interventions. Complex Interventions in Health: An overview of research methods. 2015:222.
Frau Dr. Magdalena Rohr
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg (KUNO-Kliniken), Regensburg
WECARE, Wissenschafts- und Entwicklungscampus, Klinik St. Hedwig – Barmherzige Brüder, Regensburg
Frau PD Dr. Susanne Brandstetter
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg (KUNO-Kliniken), Regensburg
WECARE, Wissenschafts- und Entwicklungscampus, Klinik St. Hedwig – Barmherzige Brüder, Regensburg
#Präsentation
8
Hintergrund: Psychische Erkrankungen können mit einer hohen Krankheitslast einhergehen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind dementsprechend besonders wichtig. Daher wurde die Psychotherapie-Richtlinie im Jahr 2017 reformiert und neue Elemente, wie die psychotherapeutische Sprechstunde (ptS), eingeführt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, zu untersuchen, welche erkrankungsspezifischen Behandlungen nach einer ptS in Anspruch genommen wurden, hier definiert als Inanspruchnahme von psychotherapeutischen Leistungen und Verordnung von Antidepressiva.

Methode: Anhand von GKV-Routinedaten von Erwachsenen (EW) sowie Kindern und Jugendlichen (KJ) mit erstmaliger Depressionsdiagnose im ersten Quartal 2018 wurde untersucht, welche Behandlungsoptionen im Anschluss an die ptS in Bezug auf die S3-Leitlinien zur Versorgung von EW sowie KJ mit Depression analysiert. Beobachtungszeitraum war ein Jahr.

Ergebnisse: Insgesamt konnten 134.832 EW und 5.642 KJ mit erstmaliger Depressionsdiagnose eingeschlossen werden. Ein Fünftel der EW und knapp die Hälfte (46%) der KJ nahmen eine ptS in Anspruch. Von den EW mit ptS nahmen anschließend 31,5% ausschließlich Psychotherapie, 25,9% keine weiteren erkrankungsspezifischen Leistungen, 23,2% Psychotherapie und Antidepressiva sowie 19,4% ausschließlich Antidepressiva in Anspruch. Von den KJ erhielten nach einer ptS 44,7% ausschließlich Psychotherapie, 35,6% keine weiteren erkrankungsspezifischen Leistungen, 11,9% Psychotherapie und Antidepressiva sowie 7,8% ausschließlich Antidepressiva. Als Haupteinflussfaktoren auf die Weiterbehandlung erwiesen sich der Schweregrad und die Fachgruppe, welche die Depressionsdiagnose gestellt hat. Unter erwies EW zudem das Alter als wichtiger Einflussfaktor, beispielsweise nehmen Ältere im Vergleich zur jüngsten Altersgklasse seltener ausschließlich Psychotherapie in Anspruch (Altersklasse 71-80 OR=0,482 (vs. Altersklasse 21-30)).

Diskussion: Die Auswertung zeigt, dass die erkrankungsspezifischen Behandlungen, die von Versicherten mit erstmaliger Depressionsdiagnose nach einer ptS in Anspruch genommen werden, weitgehenden Routinedaten den Leitlinienempfehlungen entsprechen. Die Inanspruchnahme scheint größtenteils am Schweregrad orientiert zu sein. Allerdings zeigt sich, dass auch andere Faktoren, wie das Alter, einen Einfluss auf die Art der Weiterbehandlung zu haben.

Frau Dr. Silke Neusser Dipl.-Soz.
Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
#Präsentation #Mental health #administrative claims data #guideline
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
WS4
Von Autor:innenschaft bis KI – Gute Wissenschaftliche Praxis für Public-Health-Forschende in frühen und fortgeschrittenen Karrierephasen
KI
Raum: Hörsaal 4, Forum 4 (Standort: Forum 4, Anzahl der Plätze: 96)
Beitrag:
1
Gute wissenschaftliche Praxis (GWP) gehört zu den wesentlichen Grundlagen einer vertrauenswürdigen Wissenschaft [1]. Dabei geht wissenschaftliche Integrität über die Vermeidung wissenschaftlichen Fehlverhaltens, wie z. B. Erfinden, Verfälschen und Plagiieren von Daten, hinaus. In der interdisziplinären Public-Health-Forschung können sich aufgrund unterschiedlicher fachwissenschaftlicher Standards und der Erforschung gesellschaftsrelevanter Themen besondere Herausforderungen ergeben, was ein besonderes Maß an Sensibilisierung für fachspezifische Normen und mögliche Entscheidungsspielräume erfordert.
Mit diesem Workshop für Public-Health-Forschende möchten wir Wissen und Kompetenzen zur GWP vermitteln und für ihre Anwendung im wissenschaftlichen Alltag sensibilisieren. Neben theoretischem Input haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, anhand von Fallgeschichten Konflikte und Ambiguitäten mit Bezug zur GWP zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Der erste Teil des Workshops umfasst eine Einführung in die GWP und die Beratungsmöglichkeiten in wissenschaftlichen Einrichtungen. Hierbei werden neben eindeutigem Fehlverhalten auch die in den Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis aufgeführten Aspekte „Phasenübergreifende Qualitätssicherung“, „Verantwortlichkeiten und Rollen“ der Akteure, „Forschungsdesign“, „Rechtliche und ethische Rahmenbedingungen“ sowie „Methoden und Standards“ und „Dokumentation“ thematisiert. Zudem werden Fragen zu Publikationen und Autor:innenschaften sowie mögliche Konfliktpotenziale vertieft thematisiert. Im Einzelnen sollen dabei Regelungen und Leitlinien zu Autor:innenschaften, Interessenkonflikte, die Qualität wissenschaftlicher Zeitschriften (v. a. predatory journals) und die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) beim Publizieren umfassender behandelt werden. Letzteres Thema gewinnt aktuell aufgrund der zügigen Etablierung von KI in der wissenschaftlichen Arbeit zunehmend an Relevanz.
Im zweiten Teil des Workshops werden Kleingruppendiskussionen zu konkreten Fallbeispielen durchgeführt – auch eigene Erfahrungen können bei Interesse eingebracht und gemeinsam reflektiert werden. Ziel ist es, mögliche Handlungsoptionen zum Umgang mit Konflikten im Kontext von GWP zu entwickeln. Die Ergebnisse der Kleingruppenarbeit werden anschließend im Plenum zusammengetragen mit dem Ziel zu diskutieren, wie GWP-bezogene Herausforderungen offen angesprochen werden können, welche Unterstützungsmöglichkeiten bestehen und wie mit damit verbundenen Konflikten konstruktiv umgegangen werden kann.
Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und Strategien zur Prävention wissenschaftlichen Fehlverhaltens, auch mit Bezug zur Betreuung von Nachwuchswissenschaftler:innen (z. B. Publikations- und Betreuungsvereinbarungen), reflektiert. Der Workshop richtet sich an alle, die sich Wissen zu guter wissenschaftlicher Praxis aneignen oder ihre bestehenden Kenntnisse auffrischen und sich zum Thema austauschen wollen.

Referenzen

[1] Deutsche Forschungsgemeinschaft. Guidelines for Safeguarding Good Research Practice. Code of Conduct (2025). https://doi.org/10.5281/zenodo.14281892.
Frau Dr. Franziska Prütz
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
Robert Koch-Institut, Ombudsstelle für Gute Wissenschaftliche Praxis, Berlin
#Workshop 60 #Gute Wissenschaftliche Praxis #Forschung #Publikationen #KI
Mi
17 Sep
15:00 - 16:30
VS3
Innovative Versorgungsansätze
Innovative Versorgungsansätze
Raum: Hörsaal 6, Mittelallee 10 (Standort: Mittelallee 10, Anzahl der Plätze: 240)
Beiträge:
1

Hintergrund

Die österreichische Primärversorgung in Österreich steht vor großen Herausforderungen. So erreichen praktizierende Allgemeinmediziner:innen zunehmend das Pensionsalter, während sich sowohl die Versorgungsbedarfe als auch die Arbeitswelt wandeln. Um diesen Entwicklungen zu begegnen, wird die Primärversorgung im Rahmen der EU-Förderinitiative „Recovery and Resilience Facility“ in Österreich gezielt unterstützt [1]. Eines der zentralen Elemente dieser Initiative ist die Förderungen zur Attraktivierung und Neugestaltung der Primärversorgung in Österreich. Die Plattform Primärversorgung setzt dort an und soll als digitales Austausch- und Vernetzungsinstrument den Wissens- und Erfahrungsaustausch unterstützen und die Attraktivität der Primärversorgung steigern. Um eine nachhaltige Fortführung der Plattform zu gewährleisten, findet vom ersten Quartal 2023 bis zum vierten Quartal 2025 eine Begleitevaluation zur Bewertung ihrer Zielgerichtetheit, Wirkung und damit zusammenhängender Verbesserungspotenziale statt.​​​​

Methode

Die Evaluation der Plattform folgt einem Mixed-Methods-Ansatz, welchem vorausgehend eine Theory of Change entsprechend eines grundlegenden Wirkungsmodelles entwickelt wurde [2]. Zu Beginn der Begleitevaluation wurden diverse Module entwickelt, um Forschungsfragen und Operationalisierungen thematisch zu gliedern. Im ersten Quartal 2024 wurde eine quantitative Online-Fragebogenbefragung der Plattformmitglieder über das digitale Umfragetool LimeSurvey durchgeführt. Die quantitative Datenauswertung erfolgte mittels des statistischen Analyseprogrammes SPSS. Ab Juni 2024 folgten qualitative Einzelinterviews zur Vertiefung relevanter Aspekte und Generierung weiterer Informationen. Die Interviews werden bis Mitte des zweiten Quartals 2025 digital durchgeführt und orientieren sich an einem semi-strukturierten Leitfaden, welcher entsprechend gewonnener Erkenntnisse der quantitativen Erhebung erstellt wurde. Die Auswertung und Analyse des Datenmaterials der Leitfadeninterviews wird anhand der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker durchgeführt [3]. Um die Wirksamkeit der Plattform im Längsschnitt vergleichen zu können, ist eine Wiederholung der Online-Fragebogenbefragung der Mitglieder geplant. Zuletzt wird eine Triangulation der relevanten Ergebnisse der beiden quantitativen Befragungen sowie der qualitativen Erhebung unter Berücksichtigung verschiedener Impact-Kriterien der Theory of Change erfolgen.​​​​​

Ergebnisse

Die erste quantitative Mitgliederbefragung zeigte, dass die vorgesehenen Zielgruppen erfolgreich erreicht werden konnten und insbesondere der interprofessionelle Austausch gefördert wird. Die Mitglieder bewerteten die Qualität der Angebote überwiegend positiv. Die Plattform erleichtert die Vernetzung zwischen Berufsgruppen, während der intraprofessionelle Austausch punktuell gestärkt werden könnte. Außerdem zeigen erste Erkenntnisse aus der laufenden qualitativen Erhebung, dass das Interesse an verschiedenen Veranstaltungsformaten groß ist, eine Verbesserung der Sichtbarkeit der PV erreicht werden konnte und der Wunsch nach einem Ausbau interaktiver Funktionen besteht. Insgesamt wurde die Plattform als wertvolles Instrument zur Attraktivierung der Primärversorgung wahrgenommen und trägt zur Sicherstellung der Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum bei. Da der zweite Erhebungszeitpunkt der Online-Befragung für Mai 2025 geplant ist, können zum Zeitpunkt des Kongresses kompilierte Ergebnisse aller drei Erhebungen dargestellt werden.

Diskussion

Die Begleitevaluation der Plattform Primärversorgung untersucht sowohl die Wirksamkeit der angebotenen Maßnahmen als auch die Erfahrungen der Nutzer:innen. Die bisher erhobenen Ergebnisse zeigen, dass sich die Plattform als wichtiges Instrument zur Stärkung und Vernetzung der Primärversorgung etabliert hat. Sie trägt maßgeblich zur Attraktivierung dieses Versorgungsbereichs bei. Zusätzliche Maßnahmen, wie eine stärkere intraprofessionelle Vernetzung und mehr Unterstützung für Berufseinsteiger:innen, könnten den langfristigen Effekt weiter verstärken. Die Evaluation bestätigt die hohe Bedeutung der Plattform und liefert wertvolle Empfehlungen für ihren nachhaltigen Fortbestand.

Referenzen

[1]   Bundesministerium für Finanzen. Österreichischer Aufbau- und Resilienzplan 2020-2026. Wien 2021.
[2]   Funnell S, Rogers PJ. Purposeful program theory: Effective use of theories of change and logic models. 1. ed. San Francisco, CA: Jossey-Bass 2011.
[3]   Kuckartz U, Rädiker S. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Umsetzung mit Software und künstlicher Intelligenz. 6. Auflage. Weinheim Basel: Beltz Juventa 2024.
Frau Lena Kraft
Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
#Präsentation #Primärversorgung #Vernetzung #Interprofessionelle Zusammenarbeit #Erfahrungsaustausch
2
Hintergrund: Gesundheitliche und soziale Probleme gehen häufig miteinander einher und bedingen sich gegenseitig. Hausärzt:innen sind für viele Menschen Vertrauenspersonen. In hausärztlichen Praxen werden soziale Probleme von Patient:innen thematisiert, jedoch fehlen oft zeitliche und personelle Ressourcen sowie das Expert:innenwissen, um diese angemessen zu bearbeiten [1]. Daher wünschen sich Hausärzt:innen den Kontakt zu sozialen Beratungsstellen [2].
Das Pilotprojekt zur Sozialberatung in hausärztlichen Praxen zielt darauf ab, eine Schnittstelle zwischen medizinischem und sozialem Versorgungssystem direkt in der Praxis zu schaffen. Durch niedrigschwellige und direkte Beratung sollen Vermittlungshemmnisse abgebaut werden.

Methoden: Das Projekt wurde vom Hamburger Hausärzteverband, dem Institut und der Poliklinik für Allgemeinmedizin und dem öffentlichen sozialen Träger hamburger arbeit entwickelt. Zielgruppe waren in Hamburg wohnhafte Menschen im erwerbsfähigen Alter mit sozialen Problemen. Die Umsetzung erfolgte im 2. HJ 2024 in sechs Praxen in verschiedenen Stadtteilen. Basis für die Evaluation waren die Routinedokumentation, eine Patient:innenbefragung sowie der Auswertung des Abschlussworkshops.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 229 Beratungstermine mit 156 Personen durchgeführt, 47 Fragebögen konnten deskriptiv ausgewertet werden. Die Beratung umfasste vorrangig die Unterstützung beim Stellen und Verstehen von Anträgen, bei Problemen mit Wohnraum oder Finanzen sowie die Hilfe bei Arbeitssuche. Die Patient:innen äußerten sich sehr positiv über das breite Beratungsspektrum und die barrierefreie Kommunikation. Die Beratung führte zu einer Arbeitserleichterung der Hausärzt:innen und stärkte die Vernetzung der teilnehmenden Praxen im Sozialraum.

Diskussion: Die Integration sozialer Beratung in hausärztliche Praxen ist eine effektive Möglichkeit, um soziale Probleme von Patient:innen zu adressieren und deren Selbstwirksamkeit zu stärken. Die positiven Rückmeldungen und die hohe Akzeptanz des Angebots unterstreichen die Bedeutung einer solchen Schnittstelle zwischen medizinischem und sozialem Versorgungssystem. Das Pilotprojekt zur Sozialberatung in hausärztlichen Praxen zeigt, dass die durchgeführte Verknüpfung von vorhandenen Ressourcen zu einem zielgerichteten Angebot für Patient:innen führt. Herausforderungen bestehen in den Bereichen Wegezeiten und verfügbare Räumlichkeiten.

Referenzen

[1] Zimmermann, T., Mews, C., Kloppe, T., Tetzlaff, B., Hadwiger, M., von dem Knesebeck, O., & Scherer, M. (2018). Soziale Probleme in der hausärztlichen Versorgung – Häufigkeit, Reaktionen, Handlungsoptionen und erwünschter Unterstützungsbedarf aus der Sicht von Hausärztinnen und Hausärzten. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 131-132, 81-89. https://doi.org/10.1016/j.zefq.2018.01.008
[2] Kloppe, T., Tetzlaff, B., Mews, C., Zimmermann, T., & Scherer, M. (2022). Interprofessional collaboration to support patients with social problems in general practice-a qualitative focus group study. BMC Prim Care, 23(1), 169. https://doi.org/10.1186/s12875-022-01782-z
Herr Dr. Thomas Kloppe
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg
#Präsentation #Hausärztliche Praxis #Social Prescribing #Soziale Determinanten #Soziale Arbeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit
3

Hintergrund

Die EU-Aufnahmerichtlinie fordert die Identifizierung besonderer Schutzbedarfe geflüchteter Menschen und deren angemessene Versorgung. Ihre Umsetzung ist in Deutschland bisher noch nicht flächendeckend und einheitlich erfolgt. Aufgrund der föderalen Strukturen und der Komplexität des Handlungsfeldes sind die Herausforderungen bei der Identifizierung, Dokumentation und Weitergabe von Schutzbedarfen in Aufnahmeeinrichtungen nach wie vor erheblich. Im Rahmen des Projekts PROTECT.ING möchten wir Anforderungen für digitale Lösungen identifizieren, um standardisierte Prozesse zu etablieren, bestehende Prozesse zu digitalisieren und die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu unterstützen. Um dies zu tun müssen zunächst die bestehenden Prozesse und Herausforderungen in der Praxis verstanden und die sich daraus ergebenden Anforderungen abgeleitet werden.

Methode

Es wurden drei Stakeholder-Workshops in verschiedenen Bundesländern durchgeführt. Vertreter*innen aus der medizinischen und psychosozialen Versorgung, Sozialer Arbeit sowie von Regierungsbehörden und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden eingeladen, um ihre Prozesse zu reflektieren, ihre Netzwerkbeziehungen untereinander darzustellen und gemeinsam über Anforderungen an digitale Unterstützungsmöglichkeiten nachzudenken. Dafür haben wir ein strukturiertes, interaktives Programm erarbeitet, zu dem zum Beispiel ein digitales Brainstorming, monoprofessionelle und interprofessionellen Gruppenarbeiten sowie die World-Café-Methode gehörten. Die Workshops wurden nach der Durchführung evaluiert.

Ergebnisse

Es nahmen 61 Personen an den drei Workshops teil (Gesundheitsversorgung und Öffentlicher Gesundheitsdienst: 13, Soziale Arbeit und Gewaltschutz: 25, Regierungsbehörden und Einrichtungsleitungen: 16, BAMF: 7). Die Workshops ermöglichten Austausch und Einblicke in die Praxis. Neben inhaltlichen Erkenntnissen zu Möglichkeiten der Verbesserung der Identifizierung, Adressierung und Weitergabe besonderer Schutzbedarfe von Asylsuchenden, haben wir wertvolle Erfahrungen für die Durchführung solcher Veranstaltungen erworben. Aus der interprofessionellen, interdisziplinären und Ebenen übergreifenden Kommunikation von Personen, die im Alltag zuweilen gegenläufige Interessen vertreten ergeben sich besondere Herausforderungen in der Vorbereitung und Durchführung einer Veranstaltung. Wir haben Strategien entwickelt, um Herausforderungen in den Bereichen Einladung bzw. Rekrutierung von Teilnehmenden, Kommunikation, Beziehungsaufbau und Moderation, sowie didaktischer Gestaltung zur Förderung von Beteiligungschancen aller Teilnehmenden zu begegnen. Auch die Evaluationsergebnisse sowie wissenschaftliche Analysemöglichkeiten und Erkenntnisse möchten wir diskutieren.

Diskussion

Mitgestaltungsformate mit heterogenen Akteursgruppen erfordert eine klare Zielsetzung, sorgfältige didaktische Planung und eine strukturierte Moderation. Es gilt in solche partizipativen Formate auch machtvolle Akteursgruppen einzubeziehen, die im Alltag über die Qualität der Gesundheitsversorgung marginalisierter Bevölkerungsgruppen mitentscheiden. Indem wir uns offen über die Herausforderungen und Schwierigkeiten sowie über Best Practices austauschen, können passende Formate für erfolgreiche Mitentgestaltungsprozesse entwickelt werden.
Frau Sandra Ziegler M.A.
Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
Frau Isabel Kächele
Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
#Präsentation #Asylsuchende #Stakeholder involvement #Besondere Schutzbedarfe #Mitgestaltung digitaler Lösungen
4

Hintergrund

Die Entwicklung von Leitlinien folgt heute einem elaborierten Regelwerk. Neben der Evidenzbasierung spielen die Repräsentativität des Entwicklerteams und der Einbezug von Betroffenen- und Angehörigenvertreter:innen eine zentrale Rolle. Für die Weiterentwicklung der Leitlinienarbeit ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Leitlinienarbeit aus Sicht der Beteiligten unumgänglich. Die Studie untersucht, wie gut die Beteiligung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Angehörigen an der Entwicklung von psychiatrischen Leitlinien gegenwärtig gelingt.
​​​​​

Methode

Im Vorfeld der quantitativen Befragung wurden N=15 Interviews mit Leitlinienentwickler*innen durchgeführt und zentrale Themen für die Entwicklung des Fragebogens extrahiert. Angestrebt wurde eine Vollerhebung aller an der Entwicklung Beteiligten im psychiatrischen Feld. Dafür wurden zwischen Januar und Mai 2022 208 von 561 kontaktierten Leitlinienentwickler*innen von S3-Leitlinien im psychiatrischen Feld befragt (Rücklaufquote: 37,1 %). Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse

Die Einbindung der Betroffenen gelingt häufiger gut als die der Angehörigen (61,3 % vs. 54,6 %, p < ,001). 67,5 % stimmten zu, dass deren Einbindung zentral für eine erfolgreiche Entwicklung von Leitlinien ist. 50,5 % sahen häufige Diskrepanzen zwischen Evidenz und Betroffenen- und Angehörigenperspektive, deren Überwindung zu 48.6 % nicht gelänge. Benannt wurden zudem eine mangelnde Wertschätzung der Erfahrungsexpertise (32,7 % vs. 36,1 %), eine ungenügende Repräsentanz (36,5 %) und unzureichende Gleichberechtigung in der Konsensfindung (46,2 %). 44,7 % sahen Barrieren der Mitwirkung nicht wirksam abgebaut [1].
​​​​​​

Diskussion

Es bestehen große Herausforderungen bei der Partizipation in der Leitlinienentwicklung. Gleichzeitig gibt es ein Bewusstsein, dass diese für die Qualität einer Leitlinie zentral ist. Es gilt, dieses Bewusstsein weiter auszubauen und den Herausforderungen wirksam zu begegnen. Neben der Entwicklung eines verbindlichen Prozedere für eine Partizipation in der Leitlinienentwicklung müssen die Bedingungen für Betroffenen- und Angehörigenvertreter*innen an der Leitlinienentwicklung zu partizipieren, erweitert und verbessert werden. Vorgestellt wird die Implementierung eines partizipativen Konzeptes im Rahmen der Neuauflage der S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“ [2].

Referenzen

1.     Schladitz K, Weitzel EC,
Löbner M, Soltmann B, Jessen F, Schmitt J et al. Wie gelingt die Einbindung
von Betroffenen- und Angehörigenvertreter:innen in die Entwicklung von
evidenz- und konsensbasierten Behandlungsleitlinien? Ergebnisse einer Umfrage
im Fachbereich Psychiatrie. Psychiatr Prax 2023. DOI: 10.1055/a-2201-7987.

2.     Gühne U, Daszkowski J, Desch
M, Weinmann S, Riedel-Heller SG, Becker T. Einbindung von Betroffenen- und
Angehörigenvertreter:innen in Leitlinienprozesse : S3-Leitlinie „Psychosoziale
Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“ geht neue Wege. Nervenarzt
2024. DOI: 10.1007/s00115-024-01760-z.
Frau PD Dr. Uta Gühne
Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Medizinische Fakultät, Universität Leipzig, Leipzig
#Präsentation #Seelische Gesundheit #Leitlinien #Partiziption
5
Hintergrund
Technologien haben sich in der pflegerischen Versorgung zwar als nutzbringend erwiesen, aber dieser Nutzen kann nur erzielt werden, wenn Pflegefachpersonen die Technologien in der Pflegepraxis auch einsetzen. Um Annahme, Akzeptanz und den nachhaltigen Nutzen von Technologien in der pflegerischen Versorgung zu fördern, ist ein möglicher Ansatz, Pflegefachpersonen von Beginn an aktiv in Implementierungsvorhaben einzubeziehen. Dabei kann Partizipation auf unterschiedliche Art und Weise stattfinden – von der Informierung der Pflegefachpersonen über eine Mitbestimmung bis zu einer selbstständigen Organisation und Durchführung der Implementierung von Technologien [1]. Unklar bleibt, welche Herausforderungen und Barrieren sich in der Partizipation von Pflegefachpersonen während der Implementierung von Technologien zeigen.
Im Forschungsprojekt „Pflegepraxiszentrum (PPZ-) Hannover“, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, haben wir vier Schritte für ein partizipatives Vorgehen innerhalb des Implementierungsprozesses von Technologien auf einer unfallchirurgischen Normalstation mit geriatrischem Fokus eines Universitätsklinikums entwickelt: (1) Bedarfserhebung; (2) Selektion und Vorentscheidung; (3) Entscheidung und Einführung, (4) begleitende Evaluation [2]. Folgende Forschungsfrage wird adressiert:
Welche Herausforderungen nehmen Pflegefachpersonen bei der Partizipation während der Implementierung von Technologie wahr und welche praktischen Implikationen lassen sich daraus ableiten?

Methode
​​​​In der post-Implementierungsphase (2023) wurden halbstrukturierte-leitfadengestützte Interviews mit Pflegefachpersonen der Projektstation (N = 10) durchgeführt, davon neun Präsenz- und ein Telefoninterview. Nach der Transkription erfolgte die Datenanalyse in MaxQDA Version 2022 durch zwei Forschende unabhängig voneinander anhand der qualitativ-strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker [3].

Ergebnisse
Aus Sicht der Pflegefachpersonen lassen sich zwei zentrale Herausforderungen des partizipativen Vorgehens ableiten:
Kommunikativ: Pflegefachpersonen berichten von Irritationen und Missverständnissen beim partizipativen Vorgehen, z. B., dass eine Technologie eingeführt wurde, gegenüber der Pflegefachpersonen sich ablehnend geäußert hatten, die jedoch von der pflegerischen Leitungsebene gewünscht wurde. Um diesen entgegenzuwirken, betonen Pflegefachpersonen, dass eine transparente Kommunikation entscheidend darüber ist, weshalb und in welchem Ausmaß ihre Perspektiven und der aller anderen am Implementierungsprozess beteiligten Stakeholder (wie Leitungspersonen, Projektteam) berücksichtigt werden. Zudem sollte transparent dargelegt werden, welche Faktoren in Entscheidungen zur Technologieeinführung einfließen.
Strukturell und prozessual: Aus administrativer Perspektive einer Stationsleitung wurde berichtet, dass sich die Organisation der Teilnahme von Pflegefachpersonen an den Workshops als herausfordernd gestaltet, vor allem, weil weiterhin die Patient:innenversorgung aufrechterhalten werden muss.
Pflegefachpersonen sahen beim Ausprobieren der Technologien zwar einen zeitlichen Mehraufwand in einem bereits dynamischen und hochbelasteten Arbeitsalltag, gleichzeitig aber auch einen Mehrwert in Form von Unterstützung und Entlastung.

Praktische Implikationen und Schlussfolgerung
Um aus den thematisierten Herausforderungen zu lernen, könnten verschiedene Methoden angewendet werden:
  1. Eine klare Kommunikation von Beginn an über die Bedeutung von Partizipation und der Perspektive der Pflegefachpersonen für die Entscheidungsprozesse sowie dessen konsequente Umsetzung, um potenziellen Irritationen vorzubeugen.
  2. Im Sinne eines „Small-group-Ansatzes“ [4] könnten einzelne Pflegefachpersonen als Vertreter:innen für eine partizipative Implementierung ausgewählt werden, um ein konsistentes Vorgehen zu ermöglichen, diese als Pioniere die Technologieimplementierung voranzutreiben [5].
  3. Ein Umdenken in der Führungsebene hin zu einer partizipativen Organisation, weg vom „Top-Down-Denken“.
Summa summarum tragen einige technische, regulatorische und organisatorische Faktoren dazu bei, dass die Entscheidung zur Technologieeinführung komplex wird. Dadurch ist neben der Perspektive der Pflegefachpersonen auch die weiteren Stakeholder erforderlich, damit Technologie bedarfsgerecht, nachhaltig und nutzbringend implementiert werden kann.

Referenzen

[1] Wegge J, Jeppesen HJ, Weber WG, Pearce CL, Silva SA, Pundt A, et al. Promoting Work Motivation in Organizations. Journal of Personnel Psychology. 2010;9:154–71. DOI: 10.1027/1866-5888/a000025.
[2] Klawunn R, Dierks ML, Krückeberg J, Hechtel N. Partizipation von Pflegefachpersonen in Technikauswahl und -einführung. Public Health Forum. 2021;29:260–4. DOI: 10.1515/pubhef-2021-0065.
[3] Kuckartz U, Rädiker S. Qualitative Inhaltsanalyse Methoden, Praxis, Computerunterstützung: Methoden, Praxis, Computerunterstützung : Grundlagentexte Methoden. 5th ed. Weinheim: Beltz Juventa; 2022.
[4] Stab N, Hacker W. Participatory redesign of work organisation in hospital nursing: A study of the implementation process. Journal of Nursing Management. 2018;26:382–92. DOI: 10.1111/jonm.12545.
[5] Damschroder LJ, Reardon CM, Widerquist MAO, Lowery J. The updated Consolidated Framework for Implementation Research based on user feedback. Implement Sci. 2022;17:75. DOI: 10.1186/s13012-022-01245-0.
Frau Deliah Katzmarzyk
Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Partizipation #Pflege #Implementierung #Barrieren
6
Hintergrund: Verbundenheit – als das subjektive Gefühl zugehörig und aufgehoben zu sein, sowohl zu sich selbst, zu anderen Menschen, zu einer Gruppe als auch auf spiritueller Ebene mit etwas „Höherem“ oder mit Natur und Kultur (1) – ist ein wesentlicher Bestandteil der Mind-Body-Medizin (2). Dieses Gefühl hat direkte positive Auswirkungen auf den Gesundheitszustand in den Bereichen der mentalen und der physischen Gesundheit, der Immunfunktion, der kognitiven Funktion, dem Altern und der Mortalität (2). In unserer Studie geht es darum zu untersuchen, wie eine langjährige Achtsamkeitspraxis mit dem Erleben verschiedener Dimensionen der Verbundenheit zusammenhängt.

Methode: In einer Stichprobe von März bis April 2025 wurden erfahrene Meditierende (n ≈ 550), die seit mindestens drei Jahren mindestens vier Mal in der Woche meditieren, mittels eines quantitativen Online-Surveys befragt. Die Akquirierung erfolgte über einschlägige Netzwerke und E-Mail-Verteiler aus allen gängigen Meditationsstilen und -praxen im deutschsprachigen Raum. Als Erhebungsinstrument dienten bereits validierte Skalen, die die Dimensionen von Achtsamkeit und Verbundenheit erfassen: Five Facet Mindful Questionnaire (FFMQ), Adult Self-Transcendence Inventory (ASTI), Compassionate Love Scale, Watts Connectedness Scale, die Skala zur Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) sowie eine neue Skala zur Messung von verschiedenen Dimensionen der Verbundenheit: das Koordinatensystem der Verbundenheit. Zusätzlich wurden soziodemographische Daten sowie qualitative (Meditationsstil und -tradition) und quantitative Indikatoren (Dauer, Häufigkeit, Erfahrung) erhoben.

Ergebnisse: Als vorläufiges Ergebnis kann festgehalten werden, dass eine Korrelation zwischen einer Achtsamkeitspraxis und des Verbundenheitsempfindens in allen Dimensionen besteht: Hypothesentests, die über multiple Regressionsanalysen erfolgen, sagen aus, dass signifikant positive Beziehungen zwischen Achtsamkeitsfacetten, Selbsttranszendenz, Mitgefühl sowie Selbst-, sozialer und Naturverbundenheit bestehen. Der statistische Zusammenhang ist auch für das Koordinatensystem der Verbundenheit sichtbar. Aufgrund der t-Tests/ANOVAs soll überprüft werden, ob es Zusammenhänge zwischen den Subgruppen der Meditationsstile, der Meditationserfahrung und dem Verbundenheitsempfinden gibt. Endgültige Ergebnisse liegen ab Juni 2025 vor.

Diskussion: Wir können anhand dieser Studie nachweisen, dass sich die verschiedenen Achtsamkeitspraxen positiv auf Verbundenheit auswirken. Da Verbundenheit positive Auswirkungen auf den Gesundheitszustand hat (2), fundieren wir mit unserer Forschung die Anwendung von Meditation und anderen Achtsamkeitspraxen als Mind-Body-medizinische Prävention und Begleitbehandlung sowie als salutogene Maßnahme (3, 4).

Referenzen

[1] Michaelsen MM. Vier Dimensionen der Verbundenheit – Was Verbundenheit von Verbindung unterscheidet, wie existenziell sie für unser Leben ist und wie man sie fördern kann. Witten Lab Magazin 2021;2:100–3.
[2]  Esch T, Stefano GB, Michaelsen M M. The foundations of mind‐body medicine: Love, good relationships, and happiness modulate stress and promote health. Stress and Health 2024;4:e3387. DOI: 10.1002/smi.3387.
[3]   Klussman K, Curtin N, Langer J, Nichols AL. Examining the effect of mindfulness on well-being: Self-connection as a mediator. Journal of Pacific Rim Psychology 2020;14:e5.
[4] Stafford M, von Wagner C, Perman S, Taylor J, Kuh D, Sheringham J. Social connectedness and engagement in preventive health services: an analysis of data from a prospective cohort study. The Lancet Public Health 2018;3(9):e438-e446.
Frau Dr. rer. oec. Dr. rer. medic. Maren Michaelsen
Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung (IGVF), Universität Witten/Herdecke, Witten
#Präsentation #Verbundenheit #Achtsamkeit #Meditation
7
Hintergrund
Ende 2019 formierte sich am Robert Koch-Institut eine an Partizipation in Theorie und Praxis interessierte Gruppe von Mitarbeitenden mit dem Ziel, das Methodenspektrum des Instituts um partizipative Ansätze zu erweitern und gemeinsam das eigene Vorgehen in partizipativem und alltäglichem Arbeiten zu reflektieren. Diese institutsinterne, selbstorganisierte Gruppe agiert ohne institutionellen Auftrag unter dem Namen „Interessensgruppe (IG) Partizipation“.

Der Beitrag ist ein Impulsvortrag im Workshop "Institutionalisierung von Partizipation und partizipativen Ansätzen in Gesundheitssystem und Gesundheitsforschung: Wie können partizipative Ansätze und Beteiligungsformate im Gesundheitssystem und in der Gesundheitsforschung verankert werden?" und berichtet dazu von den Lessons Learned bei der Institutionalisierung von partizipativen Ansätzen in einer Gesundheitsforschungseinrichtung.

Methode/Arbeitsweise
Die IG Partizipation besteht aus etwa 15 aktiven Mitgliedern, vernetzt sich mit weiteren 30 Personen über eine Mailingliste und trifft sich regelmäßig. Zwischen 2020 und 2024 wurden zahlreiche Aktivitäten umgesetzt. Ein zentraler Bereich war die Unterstützung von Kolleg:innen zur Förderung partizipativer Ansätze durch Vorträge und Trainings sowie durch die einjährige Einstellung eines „Partizipationsbeauftragten“, der Mitarbeitende insbesondere im internationalen Kontext beriet. Die Gruppe initiierte zudem Strategien zur antidiskriminierenden Kommunikation, etwa durch Beratung des Krisenstabs während der COVID-19-Pandemie zur öffentlichen Kommunikation, der Erarbeitung einer Leitlinie zu diskriminierungssensibler Sprache und der Erstellung eines internen Positionspapiers zu gendersensibler Sprache. Weitere Aktivitäten umfassten die Unterstützung bei der partizipativen Entwicklung von Empfehlungen zur COVID-19-Prävention im Kontext von Wohnungslosigkeit sowie der Anstoß eines partizipativen Prozesses zur institutsinternen Auseinandersetzung mit dem Thema Dekolonisierung.

Ergebnisse
Durch die vielfältigen Aktivitäten der IG Partizipation entsteht ein Raum für Austausch und gemeinsames Lernen, der weit über die Gruppe hinauswirkt und neue Möglichkeiten für partizipative Projekte eröffnet: sensible und demokratierelevante Themen wie Pluralität, strukturelle Benachteiligung oder Dekolonisierung können aufgegriffen werden. In internationalen Projekten sehen wir eine verstärkte Integration partizipativer Methoden. Herausforderungen bestehen bei der strukturellen und systematischen Verstetigung in Form von Stellen, finanzieller Unterstützung oder Prozessänderungen.

Fazit und Lessons Learned
Die Arbeit der IG unterstreicht die Bedeutung interner Netzwerke, um partizipative Ansätze praxisnah in Institutionen der öffentlichen Gesundheit zu verankern. Um die Wirkung langfristig zu sichern, bedarf es einer institutionellen Verankerung und struktureller Förderung.
Frau Dr. Susanne Jordan
Robert Koch-Institut, Berlin
Frau Dr. Flora Haderer
Robert Koch-Institut, Berlin
#Präsentation
8

Hintergrund

Rehabilitation wird u. a. aufgrund von demografischem Wandel und hoher Prävalenz nicht übertragbarer Krankheiten als eine zentrale Gesundheitsstrategie des 21. Jahrhunderts betrachtet [1]. Mit dem Bundesprogramm rehapro hat das BMAS der Bedeutung von Rehabilitation und beruflicher Teilhabe Rechnung getragen. Ziel des Modellprojekts „Koordination individueller Teilhabe“(KiT) war die Implementation und Erprobung eines Case Management-Ansatzes (CM) in der Rehafachberatung von neun Rentenversicherungsträgern. Personen mit komplexem Unterstützungsbedarf und ihr beruflicher Rehaprozess standen im Fokus. Mit Projektbeginn nahmen Rehaberatende an einer Weiterbildung nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management teil [2].

Methode

Das Projekt wurde mit einem Mixed-Methods Studiendesign wissenschaftlich begleitet. Auf Versichertenebene wurden teilstandardisierte Fragebogenerhebungen zu drei Zeitpunkten durchgeführt: zu Beginn (t1), zum Ende (t2) und ca. 6 Monate nach Ende (t3) des CM. Zu t1 wurden insbesondere soziodemografische/-ökonomische Merkmale, die gesundheitliche Situation und Einstellungen zum CM erfasst. Zu t2 und t3 wurden neben Wiederholungsfragen Daten zur Teilnahme am CM erhoben. Es wurden u. a. Teilhabeeinschränkungen (IMET) [3] und die mentale Gesundheit (MHI-5) [4] gemessen. Zudem wurden im Rehaprozess eingesetzte standardisierte CM-Instrumente ausgewertet.
​​​

Ergebnisse

Von insgesamt 2.252 Versicherten, die am CM teilnahmen, liegen von 821 Versicherten (36 %) Bedarfsermittlungen vor und von 630 Versicherten Abschlussdokumentationen. Die Anzahl an Fragebogen ist geringer, d. h. t1: n = 586, t2: n = 329 und t3: n = 218. Die teilnehmenden Rehabilitand*innen weisen besonders psychische/psychosomatische (74 %), orthopädische (64 %) und kardiologische (35 %) Erkrankungen auf. 84 % sind von Multimorbidität betroffen. 31 % haben einen Grad der Behinderung von mindestens 30. Zu Beginn des CM bewerten 56 % ihre Gesundheit als mittelmäßig und 34 % als (sehr) schlecht. 29 % schätzen sich als beruflich überhaupt nicht leistungsfähig ein. Entsprechend sind die Einschränkungen der Teilhabe groß (IMET-Mittelwert: 42,1) und die mentale Gesundheit eher gering (MHI-5-Mittelwert: 44,5). Zudem sind 51 % arbeitslos, davon 24 % über ein Jahr. Rund 80 % sind für die Teilnahme an zukünftigen Rehamaßnahmen motiviert. Zum Abschluss sind 57 % der Teilnehmenden sehr und 31 % eher zufrieden mit der Begleitung. Sie bewerten die Beziehungs-, Service und fachliche Ebene überwiegend positiv, u. a. Beratung auf Augenhöhe und ihren Wünschen entsprechende Ziele (Zustimmungswerte ca. 80 %). Bei rund der Hälfte gibt es Verbesserungen bei den Teilhabeeinschränkungen und der mentalen Gesundheit (t1-t2; IMET-Mittelwerte 41,9 vs. 37,3, n=262, p<0,001, d=0,25; MHI-Mittelwerte 45,7 vs. 52,3, p<0,001, n=261, d=0,35). 32 % bewerten zum Abschluss ihren Gesundheitszustand besser. Bei 22 % konnte eine Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen und bei weiteren 12 % erhalten werden. 34 % befinden sich zum Abschluss in sonstiger Beschäftigung.
​​​​​​​​

Diskussion

Mit dem CM wurden überwiegend Personen mit komplexen Unterstützungsbedarfen erreicht, bei denen herkömmliche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Regel nicht ausreichen. Sie sind mit der erhaltenen Leistung überwiegend zufrieden. Größtenteils konnte ein ko-kreatives Arbeitsbündnis zwischen Fachkraft und Rehabilitand*in etabliert werden. Es liegen empirische Hinweise für die Wirksamkeit der Innovation vor. Mit der Verstetigung von CM kann die Rentenversicherung eine Verschiebung ihrer Arbeits-/Beratungsroutinen in Richtung des Prinzips der Personenzentrierung und den Grundsätzen von ICF, UN-BRK und BTHG vollziehen.

Referenzen

[1] Stucki G. Advancing the Rehabilitation Sciences. Front Rehabil Sci 2021; 1:617749. DOI: 10.3389/fresc.2020.617749.
[2] Ehlen S, Löcherbach P, Oliva H, Schmidt S. Qualifizierung im Case Management im Bereich Rehabilitation. Case Management 2024; (2):74–9.
[3] Deck R, Walther AL, Staupendahl A, Katalinic A. Einschränkungen der Teilhabe in der Bevölkerung - Normdaten für den IMET auf der Basis eines Bevölkerungssurveys in Norddeutschland. Rehabilitation (Stuttg) 2015; 54(6):402–8. DOI: 10.1055/s-0035-1559670 .
[4] Rumpf HJ, Meyer C, Hapke U, John U. Screening for mental health: validity of the MHI-5 using DSM-IV Axis I psychiatric disorders as gold standard. Psychiatry Res 2001; 105(3):243–53. DOI: 10.1016/s0165-1781(01)00329-8 .
Herr Dr. Sebastian Ehlen
FOGS - Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich mbH, Köln
#Präsentation #Rehafachberatung #Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben #Personenzentrierung #komplexer Unterstützungsbedarf
Mi
17 Sep
15:00 - 15:30
PW1
Arbeit und Gesundheit
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1

Hintergrund

Heben und Tragen sind körperliche Arbeitsbelastungen, die in einer Vielzahl von Branchen und Berufen üblich sind und zu motorisch-biomechanischer Belastung führen. Die auf der ICF basierende Norwegian Function Assessment Scala (NFAS; 39 items) misst die allgemeine Funktionsfähigkeit auf einer fünfstufigen Skala, für die Referenzwerte für Arbeitnehmer in Deutschland vorliegen [1]. Die Funktionsfähigkeit arbeitsfähiger Personen kann mit Hilfe der für die Arbeitswelt reduzierten Variante NFAS-Work gemessen werden. Ziel ist es, die Veränderung der Funktionsfähigkeit über einen 5-Jahres-Zeitraum bei Beschäftigten zu messen, die schwere Lasten (Frauen >10kg, Männer >20kg) heben oder tragen.

Methode

Im Rahmen der Studie zur Mentalen Gesundheit bei der Arbeit (S-MGA; Baseline 2011/12; Follow-up 2017) wurden Selbstauskünfte zum Heben/Tragen schwerer Lasten bei der Arbeit (nie; ≤¼; bis zur Hälfte; ≤¾ und >¾ der Zeit) und die NFAS-work (Bereich von 1 = „keine Schwierigkeit“ bis 5 = „konnte es nicht tun“) bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (≥14h/Woche) zwischen 31 und 60 Jahren bei Studienbeginn erhoben; n=2.339 Beschäftigte bei beiden Erhebungen. Die Expositionsprävalenzen und die Funktionsfähigkeit werden deskriptiv berichtet. Als Effektschätzer werden Regressionskoeffizienten verwendet (Tweedie-GLMs adjustiert für Altersdekaden, BMI>30 und gesundheitliche Einschränkungen; stratifiziert nach Geschlecht).

Ergebnisse

30,3 % der Frauen und 35,8 % der Männer in Deutschland hoben/trugen zu beiden Messzeitpunkten. Für das Heben/Tragen bis zur Hälfte der Zeit stiegen die Funktionsfähigkeitswerte für Frauen signifikant von 1,29 (95%CI 1,24-1,35) auf 1,63 (95%CI 1,36-1,90) nach 5 Jahren, für Männer von 1,21 (95%CI 1,17-1,26) auf 1,40 (95%CI 1,12-1,76), was einem Abfall der Funktionsfähigkeit entspricht. Das Regressionsmodell zeigte eine Dosis-Wirkungs-Beziehung und einen Healthy-Worker-Effekt. Wenn der Anteil der Zeit, die mit dem Heben/Tragen verbracht wurde, beim Follow-up erhöht wurde, stieg der Mittelwert der NFAS-Work um 0,05 (Frauen) bzw. 0,04 Punkte (Männer). Wurde die Exposition zum zweiten Messzeitpunkt reduziert, verbesserte sich die Funktionsfähigkeit um 0,04 (Frauen) bzw. 0,03 Punkte (Männer).

Diskussion

Unter der körperlichen Arbeitsbelastung Heben/Tragen verschlechtert sich die Funktionsfähigkeit innerhalb von 5 Jahren. Die NFAS-23 scheint geeignet zu sein, über den Alterseffekt hinausgehende Veränderungen der Funktionsfähigkeit für Heben und Tragen bei beiden Geschlechtern anzuzeigen.

Referenzen

[1] Jankowiak S, Rose U, Kersten N. (2018). Application of the ICF based Norwegian function assessment scale to employees in Germany. Journal of Occupational Medicine and Toxicology. 13 (3), 1-11.
Frau Sylvia Jankowiak
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fachbereich Arbeit und Gesundheit, Berlin
#Poster #ICF Funktionsfähigkeit
2

Hintergrund

Die alternde Erwerbsbevölkerung erfordert eine altersgerechte Arbeitsgestaltung. Durch zeitlichen Handlungsspielraum können unterschiedliche Präferenzen und Bedürfnisse im Lebensverlauf von Beschäftigten berücksichtigt werden, unter anderem durch die erleichterte Regulation von Erholungszeiten. Nach der sozio-emotionalen Selektivitätstheorie steigt mit zunehmendem Alter die Präferenz für Autonomie, genau wie die Bedeutsamkeit mentalen Abschaltens von der Arbeit. Dies deutet darauf hin, dass der Nutzen von zeitlichem Handlungsspielraum für mentales Abschalten mit dem Alter zunimmt. Unsere Studie zielt darauf ab, diese Assoziation kontinuierlich über die Altersspanne von Beschäftigten darzustellen, um nuancierte Empfehlungen für die Arbeitsgestaltung zu ermöglichen. Darüber hinaus ist unser Ziel, verschiedene Facetten zeitlichen Handlungsspielraums—Kontrolle über Anfangs-/Endzeiten, Pausen, Stunden und Tage/Urlaub—zu explorieren, um Erkenntnisse über ihre relative Bedeutung für das mentale Abschalten zu gewinnen.

Methoden

Wir haben die Daten von 12.700 Vollzeitbeschäftigten der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2021 analysiert, die repräsentativ für den größten Teil der deutschen Erwerbsbevölkerung ist. Mit Marginal-Effekt-Analysen auf Basis einer multiplen linearen Regression haben wir die Interaktion zwischen zeitlichem Handlungsspielraum und Alter (21–65 Jahre) in Bezug auf mentales Abschalten untersucht, wobei wir für relevante soziodemografische und berufliche Variablen kontrolliert haben. Vier Facetten des zeitlichen Handlungsspielraums haben wir separat exploriert, um Kenntnisse über ihre relative Bedeutung zu generieren. Um die Robustheit der Ergebnisse zu erhöhen, haben wir zusätzliche Längsschnittanalysen mit Daten der BAuA-Arbeitszeitbefragung aus den Jahren 2015 und 2017 durchgeführt.

Ergebnisse

Zeitlicher Handlungsspielraum und mentales Abschalten hingen positiv zusammen mit kleiner Effektgröße. Entgegen der theoretischen Erwartungen zeigten sich keine bedeutsamen Altersunterschiede (0,13 SD ±0,03 bei 21-Jährigen bis 0,12 SD ±0,02 bei 65-Jährigen). Die Exploration spezifischer Facetten zeigte stärkere Zusammenhänge für Handlungsspielraum über freie Tage im Vergleich zu den anderen Facetten des Handlungsspielraums über Anfangs-/Endzeiten, Pausen und Stunden. Statistische Signifikanz von Handlungsspielraum über Beginn und Ende des Arbeitstages, über Pausen und freie Stunden war nur für Beschäftigte über Mitte 30 gegeben, mit geringen Effektgrößen. Längsschnittanalysen bestätigten diese Querschnittsergebnisse weitgehend.

Diskussion

Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass zeitlicher Handlungsspielraum mentales Abschalten über die gesamte Altersspanne von Beschäftigten fördert. Obwohl die Effektgrößen statistisch gesehen gering waren, könnten sie dennoch praktisch bedeutsam sein, besonders im Kontext möglicher positiver Spillovereffekte. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Organisationen dem Handlungsspielraum von Beschäftigten im Freinehmen von Tagen bzw. Urlaub besondere Aufmerksamkeit in der Gestaltung flexibler Arbeitsregelungen widmen sollten. Zukünftige Forschung sollte Bedingungen erforschen, die die Vorteile von zeitlichem Handlungsspielraum verstärken könnten.
Frau Mariebelle Kaus
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg
Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin
#Poster #Arbeitszeit #Erholung #Mentales Abschalten #Alter #Panel Data
3
Die BGF hat sich in den letzten Jahren zunehmend in der Arbeitswelt etabliert. Mitbestimmung und die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse sind zentrale Elemente für eine erfolgreiche Umsetzung. In einer branchenübergreifenden Analyse werden Arbeitsanforderungen, damit verbundenes Belastungsempfinden sowie Bedarfe von Beschäftigten von KMU im ländlichen Raum untersucht.

In einer Querschnittstudie wurden Arbeitsanforderungen, damit einhergehendes Belastungsempfinden sowie gesundheitsförderliche Bedarfe in vier Unternehmen quantitativ erhoben. Um einen partizipatorischen Ansatz zu verfolgen wurden Fokusgruppeninterviews durchgeführt. Quantitativ erhobene Daten wurden deskriptiv analysiert, die Auswertung des qualitativ gewonnenen Datenmaterials erfolgte anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz.

Insgesamt beteiligten sich 251 Beschäftigte (68,9 % weiblich) aus vier Unternehmen (z.B. Pflege, IT) an der Querschnittstudie. Branchenübergreifend wird am häufigsten eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Arbeiten gefordert. Beanspruchungen resultieren aus Tätigkeiten, die emotional belasten und aus Arbeiten, die unter starkem Termin- und Leistungsdruck erfolgen. Rückengesundheit und Stressbewältigung sind die am häufigsten nachgefragten Themenfelder.

Damit BGF von den Zielgruppen positiv und motivierend aufgenommen wird, ist es zieldienlich, die spezifischen Arbeitsanforderungen und Belastungen sowie die jeweiligen Bedürfnisse der Beschäftigten der einzelnen Branchen durch ein partizipatives und methodenintegratives Vorgehen zu erfassen.

Frau Lena Binder
Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Pettenkofer School of Public Health, Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Medizinische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
#Präsentation #Betriebliche Gesundheitsförderung #Betriebliches Gesundheitsmanagement #Arbeitsanforderung und Belastung #Kleine und mittlere Unternehmen #Mixed-Methods-Studie
4

Hintergrund

Arbeitsplatzbezogene naturbasierte Interventionen (ANBIs) haben vielversprechende Vorteile für die psychische und physische Gesundheit von Beschäftigten gezeigt, einschließlich ihrer arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit. Trotz dieses Potenzials bleibt die Forschung zur Implementierung und Nutzung von ANBIs in organisatorischen Kontexten begrenzt. Ähnlich wie bei anderen Gesundheitsinterventionen wird erwartet, dass die Akzeptanz und Umsetzbarkeit von ANBIs durch eine Vielzahl von organisationalen Barrieren und unterstützenden Faktoren beeinflusst wird. Eine zentrale Rolle bei der Untersuchung dieser Faktoren spielt die Perspektive von Führungskräften, da ihre Entscheidungen und Einstellungen maßgeblich zur Akzeptanz, Einführung und damit zur Wirksamkeit solcher Interventionen beitragen.

Methode

Insgesamt wurden 120 potenzielle Teilnehmende über die Mailinglisten des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf angeschrieben. Diese Listen bildeten sich aus einzelnen Ansprechpartner*innen innerhalb von Betrieben aus vergangenen Studien. Die Rekrutierung und Durchführung der Studie fand zwischen Januar und Juni 2024 statt. Eingeschlossen wurden Personen aus Unternehmen aller Branchen mit einer Mitarbeitendenzahl > 50 Personen und Führungsverantwortung (Geschäftsführer*in, Head of HR, Nachhaltigkeitsmanagement, betriebliches Gesundheitsmanagement, Abteilungsleiter*in, Teamleiter*in) für mindestens fünf Personen. Wir haben qualitative leitfadengestützte Einzelinterviews durchgeführt. Die Datenanalyse der Transkripte erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz, unterstützt durch die Software MAXQDA 2024.

Ergebnisse

An der Studie nahmen 17 Führungskräfte teil, wobei 10 männlich und 7 weiblich sind. Insgesamt betrachteten die Führungskräfte ANBIs größtenteils als potenziell vorteilhaft für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden. Zu den Herausforderungen bzgl. der Implementierung, die identifiziert werden konnten, zählen Rechtliche und externe Rahmenbedingungen, Kulturelle Einflussfaktoren, Strukturelle und Standortabhängige Faktoren, Organisatorische Faktoren und Entscheidungsprozesse, Finanzielle- und Ressourcenthemen, Kommunikations- und Überzeugungsstrategien sowie die Akzeptanz und Motivation von Mitarbeitenden. Zudem wurden Faktoren, die mit der Umsetzung und Evaluation der ANBI zusammenhängen, sowie die Unterstützung durch Anbieter genannt. Als förderliche für die Implementierung wahrgenommene Faktoren wurden unter anderem eine positive Unternehmenskultur, die Offenheit für innovative Gesundheitsmaßnahmen sowie klare Kommunikationsstrategien genannt. Zudem zeigte sich, dass persönliche Überzeugungen und Vorerfahrungen der Führungskräfte einen entscheidenden Einfluss auf die Akzeptanz und Förderung von ANBIs in Unternehmen haben könnten.

Diskussion

Die Studie zeigt, dass Führungskräfte, während sie die potenziellen Vorteile solcher Interventionen für die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Mitarbeitenden anerkennen, zugleich organisatorische und strukturelle Hürden benennen, die es anzugehen gilt. Entscheidend für die Integration von ANBIs in den Arbeitsalltag sind eine unterstützende Unternehmenskultur, ausreichende Ressourcen sowie das Engagement der Führungsebene. Zukünftige Forschungs- und Praxisansätze sollten daher die hier nicht repräsentierte Beschäftigtenperspektive einschließen, sondern zudem die Gestaltung effektiver naturbasierter Interventionen fokussieren und Strategien entwickeln, um Barrieren in Unternehmen zu überwinden und die Rolle von Führungskräften gezielt zu stärken.

Frau Nadin Zerin Tanriverdi
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Poster #betriebliche Gesundheitsförderung #naturbasierte Intervention #barrieren und förderliche Faktoren #psychische Gesundheit #Gesundheitsförderung & Prävention
Mi
17 Sep
15:30 - 16:00
PW2
Klimaveränderungen und Anpassungen
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1
Hintergrund: Das Ernährungssystem ist für 19-29 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, wovon 80-86 % aus der landwirtschaftlichen Produktion stammen. Innerhalb der landwirtschaftlichen Produktion ist die Fleischproduktion für 72-78 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Neben den klimaschädlichen Auswirkungen kann ein hoher Fleischkonsum auch negative gesundheitliche Folgen haben. Eine sehr fleischreiche Ernährung, insbesondere mit rotem Fleisch (z. B. Rind und Schwein) und verarbeitetem Fleisch (z. B. Wurst), wird im Vergleich zu einer fleischarmen Ernährung mit mehreren chronischen Krankheiten wie koronare Herzkrankheit, bestimmten Krebsarten und Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht. Durch die vermehrte mediale und politische Aufmerksamkeit gegenüber der sich verschärfenden Klimakrise hat sich vermutlich das Wissen der Bevölkerung über die Ursachen und Möglichkeiten zur Eindämmung der klimatischen Veränderungen erhöht. Anhand von GESIS-Paneldaten werden Veränderungen in der Häufigkeit des Fleischkonsums und in der Einschätzung, welche Häufigkeit des Fleischkonsums unter Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten angemessen ist, untersucht.

Methode: Die GESIS-Studie ist ein probabilistisches Mixed-Mode-Access-Panel der deutschsprachigen Bevölkerung im Alter von 18 bis 70 Jahren (zum Zeitpunkt der Erstrekrutierung) mit ständigem Wohnsitz in Deutschland. Das Panel wurde 2014 aufgebaut und bisher dreimal mit einer Auffrischungsstichprobe aktualisiert. In je einer Welle in den Jahren 2015 (n=3.772) und 2022/2023 (n=4.699) wurden der aktuelle Fleischkonsum und die Einschätzung eines angemessenen Fleischkonsums unter Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten erhoben. Für die Datenauswertung wurden die sieben Antwortmöglichkeiten jeweils zu drei Kategorien zusammengefasst: täglich, 3-6 Tage pro Woche, 2 Tage pro Woche oder seltener. Im Folgenden werden vorläufige Ergebnisse dargestellt. Bis September 2025 ist mit finalen Ergebnissen zu rechnen.

Ergebnisse: 30 % der Männer und 16 % der Frauen in Deutschland essen aktuell (2022/2023) täglich Fleisch. Im Jahr 2015 waren es noch 41 % (Männer) bzw. 27 % (Frauen). Dagegen ist der Anteil derjenigen, die höchstens zweimal pro Woche Fleisch essen, bei den Männern von 14 % auf 21 % und bei den Frauen von 26 % auf 39 % gestiegen. Der Anteil derjenigen, die einen täglichen Fleischkonsum aus Klimaschutzgründen für angemessen halten, ist relativ konstant geblieben: Er liegt bei den Männern bei 15 % bzw. 18 % und bei den Frauen bei 9 % bzw. 8 %. Dagegen ist der Anteil derjenigen, die einen Fleischkonsum von höchstens zweimal pro Woche für angemessen halten, gestiegen, insbesondere bei den Frauen von 43 % auf 57 %. Bei den Männern ist ein Anstieg von 29 % auf 37 % zu verzeichnen. Männer und Frauen der höheren Bildungsgruppe bewerten einen geringeren Fleischkonsum als angemessen als diejenigen der niedrigeren Bildungsgruppen. Außerdem wurde bei einer höheren aktuellen Verzehrhäufigkeit von Fleisch auch ein höherer Konsum als angemessen bewertet.

Diskussion: Männer essen weiterhin häufiger Fleisch als Frauen. Frauen scheinen sich der Auswirkungen des Fleischkonsums auf den Klimawandel stärker bewusst zu sein als Männer. Allerdings ist bei beiden Geschlechtern der Fleischkonsum zwischen den beiden Befragungszeitpunkten gesunken und die Einschätzung, dass ein seltenerer Fleischkonsum angemessen wäre, gestiegen. Dennoch sollte weiterhin Aufklärungsarbeit über den klima- und gesundheitsschädlichen übermäßigen Fleischkonsum geleistet werden. Der Anteil derjenigen, die einen täglichen Fleischkonsum für angemessen halten, hat sich kaum verändert und etwa ein Drittel der Männer isst immer noch täglich Fleisch.

Referenzen

[1] Vermeulen SJ, Campbell BM, Ingram JSI. Climate change and food systems. Annu Rev Environ Resour. 2012;37(1):195-222.
[2] Springmann M, Clark M, Mason-D’Croz D, Wiebe K, Bodirsky BL, Lassaletta L, et al. Options for keeping the food system within environmental limits. Nature. 2018;562(7728):519-25.
[3] Bosnjak M, Dannwolf T, Enderle T, Schaurer I, Struminskaya B, Tanner A, et al. Establishing an Open Probability-Based Mixed-Mode Panel of the General Population in Germany: The GESIS Panel. Social Science Computer Review. 2018;36(1):103-115.
Frau Ramona Moosburger
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Poster #Fleischkonsum #Klimawandel #Deutschland #Individuelles Bewusstsein #Trendvergleich
2

Hintergrund

Hitze stellt ein großes und dringendes Klimarisiko für die menschliche Gesundheit dar [1]. Um dem Hitzeschutz auf gesellschaftlicher Ebene angemessen zu begegnen und damit gesundheitlichen Risiken der Bevölkerung entgegenzuwirken, sind Steuerungselemente unabdingbar. Bereits im Jahr 2008 veröffentlicht die Weltgesundheitsorganisation, als Reaktion auf die Auswirkungen des Klimawandels und zunehmende Hitzewellen in Europa, Empfehlungen zur Planung von Maßnahmen zum Hitzeschutz und beschreibt die Gesundheitsauswirkungen bei angemessener Vorbereitung als weitgehend vermeidbar [2]. Vor diesem Hintergrund widmet sich das Projekt „Hitzekompetenz gefährdeter Gruppen im Land Sachsen-Anhalt (HiLSA)“ dem Ziel der Stärkung der Widerstandsfähigkeit Sachsen-Anhalts gegenüber Hitzewellen. Hierbei liegt der Fokus auf der Stärkung der hitzebezogenen Gesundheitskompetenz besonders vulnerabler Gruppen (Förderkennzeichen: ZS/2023/12/182328 und ZS/2023/12/182585, Mittelgeber: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und Land Sachsen-Anhalt). In diesem Rahmen erfolgt eine systematische Bestandsaufnahme gesetzlicher Regelungen und Maßnahmen zum Thema Hitzeschutz. Ziel dieser Analyse ist es, bestehende Richtlinien und Maßnahmen relevanter Public-Health-Akteure auf internationaler bis kommunaler Ebene zu eruieren, die Auswirkungen auf das Bundesland Sachsen-Anhalt haben.

Methode

Für die Durchführung der Bestandsaufnahme wurden Suchbegriffe sowie Ein- und Ausschlusskriterien definiert. Darauffolgend wurde eine Suchstrategie für die systematische Dokumentenrecherche und -analyse erarbeitet. Die für die Recherche herangezogenen Public-Health-Akteure basieren auf der etablierten Kategorisierung von Hommes et al. [3]. In einer ersten Erhebung (Februar bis April 2025) wurden systematisch öffentlich zugängliche Gesetze, Dokumente etc. zum Thema Hitzeschutz erhoben und gesichtet. Ergänzend wurde eine Recherche mittels der Suchmaschine Google durchgeführt. Auf Basis der Treffer findet eine induktiv-deduktive Kategorienbildung und Auswertung des Datenmaterials statt.

Ergebnisse

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass es im Bereich Hitzeschutz, vor dem Hintergrund gesundheitlicher Risiken, vergleichsweise wenige Steuerungselemente im Rahmen gesetzlicher Verankerungen mit Bezug zum Bundesland Sachsen-Anhalt gibt. Insgesamt konnten im Rahmen der ersten Analyse 62 relevante Dokumente identifiziert werden, die im weiter gefassten Kontext von Richtlinien zu Hitzeschutz zu verorten sind. Hierbei zeigt sich, dass es angrenzende Befunde, etwa aus dem Bereich Klimaschutz, gibt, die Berührungspunkte zum Hitzeschutz aufweisen, diesen aber nicht spezifisch thematisieren. Dies betrifft 39 von 62 Dokumenten. Die Bestandserhebung zeigt darüber hinaus, dass viele Ergebnisse als Empfehlungen oder Leitlinien zum Thema Hitzeschutz zu kategorisieren sind, die keine Verbindlichkeit hinsichtlich der Implementierung von Hitzeschutz aufweisen. Insbesondere auf kommunaler Ebene zeigt sich der Hitzeschutz in Sachsen-Anhalt nur in ausgewählten Branchen, wie im Arbeits- oder Baurecht, verpflichtend verankert. Auf dieser Ebene konnten zudem durch eine erste Recherche auf der Basis öffentlicher Dokumente in 20 von 218 kreisfreien Städten und kreisangehörigen Gemeinden in Sachsen-Anhalt konkrete Informationen zu Hitzeschutzmaßnahmen identifiziert werden. Bei den vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich um vorläufige Ergebnisse, die im Rahmen der weiteren Recherche weiter verdichtet, kategorisiert und im Rahmen des Kongresses vorgestellt sowie diskutiert werden.

Diskussion

Die Bestandserhebung stellt eine erste Analyse der gesetzlichen Verankerung von Hitzeschutz im Land Sachsen-Anhalt dar. Die Kategorisierung der gesetzlichen Regelungen und Maßnahmen ermöglicht einen wichtigen Überblick zum aktuellen Umsetzungsstand von strukturellen Maßnahmen zur Vermeidung hitzebedingter Erkrankungen auf gesellschaftlicher Ebene. Die ersten Ergebnisse geben zudem Hinweise darauf, dass eine stärkere gesetzliche Verankerung des Hitzeschutzes Potentiale bietet, den Hitzeschutz flächendeckend zu implementieren und damit negative Gesundheitsauswirkungen von Hitze abzumildern.

Referenzen

[1] Rüth P van, Schönthaler K, Andrian-Werburg S von, Wolf M, Gabriel M. Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel: Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe Anpassungsstrategie der Bundesregierung [Internet]. Bonn: Umweltbundesamt; 2023 [cited 2025 Mar 14]. Available from: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/das-monitoringbericht_2023_bf_korr.pdf.
[2] Matthies F, Bickler G, Cardeñosa Marín N, Hales S. Heat–health action plans: guidance [Internet]. Copenhagen: World Health Organization. Regional Office for Europe; 2008 [cited 2025 Feb 15]. Available from: https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/107888/9789289071918-eng.pdf?sequence=1&isAllowed=y.
[3] Hommes F, Mohsenpour A, Kropff D, Müller B, Schmidt C, Lange J, et al. Überregionale Public-Health-Akteure in Deutschland – eine Bestandsaufnahme und Kategorisierung. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2022;65(1):96-106. DOI: 10.1007/s00103-021-03456-0.
Frau Amrei Maier
Hochschule Magdeburg-Stendal, Magdeburg
#Poster #Hitzeschutz #Richtlinien #Bestandsaufnahme #Public-Health-Akteure
3

Hintergrund

Die Folgen des fortschreitenden Klimawandels, wie die zunehmend häufigeren extremen Hitzeereignisse (z. B. Hitzewellen, heiße Tage und Nächte, anhaltend hohe Temperaturen) und die steigende Belastung durch ultraviolette (UV) Strahlung, erfordern eine zunehmend ausgeprägte Gesundheitskompetenz im Umgang mit hitzebedingten Gesundheitsrisiken. Ausgehend von Studienergebnissen zur allgemeinen Gesundheitskompetenz kann angenommen werden, dass ein höheres Maß an hitzeassoziierter Gesundheitskompetenz dazu führt, dass Menschen fundierte Entscheidungen zur Prävention hitzebedingter Beeinträchtigungen treffen. Zudem kann sie ermöglichen, dass Betroffene mit chronischen Erkrankungen unter Hitze verantwortungsvoll mit diesen umgehen und ihre Gesundheit aktiv fördern, um ihre Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern [1]. Bisher wurde das Konzept der hitzeassoziierten Gesundheitskompetenz weniger theoretisch diskutiert und empirisch untersucht. Unterschiedliche Verständnisse des Begriffs sowie mögliche Überschneidungen oder Erweiterungen im Vergleich zur allgemeinen Gesundheitskompetenz sind vor dem Hintergrund der ständigen Weiterentwicklung des Konzepts unzureichend beschrieben, insbesondere im Hinblick auf konzeptuelle Klarheit, begriffliche Abgrenzung und Anwendbarkeit. Ebenso fehlt eine systematische Übersicht über eingesetzte Erhebungsinstrumente sowie Maßnahmen zur Förderung der hitzebezogenen Gesundheitskompetenz. Das Ziel des vorliegenden Scoping-Reviews ist es, den aktuellen Forschungsstand zur hitzeassoziierten Gesundheitskompetenz bzw. Hitzekompetenz zu untersuchen und Definitionen, Messinstrumente sowie Interventionen zu identifizieren. Diese Ergebnisse dienen als Grundlage zur Ableitung von Maßnahmen zur Förderung der hitzebezogenen Gesundheitskompetenz.

Methode

Das Scoping Review erfolgt im Rahmen des Projekts „Hitzekompetenz gefährdeter Gruppen im Land Sachsen-Anhalt - HiLSA“ (Fördernummer h2: ZS/2023/12/182328, Fördernummer HSH: ZS/2023/12/182585, Mittelgeber: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), Land Sachsen-Anhalt) und wurde gemäß den PRISMA-ScR-Richtlinien 2020 durchgeführt [2]. Die systematische Literaturrecherche erfolgte im Februar 2025 in den Datenbanken PubMed, Scopus, Web of Science und Embase, ergänzt durch eine Handsuche in Google Scholar. Vorab wurden geeignete Suchterme sowie Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt. Eingeschlossen wurden alle Studien, die zwischen 2010 und 2025 in deutscher oder englischer Sprache veröffentlicht wurden. Insgesamt gingen 5720 Treffer in die Sichtung ein, von denen nach dem Ausschluss von Duplikaten 3745 Abstracts geprüft wurden, wobei 82 für die Volltextanalyse ausgewählt wurden.

Ergebnisse

Erste inhaltliche Analysen zeigen, dass ein einheitliches Konzept einer hitzebezogenen Gesundheitskompetenz bzw. Hitzekompetenz bislang nicht eindeutig vorliegt. Zudem findet die von Sørensen et al. [1] entwickelte und in Deutschland weit verbreitete Definition von Gesundheitskompetenz im Zusammenhang mit Hitzeereignissen bislang nur wenig Anwendung. In der Mehrheit der eingeschlossenen Studien wird der Begriff „Literacy“ vor allem in Bezug auf Wissen und Verhalten verschiedener Zielgruppen zu den Themen Hitze sowie Sonnen- und UV-Schutz diskutiert. Darüber hinaus befasst sich ein Großteil der Studien mit Themen wie Sonnenschutz, UV-Exposition und Hautkrebsrisiken, während die Gesundheitskompetenz im Kontext von Hitze weniger Beachtung findet. Eine umfassende Kategorisierung und Definition der Hitzekompetenz, die über das reine Wissen hinausgeht, ist noch zu erarbeiten.

Diskussion

Die vorläufigen Ergebnisse des Reviews zeigen, dass nur wenige relevante Studien zum Konzept der Hitzekompetenz identifiziert werden konnten. Während zahlreiche Studien Maßnahmen zu Sonnenschutz, UV-Exposition und Hautkrebs thematisieren, wird der Umgang mit Hitze auf Grundlage der vorliegenden Daten nur in begrenztem Umfang behandelt. Angesichts der wenigen Publikationen, die zu diesem Thema identifiziert wurden, erscheint es sinnvoll, zu untersuchen, inwieweit Hitzekompetenz auch als Bestandteil einer allgemeinen Klimakompetenz verstanden werden kann.

Referenzen

[1] Sørensen K, Van den Broucke S,Fullam J, Doyle G, Pelikan J, Slonska Z, et al. Health literacy and public health: A systematic review and integration of definitions and models. BMC Public Health [Internet] [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-2458-12-80#citeas.
[2] Page MJ, McKenzie JE, Bossuyt PM, Boutron I, Hoffmann TC, Mulrow CD, et al. The PRISMA 2020 statement: An updated guideline for reporting systematic reviews. PLoS Med [Internet] [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8005924/.
Herr Dustin Koch
Hochschule Magdeburg-Stendal, Magdeburg
#Präsentation #Gesundheitskompetenz #Hitzekompetenz #Scoping Review
4
Hintergrund

Die Exposition gegenüber ultravioletter (UV) Strahlung gilt als wichtigster umweltbezogener Risikofaktor für die Entstehung von Hautkrebs, einer Erkrankung, deren Inzidenz kontinuierlich ansteigt. Dennoch setzen sich viele Menschen bewusst UV-Strahlung aus, indem sie sich in der natürlichen Sonne oder im Solarium bräunen. In unserer Studie haben wir die Motive für die intentionale Sonnenexposition und das Bräunen im Solarium kontrastierend gegenübergestellt.

Methode

Im Rahmen der bundesweiten Online-Befragung Nationales Krebshilfe Monitoring (NCAM-online) wurden im November 2024 4.156 Personen (mittleres Alter: 42,7 Jahre, 49,9% weiblich) quotiert nach Geschlecht, Alter, Schulabschluss und Bundesland rekrutiert und u.a. zu ihrem Bräunungsverhalten in der Sonne und im Solarium befragt. Die Zustimmung zu acht verschiedenen Gründen für die jeweilige Bräunungsart wurde standardisiert erhoben und mittels einer Faktorenanalyse in Wohlfühlmotive (Entspannung und Wohlbefinden, um Licht und Wärme zu empfinden, Stärkung der Gesundheit, Versorgung mit Vitamin D), Schönheitsmotive (um attraktiver zu werden, zum Vorbräunen für den Urlaub) und medizinische Motive (aufgrund von Hautkrankheiten, auf Empfehlung des Arztes) gruppiert. Die relative Bedeutung dieser Motive für das Bräunen in der Sonne und für die Nutzung von Solarien wurde in logistischen Regressionsanalysen untersucht.

Ergebnisse

Sowohl diejenigen, die sich in der natürlichen Sonne bräunten, als auch diejenigen, die jemals ein Solarium nutzten, begründeten ihr Bräunungsverhalten häufiger mit Wohlfühlmotiven (96,5% und 81,8%), gefolgt von Schönheitsmotiven (60,3% und 78,7%) und medizinischen Motiven (22,5% und 26,6%). Jüngere Befragte (16-25 Jahre) und Befragte, die auf eine gesunde Ernährung und sportliche Aktivität achteten, stimmten allen drei Motivgruppen bezogen auf beide Bräunungsarten signifikant häufiger zu. Eine höhere Zustimmung zu den medizinischen Motiven sowohl für das Bräunen in der Sonne als auch im Solarium zeigte sich bei Männern (z.B. für Solariennutzung 31,6% vs. 22,6% bei Frauen) und bei Befragten mit UV-empfindlichem Hauttyp I-II (z.B. für Solariennutzung 33,4% vs. 22,5% bei Befragten mit Hauttyp III-VI). Adjustierte logistische Regressionsanalysen ergaben für beide Bräunungsarten die höchsten Assoziationen für Schönheitsmotive und medizinische Gründe (z.B. für Solariennutzung OR=4,85, p<0,001 für Schönheitsmotive und OR=2,46, p<0,001 für medizinische Gründe).

Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigen, dass für beide Bräunungsarten ein vergleichbares Motivationsmuster vorliegt. In Präventionsmaßnahmen können daher beide Nutzendengruppen mit gleichen Botschaften angesprochen werden. Diese sollten sich vorrangig an die jüngere Bevölkerung richten, um auch die kumulative UV-Exposition über die Lebenszeit zu reduzieren. Zukünftig sollte geklärt werden, inwieweit das Bräunungsverhalten mit einem gesunden Lebensstil in Verbindung gebracht wird, da sich hieraus Synergieeffekte für Präventionsbotschaften ergeben könnten.
Frau Dr. Tatiana Görig
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
#Poster #Hautkrebs #ultraviolette Strahlung #Prävention
Mi
17 Sep
16:00 - 16:30
PW3
Digitalisierung und Teilhabe in der Versorgung
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1
Hintergrund und Forschungsstand: Die Nutzung digitaler Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen insbesondere im ambulanten Bereich ist weiterhin lückenhaft. Hindernisse bestehen im Anpassungsbedarf der Praxisstrukturen und in einem ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Es gibt Hinweise darauf, dass technologische Entwicklungen den Arbeitsaufwand im Praxisalltag steigern, neue Fehler verschulden und eine übermäßige Technik-Abhängigkeit hervorbringen. Insbesondere in Praxen mit einem höheren Alterstdurchschnitt des ärztlichen Personals werden Investitionen in Digitalisierungen als unprofitabel angesehen [1]. Studien deuten darauf hin, dass der digitale Wandel zu Engpässen in der Versorgung führen kann, wenn ÄrztInnen ihre Praxistätigkeit frühzeitig beenden anstatt gesetzlich verpflichtende digitale Anwendungen zu integrieren [2, 3]. Der Prozess zur schrittweisen digitalen Gesundheitsversorgung benötigt daher eine bedarfsgerechte Unterstützung für eine gelungene Integration von digitalen Technologien in die ambulanten Versorgungsprozesse [4].
Zielsetzung und Fragestellung: Ziel des DiLoB-Projektes ist es, Arztpraxen mittels individualisierter Beratungen die gesetzlichen Ansprüche an Digitalisierung zu vermitteln und die Nutzung digitaler Anwendungen zu erhöhen. Die Fragestellung lautet: Inwiefern trägt das Beratungsangebot von DigitalisierungslotsInnen dazu bei, die Teilhabe von Arztpraxen an der digitalen Transformation zu fördern, die Nutzung digitaler Anwendungen zu steigern und die Arbeitsbelastung zu verringern?
Methoden: Die Grundlagen stellen individuelle Beratungen für interessierte Arztpraxen aus drei Modellregionen dar. Die Beratung erfolgt durch DigitalisierungslotsInnen mit informationstechnologischer und medizinischer Expertise. Die individuellen Digitalisierungsbedarfe werden anhand des digitalen Reifegradmodells der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe [5] erhoben, wonach anschließend bedarfsgerechte Digitalisierungskonzepte abgeleitet werden. Die Intervention wird im Rahmen einer Mixed-Methods Machbarkeitsstudie evaluiert, in der qualitative Daten (z.B. teilnehmende Beobachtung und Interviews) und quantitative Daten (z.B. Fragebögen) erhoben werden. Die Analyse erfolgt durch thematische Auswertungen sowie Prä-Pots-Vergleiche. Das Projekt erstreckt sich über einen Zeitraum von einem Jahr.
Vorläufige Ergebnisse: Die Gesamtstichprobe der Modellregionen umfasst N=107ÄrztInnen. Bis April 2025 nahmen 40 der 107 Praxen an Beratungsgesprächen teil. Zusätzlich wurden drei Praxen außerhalb der Modellregionen rekrutiert. Unter den beratenden Praxen waren FachärztInnen für Allgemeinmedizin mit rund 40% und ÄrztInnen anderer Fachrichtungen mit 60% vertreten. Gründe für die Inanspruchnahme der LotsInnen durch die Praxen waren die Nutzung der Elektronischen Patientenakte (ePA), die Optimierung von Abrechnungsprozessen, digitale Kommunikation (KIM) sowie digitale Tools und IT-Sicherheit. Die Ergebnisse der Reifegraderhebung deckten sich nur teilweise mit dem von den Praxen gewünschten Digitalisierungsbedarf. An der T0 –Befragung (November 2024) nahmen 47 Praxen teil.
Fazit: Die Ergebnisse geben einen Einblick in zentrale Themen der Praxen bezüglich digitaler Anwendungen im Versorgungsalltag. Wiederkehrende Gründe für die Inanspruchnahme der Beratung verdeutlichen die Relevanz der Intervention. Durch die individuelle Beratung über praxisrelevante Digitalisierungsthemen fördert die Intervention das Verständnis der Arztpraxen und stärkt deren digitale Teilhabe in der ambulanten Versorgung.

Referenzen

11 [1] Albrecht, M., Bernhard, J., & Otten, M. (2022). PraxisBarometer Digitalisierung 2022: Befragung von Vertragsärztinnen/-ärzten und Vertragspsychotherapeutinnen/-psychotherapeuten im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
2.   [2] Holetzek T, Häusler A, Gödde K, Rapp M, Spallek J, Holmberg C. The Role of the Installed Base in Information Exchange Among General Practitioners in Germany: Mixed Methods Study. Journal of Medical Internet Research. 2025;27:e65241
[3]  Holetzek T, Häusler A, Schliephacke LJ, Holmberg C. Informationsaustausch in der Primärversorgung im Land Brandenburg: Erste Ergebnisse einer Mixed-Methods-Studie zu den Potentialen und Barrieren aktueller Kommunikationspraktiken für den Versorgungsalltag Potsdam, Deutschland 2022.
4.    [4] Greenhalgh, T., Stones, R., & Swinglehurst, D. (2014). Choose and Book: a sociological analysis of 'resistance' to an expert system. Social science & medicine (1982), 104, 210–219. https://doi.org/10.1016/j.socscimed.2013.12.014
[5]    KVWL. (2023). Das digitale Reifegradmodell. Retrieved 21.03.2025 from https://www.kvwl.de/themen-a-z/reifegradmodell
Frau Anika Zimmer
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel
Frau Aileen Hommel
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel
#Poster #Digital Public Health / Digital Health Literacy
2
Hintergrund: Übergewicht ist ein langfristiges Gesundheitsrisiko und kann chronische Erkrankungen nach sich ziehen, somit ergibt sich eine hohe Public-Health-Relevanz. Digitale Interventionen können dabei helfen, gesunde Routinen im Alltag von Kindern und Jugendlichen zu etablieren. Digitale Public Health Interventionen mit Gamification-Elementen erscheinen hier vielversprechend. Unser Ziel ist es daher im Rahmen eines Rapid Review eine Übersicht über aktuell evaluierte Interventionen zu erlangen und zu untersuchen, wie wirksam Gamification-Elementen hinsichtlich einer kurz- bzw. langfristigen Gewichtsreduktion bei Kindern sind. Das Vorhaben ist eingebettet in ein Projekt des Förderprogramms „Smart Cities made in Germany“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Ziel des Förderprogramms ist, Digitalisierung im Sinne einer integrierten und nachhaltigen Stadtentwicklung zu gestalten und die Smart City im Kontext von Menschen, Technologie und Institutionen zu implementieren. Mit Hilfe eines explizit strategischen, partizipativen und integrierten Ansatzes werden in 73 Städten und Kommunen Handlungsoptionen der Stadt- bzw. Regionalentwicklung identifiziert und umgesetzt
Methoden: Im Rahmen des Rapid Review sollen geeignete digitale Interventionsansätze für Kinder und Jugendliche identifiziert werden. Wir orientieren uns an den methodischen Kriterien, die von der Cochrane Rapid Reviews Methods Group und PRISMA empfohlen werden. Die Literaturrecherche wird mit Hilfe von OVID MEDLINE durchgeführt, um nach Stichwörtern zu suchen, die sich u.a. auf Gamification, Incentives, Interventions und Pediatric Obesity beziehen. Es werden ausschließlich Studien mit einem Interventionsdesign berücksichtigt. Die Auswahl erfolgt über ein Screening von Titel und Abstract bzw. des Volltextes (in einem zweiten Schritt) durch zwei unabhängige Reviewer. Eventuelle Unstimmigkeiten im Auswahlprozess werden durch einen dritten Reviewer geklärt.
Ergebnisse: Das Titel und Abstractscreening erfolgt im April und das Volltextscreening von Mai bis Juli 2025. Erste Ergebnisse des Rapid Reviews werden im Rahmen der Konferenz vorgestellt. Gemäß den Empfehlungen der Cochrane Rapid Review Methoden befinden wir uns derzeit in der Phase „Study Selection“ – aktuell haben wir 96 Artikel für das Screening identifiziert.
Schlussfolgerung: Das Rapid Review wird das Wissen über die Wirksamkeit digitaler Public Health Interventionen zur Reduktion von Übergewicht bei Jugendlichen, insbesondere hinsichtlich von Gamification-Elementen verbessern. Die Ergebnisse werden es ermöglichen, dezidierte Gesundheitsanwendungen mit Gamification-Elementen für die Zielgruppe zu empfehlen. Die Stadt Wuppertal entwickelt im Rahmen der Modellprojekte Smart Cities eine digitale Gesundheitsplattform für Bürger:innen, welche vordergründig auf verhaltenspräventive Ansätze zur Reduzierung persönlicher Defizite abzielt. Die Befunde des Rapid Review werden bei der Entwicklung dieser Gesundheitsplattform berücksichtigt.
Herr Jan-Torge Daus
Institut für Medizinische Soziologie, Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Poster #Digitale Public Health Interventionen #Gamification #kindliches Übergewicht #Gesundheitsverhalten
3

Hintergrund

Eine Hautkrebsdiagnose hat, wie auch andere Krebserkrankungen, psychosoziale Folgen für Betroffene. Insbesondere belastend kann es für Hautkrebserkrankte sein, dass beispielsweise bei Hauttumoren im Gesicht infolge der Operation Narben entstehen, die für andere Menschen deutlich sichtbar sind und möglicherweise das eigene Erscheinungsbild verändern: Dies kann Betroffene im Alltag vor spezielle Herausforderungen stellen, die sie wiederum davon abhalten können, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben [1, 2]. Nur wenige aktuelle und deutsche Studien setzen sich mit diesen und weiteren psychosozialen Faktoren sowie potenziellen unterstützenden Ressourcen im Kontext von Hautkrebs auseinander [3]. Die vorliegende Arbeit untersucht daher, welche Ressourcen Menschen mit Hautkrebs als unterstützend im Kontext von Teilhabe und Selbstermächtigung erleben.​​​​​​

Methode

Datengrundlage der Arbeit sind semi-strukturierte, narrative Interviews mit Menschen mit Hautkrebs, die aktuell laufend von August 2024 bis voraussichtlich August 2025 im Rahmen des Datenbankprojekts DIPEx Germany geführt werden. DIPEx Germany steht unter dem Dachverband DIPEx International, dessen Ziel es ist, Erfahrungen von Menschen mit unterschiedlichen Krankheiten zu sammeln [4]. Die Interviews mit Menschen mit Hautkrebs werden thematisch analysiert.

Ergebnisse

Die Stichprobe umfasst voraussichtlich zwischen 40 und 50 Interviewpartner*innen, die deutschlandweit leben. Die Ressourcen und die Krankheitsbewältigung von Menschen mit Hautkrebs gestalten sich in Abhängigkeit zahlreicher Faktoren wie Alter, Geschlecht, Krankheitsdauer und Therapieformen. Das bestehende Datenmaterial weist derzeit insgesamt acht verschiedene Themenbereiche auf, die den Interviewpartner*innen Unterstützung in der sozialen Teilhabe und Selbstermächtigung bieten: (1) Persönliches soziales Umfeld, (2) Psychoonkologie/Psychotherapie, (3) Informationssuche und Eigeninitiative, (4) Selbsthilfe, (5) Glaube und Spiritualität, (6) Bewegung, Hobbies und Heilmittel, (7) Rehabilitation (8) Persönliche Einstellung und Umgang.

Diskussion

Menschen mit Hautkrebs haben verschiedene interne und externe Ressourcen, mit denen sie den psychosozialen Folgen ihrer Krankheit begegnen. Dennoch sind die Einschränkungen im Alltag und im Sozialleben herausfordernd und bedürfen häufig einer Umgestaltung und Anpassung, die wiederum Mühen erfordert. Die Ressourcen sind daher häufig nicht alleinstehend, sondern ein Zusammenspiel aus verschiedenen unterstützenden Faktoren kann Menschen mit Hautkrebs dabei helfen, ihre Krankheit aktiv zu bewältigen und sich selbst zu stärken. Die Relevanz eines kooperativen, partizipativen Ansatzes in der Gesundheitsversorgung sollte zunehmend berücksichtigt werden, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität Betroffener zu fördern [5].

Referenzen

[1] D’Hondt V, Veldhuizen IJ, Theelen FFM, Herlaar S, Lee EH, Houterman S, et al. Appearance-related psychosocial distress after facial non-melanoma skin cancer surgery: A 1-year prospective study. Psycho-Oncology. 2023;32(7):1114-21.
[2] Vaidya TS, Mori S, Dusza SW, Rossi AM, Nehal KS, Lee EH. Appearance-related psychosocial distress following facial skin cancer surgery using the FACE-Q Skin Cancer. Arch Dermatol Res. 2019;311(9):691-6.
[3] Zheng L, Susanto AK, Soyer HP, Janda M, Catapan SC. Psychosocial wellbeing in people with melanoma in-situ: a systematic review. Melanoma Res. 2025;35(1):11-23.
[4] Breuning M, Lucius-Hoene G, Burbaum C, Himmel W, Bengel J. [Patient experiences and patient centeredness : The website project DIPEx Germany]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2017;60(4):453-61.
[5] Bath-Hextall F, Nalubega S, Evans C. The needs and experiences of patients with skin cancer: a qualitative systematic review with metasynthesis. Br J Dermatol. 2017;177(3):666-87.
Frau Dr. Lisa Korte
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel
#Poster #Psychosoziale Probleme #Hautkrebs #Qualitative Forschung
4

Hintergrund

Die Arbeitswelt hat sich durch Digitalisierung, demografische und pandemiebedingte Trends stark verändert. Unsoziale Arbeitszeiten (d. h. 48 Stunden oder mehr pro Woche oder nachts) und hohe Arbeitsintensitäten können krankheitsbedingte Fehlzeiten und reduzierte Erwerbsbeteiligung verursachen [1]. Die Wirksamkeit von Interventionsstrategien hängt davon ab, ob sie den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen, multimodal und vertrauensvoll sind sowie die Beteiligung von Arbeitgebern und Betriebsärzt*innen berücksichtigen [2, 3]. Das Modellvorhaben GIBI (Ganzheitliche Klärung des Interventionsbedarfs bei gefährdeter beruflicher Integration; Förderung: Bundesministerium für Arbeit und Soziales) verband diese Anforderungen in einer neuartigen Maßnahme und prüfte die Wirksamkeit.

Methode

Die randomisierte kontrollierte Studie (DRKS00027577) schloss Mitarbeitende mit gesundheitlichen Einschränkungen und eingeschränkter Arbeitsfähigkeit ein [4]. Alle Personen erhielten ein betriebsärztliches Erstgespräch. Die Interventionsgruppe (IG) nahm zeitnah an einem zweitägigen Teilhabeassessment mit körperlicher und psychischer Diagnostik in einer Rehabilitationseinrichtung und anschließend an betrieblichen Nachsorgegesprächen teil. Die Wartekontrollgruppe (KG) erhielt das Angebot nach sechs Monaten. Die computergestützt generierten Zuweisungslisten wurden für jede Einrichtung mittels Blockrandomisierung (permutierte Vierer- und Sechserblöcke) erzeugt. Fragebogendaten wurden im Erstgespräch und nach sechs Monaten erhoben. Primäres Zielkriterium war die subjektive Arbeitsfähigkeit (Work Ability Score, WAS; 0-10 Punkte). Sekundäre Zielkriterien umfassten Merkmale zur Gesundheit, zum Arbeitsplatz und Arbeitsunfähigkeitszeiten. Wir berechneten lineare Regressionsmodelle und standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD; klein: SMD ≥ 0,2; mittel: SMD ≥ 0,5; groß: SMD ≥ 0,8).

Ergebnisse

Für die Analyse wurden Daten von 61 Teilnehmenden (IG: n = 32) berücksichtigt. Die Teilnehmenden waren zu 62 % männlich und im Durchschnitt 50 Jahre alt (SD = 9,8) und berichteten hauptsächlich eine mäßige (51 %; 6-7 Punkte WAS) sowie schlechte (33 %; 0-5 Punkte) subjektive Arbeitsfähigkeit. Der Großteil der Teilnehmenden arbeitete in Berufen mit fachlich ausgerichteten Tätigkeiten (Fachkräfte: 56 %). Zwischen IG und KG zeigte sich nach sechs Monaten ein klinisch bedeutsamer, aber statistisch nicht signifikanter Unterschied für die subjektive Arbeitsfähigkeit (Differenz = 1,15: 95-%-KI: -0,05 bis 2,35; p = 0,061; SMD = 0,53). Für die wahrgenommene Unsicherheit des Arbeitsplatzes zeigte sich ein Effekt mit mittlerer Effektstärke zugunsten der IG (Differenz = -16,40; 95-%-KI: -29,82 bis -2,99; p = 0,017; SMD = -0,54). Zudem berichteten Personen der IG rund vier Wochen kürzere Arbeitsunfähigkeit in den letzten sechs Monaten im Vergleich zur KG (Differenz = -4,00: 95-%-KI: -7,49 bis -0,51; p = 0,025; SMD = -0,52).​​​

Diskussion

Die Ergebnisse der randomisierten kontrollierten Studie deuten darauf hin, dass die komplexe Intervention und betriebsärztliche Begleitung zu einer Reduzierung von Arbeitsunfähigkeitszeiten und einer Verbesserung der Arbeitsplatzsicherheit führt. Limitierend ist, dass wir die geplante Stichprobengröße von 210 Personen deutlich nicht erreichten. Gründe dafür sind ein verspäteter Rekrutierungsstart, der Ausstieg einer Rehabilitationseinrichtung sowie die pandemiebedingte Überlastung der Betriebsärzt*innen. Zusammengefasst, bietet GIBI Erwerbstätigen eine Möglichkeit, sich mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen und rehabilitative Leistungen frühzeitig kennenzulernen. Ein zweitägiges Teilhabeassessment kann das Leistungsspektrum von rehabilitativen Einrichtungen wirksam erweitern [5]. Regionale Netzwerke aus Betriebs- und Rehabilitationsmedizin könnten auch in anderen Versorgungsformen, z. B. für die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation genutzt und Rehabilitationskliniken zu regionalen rehabilitationsmedizinischen Kompetenzzentren weiterentwickelt werden.

Referenzen

[1] Frank J, Mustard C, Smith P, Siddiqi A, Cheng Y, Burdorf A, et al. Work as a social determinant of health in high-income countries: past, present, and future. Lancet. 2023;402(10410):1357–67.
[2] van Vilsteren M, van Oostrom SH, de Vet HC, Franche RL, Boot CR, Anema JR. Workplace interventions to prevent work disability in workers on sick leave. Cochrane Database Syst Rev. 2015;10:Cd006955.
[3] Hagendijk ME, Zipfel N, Melles M, van der Wees PJ, Hulshof CTJ, Zwaan E, et al. Patients’ needs regarding work-focused healthcare: a qualitative evidence synthesis. J Occup Rehabil. 2024; DOI: 10.1007/s10926-024-10225-8
[4] Fauser D, Dötsch S, Langer C, Kleineke V, Kindel C, Bethge M. A comprehensive diagnostic service to clarify intervention needs when work participation is at risk: study protocol of a randomized controlled trial (GIBI, DRKS00027577). BMC Health Serv Res. 2022;22(1):1142.
[5] Roder J, Fauser D, Lemke S, Dötsch S, Kindel C, Kleineke V, et al. Einflussfaktoren bei einer ganzheitlichen Diagnostik zur Förderung der Arbeitsfähigkeit. Eine Fokusgruppenstudie. Präv Gesundheitsf. 2025; DOI: 10.1007/s11553-025-01198-4
Herr Dr. David Fauser
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck
#Poster #Arbeitsfähigkeit #Betriebsmedizin #berufliche Teilhabe #Rehabilitation
Mi
17 Sep
16:45 - 18:45
MV1
Mitlgiederversammlung
Raum: Hörsaal 3 (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 210)
Mi
17 Sep
19:00 - 20:00
VM
Verleihung Salomon Neumann-Medaille
Verleihung an Theda Borde
Laudatio: Oliver Razum
Raum: Hörsaal 3 (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 210)
Mi
17 Sep
20:00 - 20:30
GT1
Get-together im Foyer
Ausklang bei herzhaften Snacks im Foyer
Raum: Seminarraum 505 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 28)
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
SYM4
Interventionsstudien für gesunde und nachhaltige Lebensbedingungen und Lebensweisen (FIGENA) – BMFTR-Forschungsverbünde zu Gesundheitsförderung und Klimaschutz (Teil I)
FiGeNa I
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Beitrag:
1
Die globalen Umwelt- und Klimaveränderungen bedrohen unsere Lebensgrundlagen und Gesundheit [1, 2, 3]. Um dem entgegenzuwirken, müssen gesundheitsförderliche sowie ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Lebensbedingungen und Lebensweisen verstärkt gefördert werden. Die Verknüpfung von Gesundheitsförderung und Klima- und Umweltschutz wird oft noch außer Acht gelassen. Dabei haben die zunehmenden Umwelt- und Gesundheitsprobleme unserer heutigen Gesellschaft häufig gemeinsame Ursachen, sodass sich in der Verknüpfung beider Aspekte zahlreiche Synergien für neue, wirksame Lösungsansätze ergeben [2, 3, 4].
Das BMFTR greift diese Herausforderung mit der Förderung von Interventionsstudien für gesunde und nachhaltige Lebensbedingungen und Lebensweisen auf. Ziel der Fördermaßnahme ist es, Evidenz für wirksame, praxisrelevante Maßnahmen zu einer grundlegenden gesellschaftlichen Transformation in Richtung gesundheitsförderlicher sowie ökologisch nachhaltiger und sozial gerechter Lebensbedingungen und Lebensweisen zu generieren. Nach einer sechsmonatigen Konzeptentwicklungsphase werden ab Anfang 2025 sechs interdisziplinäre Verbünde mit insgesamt 23 Projekten gefördert. Diese umfassen auf synergistische Wirkungen zielende Interventionen auf Verhaltens- und Verhältnisebene und ihre Evaluation in verschiedenen Lebenswelten wie KiTa, Schule, Betrieb, Pflegeheim und Kommune.
Der Workshop zeigt Ziele der Förderlinie auf und gibt einen Überblick über den Fokus, Konzept und Methodik der sechs Verbünde.

Das Symposium besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil zeigen nach einem Grußwort des BMFTR zwei Keynotespeaker Herausforderungen und Lösungsansätze zur Thematik des Förderschwerpunkts Umwelt/Nachhaltigkeit und Gesundheit sowie ihre Integration auf. Im zweiten/dritten Teil werden jeweils drei Verbünde vorgestellt und zentrale Fragen diskutiert. Poster zu den Verbünden und Teilprojekten ergänzen das Symposium.

Einführung (90 min.)
  • Die BMFTR-Förderrichtlinie „Interventionsstudien für gesunde und nachhaltige Lebensbedingungen und Lebensweisen“ | BMFTR| Dauer: 15 min.
  • Klimarisiken, Klimagerechtigkeit – inklusive und kokreative Lösungsansätze | Prof. Dr. Dr. Peter Höppe (UN-Berater, ehem. Leiter Abteilung GeoRisikoForschung der Münchener Rück) | 30 min.
  • Healthy Urban Living for Everyone: science-policy-people | Miriam Weber PhD (Coordinator WHO European Healthy Cities Network für Utrecht, Chair WHO cities working group on environment and health) | 30 min.
  • Diskussion | 15 min.

Referenzen

[1] Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Gesund leben auf einer gesunden Erde. Berlin: WBGU; 2023. [2] Sachverständigenrat für Umweltfragen. Umwelt und Gesundheit konsequent zusammendenken: Sondergutachten. Berlin: Geschäftsstelle des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU); 2023.
[3] Robert Koch Institut (RKI). Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit (2023) [Internet]. Robert Koch Institut; 2024 [zitiert am 15.04.2025]. Verfügbar unter: https://www.rki.de/ DE/Themen/Gesundheit-und-Gesellschaft/Klimawandel/Klimawandel-Gesundheit-Sachstandsbericht.html
[4] World Health Organization (WHO). COP29 special report on climate change and health: Health is the argument for climate action. Geneva: World Health Organization; 2024.
Frau Ulla Walter
Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
Frau Prof. Dr. Gabriele Bolte
Universität Bremen, Fachbereich 11 Human- und Gesundheitswissenschaften, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Bremen
Herr Dr. med. Michael Eichinger
Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit, Heidelberg
Frau Barbara Hoffmann
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Düsseldorf
Herr Olaf Neumann
Alice Salomon-Hochschule Berlin, Berlin School of Public Health, Berlin
Frau Claudia Pischke
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät, Institut für Medizinische Soziologie, Düsseldorf
#Symposium 60 #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMFTR Verbund Figena
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
SYM5
Meta-Forschung zu Qualität und Wirkung von aktiver Beteiligung in der Gesundheitsforschung – Bewertung des aktuellen Stands aus unterschiedlichen Perspektiven (G Bär)
Partizipation
Raum: Hörsaal 3 (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 210)
Beitrag:
1
PartNet, das Netzwerk für Partizipative Gesundheitsforschung im deutschsprachigen Raum, hat 2021 Strategien formuliert, um PGF in den deutschsprachigen Wissenschaftslandschaften zu etablieren und zu fördern: 1) Bereitstellung von Mitteln für Partizipation sowie 2) für die Durchführung von Beteiligungsprozessen; 3) die grundsätzliche Berücksichtigung von Partizipation in Ausschreibungen sowie 4) die Verankerung in Förderprogrammen; 5) Partizipation formativ zu evaluieren, 6) die gezielte Förderung der Methodenentwicklung, 7) die Anpassung der Begutachtungsprozesse; 8) die Einrichtung projektübergreifender Koordinationsstellen und 9) die Verbreitung von Modellen und Beispielen für Partizipation [1].
Daran anknüpfend veröffentlichte PartNet 2022 Empfehlungen für eine Meta-Forschung zur partizipativer Gesundheitsforschung [2], die von einem breiten Kreis von 18 wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Forschungseinrichtungen, wissenschaftlichen Institutionen und Selbstvertretungsorganisationen unterstützt wurden. Schwerpunkte dieser Meta-Forschung im Sinne einer begleit- oder konzeptuell-methodologischen Grundlagenforschung zu aktiven Beteiligungsprozessen in der Gesundheitsforschung sollten die Qualitätskriterien und der Mehrwert beteiligender Gesundheitsforschung sein.
Mit Bezug auf den Fokus "Teilhabe und Ko-Kreation" wird in dem Symposium der aktuelle Stand der partizipativen Forschung im Gegenstandsbereich Gesundheit hinsichtlich dieser Strategien und Empfehlungen aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert und kommentiert von: 1) Mitgliedern aus PartNet im D│A│CH - Raum, 2) Unterstützende der PartNet-Empfehlungen zur Meta-Forschung, 3) Wissenschaftler:innen aus Fachgesellschaften und Selbsthilfevertretungen sowie der 4) Forschungsförderung.

Folgende Beiträge sind geplant:
  • Vortrag zum Überblick über die formulierten Strategien und Empfehlungen zur Meta-Forschung (Gesine Bär und Susanne Hartung)
  • Kurzstatement zur Entwicklung der Bedingungen partizipativer Gesundheitsforschung – Sicht PartNet Deutschland (Sebastian von Peter)
  • Kurzstatement zur Entwicklung der Bedingungen partizipativer Gesundheitsforschung – Sicht PartNet Schweiz (Annika Frahsa)
  • Kurzstatement zur Entwicklung der Bedingungen partizipativer Gesundheitsforschung – Sicht der Selbsthilfevertretung Autismusforschung (Imke Heuer)
  • Kommentierung aus Sicht der DGSMP als einer die Empfehlungen zur Meta-Forschung unterstützenden Fachgesellschaft (Susanne Jordan)
  • Kommentierung zur Entwicklung der partizipativen Gesundheitsforschung aus Sicht der Präventionsforschung (N.N.)
  • Kommentierung zur Entwicklung der partizipativen Gesundheitsforschung – Gesundheitskompetenz im Gesundheitssystem (Eva Bitzer, angefragt)
  • Kommentierung zur Entwicklung der partizipativen Gesundheitsforschung aus der Perspektive global health (Flora Haderer)
Ziel des Symposiums und in der anschließenden Diskussion ist es, folgende Fragen zu erörtern:
  • Welche Entwicklung der partizipativen Gesundheitsforschung wurde im D│A│CH - Raum in den letzten Jahren beobachtet?
  • Was wurde erreicht und was sind die nächsten Schritte, um partizipative Gesundheitsforschung weiter u.a. im Sinne einer Meta-Forschung zu stärken?
  • Welche Entwicklungen sollten kritisch betrachtet werden?

Referenzen

[1] PartNet, Peter S von, Bär G, Behrisch B, Bethmann A,
Hartung S et. al. (2020). Partizipative Gesundheitsforschung in Deutschland –
quo vadis? Das Gesundheitswesen 82 (4), S. 328–332.
https://doi.org/10.1055/a-1076-8078.
[2] PartNet (2022). Meta-Forschung zum Thema Qualität
und Wirkung aktiver Beteiligung von Bürger:innen in der Gesundheitsforschung –
Empfehlung eines neuen Förderfokus.
http://partnet-gesundheit.de/wp-content/uploads/2022/11/Empfehlungen_Meta-Forschung-2.pdf. @font-face
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Frau Prof. Dr. Gesine Bär
Alice-Salomon-Hochschule Berlin, Berlin
Frau Prof. Dr. Susanne Hartung
Hochschule Neubrandenburg, Neubrandenburg
#Symposium 60 #Partizipative Gesundheitsforschung #Forschungsförderungspolitik #Entwicklung des Forschungsgebiets
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
WS5
Gesundheitskompetenz als ko-kreativer Prozess: Partizipative Entwicklung einer Peer-to-Peer-Intervention mit Menschen mit Migrationserfahrung
Migration/HL
Raum: Seminarraum 505 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 28)
Vorsitz: Elke Hackländer
Beitrag:
1

Hintergrund

Die Europäische Union hat mit der Joint Action (JA) „Cancer and other NCDs prevention – action on health determinants” (PreventNCD) eine umfassende, ambitionierte Initiative mit Beteiligten aus mehr als 20 europäischen Ländern gestartet (https://preventncd.eu/). Im Rahmen dieser Initiative entwickeln wir im Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit (BIÖG) gemeinsam mit migrantischen Communities und kommunalen Akteur: innen eine Pilotintervention zur Stärkung der Gesundheitskompetenz von Menschen mit Migrationserfahrung in Deutschland. Die Intervention basiert auf einem Peer-to-Peer-Ansatz, der sich als besonders wirksam erwiesen hat, um Vertrauen aufzubauen, kulturelle Barrieren zu überwinden und nachhaltige Verhaltensänderungen zu fördern [1].

Methode

In der Explorationsphase haben wir bestehende Interventionen analysiert und in einem intensiven Dialog mit migrantischen Selbstorganisationen, kommunalen Akteur: innen sowie Expert: innen für Gesundheitskompetenz Bedarfe ermittelt. Die aktive Einbindung dieser Gruppen soll eine bedarfsgerechte Gestaltung der Intervention ermöglichen und die Selbstwirksamkeit der Beteiligten fördern. Unser partizipativer Ansatz basiert auf der Prämisse, dass diejenigen, die von gesundheitlichen Herausforderungen besonders betroffen sind, als Expert: innen ihrer eigenen Lebensrealität in die Entwicklung und Implementierung von Maßnahmen eingebunden werden müssen [2].

Ergebnisse

Die gezielte Beteiligung der migrantischen Community kann sowohl die kulturelle Sensibilität der Intervention fördern als auch dazu beitragen, strukturelle Barrieren in der Gesundheitsversorgung abzubauen [3]. Indem Menschen mit Migrationserfahrung aktiv an der Gestaltung und Umsetzung der Intervention mitwirken, soll ein nachhaltiger Veränderungsprozess angestoßen werden, der über individuelle Wissensvermittlung hinausgeht und gemeinschaftsbasierte Gesundheitsförderung ermöglicht [4]. Zudem orientieren wir uns am German Index of Socioeconomic Deprivation (GISD), um gezielt jene Kommunen zu identifizieren, in denen die gesundheitliche Chancengleichheit besonderer Förderung bedarf [5].

Durch den Fokus auf Partizipation und Empowerment soll das Projekt sowohl gesundheitliche Kompetenzen stärken als auch auch zur strukturellen Veränderung im Sinne einer gerechteren Gesundheitsversorgung beitragen.

Diskussion

Im Rahmen unseres Workshops möchten wir die Ergebnisse der Explorationsphase sowie die konsequent partizipative Methodik präsentieren. Der Workshop dient als Plattform für den fachlichen Austausch zu Erfahrungen mit partizipativen und Peer-to-Peer-Ansätzen. Neben der Reflexion von Chancen und Herausforderungen partizipativer Gesundheitsforschung werden wir gemeinsam erarbeiten, wie diese Konzepte als zentrale Strategien in der gesundheitlichen Chancengleichheit weiter gestärkt werden können. Insbesondere soll diskutiert werden, welche Methoden und Strategien geeignet sind, um besonders belastete Bevölkerungsgruppen nachhaltig zu stärken und ihre gesellschaftliche Teilhabe zu fördern.

Ablauf des Workshops (90 Min):

1. Begrüßung und Einführung (10 min) – Vorstellung der Ziele und des Ablaufs.
2. Kurzpräsentation der JA Prevent NCD und der Pilotintervention (15 min) – Vorstellung des Projekts mit Fokus auf den partizipativen Ansatz.
3. Interaktive Gruppenarbeit: Herausforderungen und Chancen partizipativer Gesundheitsförderung (20 min) – Die Teilnehmenden diskutieren in Kleingruppen, welche Erfolgsfaktoren und Herausforderungen für Peer-to-Peer-Interventionen bestehen.
4. Erarbeitung von Lösungsansätzen (20 min) – Gemeinsame Entwicklung von Strategien zur Stärkung der Gesundheitskompetenz und gesellschaftlichen Teilhabe durch partizipative Methoden.
5. Interaktive Diskussion: Transfer in die Praxis (15 min) – Reflexion darüber, wie die gewonnenen Erkenntnisse in bestehende Strukturen integriert werden können.
6. Abschluss und Ausblick (10 min) – Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse und nächste Schritte.

Referenzen

[1] Schäfer I, Kümpers S. Peer-basierte Gesundheitsförderung: Möglichkeiten und Herausforderungen partizipativer Ansätze. Gesundheitswesen. 2023;85(4):225–32. DOI: 10.1055/a-1920-8945.
[2] Sauter A, Von Köppen A, Langer A. Partizipation als Erfolgsfaktor in der Gesundheitsförderung – eine systematische Übersicht. Bundesgesundheitsbl. 2022;65(5):486–95. DOI: 10.1007/s00103-022-03548-2.
[3] Kickbusch I, Pelikan JM, Apfel F, Tsouros AD. Gesundheitskompetenz: Modelle und Strategien zur Verbesserung von Health Literacy in Deutschland. Berlin: Springer Medizin; 2023. DOI: 10.1007/978-3-662-62147-3.
[4] Green LW, Kreuter MW. Health program planning: An educational and ecological approach. 4th ed. New York: McGraw-Hill; 2005.
[5] Mackenbach JP, Kulhánová I, Artnik B, Bopp M, Borrell C, Costa G, et al. Changes in mortality inequalities over two decades: Register based study of European countries. BMJ. 2016;353:i1732. DOI: 10.1136/bmj.i1732.
Frau Elke Hackländer
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
#Workshop 60 #Migration #Vernachlässigte soziale Determinanten #Peer-to-Peer #Methoden #Kommunale Verankerung
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
SYM6
Gesundheit und Gesundheitsverhalten im Kontext von Schule und Partizipation. Ergebnisse der Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) Studie 2022 (K Dadaczynski)
Schule
Raum: Seminarraum 507 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1
Die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von verschiedenen individuellen, sozialen und umweltbezogenen Faktoren und Bedingungen, unter denen Heranwachsende aufwachsen. Die Schule stellt im Alltag von Heranwachsenden ein zentrales Setting dar, das vor dem Hintergrund ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags für die Gesundheit von hoher Bedeutung ist. So tragen Schulen durch den in den Schulgesetzen der Bundesländer festgeschriebenen Gesundheitserziehungs- und -bildungsauftrag direkt zur gesundheitlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bei [1]. Als Ort der Demokratiebildung ermöglicht Schule zudem gesellschaftliche Teilhabe, die auch die eigene gesundheitsbezogene Lebensgestaltung und die der Mitmenschen betrifft. Schließlich belegen verschiedene Forschungsbefunde den Stellenwert von schulischen Faktoren wie das Schulklima, die Schulpartizipation und die Lernbedingungen für die (psychische) Gesundheit von Heranwachsenden belegen [2,3]. Umgekehrt werden gesundheitliche Problemlagen im Kindes- und Jugendalter mit ungünstigen Bildungsverläufen und damit verbunden einem Risiko für verminderte Teilhabechancen im Lebensverlauf assoziiert, weshalb der Schule für die Gesundheitsförderung eine hohe Relevanz beigemessen wird [4].

Vor diesem Hintergrund verfolgt das Symposium das Ziel, aktuelle Befunde zur Gesundheit und zum Gesundheitsverhalten im Kindes- und Jugendalter im Kontext von Schule und schulischer Gesundheitsförderung vorzustellen und zu diskutieren. Dabei wird auf repräsentative Daten der Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) Studie zurückgegriffen, die seit 1994 als Teil eines internationalen Studienverbunds im Abstand von vier Jahren in Deutschland durchgeführt wird. Am aktuellen Survey 2022 beteiligten sich insgesamt 6.475 Schülerinnen und Schüler im Alter von ca. 11, 13 und 15 Jahren aus 174 Schulen [5]. Der eingesetzte Fragebogen deckt über seinen für alle Länder verbindlichen Kernteil neben dem Gesundheits- und Risikoverhalten und Indikatoren der physischen und psychischen Gesundheit auch das soziale, familiäre und schulische Umfeld ab. Zudem wurden in Deutschland die Schulleitungen der beteiligten Schulen u. a. zu Rahmenbedingungen, Strategien und Umsetzungspraxis der schulischen Gesundheitsförderung befragt.

Das Symposium wird vom HBSC-Studienverbund Deutschland organisiert (Brandenburgi­sche Technische Universität Cottbus-Senftenberg, Pädagogische Hochschule Heidelberg, Hochschule Fulda, Martin-Luther-Universität Halle-Wit­tenberg, Technische Universität München, Universität Potsdam, Universitätsklini­kum Hamburg-Eppendorf). Nach einer kurzen Einführung durch die Vorsitzenden wird das Thema über insgesamt fünf Beiträge aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Neben Befunden zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Fokus psychische Gesundheit, Einsamkeit, Ernährung) werden Daten zu Rahmenbedingungen und Umsetzung der schulischen Gesundheitsförderung und deren Assoziation mit der Gesundheit von Schülerinnen und Schülern präsentiert. Im Anschluss an die Einzelbeiträge erfolgt eine gemeinsame Diskussion, bei der Implikationen für eine teilhabeorientierte schulische Gesundheitsförderung abgeleitet werden.
  • Lisa Strelow, Katharina Rathmann, Franziska Reiß, Anne Kaman, Ulrike Ravens-Sieberer: Partizipation, soziale Unterstützung und psychisches Wohlbefinden im Kontext Schule
  • Raphael Schütz, Ludwig Bilz: Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen: Die Bedeutung schulischer Faktoren
  • Jens Bucksch, Angela Häußler, Juliane Möckel, Anna Lehmann, Raphael Schütz, Christina Winter, Katja Schneider: Ernährungsverhalten von Jugendlichen in Deutschland – Aktuelle Ergebnisse und Trends aus der HBSC-Studie 2022
  • Kevin Dadaczynski, Jens Bucksch, Ludwig Bilz, Franziska Reiß, Marie Böhm, Irene Moor: Rahmenbedingungen und Umsetzung von schulischer Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland. Ergebnisse der HBSC-Schulleitungsbefragung 2022
  • Marie Böhm, Kevin Dadaczynski, Kristina Winter, Irene Moor: Gesundheitsfördernde Gestaltung von Schulen in Sachsen-Anhalt – Leben Schüler*innen gesundheitsfördernder Schulen gesünder?

Referenzen

[1]    Dadaczynski K, Paulus P, Nieskens B, Hundeloh H. Gesundheit im Kontext von Bildung und Erziehung–Entwicklung, Umsetzung und Herausforderungen der schulischen Gesundheitsförderung in Deutschland. ZBF. 2015;5(2):197-218.
[2]    Bilz L. Psychische Gesundheit in der Schule. Pädiatrie & Pädologie. 2023;58(Suppl 1):8-12.
[3]    John-Akinola YO, Nic-Gabhainn S. Children’s participation in school: a cross-sectional study of the relationship between school environments, participation and health and well-being outcomes. BMC Public Health. 2014;14:1-10.
[4]    Dadaczynski K, Okan O, De Bock F, Koch-Gromus U. Schulische Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland. Aktuelle Themen, Umsetzung und Herausforderungen. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz. 2022,65(7):737-740.
[5]    Winter K, Moor I, Markert J, Bilz L, Bucksch J, Dadaczynski K, Fischer SM, Helmchen R, Kaman A, Möckel J, Rathmann K, Ravens-Sieberer K, Reiß F, Schierl T, Schütz R, Sendatzki S, Stürmer E, Sudeck G, Richter M. Konzept und Methodik der Studie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC)–Einblicke in den aktuellen Survey 2022 und die Entwicklung in Deutschland. J Health Monit. 2024,9(1):99-117.
Herr Kevin Dadaczynski
Universität Potsdam, Potsdam
Frau Dr. Irene Moor
Institut für Medizinische Soziologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
#Symposium 60 #Lebenswelt Schule #Kinder- und Jugendgesundheit #Gesundheitsförderung & Prävention
2

Hintergrund

Vor dem Hintergrund eines anhaltend hohen Niveaus multipler Belastungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, ist es aus Public-Health-Perspektive von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie Indikatoren (psychischer) Gesundheit mit Faktoren des alltäglichen Lebens zusammenspielen. Dazu zählt die genaue Betrachtung der Schule als Lebenswelt, in der Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit verbringen. Hier haben schulische Belastungen, soziale Beziehungen und innerschulische Partizipationsmöglichkeiten eine besondere Bedeutung, da sie mit dem psychischen Wohlbefinden der Heranwachsenden assoziiert sind. Mit Hinblick auf Einschränkungen im psychischen Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen wird deutlich, wie wichtig die Identifikation von Ressourcen im Schulalltag ist. Neben diesem Ziel sollen auch die Belastungsfaktoren herausgearbeitet und vulnerable Gruppen, unter Berücksichtigung demographischer Indikatoren, ermittelt werden.

Methode

Datengrundlage bildet die 2022 durchgeführte bundesweite Schulgesundheitsstudie HBSC (Health Behavior in School-aged Children) mit N = 6.389 Teilnehmenden im Alter von 11, 13 und 15 Jahren. Mittels international etablierter und validierter Messinstrumente wurden deskriptive und regressionsbasierte Analysen zu schulischem Belastungsempfinden, Indikatoren psychischen Wohlbefindens (multiple Gesundheitsbeschwerden, subjektive Gesundheitseinschätzung und gesundheitsbezogene Lebensqualität) und schulischen Indikatoren (soziale Unterstützung und innerschulische Partizipationsmöglichkeiten) durchgeführt. Zusätzlich wurden in Moderationsanalysen sowohl die Wirkung sozialer Unterstützung durch Lehrkräfte als auch innerschulischer Partizipationsmöglichkeiten auf die Beziehung zwischen schulischer Belastung und psychischen Wohlbefindens untersucht.

Ergebnisse

Mehr als jede:r dritte Schüler:in (34,2%) empfindet (sehr) starke schulische Belastungen. 41,7% von ihnen berichten von Einschränkungen des psychischen Wohlbefindens durch multiple Gesundheitsbeschwerden. Hohe Unterstützung durch ihre Lehrkräfte erfahren 42,4%. Der Anteil derjenigen, die hohe schulische Belastungen und Einschränkungen des psychischen Wohlbefindens berichten sowie weniger soziale Unterstützung erfahren, ist dabei unter älteren Jugendlichen, Mädchen und genderdiverse Heranwachsenden, im Vergleich zu jüngeren Teilnehmenden und Jungen, höher. In den Analysen des Zusammenspiels von Indikatoren psychischen Wohlbefindens und schulischen Indikatoren zeigt sich, dass eine geringe schulische Belastung mit weniger multiplen Gesundheitsbeschwerden einhergeht. Darüber hinaus zeigt sich, dass die negativen Auswirkungen schulischer Belastung auf das psychische Wohlbefinden sowohl durch die Möglichkeiten aktiver innerschulischer Partizipation als auch mittels sozialer Unterstützung durch Lehrkräfte abgemildert werden können.

Diskussion

Sowohl die soziale Unterstützung durch Lehrkräfte als auch innerschulische Partizipationsmöglichkeiten sind positiv mit dem psychischen Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen assoziiert und sollten in einer ressourcenorientierten schulischen Gesundheitsförderung berücksichtigt werden. Die Bedeutung sozialer Unterstützung durch die Lehrkräfte für die Schüler:innengesundheit, könnte idealerweise bereits in deren Ausbildung thematisiert und hier beispielsweise der Aufbau professionell vertrauensvoller Beziehungen vermittelt werden. Darüber hinaus wird deutlich, dass sich in Schulen über Partizpationsmöglichkeiten für die Schüler:innen niedrigschwellige Optionen bieten, deren psychisches Wohlbefinden zu fördern. So kann beispielsweise ein Mitspracherecht bei der Organisation und Planung von Schulaktivitäten ermöglicht werden (z. B. Projektwochen und Sporttage zu selbsteingebrachten Themen). Zudem stellt die Einbindung der Schüler:innen in Entscheidungs- und Planungsprozesse von Schulprojekten (z. B. die Umgestaltung des Schulhofs oder der Mensa-Neubau) eine Möglichkeit dar, Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen. Dabei empfiehlt es sich, insbesondere Mädchen, genderdiverse Heranwachsende sowie ältere Schüler:innen zu ermutigen sich einzubringen sowie grundsätzlich bedarfsorientierte Maßnahmen und Angebote zur Gesundheitsförderung zu etablieren.
Frau Lisa Strelow
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
#Symposium 60 #Partizipation #Psychisches Wohlbefinden #Lebenswelt Schule #Soziale Unterstützung
3

Hintergrund

Einsamkeit ist ein zunehmend diskutiertes Thema der öffentlichen Gesundheit, die mit einem hohen Leidensdruck und zahlreichen physischen und psychischen Beschwerden einhergeht. Dabei ist es wichtig, soziale und kontextuelle Faktoren, die mit Einsamkeit assoziiert sein können, zu erfassen und damit Anhaltspunkte für Prävention und Intervention zu ermöglichen. Das Setting Schule wird dabei als wichtige Sozialisationsinstanz diskutiert, da Kinder und Jugendliche hier viel Zeit verbringen und unterstützende soziale Beziehungen aufbauen können. Gelingt dies nicht, kann das zur Erklärung von Einsamkeit beitragen. Für Deutschland fehlt es jedoch an repräsentativen Studien, weshalb die vorliegende Studie untersucht, welche schulischen Aspekte (Schulform, Klassenstufe, Schulzufriedenheit, schulische Belastung, Unterstützung durch Lehrkräfte und MitschülerInnen) mit Einsamkeit assoziiert sind.

Methode

Es wurden Daten der „Health Behaviour in School-aged Children (HBSC)“ Studie in Deutschland (2022) von 6.475 Schülerinnen und Schüler in den Klassen 5, 7 und 9 analysiert (Mädchen: 50,6 %, MAlter = 13,4, SD = 1,7). Die Einsamkeit wurde anhand der UCLA-Skala (University of California – Los Angeles) erfasst. Es wurden Chi-Quadrat-Tests, T-Tests und binär-logistische Regressionen gerechnet. Die Ergebnisse werden bei p < 0,5 als statistisch signifikant gewertet.

Ergebnisse

Kinder und Jugendliche, die sehr unzufrieden mit der Schule sind, sind im Vergleich zu jenen mit hoher Schulzufriedenheit häufiger einsam (31,9% vs. 4,7%, χ2 (3) = 348,29, p < .001, V = .258, < p .001). Unter Berücksichtigung soziodemographischer und schulischer Faktoren weisen die Kinder und Jugendliche, die sehr unzufrieden mit der Schule sind, im Vergleich zu sehr zufriedenen SchülerInnen in multivariaten Analysen eine rund 2,5-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit für Einsamkeit auf (OR = 2,48 p < .001). Heranwachsende, die einen hohen schulischen Druck verspüren, sind ebenfalls signifikant häufiger einsam (30,6%) als jene, die keinen schulischen Druck angaben (6,8%) (χ2 (3) = 245,67, p < .001, V = .217, < p .001). In den Regressionsanalysen zeigten sie eine rund 2,7-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit für Einsamkeit (OR = 2,67, p < .001). Hinsichtlich der Schulform deuteten die bivariaten Untersuchungen eine höhere Einsamkeitsprävalenz in der Gesamtschule als in anderen Schulformen an, diese Unterschiede verloren jedoch in den multivariaten Analysen an Signifikanz (p < 0,5). Die T-Tests zeigten, dass einsame (M = 6.93, SD = 2.80) im Vergleich zu nicht einsamen (M = 8.95, SD = 2.26) SchülerInnen eine signifikant geringere MitschülerInnenunterstützung aufwiesen (t (714.4) = -17.1, p < .001, d = -.87). Auch die Lehrkräfteunterstützung ist bei einsamen SchülerInnen (M = 6.5, SD = 3.10) signifikant geringer als bei nicht einsamen (M = 8.0, SD = 2.60) (t (729.6) = -11.50, p < .001, d = -.57).

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen ein weit verbreitetes Phänomen ist, bei dem auch schulische Faktoren eine Rolle spielen können. Die hohe Einsamkeit bei Kindern mit geringer Schulzufriedenheit und hoher schulischer Belastung weist darauf hin, dass schulische Entlastung, Partizipation und Unterstützung der Lernenden Ansatzpunkte für präventive Maßnahmen sein könnten. Insbesondere die erhöhte Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen, die eine geringe schulische Unterstützung wahrnehmen, weist auf die Bedeutung hin, die eine positive, von Unterstützung, Verständnis und Interesse geprägte schulische Atmosphäre für die Minderung von Einsamkeit haben könnte.
Herr Raphael Schütz
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, Institut für Gesundheit, Senftenberg
#Symposium 60 #Einsamkeit #Lebenswelt Schule #Kinder- und Jugendgesundheit
4

Hintergrund

Ernährungsverhalten gehört zu den zentralen Gesundheitsdeterminanten. Regelmäßig frühstücken, Obst und Gemüse konsumieren sowie möglichst auf Soft-Drinks zu verzichten, hängen bei Jugendlichen eng mit der körperlichen und psychischen Gesundheit zusammen [1, 2]. Auch spielt die gewichtsbezogene Wahrnehmung des eigenen Körpers in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Ein regelmäßiges Monitoring des Ernährungsverhaltens ist bedeutsam und weist auf den Umsetzungsstand von Maßnahmen der Förderung einer ausgewogenen Ernährung hin. Mit dem vorliegenden Beitrag werden anhand der aktuellen Daten der Health Behaviour in School-aged Children (HBSC)-Studie 2022 die Prävalenz und der Zusammenhang mit soziodemografischen Variablen zu verschiedenen Indikatoren des Ernährungsverhalten (einschließlich des gewichtsbezogenen Körperbilds) von Jugendlichen dargestellt. Zudem werden die zeilichen Trends über die letzten 12 Jahre (2009/10 bis 2022) betrachtet.

Methode

Für die aktuelle Prävalenz werden die folgenden Indikatoren berichtet: Täglicher Obst- und Gemüsekonsum, tägliches Frühstücken, nicht-täglicher Soft-Drinkkonsum, Einschätzung des Aussehens als „zu dick“. Als soziodemografische Diskriminierungsvariablen werden das Alter (Kategorien 11, 13, 15 Jahre), das Geschlecht (Mädchen, Junge, gender-divers), der familiäre Wohlstand (niedrig, moderat, hoch) sowie der Migrationshintergrund (kein, einseitig, zweiseitig) genutzt. Neben einer Darstellung der Prävalenz anhand prozentualer Häufigkeitsverteilungen und des 95%-Konfidenzintervalls [95%-KI] wurde der Zusammenhang mit den soziodemografischen Variablen mittels binärer logistischer Regression interferenzstatistisch geprüft (p<0,05). Für die zeitlichen Trends der verschiedenen Indikatoren wurden vier Erhebungswellen ausgehend von 2009/10 bis 2022 aufbereitet. Die zeitlichen Trends der Indikatoren des Ernährungsverhaltens werden über die geschlechtsspezifischen prozentualen Häufigkeiten beschrieben.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der aktuellen Erhebungswelle zeigen, dass 45,9% [95%-KI: 43,5-48,4] der Mädchen und 35,9% [33,5-38,3] der Jungen sowie 20,8% [12,9-31,6] der gender-diversen Jugendlichen täglich Obst essen. Die Regressionsanalysen bestätigen, dass Mädchen mehr Obst und Gemüse essen als Jungen, während Mädchen gleichzeitig signifikant weniger regelmäßig frühstücken (OR: 0,76 [0,67-0,86]) und ihre Körper deutlich häufiger als zu dick wahrnehmen. Letzteres ist noch einmal ausgeprägter für gender-diverse Jugendliche. Jugendliche mit einem hohen familiären Wohlstand ernähren sich ausgewogener und schätzen ihr wahrgenommenes Körpergewicht weniger häufig als zu dick ein gegenüber Jugendlichen aus einem niedrigen familiären Wohlstand (OR: 0,74 [0,57-0,97]). Die Ergebnisse sind mehrheitlich signifikant. Jugendliche mit einem zweiseitigen Migrationshintergrund essen häufiger Gemüse gegenüber den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (OR: 1,22 [1,04-1.43]), während diese umgekehrt häufiger Softdrinks konsumieren und seltener täglich frühstücken. Für die anderen Indikatoren sind die Unterschiede nicht signifikant. Die zeitlichen Veränderungen zwischen 2009/10 und 2022 zeigen für Mädchen und Jungen, dass zunehmend weniger täglich gefrühstückt wird. Während bei Mädchen der Obst-, Gemüse sowie Softdrinkkonsum relativ stabil bleibt, zeigt sich bei Jungen ein positiver Trend. Bei der Einschätzung des Körpergewichts ist kein kontinuierlicher Trend zu beobachten.

Diskussion

Trotz leichter positiver Entwicklungen im Zeitverlauf, besteht weiterhin ein hoher Bedarf an bevölkerungsbezogenen Maßnahmen zur Förderung des Ernährungsverhaltens und einer positiven Körperwahrnehmung im Jugendalter. Die soziodemographischen Unterschiede unterstreichen, dass eine zielgruppenspezifische Vorgehensweise notwendig ist. Die tendenziell „risikoreicheren“ Prävalenzdaten von Jugendlichen, die sich selbst als gender-divers identifizieren, sind in weiteren Studien zu untersuchen.
Herr Jens Bucksch
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Fakultät für Natur- und Gesellschaftswissenschaften, Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung, Heidelberg
#Symposium 60 #Kinder- und Jugendgesundheit #Lebenswelt Schule #Ernährung
5

Hintergrund

Seit Verabschiedung der Ottawa Charta im Jahr 1986 hat sich die Schule als Ort des Lernens, der Bildung und Erziehung national wie international zu einem zentralen Setting der Gesundheitsförderung entwickelt. Auch in Deutschland wurden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Bemühungen unternommen, Gesundheit im Kontext von Schule zu adressieren, wobei die Spannweite von einmaligen Aktivitäten, über Unterrichtsprogramme für spezifische Themen und Jahrgangsstufen bis hin zu komplexen gesundheitsförderlichen Schulentwicklungsvorhaben für alle an Schule involvierten Personengruppen reicht [1]. In Ermangelung eines systematischen Monitorings bleibt jedoch unklar, wie es um den aktuellen Umsetzungsstand gesundheitsförderlicher Aktivitäten in Schulen steht. Bislang liegen nur vereinzelt Erkenntnisse zur Umsetzung gesundheitsförderlicher Aktivitäten vor, die u. a. zeigen, dass gesundheitsbezogene Maßnahmen häufig im Unterricht umgesetzt werden, während regelmäßige Fortbildungen zu gesundheitsrelevanten Themen oder Kooperationen mit schulexternen Einrichtungen deutlich seltener zu beobachten sind [2]. Eine neuerlich durchgeführte Studie konnte zudem aufzeigen, dass während der COVID-19 Pandemie Aspekte der gesundheitsförderlichen Gestaltung von Lehr-, Lern- und Arbeitsbedingungen sowie die Partizipation und die Kooperation mit schulexternen Akteuren selten umgesetzt wurden [3]. Vor dem Hintergrund der begrenzten Befundlage beschäftigt sich der Beitrag mit der Frage, wie Schulen aus ihrer Binnensicht die Implementierung gesundheitsförderlicher Aktivitäten und Strategien einschätzen.

Methode

Ergänzend zur Befragung der Schüler*innen wurde die Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) Studie 2022 um eine Onlinebefragung der Schulleitungen ergänzt. Hierfür wurde durch eine internationale Arbeitsgruppe mit dem School Level Questionnaire ein Instrument eingesetzt, welches neben kontextuellen Informationen (z. B. Schulgröße, Einzugsbereich) 14 Aspekte der Umsetzung von gesundheitsfördernder Schulen auf einer vierstufigen Zustimmungsskala (z. B. Verfügbarkeit von Regelungen, Leitbild, Fortbildungen, Schulgestaltung) sowie Regelungen zu einzelnen Gesundheitsthemen (z. B. Ernährung, Bewegung, Mobbing & Gewalt) erfasste. Nach Datenbereinigung umfasst die finale Stichprobe für Deutschland 268 Schulleitungen.

Ergebnisse

Ein geringer Umsetzungsstand zeigt sich für regelmäßige Fortbildungen (33,3 %) und die Sensibilisierung von Lehrkräften (55,8 %) zu gesundheitsrelevanten Themen, die Zusammenarbeit mit externen Einrichtungen (55,0 %) und die systematische Beteiligung der Schule an externen gesundheitsbezogenen Programmen (44,0 %). Hingegen stimmen mehr als 80 % der Schulleitungen voll oder eher zu, Schüler*innen in der Entwicklung gesundheitsförderlichen Verhaltens zu unterstützen oder die Arbeitssituation gesundheitsförderlich zu gestalten (82,3 %). Mit Blick auf einzelne Gesundheitsthemen gibt etwas mehr als die Hälfte der Befragten an, den Konsum von Fast Food zu begrenzen, während jeweils etwa 60 % der Schulleitungen die körperliche Aktivität im Unterricht oder durch außerunterrichtliche Aktivitäten fördern. Überdies berichtet die überwiegende Mehrheit (>90 %) von Strategien/Regularien zur Prävention von Mobbing und Gewalt.

Diskussion

Die Ergebnisse der HBSC-Schulleitungsstudie bestätigen vorangegangene Befunde einer geringen Sensibilisierung und Schulung von Lehrkräften sowie einer geringen Zusammenarbeit mit schulexternen Akteuren zu gesundheitsbezogenen Themen. Hieraus leitet sich der Bedarf ab, Gesundheit stärker in die Lehramtsausbildung sowie die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften zu integrieren. Um zielgerichtete Unterstützungsmaßnahmen abzuleiten, ist ein kontinuierliches Monitoring der schulischen Gesundheitsförderung, z. B. über die HBSC-Studie auszubauen, das auch Barrieren der Umsetzung und Unterstützungsbedarfe abbildet.

Referenzen

[1] Paulus P, Dadaczynski K.
Gesundheitsförderung und Schule. In: Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA), editor. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und
Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden, 2024, Available
from: https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i051-3.0
[2] Dadaczynski
K, Bucksch J, Paulus P (2016). Schulische Gesundheitsförderung aus Sicht von
Schulleitungen: Umsetzungsstand und Einflussfaktoren. In: Bilz L, Sudeck G,
Bucksch J et al., editors. Schule und Gesundheit. Ergebnisse des
WHO-Jugendgesundheitssurveys „Health Behaviour in School-aged Children“.
Weinheim: Beltz Juventa Verlag; 2016, p. 246-266.
[3] Dadaczynski
K, Okan O, Messer M. Schulische Gesundheitsförderung in pandemischen Zeiten.
Ergebnisse der COVID-HL Schulleitungsstudie. Bundesgesundheitsblatt
Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2022;65:758-767.
Herr Kevin Dadaczynski
Universität Potsdam, Potsdam
#Symposium 60 #Gesundheitsförderung & Prävention #Lebenswelt Schule #Implementierung #Kinder- und Jugendgesundheit
6

Hintergrund

Verschlechterungen in der Kinder- und Jugendgesundheit verweisen auf den Bedarf zielgerichteter und wirksamer Präventionsstrategien. Einen vielversprechenden Ansatz stellt die ganzheitliche schulische Gesundheitsförderung dar. Konzepte wie Health Promoting School (HPS) finden bereits international viel Aufmerksamkeit und Anwendung, konnten in Deutschland bisher aber mangels Daten kaum untersucht werden. Ziel dieser Untersuchung ist daher, zu analysieren, ob ein Zusammenhang zwischen dem Implementierungsgrad eines ganzheitlichen Gesundheitsförderungskonzepts im Sinne von HPS und der Gesundheitskompetenz, dem Gesundheitsverhalten und dem Gesundheitszustand von Schüler*innen an Schulen in Sachsen-Anhalt besteht. Betrachtet wird außerdem, ob mit einem höheren Umsetzungsstand von HPS geringere gesundheitliche Ungleichheiten assoziiert sind.

Methode

Die Untersuchung basiert auf Daten der im Schulsetting erhobenen Kinder- und Jugendgesundheitsstudie Health Behaviour in School-Aged Children (HBSC) Sachsen-Anhalt 2022 und kombiniert Angaben der Schüler*innen (N = 3.738) mit Informationen auf Schulebene über den HPS-Umsetzungsstand, die anhand eines zusätzlichen Schulleitungsfragebogens (N = 52) erhoben wurden. Für jeden Gesundheitsindikator (Gesundheitskompetenz, körperliche Aktivität, Obst- und Gemüsekonsum, subjektiver Gesundheitszustand und multiple Beschwerden) wurde ein lineares bzw. ein logistisches Regressionsmodell berechnet, das die hierarchische Struktur der Daten berücksichtigt. Neben den unabhängigen Variablen ‚Familiärer Wohlstand‘ und ‚HPS-Umsetzungsstand‘ wurden schrittweise die Interaktion zwischen ihnen und die Kontrollvariablen Klassenstufe und Geschlecht sowie Schulform, Urbanisierungsgrad und Größe der Schule in die Modelle aufgenommen. Die Zusammenhänge wurden zusätzlich deskriptiv in Kreuztabellen dargestellt.

Ergebnisse

Ein allgemeiner positiver Zusammenhang zwischen HPS-Umsetzungsstand und Gesundheitsindikator konnte für die multiple Beschwerdelast festgestellt werden, nicht jedoch für die Gesundheitskompetenz, die körperliche Aktivität, den Obst- und Gemüsekonsum oder die subjektive Gesundheitseinschätzung. Geringere sozioökonomische Unterschiede mit höherem Implementierungsgrad des HPS-Konzepts ließen sich für die Gesundheitskompetenz beobachten. Im Bewegungsverhalten und der subjektiven Gesundheitseinschätzung wurden hingegen umso größere gesundheitliche Ungleichheiten sichtbar, je höher der HPS-Umsetzungsstand der Schule.

Diskussion

Vor dem Hintergrund, dass Schulen oft kompensatorisch mit der Implementierung von gesundheitsförderlichen Maßnahmen beginnen, lässt sich nicht zwangsläufig auf einen Misserfolg der ganzheitlichen schulischen Gesundheitsförderung schließen. Assoziationen mit der Beschwerdelast und der sozioökonomisch bedingten Ungleichheit in der Gesundheitskompetenz lassen jedoch vermuten, dass Schulen in diesen Bereichen durch Gesundheitsförderung eher Erfolge verzeichnen können als beim Gesundheitsverhalten. Zukünftig gilt es, die Ergebnisse durch größere Datensätze und wissenschaftliche Begleitforschung zu prüfen.
Frau Marie Böhm
Institut für Medizinische Soziologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
#Symposium 60 #Kinder- und Jugendgesundheit #Lebenswelt Schule #Gesundheitsförderung & Prävention #Implementierung
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
VS5
Kommune und Kommunikation
Kommune und Kommunikation
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Beiträge:
1

Hintergrund

Wissenschaftliche Publikationen sind essenziell für die Dokumentation und Weiterentwicklung von Forschung, bleiben jedoch oft einem akademischen Fachpublikum vorbehalten und erreichen nicht jene Gruppen, deren Gesundheitsversorgung sie verbessern sollen. Die partizipative Gesundheitsforschung (PGF) zielt darauf ab, gemeinsam mit Gruppen in vulnerablen Lebenssituationen Wissen zu generieren. Während die PGF zunehmend in der Forschung bereits etabliert wird [1], zeigt sich, dass ihre Ergebnisse in Form von partizipativer Wissenschaftskommunikation noch nicht systematisch umgesetzt werden [2,3]. Es gilt somit, Wege der Dissemination von Forschungs- und Gesundheitswissen zu eruieren, die für die Zielgruppen relevant sind und die PGF nicht nur als Forschungsansatz, sondern auch als Methode für partizipative Wissenschaftskommunikation zu verstehen [4]. Im Verlauf eines partizipativen Forschungsprojekts zu kultursensiblen Gesundheitsinformationen zu Krebsvorsorge und Früherkennung (KIKK-Projekt) stellten sich die Fragen: Wie kann die PGF dazu beitragen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse für gesundheitliche Entscheidungen und Versorgung genutzt werden können? Welche Informationen und Kanäle sind für unterschiedliche Zielgruppen relevant?

Methode

Das KIKK-Projekt arbeitete über neun Monate mit drei Community-ForscherInnen aus Ländern des Mittleren und Nahen Ostens zusammen, die in den gesamten Forschungsprozess eingebunden waren (von der Entwicklung von Forschungsfragen und Interviewleitfäden über die Durchführung von Interviews bis hin zur Interpretation der Ergebnisse). Dieser Forschungsprozess machte bestehende Barrieren sichtbar, aber auch Missverständnisse und unterschiedliche Wissensbestände über die Gesundheitssysteme der Herkunftsländer und dem deutschen System sowohl seitens der MigrantInnen als auch der Versorgungsstrukturen.

Ergebnisse

Dies führte seitens der Community-ForscherInnen zu dem Wunsch, nicht nur MigrantInnen besser zu informieren, sondern auch das Bewusstsein innerhalb des deutschen Gesundheitssystems für diese Herausforderungen zu schärfen. Es entstand die Idee einer mehrsprachigen Open-Access-Essay-Kollektion, die verschiedene Perspektiven auf Gesundheitsversorgung und Teilhabe in kurzen Texten abbildet. Die Essays werden aus der Sicht von Community-Forschenden sowie aus akademischer und versorgungspraktischer Perspektive verfasst. Die Vielfalt der Perspektiven und Sprachstile soll dabei bewusst erhalten bleiben. Ziel ist es, durch verschiedene Formate – Print und digitale Medien – eine breite Dissemination zu erreichen. Das Projekt wird durch einen Wissenschaftsverlag begleitet, um eine professionelle Einbettung und Verbreitung der Inhalte sicherzustellen.

Diskussion

Es zeigt sich, dass die PGF neben empirischen Erkenntnissen auch neue Wege zur Dissemination wissenschaftlicher Erkenntnisse eröffnen kann [4]. Die enge Zusammenarbeit zwischen Community-Forschenden, akademischen WissenschaftlerInnen und Versorgungsakteuren ermöglichte es, gemeinsam zu forschen und anschließend Wege zu eruieren, wie wissenschaftliche Ergebnisse anwendungsnah für verschiedene Zielgruppen aufbereitet werden können. Zum Zeitpunkt der DGSMP-Konferenz werden erste Essays vorliegen, sodass erste Erfahrungen mit dieser Form der Wissenschaftskommunikation und ihre Relevanz für andere Forschungsbereiche weiter reflektiert und diskutiert werden können.

Referenzen

[1] Allweiss T, Cook T, Wright MT. Wirkungen in der partizipativen Gesundheitsforschung: Eine Einordnung in die Diskurse zum Forschungsimpact. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz. 2021;64(2):215–22. DOI: 10.1007/s00103-020-03268-8 [2] Brand F, Dendler L, Fiack S, Schulze A, Böl G-F. Risikokommunikation politikberatender Wissenschaftsorganisationen: Ein Themenaufriss am Beispiel des Bundesinstituts für Risikobewertung. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz. 2022;65(5):599–607. DOI: 10.1007/s00103-022-03520-3  [3] Senabre Hidalgo E, Perelló J, Becker F, Bonhoure I, Legris M, Cigarini A. Participation and Co-creation in Citizen Science. In: Vohland K, Land-Zandstra A, Ceccaroni L, Lemmens R, Perelló J, Ponti M, et al., editors. The Science of Citizen Science. Springer International Publishing; 2021. p. 199–218. DOI: 10.1007/978-3-030-58278-4_11 [4] Brinkmann C, Bergmann M, Huang-Lachmann J, Rödder S, Schuck-Zöller S. Zur Integration von Wissenschaft und Praxis als Forschungsmodus – Ein Literaturüberblick. Report 23, Climate Service Center Germany. Hamburg; 2015.
Frau Dr. Hanna Lütke Lanfer
Universität Bielefeld, Bielefeld
#Präsentation #Wissenschaftskommunikation #Citizen Science #Partizipative Gesundheitsforschung
2
Hintergrund: Das Netzwerk „Kooperative Planung“ entstand 2021 aus dem Bedarf verschiedener Akteurinnen und Akteure aus Wissenschaft und Praxis, die mit dem Ansatz der Kooperativen Planung arbeiten. Ziel ist es, interessierten Personen aus dem Bereich der ressortübergreifenden und partizipativen Verhältnisprävention eine geeignete Plattform zur Verfügung zu stellen, sich zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen. Organisiert und moderiert wird das Netzwerk von der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) in Bayern.

Methode: Die Kooperative Planung stellt einen ganzheitlichen Beteiligungs- und Befähigungsansatz dar, in dem Bürgerinnen und Bürger mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen aus der jeweiligen Lebenswelt direkt in den Austausch mit Fachkräften und entscheidungstragenden Personen gebracht werden. Dadurch sollen die Teilhabechancen von Menschen, die von gesundheitlicher, sozialer und umweltbezogener Ungleichheit betroffen sind, erhöht und gesundheitliche Chancengleichheit angestrebt werden [1, 2, 3]. Zur Weiterentwicklung des Ansatzes und zur Förderung des praxisbezogenen Austauschs initiierte die KGC in Bayern ein Netzwerk von Akteurinnen und Akteuren aus Wissenschaft und Praxis.

Ergebnisse: Das Netzwerk „Kooperative Planung“ definierte bislang Ziele des Teilhabeansatzes der Kooperativen Planung, verständigte sich auf Qualitätskriterien und bietet fortlaufend praktische Unterstützung bei Hürden und Stolpersteinen bei der Umsetzung von Kooperativen Planungsprozessen. Aktuell entwickelt das Netzwerk Schulungsformate, die seitens der KGC bayernweit angeboten werden. Damit soll der evidenzbasierte und in vielfältigen Kontexten erprobte Ansatz der Kooperativen Planung zur Teilhabe und Ko-Kreation von gesundheitsförderlichen Maßnahmen einer breiteren Akteursgruppe zugänglich gemacht werden.

Schlussfolgerung: Das Netzwerk ist ein geeigneter Ansatz, gesundheitsrelevante Akteurinnen und Akteure aus dem Sozial- und Gesundheitswesen zu vernetzen, so dass sie sich bei den Herausforderungen und der Qualitätssicherung von Teilhabe-Prozessen gegenseitig unterstützen. Das Netzwerk lebt von der aktiven Beteiligung und Expertise seiner Mitglieder. Eine weitere Vernetzung mit Akteurinnen und Akteuren aus Praxis und Wissenschaft wird angestrebt, um den Ansatz in der Gesundheitsförderungspraxis zum Wohle benachteiligter Bevölkerungsgruppen weiter zu verbreiten.

Referenzen

[1] Alice Salomon Hochschule Berlin (Hrsg.) (2021). Leitfaden
kooperative Planung. In: ASH Berlin (Hrsg.). Trainer:innenhandbuch Basiskurs
Partizipativ Arbeiten (S. 79ff) [online] https://opus4.kobv.de/opus4-ash/home
(Stichwort „Basiskurs“ eingeben).
[2] Gelius P, Jansen M, King AC (2021). Cooperative planning and
its utilization in German physical activity promotion: a brief introduction.
Health Promot Int 36:–ii7. https://doi.org/10.1093/heapro/daab170.
[3] Kohler S, Helsper N, Dippon L, Rütten A, Abu-Omar K, Pfeifer K, et al. (2021). Coproducing an
action-oriented framework for community-based physical activity promotion in Germany.Health
Promot Int 36:ii93–ii106. https://doi.org/10.1093/heapro/daab159.
Frau Andrea Wolff
Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Bayern, Landeszentrale für Gesundheit in Bayern e. V., München
#Präsentation
3

Hintergrund

Obwohl im Feld der Prävention und Gesundheitsförderung seit langem Evidenzbasierung gefordert wird [1], wird dieser Forderung in der Praxis noch kaum nachgekommen [2]. Evidenzregister können dazu beitragen, diese Lücke weiter zu schließen [3]. In Deutschland existiert z.B. das webbasierte, frei verfügbare Evidenzregister Grüne Liste Prävention, das seinen Fokus auf evidenzbasierten Maßnahmen zum gesunden und sicheren Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen hat [4]. Wie das Interactive Systems Framework for Dissemination and Implementation (ISF) 2.0 beschreibt, ist es allerdings nicht ausreichend, lediglich ein benutzerfreundliches Evidenzregister aufzubauen und zu pflegen [5]. Der Beitrag wendet das ISF auf die Grüne Liste Prävention an, um aufzuzeigen, wie dieses Evidenzregister einen wirkungsvollen Beitrag zur Dissemination evidenzbasierter Maßnahmen leistet.
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Methode

Anwendung einer Theorie zur Lösung eines praktischen Problems in der Dissemination und angemessenen Implementation von evidenzbasierten Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung.

Ergebnisse

Das ISF 2.0 unterscheidet drei Arten von Präventionssystemen. (1) Am einen Ende dieser Trias stehen die Synthese- & Übersetzungssysteme. Dies sind die Evidenzregister, die Evidenzsynthesen zu Maßnahmen anfertigen und diese in benutzerfreundliche Informationen übersetzen. (2) Am anderen Ende dieser Trias sind die Anbietersysteme. Dies sind die Kommunen, Schulen und sonstigen Organisationen, die konkrete Maßnahmen auswählen und bei sich umsetzen. (3) In der Mitte dieser Trias befinden sich die Unterstützungssysteme. Dies sind die Organisationen, die die Anbietersysteme mittels Schulungen und technischer Assistenz dabei unterstützen, Synthese- & Übersetzungssysteme angemessen zu nutzen und Maßnahmen fachgerecht zu implementieren. Bezogen auf die Grüne Liste Prävention tritt derzeit vor allem die FINDER Akademie als bundesweit agierendes Unterstützungssystem in Erscheinung. Dabei wendet die FINDER Akademie den Communities That Care (CTC)-Ansatz an, wenn das zu unterstützende Anbietersystem eine Kommune ist, und im Falle von Schulen den Schools That Care (STC)-Ansatz. Wie das ISF 2.0 als wichtige Gelingensbedingung betont, liegt bei CTC und STC ein besonderer Fokus darauf, im zu unterstützenden Anbietersystem jeweils ein Mindestmaß an (1) Motivation und Bereitschaft, (2) allgemeiner Kapazität und (3) maßnahmenspezifischer Kapazität und (4) Implementationsqualität bezüglich evidenzbasierter Prävention und Gesundheitsförderung sicherzustellen. In welchem Maß dies gelingt, ist laut ISF 2.0 davon abhängig, wie stark (1) Motivation und Bereitschaft, (2) allgemeine Kapazität und (3) maßnahmenspezifische Kapazität jeweils im Unterstützungssystem (z.B. der FINDER Akademie) sowie im Synthese- & Übersetzungssystem (z.B. der Grünen Liste Prävention) ausgebildet sind. Da die Grüne Liste Prävention auch ohne die Präventionsansätze CTC und STC angewendet werden kann, sollte dieser Aspekt der maßnahmenspezifischen Kapazität im Synthese- & Übersetzungssystem besondere Beachtung finden. Alle Gelingensbedingungen sind laut ISF 2.0 zudem von einer Reihe gesellschaftlicher und politischer Faktoren abhängig. Hierzu gehört z.B. wie sehr die Dissemination von evidenzbasierten Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung politisch gewollt ist oder welche Einstellungen die Bevölkerung und Entscheidungsträger bezüglich Wissenschaft und Evidenzbasierung haben.

Diskussion

Die Anwendung des ISF 2.0 auf die Grüne Liste Prävention hilft, die Faktoren und Mechanismen zu identifizieren und zu verstehen, die beeinflussen, in welchem Umfang die Grüne Liste Prävention zur Dissemination evidenzbasierter Maßnahmen beiträgt. Dies wiederum hilft, konkrete Schwachstellen im Gesamtkomplex zu identifizieren und gezielt zu optimieren.

Referenzen

[1] Sachverständigenrat . Gutachten 2000/2001 des Sachverständigenrates für die Konzertierte
Aktion im Gesundheitswesen. Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Band I
Zielbildung, Prävention, Nutzerorientierung und Partizipation. Berlin:
Deutscher Bundestag; 2000. Verfügbar unter: https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2000_2001/Band_I_BT_Drucksache.pdf.
[2]  Antes G, Kunzweiler K, Töws I. Das
medizinische Dilemma der Prävention - Evidenz, Nutzen, Chancen und Risiken. In:
Rebscher H, Kaufmann S, Hrsg. Präventionsmanagement in Gesundheitssystemen.
Heidelberg: medhochzwei Verlag; 2016; 29–44. Verfügbar unter: https://www.cochrane.de/sites/cochrane.de/files/uploads/artikel/antes_buchkapitel_medizinische_dilemma_praevention.pdf.
[3] Axford N, Morpeth L, Bjornstad G, Hobbs T,
Berry V. “What works” registries of interventions to improve child and youth
psychosocial outcomes: A critical appraisal. Children and Youth Services Review.
2022; 137. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/j.childyouth.2022.106469.
[4] Brender R, Bremer K, Kula A,
Groeger-Roth F, Walter U. Evidenzregister Grüne Liste Prävention – Analyse der
gelisteten wirksamkeitsgeprüften Programme. Gesundheitswesen. 2024; 86:
474-482. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1055/a-2308-7256.
[5] Wandersman A, Cook BS, Clark
K, Flaspohler P, Watson A, Lamont AE. Commentary: Bridging and Reducing the Gaps Between Research and
Practice: Pathways to Outcomes and the Interactive Systems Framework for
Dissemination and Implementation 2.0. Evaluation & the Health Professions.
2024; 47(4): 494-506. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1177/01632787241299820.
Frau Katharina Bremer
Medizinische Hochschule Hannover - Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Evidenzbasierung #Prävention und Gesundheitsförderung #Dissemination
4
Hintergrund: Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist ein zentrales Thema für Gesundheits- und Bildungsprozesse in Deutschland. Die Forschung verweist seit Jahren auf Negativspiralen aus zunehmender krankheitsbedingter Belastung, Schulabstinenz und misslungenen Bildungs- und Integrationsprozessen. Die Gründe reichen von einer unzureichenden Berücksichtigung von Lebensum­ständen in der Gestaltung von Bildungsverläufen und Unterstützungsangeboten über soziale Desintegration, geringe individuelle Kompetenzen (z. B. Stress- oder Emotionsregulation) und mangelnde Ressourcen (z. B. Finanzen, Personal) für individuell passende Unterstützung. Neben individuumszentrierten Angeboten (z. B. Psychotherapie, Beratung) sind dabei kommunenbasierte Ansätze relevant, die unterschiedliche Lebenswelten (z. B. Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen) zusammenbringen und nachhaltig förderliche Umgebungen schaffen. Auf diese Weise können intersektorale Zusammenarbeit gestärkt und Barrieren individuumszentrierter Angebote (z. B. Stigma, geringe Inanspruchnahme) überwunden werden. Bislang sind solche Ansätze etwa im Bereich der Kriminal- und Suchtprävention erfolgreich erprobt, für den Bereich psychischer Gesundheit liegen in Deutschland wenige Befunde vor. Die zentrale Fragestellung lautet daher: Wie können kommunenbasierte Ansätze zur Stärkung psychischer Gesundheit im Kindes- und Jugendalter gestaltet werden?

Methode: Basierend auf der bisherigen Forschung zu kommunenbasierten Ansätzen (z. B. 1,2) wurde am Standort Greifswald/Rostock im DZKJ mittels Fokusgruppen (mit Jugendlichen, Fachpersonal), systematischer Literaturrecherche (in den Datenbanken PubMed, PsycInfo, Web of Science) und Expert*inneninterviews (aus Psychologie, Psychiatrie, sozialer Arbeit und Public Health) ein Modell erarbeitet, um auf kommunaler Ebene anzusetzen. Dabei wurde mit Complex System Modelling (3) gearbeitet, um relevante Einflussfaktoren, Beziehungen und Outcomes zu beschreiben.

Ergebnisse: Die Analyse verweist auf ein großes Potenzial von Ansätzen, die verschiedene Akteure verbinden (sog. whole school/community approach) und damit Raum für verhaltens- und verhältnis­basierte Ansätze bieten. Dazu gehören etwa Regeln im Umgang mit psychischen Beschwerden, Anlaufstellen und Hinweise, Stärkung der psychischen Gesundheitskompetenz und der Selbst­regulation. Für jedes Themenfeld können unterschiedliche Gruppen identifiziert werden, die Beiträge leisten (z. B. Lehrkräfte, Eltern, Kinder, Nachbarschaft). Die Umsetzung sollte partizipativ erfolgen und die lokalen Besonderheiten beachten.

Diskussion: Kommunenbasierte Ansätze zur Stärkung der psychischen Gesundheit sind vielversprechend. Die internationale Forschung verweist auf Verbesserung in Endpunkten auf individueller, sozialer und institutioneller Ebene. Aufgrund der Komplexität mangelt es bislang an rigorosen Evaluationsstudien und die Diversität der Bildungssysteme erschwert eine Vergleichbarkeit, auch innerhalb von Deutschland. Die Ausweitung der Forschung zu kommunenbasierten Ansätzen und Complex System Modelling erlaubt eine Erprobung und kann Impulse für die Gestaltung im deutschsprachigen Raum setzen. Aus der Arbeit lassen sich sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch praktische Hinweise zur Prozessgestaltung ableiten. Die Betrachtung der psychischen Gesundheit als zentraler Endpunkt ist relevant für gelungene Bildungs- und Gesundheitsprozesse.
Herr Samuel Tomczyk
Universität Greifswald, Greifswald
Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit (DZKJ), Standort Greifswald/Rostock, Greifswald
#Präsentation #Kinder- und Jugendgesundheit #kommunale Gesundheitsförderung #Evidenzbasierung
5
Einleitung
Strategien für gesundes Altern rücken in den Fokus von Forschung und Politik. Eine Zielgruppe sind ältere Männer, nicht zuletzt wegen der hohen Prävalenz lebensstilbedingter Erkrankungen. Sie nehmen jedoch selten an Maßnahmen zur Gesundheitsförderung teil. Mögliche Gründe sind ein Mangel an männerspezifischer Kommunikation und Ausrichtung der Angebote. Eine Lösung kann das australische Konzept der Männerschuppen sein, in denen Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung verankert werden. Ziel des BMG-geförderten Modellprojekt MARS ist, das Konzept auf Deutschland zu übertragen und zu erproben.

Methoden
Im Rahmen des Modellprojekt MARS wurden von 04/2022-03/2025 acht Männerschuppen in Norddeutschland im ländlichen und im städtischen Raum implementiert. Mithilfe partizipativer Methoden gestalten die teilnehmenden Männer die Rahmenbedingungen, entscheiden sich für Aktivitäten, denen sie im Männerschuppen nachgehen und führen die Männerschuppen autonom fort. Gesundheitsbezogene Maßnahmen wurden nach Wunsch der teilnehmenden Männer in den jeweiligen Männerschuppen durchgeführt. Prozessbegleitend wurde ein Mixed-Methods-Forschungsansatz durchgeführt. Dieser bestand aus einem quantitativen Fragebogen zur Baseline, Einzelinterviews, Fokusgruppeninterviews, teilnehmenden Beobachtungen und ethnografischen Feldnotizen.

Ergebnisse
Die meisten der implementierten Männerschuppen des Modellprojekts MARS sind räumlich an kommunale Träger wie Bürger- oder Mehrgenerationenhäuser sowie Stadtteilzentren angebunden. Die verfügbaren Räumlichkeiten und Öffnungszeiten wirken sich auf die Gestaltung der Schuppen aus. Je nach Ausstattung lassen sich die Ideen der Teilnehmenden unterschiedlich gut umsetzen – teils erfordern sie kreative Anpassungen. Darüber hinaus unterscheiden sich die Männerschuppen in der Häufigkeit der Treffen, den Kommunikationswegen und der Organisationsform.
Die Teilnehmenden unterscheiden sich in ihrer Sozialstruktur und weiterer gesundheitsrelevanter Variablen nur wenig von Männern dieser Altersgruppe in Deutschland. Neben gemeinsamen Aktivitäten gehört der offene und gesellige Austausch unter Männern zu den wichtigsten Beweggründen für eine Teilnahme. Vielfach kam von den Teilnehmenden des Modellprojekt MARS das Bedürfnis nach einer geschlechterhomogenen Gruppe zum Ausdruck. Die selbst festgelegten Aktivitäten waren vielfältig, unter anderem Gesprächsrunden, Handwerksprojekte, Computerkurse, Kartenrunden, gemeinsame Kochabende sowie verschiedene Ausflüge. Zu den durchgeführten gesundheitsbezogenen Maßnahmen zählten Erste-Hilfe-Kurse, ein Schwimmkurs, Schmerzprophylaxe, Physiotherapie und eine Beratung zu Gesundheitsangeboten im Stadtteil. In einem der Männerschuppen wurde überdies eine sechsmonatige Gesundheitskampagne gestartet.
Die Männerschuppen wurden von den Männern mehrheitlich als positiv für das eigene Wohlbefinden und gesundheitsförderlich erlebt. Zudem tragen die Männerschuppen zu einer stärkeren sozialen Eingebundenheit bei und es können authentische Freundschaften entstehen.
Um die Männerschuppen langfristig zu betreiben, wurden die Teilnehmer befähigt, die Männerschuppen auch nach Ende der Förderung selbständig weiterzuführen. Dazu gehörten der Aufbau einer Struktur sowie Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung. Diese Aktivitäten wurden bereits frühzeitig vom Projektteam angeregt und unterstützt. Für die Vernetzung der teilnehmenden Männerschuppen dienten Vernetzungstreffen und ein gemeinsamer Newsletter.

Diskussion
Das MARS Modellprojekt hat gezeigt, dass sich Männerschuppen auch in Deutschland als eine niedrigschwellige und geschlechtersensible Maßnahme der Gesundheitsförderung eignen. Die implementierten Männerschuppen zeigen eindrucksvoll, dass Männergemeinschaften im Alter vielfältig, lebendig und gesundheitsfördernd sein können.

Frau Prof. Dr. Karin Bammann
Universität Bremen, Bremen
#Präsentation #kommunale Gesundheitsförderung #co-creation #Männer #Einflussfaktoren auf soziale Teilhabe
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Background: In our fast-paced society, very few people take the time to listen to others. The unfulfilled essential need of being heard has far-reaching consequences such as loneliness and the associated mental and physical illnesses [1, 2]. We are interested in the question whether open-minded and value-free listening, offered in a secure space called the “Zuhörraum” can influence the feeling of happiness, affect, and connectedness of the visitors (“tellers”) and “listeners”, in the moment.
Methods: Since March 2025, a “Zuhörraum” was integrated into the area Tegernsee, Bavaria, Germany, in cooperation with “momo hört zu e. V.” [3] and a commercial partner. We evaluate happiness (single item [4]), affect (affect grid), and social connectedness (inclusion of Other in the Self (IOS) scale), in “tellers” and “listeners” (N=30) with three visual items before and after the visit of the “Zuhörraum”. Additionally, we assess socioeconomic factors and other covariates. By an opt-in definition of sampling, participants become “tellers” as soon as they enter the “Zuhörraum” and fill in the evaluation, while “listeners” ran through a 10-week training to practice thoughtful and value-free listening [5]. In addition, a survey pre- and post-implementation of the “Zuhörraum” intends to assess changes in terms of the above-mentioned determinants in persons living in the area Tegernsee.
Results: Preliminary results from the “Zuhörraum” suggest increases in happiness, affect, and connectedness in “tellers” (N=9) and “listeners” (N=10), visiting the room. The average difference considering both “tellers” and “listeners” before and after the “Zuhörraum” showed an increase of 0.7 points for happiness and 1.5 points for connectedness. Both measures were slightly higher in “tellers” as compared to “listeners”. The affect scale is more complex and remains for analysis after completion of the field phase (July 2025). A total of N = 102 inhabitants started the pre-evaluation of which n=73 provided complete information (53% region Tegernsee, 37% Bavaria, 0.1% outside Bavaria). Mainly employed women, living together with family or a partner characterize the sample. Ratings on happiness and overall life satisfaction were high (mean=8 of max.10 points). N=24 participants felt little connectedness with the area they live in. We expect to see an increase in all measures after 6 months. The post-evaluation starts on 30th of June 2025. We plan to present the final results of the study in September 2025.
Conclusion: From the “Zuhörraum” we expect data of about N = 150 participants until July 2025. We anticipate follow-up data from the inhabitants of the Tegernsee area and surroundings of about 20%. The results will then show the health-related effects of the integration of a “Zuhörraum” on the individual and community level.

Referenzen

1.    [1]  Arya, S., Jha, H., Gafoor, A. & Behera, S. Listening beyond boundaries: A practical approach towards mental health and well-being. IAHRW International Journal of Social Sciences Review. 2019 (7), 1388–1394.
2.     [2]  Weger, H., Castle Bell, G., Minei, E. M. & Robinson, M. C. The Relative Effectiveness of Active Listening in Initial Interactions. International Journal of Listening. 2014 28(1), 13–31. https://doi.org/10.1080/10904018.2013.813234
3.     [3]  Blyb. Zuhörraum 2025. https://blyb.co/zuhoerraum/, 24.03.2025
4.   [4]   Karwetzky, C, Michaelsen, M. M, Wedecker, L., Esch, T. The U-Curve of Happiness Revisited: Correlations and Differences in Life Satisfaction Over the Span of Life—An Empirical Evaluation Based on Data From 1,597 Individuals Aged 12–94 in Germany. 2022 (13), https://doi.org/10.3389/fpsyg.2022.837638
5.     [5] Momo hört zu e. V. Zuhörtraining 2025 https://www.momohoertzu.de/momo-training, 24.02.2025
Frau Dr. rer. oec. Dr. rer. medic. Maren Michaelsen
Universität Witten/Herdecke, Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung (IGVF), Witten/Herdecke
#Präsentation #Dyade, #Glück, #Affect, #Verbundenheit
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Hintergrund: Glück und Verbundenheit haben direkte, positive Auswirkungen auf die mentale und physische Gesundheit, vor allem der Immunfunktion, der kognitiven Funktion, dem Altern und der Mortalität (1) und sind demnach wesentlich für Prävention und Gesundheitsförderung. Verbundenheit zu fördern, ist wesentliches Ziel im Verbundprojekt „Die Kunst des Zuhörens“. Gegenstand des Projekts ist die Etablierung eines Zuhörraums am Tegernsee im südlichen Bayern nach dem Vorbild des Zuhörraums von momo hört zu e.V. in der Münchner Innenstadt, in dem ausgebildete Zuhörer:innen urteilsfrei und ohne einzugreifen – auf Augenhöhe – Bürger:innen zuhören. Die Wirkung und Wirkmechanismen des Zuhörens auf verschiedene subjektive Gesundheitsparameter werden mit einem Mixed-Methods-Ansatz wissenschaftlich analysiert. Ziel der qualitativen Erhebung ist es, ein Verständnis des Erlebens und dem Entstehen von Verbundenheit bei den Erzählenden zu erlangen, um Maßnahmen zur Verringerung gesundheitlicher Risiken der Einsamkeit informiert entwickeln zu können.
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Methode: Im Anschluss an eine Zuhörstunde – einer zum Erzählen und zugehört Werden buchbaren Stunde im Zuhörraum – werden mikrophänomenologische Interviews (2) durchgeführt. Eine Anzahl von 12–15 zu interviewenden Personen ist anvisiert. Dabei dauert jedes Interview ca. 60–90 Minuten. Jedes Interview wird aufgezeichnet und nach den einfachen Regeln von Dresing und Pehl transkribiert (3) und beobachtete Gesten nachträglich eingefügt. Folgende Einschlusskriterien sind definiert: Erzählende ab 14 Jahren, die kein eigenes Training im wertfreien Zuhören absolviert haben und ihr Interview am Folgetag der Zuhörsituation haben, dürfen teilnehmen. Die gewählte Interview- und Analysemethode zielt darauf ab, (abstrakte) Erfahrungen oder Gefühle in ihrer Tiefe so genau wie möglich zu explorieren. Thema der Interviews wird das Erleben von Verbundenheit und deren Wirkmechanismen bei Erzählenden sein. Dazu wird während des Interviews, angeleitet durch die in der Mikrophänomenologie geschulten Interviewerin, die vergangene Erfahrung im Zuhörraum erneut hervorgerufen. Es werden methodisch geleitet Erinnerungen an Gefühlsmomente, Gedankenprozesse und Wahrnehmungen evoziert.

Ergebnisse: Mittels der mikrophänomenologischen Auswertungsmethode werden die diachronischen (zeitlich aufeinander folgenden) und synchronischen (tiefgehenden) Strukturen und somit die Dimensionen von Verbundenheitserfahrungen auf einem höheren Abstraktionslevel analytisch beschrieben. Die generische Diachronie zeigt dabei eine allgemeingültige Struktur für die Erfahrung der Verbundenheit auf und verweist gleichzeitig auf individuelle Besonderheiten (4). Die generische Synchronie zeigt auf, wie ein Element einer Erfahrung genau erlebt werden und in seinen Einzelheiten beschrieben werden kann, also wie das Gefühl der Verbundenheit wahrgenommen wird (4). Es wird somit erwartet, das abstrakte, multidimensionale Gefühl der Verbundenheit in seiner Entstehung und Wirkung im Moment des mit Hilfe des imaginären Durchlebens der zu erfassenden Situation herauszuarbeiten und analysieren zu können.

Disskussion: Um die Wirkmechanismen sowie das Erfahren der Verbundenheit, die durch das Erzählen im Zuhörraum entsteht, zu verstehen, wird die Methode der mikrophänomenologischen Interviews eingesetzt. Diese ist dafür geeignet, die Mehrdimensionalität einer Erfahrung abbilden und somit ein Gefühl explorieren zu können. Die Erkenntnisse können helfen, gesundheitsförderliche Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Verbundenheit zu entwickeln und damit der steigenden Isolation und Einsamkeit in der Gesellschaft entgegenzuwirken

Referenzen

[1] Esch T, Stefano GB, Michaelsen MM. The foundations of mind‐body medicine: Love, good relationships, and happiness modulate stress and promote health. Stress and Health 2024;4:e3387. DOI: 10.1002/smi.3387.
[2] Petitmengin C. Describing one’s subjective experience in the second person. An interview method for a science of consciousness. Phenomenology and the Cognitive Sciences 2006;5:229–69.
[3] Dresing T, Pehl T. Praxisbuch Transkription: Regelsysteme, Software und praktische Anleitungen für qualitative ForscherInnen. 8. Aufl. Marburg: Eigenverlag; 2018.
[4] Valenzuela-Moguillansky C, Vásquez-Rosati A. An Analysis Procedure for the Micro-Phenomenological Interview. Constructivist Foundations 2019;14:123–66.
Frau Dr. rer. oec. Dr. rer. medic. Maren Michaelsen
Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung (IGVF), Universität Witten/Herdecke, Witten
#Präsentation #Verbundenheit #Zuhören #Erzählen #Gesundheit
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Hintergrund
Ziel des Projekts „Habe die Ehre“ ist es, Lebensqualität und Wohlbefinden der Senior*innen in der bayerischen Gemeinde Zell zu steigern, Einsamkeit zu reduzieren und damit Erkrankungen vorzubeugen, die mit fehlender sozialer Teilhabe in Verbindung gebracht werden. Hierzu wurden in der Gemeinde partizipativ zielgruppenspezifische Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention in einem ko-kreativen Ansatz konzipiert und umgesetzt.
Ziel des Beitrages ist es, über die Umsetzung des Projektes und seinen Herausforderungen und Stärken zu berichten.

Methode
Das Projekt wurde wissenschaftlich durch eine Konzept-, Prozess- und Ergebnisevaluation begleitet. Zur Bewertung der Maßnahmen wurden soziale Teilhabe, Einsamkeit, Wohlbefinden und funktionale Gesundheit betrachtet. Zum Einsatz kamen sowohl quantitative (schriftliche Befragungen) als auch qualitative Methoden (Einzelinterviews, Gruppendiskussionen). Es fanden verschiedene partizipativ gestaltete Workshops und Zukunftswerkstätten statt, um das Projekt weiterzuentwickeln und nachhaltig zu implementieren.

Ergebnisse
Die Umsetzungsphase und Projektförderung wurde Anfang 2025 abgeschlossen. Durch die kontinuierliche partizipative Einbindung der Senior*innen in die Gestaltung der Angebote konnte eine hohe Akzeptanz des Projekts erreicht werden. Über den Projektverlauf hinweg zeigte sich eine steigende Teilnahmequote an den entwickelten Angeboten. Multiplikator*innen und die Einbindung einer Steuerungs- und Planungsgruppe unterstützten die nachhaltige Umsetzung des Projekts in der Gemeinde.
Die kommunalen Akteure (z.B. Vereine, Kirche, Einzelpersonen) brachten sich in unterschiedlichem Maße in das Angebot zielgruppenspezifischer Maßnahmen ein. Die nachhaltige Verankerung des Programms war von Beginn an ein zentrales Ziel, bleibt jedoch mit Herausforderungen verbunden.

Diskussion
Die im Projekt gesammelten Erfahrungen zur partizipativen Gestaltung und zur Etablierung nachhaltiger Strukturen für die Gesundheitsförderung von Senior*innen im ländlichen Raum sollen geteilt werden, um anderen Gemeinden und Initiativen wertvolle Erkenntnisse für eigene Vorhaben bereitzustellen.

Frau Veronika Throner
Lehrstuhl für Public Health und VersorgungsforschungLudwig-Maximilians-Universität München, München
#Präsentation #Teilhabe #kommunale Gesundheitsförderung #Erfolgsfaktoren #Senior*innen
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
SYM7
Förderung der selbstbestimmten Teilhabe an Arbeit von Menschen mit Behinderungen durch Ko-Kreation: Der transdisziplinäre Ansatz des Projekts „Arbeiten – wie ich es will!“ (F Fankhänel)
Arbeit/Behinderung
Raum: Seminarraum 536 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1

Hintergrund

Seit Langem sind Menschen mit Behinderungen (MmB) auf dem ersten Arbeitsmarkt in Deutschland unterrepräsentiert und werden nach wie vor oft von der Teilhabe an dieser Lebenswelt ausgeschlossen. So beschäftigten im Jahr 2022 nur 74% der beschäftigungspflichtigen Arbeitgeber*innen Menschen mit Schwerbehinderung und nur 36% beschäftigten diese in der durch das SGB IX geforderten Anzahl (1). Seit Jahren sind auch die Übergangsquoten von Menschen mit Behinderungen (MmB) aus Werkstätten (WfbM), einem zentralen Instrument beruflicher Rehabilitation, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sehr gering (2, 3). Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung KI-gestützter Lösungen hat sich ein transdisziplinäres Konsortium aus Praktiker*innen, Social Designer*innen, Sozial- und Rehabilitationswissenschaftler*innen und Informatiker*innen in dem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Projekt "Arbeiten - wie ich es will!" (AWIEW) zusammengefunden, um die Potenziale dieser Technologien für die Förderung der selbstbestimmten Teilhabe an Arbeit vor dem Hintergrund bestehender Ungleichheiten zu nutzen.

Methode

Im Rahmen des Projekts wurden und werden verschiedene methodische Ansätze verfolgt, etwa Expert*inneninterviews und Embedded Research. Durch die Einbeziehung von MmB wird in einem ko-kreativen Prozess durch Menschen mit und ohne Behinderungen ein KI-gestütztes Bedarfsanalyseinstrument entworfen.
Social Designerinnen der Fachhochschule Münster (FH Münster) entwickelten so, ausgehend von einem partizipativ-gestalterischen Co-Design-Ansatz (4) und in Zusammenarbeit mit Praktiker*innen des Franz-Sales-Haus (FSH) mit MmB als Co-Designer*innen ein Anforderungsprofil für das Instrument. Die Umsetzung der ko-kreativ erarbeiteten Anforderungen in eine technologische Lösung wird von einem Team des Fraunhofer FIT, Anwendungszentrum SYMILA, realisiert.
Um eine erfolgreiche Erprobung in den Einrichtungen der FSH zu unterstützen, weitere Anforderungen aus der Praxis der Eingliederungshilfe zu identifizieren und die Übertragbarkeit des Instruments auf andere Organisationen zu unterstützen, wird auch der Kontext der Eingliederungshilfe untersucht. Sozial- und Rehabilitationswissenschaftler*innen der Sozialforschungsstelle (TU Dortmund) erforschten mit Unterstützung des FSH die Rahmenbedingungen für Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dazu wurde unter anderem der Ansatz der eingebetteten Forschung (5) in Einrichtungen des FSH (inkl. Werkstätten) verfolgt.

Ergebnisse

Im Rahmen von Co-Design Workshops wurden nicht nur exemplarisch Wünsche und Bedürfnisse erhoben, sondern auch die Dispositionen der Co-Designer*innen in Bezug auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und zu berücksichtigende Hindernisse (von Vorbehalten bis zu offenen Informationsbedarfen) erfasst. Im Fokus stand auch, unter welchen Voraussetzungen Wünsche geäußert werden und welche Implikationen dies für die Entwicklung des Bedarfsanalyseinstruments haben kann.
Im Rahmen des Embedded Research konnten zahlreiche Einblicke in strukturelle Rahmenbedingungen und Bedarfe an die Gestaltung und den Einsatz des Instruments identifiziert werden. Dazu gehören Erkenntnisse zu wiederkehrenden Pfadabhängigkeiten in Übergangsbiografien von Menschen mit Behinderungen sowie Prozesse der Fremdbestimmung oder Informationsdefiziten, die durch Informationsbereitstellung, etwa durch ein Instrument im Sinne des Empowerments aufgebrochen werden können.

Diskussion

Die Erkenntnisse aus der Ko-Kreation und der Embedded Research weisen auf verschiedene Anforderungen hin, die für die Gestaltung und den erfolgreichen Einsatz des Instruments zu berücksichtigen sind. Diese Erkenntnisse sollen im Rahmen des Symposiums mit den Teilnehmenden diskutiert werden. Zu diesem Zweck werden die Projektpartner*innen ihre Forschungs- und Entwicklungsergebnisse in Einzelpräsentationen vorstellen. Sie zeigen, wie sich ihre Aktivitäten zu einem transdisziplinären, ko-kreativen und partizipativen Entwicklungsprozess verdichten.

Referenzen

[1] IW Köln. Beschäftigungsstatistik schwerbehinderter Menschen: REHADAT Statistik [Internet]. 2024. Available from : https://www.rehadat-statistik.de/statistiken/berufliche-teilhabe/beschaeftigung/beschaeftigungsstatistik-schwerbehinderter-menschen/ [Cited 01 03 2025].
[2] Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Daten zu Werkstätten für behinderte Menschen. Anlage zum Arbeitspapier “Teilhabe am Arbeitsleben, Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz”. Berlin: BMAS; 2014.
[3] Engels D, Deremetz A, Schütz H, Eibelshäuser S, Pracht A, Welti F, et al. Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt: Abschlussbericht. 2023.
[4] Sanders EB-N, Stappers PJ. Co-creation and the new landscapes of design. CoDesign. 2008;4(1):5–18. DOI: 10.1080/15710880701875068.
[5] Vindrola-Padros C, Pape T, Utley M, Fulop N. The role of embedded research in quality improvement: a narrative review. BMJ Qual Saf. 2016;26(2):70–80.
Herr Felix Fankhänel
SFS Dortmund (TU Dortmund), Dortmund
Frau Diana Cürlis
FH Münster (Münster School of Design), Münster
Frau Jill Backs
Franz Sales Haus, Essen
#Symposium 60 #berufliche Teilhabe #Interdisziplinarität #Partizipation #Ko-Kreation
2

Hintergrund

Mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Deutschland wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, mit dem die Teilhabe an allen Lebenswelten für Menschen mit Behinderungen besser ermöglicht werden soll. Dabei zeigen sich nach wie vor Ungleichheiten und eine gleichberechtigte, selbstbestimmte Teilhabe an beispielsweise Arbeit ist bislang nicht vollumfänglich möglich (1), was sich auch in der Beschäftigungssituation in Betrieben spiegelt, die nach SGB IX Pflichtarbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen müssen (2).
Um dieser Situation zu begegnen, wird im Projekt “Arbeiten, wie ich es will!” die Entwicklung eines Bedarfsanalyseinstruments zur Förderung der selbstbestimmten Teilhabe an Arbeit durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert. Die Präsentation gibt Einblicke in Forschungsergebnisse zu Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) und anderen Einrichtungen der Eingliederungshilfe als Teil des Rehabilitationssystems in Deutschland, die im Rahmen der Projektaktivitäten entstanden sind.

Methode

Im Jahr 2024 hatten Rehabilitationswissenschaftler*innen und Sozialwissenschaftlicher*innen der TU Dortmund die Möglichkeit, die Praxis der Eingliederungshilfe im Rahmen einer Embedded Research in einer bisher kaum vorhandenen Tiefe teilnehmend zu beobachten (3, 4). Für diese eingebettete Forschung verbrachten jeweils 5 Forschende jeweils eine volle Arbeitswoche (insgesamt 25 Tage) in 8 Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Geforscht wurde im Berufsbildungsbereich von WfbM, auf Außenarbeitsplätzen in Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes, in berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und in einer Förderschule. Dadurch konnten tiefe Einblicke in mehrere Kontexte gewonnen werden, welche Menschen mit Behinderungen im deutschen System der Eingliederungshilfe durchlaufen.

Ergebnisse

Die Forschung ermöglicht neue Erkenntnisse über die Rahmenbedingungen, die den Erfolg einer selbstbestimmten Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt bestimmen. Indem sie Treiber und Barrieren sichtbar machen, tragen die Ergebnisse dazu bei, Wege für die Umgestaltung der Eingliederungshilfe in Deutschland aufzuzeigen. Darüber hinaus werden die Erkenntnisse zu den Rahmenbedingungen zur Gestaltung eines derzeit entwickelten Bedarfsanalyseinstruments beitragen, dass sowohl eine technologische Lösung umfassen wird, wie auch eine Reihe neuer Praktiken für die Eingliederungshilfe. Die Realisierung dieses Instruments zur Förderung der selbstbestimmten Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderung wird einen zentralen Impuls für die Umgestaltung der Eingliederungshilfe in Deutschland geben und so zur Adressierung bestehender Ungleichheiten im selbstbestimmten Zugang zu Arbeit beitragen.

Diskussion

Die Ergebnisse werden im Rahmen des Symposiums “Förderung der selbstbestimmten Teilhabe an Arbeit von Menschen mit Behinderungen durch Ko-Kreation: Der transdisziplinäre Ansatz des Projekts Arbeiten – wie ich es will!”, präsentiert und im Anschluss an die Präsentationen der Projektpartner*innen zur Diskussion gestellt. Die Ergebnisse aus dem Embedded Research weisen auf verschiedene Hürden hin, welche die selbstbestimmte Teilhabe an der Lebenswelt der Arbeit von Menschen mit Behinderungen erschweren. Dazu gehören Pfadabhängigkeiten in Übergangsbiografien, die auch auf Fremdbestimmungsprozesse zurückgeführt werden können, welche wiederum mit Informationsdefiziten zu verbinden sind. Diese Defizite können durch ein passgenaues Bedarfsanalyseinstrument adressiert werden. Auf diese Weise können auch Pfadabhängigkeiten überwunden werden, indem Menschen mit Behinderungen selbstbestimmte und informierte Entscheidungen treffen können, die nicht von den Informationen abhängen, die ihnen durch Leistungsträger oder Leistungserbringer zugänglich gemacht werden.

Referenzen

[1] J, Jochmaring J, Preissner L. Innovation und Exnovation des Systems beruflicher Teilhabe. In: Bosse I, Müller K, Nussbaumer D, Herausgeber. Internationale Perspektiven auf Inklusion und Chancengerechtigkeit. Bald Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt; 2024. p. 154-162.
[2] IW Köln. Beschäftigungsstatistik schwerbehinderter Menschen: REHADAT Statistik [Internet]. 2025. Available from: https://www.rehadat-statistik.de/statistiken/berufliche-teilhabe/beschaeftigung/beschaeftigungsstatistik-schwerbehinderter-menschen/ [cited 01.03.2025]
[3] Lewis SJ, Russell AJ. Being embedded: A way forward for ethnographic research. Ethnography. 2011;12(3):398–416.
[4] Vindrola-Padros C, Pape T, Utley M, Fulop NJ. The role of embedded research in quality improvement: A narrative review. BMJ Qual Saf. 2017;26(1):70–80.
Herr Felix Fankhänel
SFS Dortmund (TU Dortmund), Dortmund
Herr Daniel Krüger
TU Dortmund, Dortmund
#Symposium 60 #berufliche Teilhabe #Interdisziplinarität #Ko-Kreation #Partizipation
3

Hintergrund

Im transdisziplinären Forschungsprojekt »Arbeiten – wie ich es will!« wird ein KI-gestütztes Bedarfsanalyseinstrument partizipativ mit Co-Designer*innen mit Behinderung (insbesondere Lernschwierigkeiten) entwickelt, welches durch informierte und selbstbestimmte Entscheidungen im Kontext der beruflichen Orientierung unterstützen soll.
Dieses Bedarfsanalyseinstrument umfasst einen digitalen Kern sowie die Gestaltung eines institutionellen und pädagogischen Kontextes, in den die digitale Lösung bestmöglich integriert wird.
Durch die Verquickung der technologischen Entwicklung mit sozialen Praktiken zielt das Projekt auf soziale Innovation (1).
Dieser Beitrag gibt Einblicke in die Arbeit des Social Design Teams, welches als Schnittstelle zwischen der Zielgruppe und den KI-Expert*innen fungiert.

Methode

In partizipativ-gestalterischen Co-Design Workshops (2) arbeiteten die Social Designerinnen mit 9 Co-Designer*innen über einen Zeitraum von knapp 10 Monaten zusammen.
Um das komplexe Thema Berufsorientierung ressourcenorientiert zu bearbeiten, wurden verschiedene Designmethoden und Make-Tools (3) eingesetzt und auf die individuellen Bedürfnisse der Co-Designer zugeschnitten. Die Workshops wurden in Form von 79 Feldprotokollen dokumentiert und mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse (4, 5) ausgewertet.
Im Projekt wird Design auf verschiedenen Ebenen eingebracht: Zum einen werden mit den Methoden der partizipativen Gestaltung qualitative Daten erhoben, zum anderen werden die Befunde in das Bedarfsanalyseinstrument transformiert.

Ergebnisse

Die Befunde der explorativen Co-Design-Prozesse können unterschiedlich perspektiviert werden.
Zum einen konnten die Datenauswertung empirische Befunde zur beruflichen Orientierung von Menschen mit Lernschwierigkeiten ans Licht bringen – es wurden beispielsweise unterschiedliche Arbeitsmarkttypen identifiziert.
Methodisch wurden erfolgreiche didaktische Elemente und Prozesse identifiziert, die nun in die digitalen Strukturen einer ki-gestützten App übertragen und wiederum mit den Co-Designer*innen getestet und feinjustiert werden müssen.
Bezogen auf die technologische Entwicklung wurde ein Prozessmodell des KI-gestützten Bedarfsanalyseinstruments entwickelt, welches die Informationsarchitektur innerhalb der App, aber auch die Anbindung an den sozialen und institutionellen Kontext skizziert und fortlaufend um Ergebnisse aus der Datenerhebung der Sozialwissenschaftler*innen erweitert wird.

Diskussion

Die Arbeitsergebnisse des Social Design Teams werden im Rahmen des Symposiums “Förderung der selbstbestimmten Teilhabe an Arbeit von Menschen mit Behinderungen durch Ko-Kreation: Der transdisziplinäre Ansatz des Projekts Arbeiten – wie ich es will!”, präsentiert und zur Diskussion gestellt. Spannende Fragestellungen ergeben sich bezüglich der Transformation der Bedarfe und Wünsche der Co-Designer*innen im Kontext von Künstlicher Intelligenz und Large Language Models: Welche Aufgaben kann der technologische Part des Bedarfsanalyseinstruments übernehmen? Welche Aufgaben müssen im sozialen oder institutionellen Kontext bearbeitet werden? Welche Übergabepunkte werden gestaltet? Wie inklusiv können Chatbots im Kontext der beruflichen Orientierung für Menschen mit Behinderung agieren?

Referenzen

[1] Howaldt J, Schwarz M. „Soziale Innovation“ im Fokus: Skizze eines gesellschaftstheoretisch inspirierten Forschungskonzepts. 2010.
[2] Sanders E. Perspectives on Participation in Design. In: Wer gestaltet die Gestaltung? transcript Verlag; 2013. p. 65–78.
[3] Brandt E, Binder T, Sanders E. Tools and techniques: ways to engage telling, making and enacting. In: Simonsen J, & Robertson T. Routledge International Handbook of Participatory Design. Routledge; 2012. p. 165–201.
[4] Schreier M. Qualitative Content Analysis in Practice. London, England: SAGE Publications; 2012.
[5] Kuckartz U, Rädiker S. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Beltz Juventa. Weinheim; 2022.
Frau Diana Cürlis
FH Münster | Münster School of Design, Münster
#Symposium 60 #berufliche Teilhabe #Interdisziplinarität #Ko-Kreation #Partizipation
4

Hintergrund

Die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen stellt trotz gesetzlicher Regelungen und Fördermaßnahmen eine anhaltende gesellschaftliche Herausforderung dar. Mehr als 1,6 Millionen erwerbsfähige Menschen mit Behinderungen in Deutschland sind nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt integriert (1). Besonders betroffen sind Personen mit Lernschwierigkeiten oder psychischen Beeinträchtigungen, die häufig in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) tätig sind – einem System, das sowohl Unterstützung als auch eine Einschränkung individueller Wahlmöglichkeiten darstellt (2).
Ein zentrales Hindernis, während der beruflichen Orientierung und Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, ist die Fremdbestimmung, die viele Menschen mit Behinderung erleben. Sie erfahren häufig eine starke Einflussnahme auf ihren beruflichen Werdegang durch Betreuungspersonen, Angehörige oder Institutionen. Fehlende unabhängige Informationsquellen, begrenzte Netzwerke sowie unzureichende Übergangsstrukturen verstärken diese Problematik. Zudem sind Diskriminierungserfahrungen im Arbeitskontext weit verbreitet, was nicht nur die Chancen auf Beschäftigung verringert, sondern auch das Risiko von Selbststigmatisierung erhöht (3,4).

Methode

Dieser Vortrag rückt die Perspektiven von Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt und gibt ihnen als Expert:innen in eigener Sache eine Stimme.
Zu diesem Zweck wurden ehemalige Co-Designer:innen, die bereits im Projekt „Arbeiten – wie ich es will!“ tätig waren, zu „Co-Redakteur:innen“ weitergebildet. Die Co-Redakteur:innen sind Beschäftigte aus den Franz Sales Werkstätten, die ihre persönlichen Erfahrungen mit der beruflichen Orientierung und dem Zugang zum Arbeitsmarkt präsentieren. Sie berichten, wie sie ihre schulische Laufbahn und ihre berufliche Orientierung erlebt haben und welche Erfahrungen sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gemacht haben.
Die Idee der Weiterbildung zu „Co-Redakteur:innen“ basiert auf dem Konzept der „Arbeitsexpert:innen“, das im Rahmen des Projekts Karriereplanung Inklusive entwickelt wurde (5).
In mehreren Workshops reflektierten die Teilnehmenden ihren eigenen beruflichen Werdegang, analysierten Erfolgsfaktoren sowie Herausforderungen und erarbeiteten zentrale Aspekte, die für eine inklusive Arbeitswelt notwendig sind. Begleitend wurden theaterpädagogische Methoden und Stimmtraining eingesetzt, um die Vortragenden in ihrer Rolle als Expert:innen zu stärken. Ziel dieses Ansatzes ist es, nicht über die Perspektiven von Menschen mit Behinderungen zu sprechen, sondern ihnen selbst eine Plattform zu bieten, um ihre Sichtweisen und Erfahrungen direkt zu vermitteln.

Ergebnisse

Die Erkenntnisse der Expert:innen in eigener Sache verdeutlichen, dass bestehende Strukturen die beruflichen Wahlmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen erheblich einschränken. Institutionelle Vorgaben und soziale Bevormundung lenken Bildungs- und Berufswege in vordefinierte Bahnen, anstatt individuelle Stärken und Interessen zu fördern.

Diskussion

Dieser Vortrag trägt dazu bei, die Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen sichtbar zu machen und liefert Impulse für die Weiterentwicklung von Unterstützungsstrukturen. Durch die direkte Interaktion mit den Vortragenden erhalten die Teilnehmenden des Symposiums “Förderung der selbstbestimmten Teilhabe an Arbeit von Menschen mit Behinderungen durch Ko-Kreation: Der transdisziplinäre Ansatz des Projekts Arbeiten – wie ich es will!” die Möglichkeit, offene Fragen zu stellen und aus erster Hand Einblicke in die Lebensrealitäten der Betroffenen zu gewinnen. Damit leistet die Präsentation einen wichtigen Beitrag zur Förderung einer inklusiven Lebens- und Arbeitswelt, in der Menschen mit Behinderungen ihre beruflichen Wege selbstbestimmt gestalten können.

Referenzen

[1] Aktion Mensch. Inklusionsbarometer Arbeit: Ein Instrument zur Messung von Fortschritten bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung auf dem deutschen Arbeitsmarkt [12. Jahrgang]. 2024. Available from: https://www.aktion-mensch.de/inklusion/arbeit/zahlen-daten-fakten [Cited 2025/03/21].
[2] von Kardorff E, Ohlbrecht H, Schmidt S. Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen: Expertise im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Antidiskriminierungsstelle des Bundes; 2013.
[3] Schulz A. C, Cürlis D, Goretzky C, Krüger D, Pelka B, Preissner L. Enabling technology hand in hand with enabling practices. J Enabling Technol. 2024;188 (2/3):76-90. DOI: 10.1108/JET-01-2024-0008.
[4] Blanck JM. Übergänge nach der Schule als „zweite Chance“?: Eine quantitative und qualitative Analyse der Ausbildungschancen von Schülerinnen und Schülern aus Förderschulen „Lernen“. Weinheim: Beltz Juventa; 2020. P. 244.
[5] Seeger A. Frisch gekürte Arbeitsexpert_innen: Mutmacher_innen bei der beruflichen Inklusion. In: Impulse: Magazin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung 2016;01: P. 24-25.
Frau Jill Backs
Franz Sales Haus, Essen
Frau Joline Düring
Franz Sales Haus, Essen
Joline Düring absolvierte 2022 ihren Bachelor in Heil- und Inklusivpädagogik und studiert derzeit im Master Rehabilitationswissenschaften an der TU Dortmund. Bis Ende 2024 arbeitete sie in einer besonderen Wohnform für Menschen mit mehrfachkomplexen Behinderungen und übernahm das Teilhabe- und Aufnahmemanagement. Während ihres Masterstudiums wuchs ihr Interesse an wissenschaftlicher Forschung, doch ihre Leidenschaft für die Praxis bleibt. Im Forschungsprojekt „Arbeiten – wie ich es will!“ verbindet sie Theorie und Praxis, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben zu fördern.
#Symposium 60 #berufliche Teilhabe #Partizipation #Ko-Kreation #Interdisziplinarität
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
SYM22
Digitale GBE - Dashboards und andere digitale Werkzeuge für die Gesundheitsberichterstattung (J Butler
GBE
Raum: Seminarraum 520 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beiträge:
1

Hintergrund

Angesichts der gegenwärtigen Impulse zur Digitalisierung im Öffentlichen Gesundheitsdienst durch den Pakt ÖGD ist es nicht verwunderlich, dass diese Digitalisierungsbestrebungen auch die Gesundheitsberichterstattung (GBE) erreicht haben. Hier ist das Stichwort „Dashboard“ in aller Munde, d.h. eine internetbasierte Möglichkeit, möglichst interaktiv, Ergebnisse der GBE darzustellen bzw. auch Daten herunterzuladen zu können. Während Dashboards in Deutschland lange Zeit eher etwas für die Bundes- bzw. Landesebene waren, sehen wir gegenwärtig auch ein verstärktes Interesse an Dashboards als Form der Gesundheitsberichterstattung auf der kommunalen Ebene. Die digitale Darstellung hat viele Vorteile gegenüber traditionellen analogen Berichten auf Papier. Ein großer Vorteil ist die bessere Aktualität der Daten gegenüber gedruckten Berichten, die längere Vorlaufzeiten haben, sodass der Inhalt fast verhaltet ist ehe er erscheint. Auch werden mit digitalen Medienangeboten der GBE besser jüngere Zielgruppen erreicht und es können inhaltlich andere Schwerpunkte gesetzt werden durch die interaktiven Darstellungsmöglichkeiten, die in analogen Medien nicht möglich sind.

Methode

In diesem Symposium werden Beispiele von Dashboards und anderen digitalen Werkzeugen für die GBE von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland vorgestellt. Hierbei wird der Schwerpunkt nicht auf die Inhalte, sondern auf die eingesetzten digitalen Werkzeuge gelegt, sodass mögliche Interessenten eine Vorstellung bekommen, wie digitale GBE gestaltet werden kann und was machbar ist.
Auf der Bundesebene wird das neue GBE-Portal des Robert Koch-Instituts (RKI) vorgestellt. Im Webportal werden Informationen mit Fokus auf nichtübertragbare Erkrankungen und ihre Determinanten in Form von interaktiv visualisierten Kennzahlen (Indikatoren) dargestellt. Die Visualisierungen bieten den Nutzer*innen die Möglichkeit die Informationen schnell zu erfassen und durch individuelle Filtereinstellungen auf spezifische Fragestellungen anzupassen.
In den Ländern gibt es eine Reihe von Portalen für die GBE. Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Brandenburg waren Vorreiter auf diesem Gebiet. In diesem Symposium wird beispielhaft der neu gestaltete Gesundheitsatlas des Landes Baden-Württemberg gezeigt.
Auf kommunaler Ebene wird das Dashboard Kindergesundheit der Stadt Leipzig vorgestellt, welches die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung zusammenfasst. Hierdurch können auch Nutzer zeitnah und eigenständig Daten zur Kindergesundheit abrufen und nachvollziehen.
Schließlich wird das neue IT-Fachverfahren Gesundheitsberichterstattung aus Berlin vorgestellt, wobei das Land gemeinsam mit den Berliner Bezirken ein neues GBE-Softwaresystem bekommen wird. Mit dem neuen Verfahren wird der komplette Geschäftsprozess der GBE digitalisiert und teilweise automatisiert. Es bieten sich neue interaktive Darstellungsoptionen um GBE-Inhalte als attraktive digitale Medienangebote bereitzustellen und zu verbreiten.

Ergebnisse

Diskussion

Herr Jeffrey Butler
Technische Universität Dresden Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Dresden
#Symposium 60 #Gesundheitsberichterstattung #Digitalisierung
2

Hintergrund

Die Gesundheitsberichterstattung (GBE) ist ein elementarer Bestandteil von Public Health und hat zum Ziel die gesundheitliche Lage der Bevölkerung zu beschreiben (1). Die COVID-19-Pandemie verdeutlichte die Relevanz der zeitnahen Berichterstattung und förderte die Nutzung von digitalen Tools zur interaktiven Datenvisualisierung. Jedoch bestehet nicht nur für übertragbare sondern auch für nichtübertragbare Erkrankungen der Bedarf für eine kontinuierliche und zeitnahe Berichterstattung. Vor diesem Hintergrund wurde das neue Webportal der GBE am Robert Koch-Institut (www.gbe.rki.de) mit Fokus auf nichtübertragbare Erkrankungen und ihre Einflussfaktoren entwickelt.

Methode

Bei der Entwicklung des Webportals konnte auf die Vorerfahrungen zur Erstellung der Webseite der Diabetes-Surveillance zurückgegriffen werden und es wurden Webseiten von Public-Health-Instituten in Europa und Ländern der OECD hinsichtlich verschiedener Umsetzungsmöglichkeiten untersucht. Weiterhin wurden qualitative Interviews durchgeführt, um die Anforderungen der Nutzenden aus Politik, Gesundheitswesen, Wissenschaft und Medien abzuleiten (2). Neben inhaltlichen Anforderungen wurde auch auf die Darstellung der Informationen eingegangen. Darauf aufbauend wurde ein Konzept für die neue Webplattform entwickelt und diese unter Berücksichtigung technischer Rahmenbedingungen umgesetzt.

Ergebnisse

Es wurde eine neue Webplattform (www.gbe.rki.de) zur Bereitstellung von Informationen zu nichtübertragbaren Erkrankungen und ihren Determinanten entwickelt. Die Inhalte werden in vier Themenbereiche „Einflussfaktoren auf die Gesundheit“, „Gesundheitszustand“, „Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung“ und „Rahmenbedingungen“ gegliedert. Die Funktionen beinhalten zum einen, dass alle bestehenden Publikationsprodukte der GBE (u.a. Journal of Health Monitoring) thematisch gegliedert zur Verfügung stehen. Zum anderen wurde ein Indikatorset mit Fokus auf nichtübertragbare Erkrankungen entwickelt, welches aktuell 65 Indikatoren interaktiv visualisiert und die Ergebnisse textlich einordnet. Die Visualisierung betrachtet den zeitliche Verlauf, aber auch die Verteilung innerhalb der Bevölkerung. So werden die Indikatoren wenn möglich nach Altersgruppen, Geschlecht, Bildung und Region stratifiziert dargestellt. Die Indikatoren basieren sowohl auf Primärdaten wie der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) als auch auf Sekundärdaten wie der amtlichen Statistik, Registerdaten oder Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Diskussion

Das neue Webportal der GBE trägt den Anforderungen der Nutzenden unter Berücksichtigung der sich kontinuierlich weiterentwickelnden technischen Rahmenbedingungen Rechnung. So wird die gesundheitliche Lage der Bevölkerung anhand eines definierten Indikatorsets kontinuierlich und zeitnah abgebildet und der themenspezifische Zugang zu verschiedenen Publikationsformaten erleichtert. Zukünftig sollen weitere Ergebnisse und Indikatoren, insbesondere aus dem RKI-Panel „Gesundheit in Deutschland“, in die regelmäßige Berichterstattung aufgenommen werden. Ziel ist, das System im Dialog mit den Nutzenden kontinuierlich weiterzuentwickeln und die Inhalte im Hinblick auf die Herausforderungen im Public-Health-Bereich zu erweitern.

Referenzen

[1] Ziese T, Prütz F, Rommel A, Reitzle L, Saß AC. Gesundheitsberichterstattung des Bundes am Robert Koch-Institut –  Status quo und aktuelle Entwicklungen. Bundesgesundheitsblatt -
Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz. 2020;63(9):1057-66.
[2] Kettlitz R, Buchmann M, Tuncer O, Krause L, Ziese T,
Reitzle L. Surveillance of non-communicable diseases: What matters to users? A
qualitative interview study. J Health Monit. 2024;9(4):e12919.
Herr Dr. Lukas Reitzle
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Präsentation #Gesundheitsberichterstattung #Nichtübertragbare Erkrankungen #Datenvisualisierung #Dashboard #Digitalisierung
3
Der Gesundheitsatlas Baden-Württemberg ist eine Onlineplattform, auf der Daten und Informationen zur Gesundheit und gesundheitsrelevanten Themen in Form von interaktiven Karten, Tabellen und Berichten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Damit ist er ein wichtiger Baustein der Gesundheitsberichterstattung des Landes.

Der Gesundheitsatlas besteht seit 2011 und präsentiert sich seit 2022 in neuer und moderner Optik. Mittlerweile sind mehr als 100 Indikatoren verfügbar, welche von verschiedenen Datenhaltern stammen. Die Indikatoren sind in 10 Themenbereiche unterteilt:
- Strukturdaten zur Bevölkerung,
- Wirtschaftliche und soziale Lage,
- Allgemeiner Gesundheitszustand und Mortalität,
- Krankheiten/Krankheitsgruppen,
- Medizinische Eingriffe,
- Gesundheitsrelevante Verhaltensweisen und deren Folgen,
- Einrichtungen des Gesundheitswesens,
- Beschäftigte im Gesundheitswesen,
- Angebote der Gesundheitsförderung, Prävention und gesundheitlichen Selbsthilfe,
- Gesundheitsausgaben und Kosten.

Die Daten sind über interaktive dynamische Dashboards, Profile und Berichte dargestellt und können bei Bedarf einfach heruntergeladen werden. Die landesweit und regional aufbereiteten Gesundheitsinformationen sollen den Dialog zwischen interessierten Bürgerinnen und Bürgern und der Politik über den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg ermöglichen, den Expertinnen und Experten in den Kommunen ihre Gesundheitsplanung erleichtern und eine fundierte Grundlage für die Beratungen in den kommunalen Gesundheitskonferenzen bieten.

Zuletzt wurden folgende Darstellungen im Rahmen des Gesundheitsatlas Baden-Württemberg umgesetzt:
- Basisreports mit ausgewählten Indikatoren auf Stadt-/Landkreisebene für eine einheitliche Planungsgrundlage im Rahmen der Gesundheitsplanung
- Darstellung von Umfrageergebnissen im Rahmen des Monitoring Gesundheitsplanung mit dem Ziel, die Aktivitäten der Gesundheitsämter und kommunalen Gesundheitskonferenzen in der Gesundheitsplanung transparent zu machen. Hierfür wurde ein Teil der Ergebnisse im Gesundheitsatlas in Form von a) einer kartografischen Darstellung (welcher Stadt-/Landkreis macht was?) und b) einem Steckbrief pro Kreis (Kontaktdaten, bearbeitete Themen vor Ort etc.) dargestellt.
Frau Christin Dilger
Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, Stuttgart
Frau Tanja Eberhardt
#Symposium 60 #Gesundheitsberichterstattung #Gesundheitsatlas
4
Hintergrund
Das Berliner Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst – GDG sieht in § 5 vor, dass eine Gesundheitsberichterstattung (GBE) inklusive IT-gestütztem Gesundheitsmonitoring in Berlin durchzuführen ist. Dieser gesetzliche Auftrag wird durch die Senatsverwaltung für Gesundheit auf Landesebene sowie von zwölf GBEler:innen des öffentlichen Gesundheitsdienstes in den Berliner Bezirken auf kommunaler Ebene seit Jahrzehnten durchgeführt. Für die Datenverarbeitung kamen bisher verschiedene IT-Verfahren zum Einsatz. Aufgrund nicht mehr gegebener IKT-Konformität der bisher verwendeten Werkzeuge, wie der Veröffentlichungsplattform GSI, wurde im Jahr 2023 auf der Basis der für die GBE definierten Geschäftsprozesse ein Vergabeverfahren für ein neues „Fachverfahren Gesundheitsberichterstattung“ bezuschlagt. Ziel des neuen landesweiten Fachverfahren ist es, die bestehenden IT-Werkzeuge und die neuen Anwendungen in einem IT-Fachverfahren für die GBE zusammenzuführen und so eine durchgängig digitalisierte Arbeitsplattform für die GBE für Land und Bezirke zu schaffen.
Methode
Das neue Fachverfahren GBE umfasst den kompletten Geschäftsprozess von Datenmanagement und Gesundheitsberichterstattung bis hin zur Administration und Nutzerverwaltung. Hierfür wurde 2018-19 eine Geschäftsprozess-Analyse durchgeführt. Aus den Geschäftsprozessen wurde ein IT-Anforderungskatalog und eine Leistungsbeschreibung für eine EU-weite Ausschreibung mit Teilnehmerwettbewerb erarbeitet. Die Ausschreibungsphase war von 2022-23. Im Sommer 2023 wurde der Zuschlag erteilt und die Projektumsetzungsphase im agilen Vorgehen dauerte von 10/2023 bis 07/2024. Das Funktionstesten erstreckte sich von 08/2024 bis 03/2025. Die Aufnahme des Probe-Echt-Betriebes beginnt voraussichtlich im 3. Quartal 2025. Der Landesbevollmächtigte für Informationssicherheit und der behördliche Datenschutzbeauftragte wurden frühzeitig einbezogen und begleiteten den Prozess. Im FV GBE werden personenbezogene und personenbeziehbare Daten mit hohem Schutzbedarf verarbeitet, worauf das GBE-Softwaresystem ausgelegt wurde. Die cloudbasierte Lösung läuft in einer verschlüsselten Betriebsumgebung. Die Schlüsselverwaltung mit Mandantentrennung erfolgt gemäß BSI Kriterienkatalog C5 kundenseitig durch die Senatsverwaltung für Gesundheit. Zudem wird der Transport der Daten von den Cloud-Diensten verschlüsselt. Die Gebrauchstauglichkeit und Barrierefreiheit des Systems wurde analog der BITV-Kriterien überprüft und optimiert. Die Erstellung von Konzepten wie Fachkonzept, Infrastrukturkonzept, Schnittstellenkonzept, Betriebskonzept, Rollen- und Berechtigungskonzept, Datenschutzkonzept und Datenschutzfolgenabschätzung, Sicherheitskonzept, Schulungskonzept etc. erfolgte für die verwaltungsseitig vorgeschriebene Beteiligung des Hauptpersonalrats und der Hauptschwerbehindertenvertretung.
Ergebnisse
Das System besteht aus 25 IT-Komponenten womit der komplette Geschäftsprozess der Gesundheitsberichterstattung vom Dateneingangsmanagement über die Datenverarbeitung bis hin zur Veröffentlichung auf der GBE-Webseite „Gesundheitsmonitoring.berlin.de“ vollständig digitalisiert und teilweise automatisiert wird. Hauptkomponenten des GBE-Softwaresystems sind eine Datenerhebungsplattform, ein Upload-Portal für Datenlieferanten, ein Data Warehouse, ein Business Intelligence (BI) Tool und ein moderner Webseitenauftritt. Das System basiert auf einem Dual-Cloud-Ansatz, bei dem höchste Standards der IT-Sicherheit und des Datenschutzes nach BSI-Grundschutz und DSGVO eingehalten werden. Die mit der BI-Software erstellten interaktiven Visualisierungsobjekte werden mittels CMS in die Webseite eingebettet, wodurch ein modernes Dashboard Frontend für die Nutzenden entsteht. Im Beitrag wird das neue System vorgestellt und Beispiele der interaktiven Visualisierung von GBE Inhalten demonstriert. Es ist geplant, das System mit Mandantentrennung auch der GBE der Berliner Bezirke zur Nutzung bereitzustellen.
Diskussion
Der Digitalisierungsgrad der Berliner Gesundheitsberichterstattung wird mit dem neuen IT-Fachverfahren Gesundheitsberichterstattung deutlich erhöht. Der komplette Geschäftsprozess der GBE wird digitalisiert und teilweise automatisiert. Es bieten sich neue interaktive Darstellungsoptionen um GBE-Inhalte als attraktive digitale Medienangebote bereitzustellen und zu verbreiten.
Herr Dr. Jonas Finger
Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, Berlin
#Präsentation #GBE, Dashboard, Digitalisierung
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
WS7
Was erhält ältere Menschen in Katastrophen gesund? Workshop des BMBF-Projekts LifeGRID zu altersgerechten Strategien der Katastrophenvorsorge
Disaster/Ältere
Raum: Seminarraum 521 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 34)
Beitrag:
1
Eine systematische Katastrophenvorsorge ist angesichts der zunehmenden Extremwettereignisse unerlässlich. Insbesondere ältere Menschen sind überproportional von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen und gelten daher als besonders vulnerabel (1, 2). Dies erfordert zielgerichtete Maßnahmen zur Stärkung ihrer Resilienz und zur Sicherstellung adäquater Unterstützungsstrukturen.
Das Verbundprojekt „LifeGRID“ (www.lifegrid.de) setzt im Landkreis Wesermarsch eine Modellstrategie zur Rettung pflegebedürftiger Personen im Katastrophenfall bei Überschwemmung und länger andauerndem Stromausfall um. Projektpartner sind unter anderem die LVG & AFS (e.V.), die Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth und das DRK Wesermarsch. LifeGRID wird im Rahmen der Sicherheitsforschung des Bundes SIFO (Förderlinie SifoLIFE) vom BMBF gefördert. LifeGRID entwickelt und erprobt innovative Ansätze zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen. Dabei werden die Bedarfe vulnerabler Personengruppen systematisch erfasst und für die Entwicklung neuer Maßnahmen der Katastrophenvorsorge genutzt (3).
Im Fokus des Workshops stehen altersgerechte Strategien der Katastrophenvorsorge. Ziel ist es, die heterogene Gruppe älterer Menschen in Katastrophensituationen differenziert zu betrachten und unter Einbeziehung ihrer spezifischen Ressourcen und Potenziale Lösungsansätze zu entwickeln, die ihre aktive Teilhabe an der Katastrophenvorsorge fördern, ihre Bewältigungsfähigkeit stärken und die Überlebenschancen unabhängig vom Alter erhöhen (4, 5). Ergänzend zu pathogenetischen Ansätzen richtet der Workshop den Fokus auf eine salutogenetische Perspektive, indem die zentrale Fragestellung untersucht wird: „Was erhält ältere Menschen in Katastrophen gesund?“
Basierend auf empirischen Ergebnissen der LifeGRID-Befragung werden altersspezifische Aspekte der Katastrophenvorsorge vorgestellt. Im interaktiven World Café erarbeiten die Teilnehmenden zunächst altersspezifische Risikofaktoren und Ressourcen und wenden sich dann praxisorientierten Lösungsansätzen zur Stärkung der Resilienz und Selbsthilfefähigkeit der älteren Bevölkerung zu:
  • Risikofaktoren: Welche spezifischen Einflussfaktoren erhöhen die Vulnerabilität älterer Menschen in Katastrophen?
  • Ressourcen: Welche bestehenden Ressourcen können gezielt genutzt werden, um die Resilienz älterer Menschen zu fördern?
  • Präventionsmaßnahmen: Welche Maßnahmen können ressourcenorientiert entwickelt werden, um ältere Menschen gezielt in ihrer Selbsthilfefähigkeit zu stärken?
Ablauf:
  • Einführung (15 Minuten): Vorstellung des Projekts LifeGRID sowie der Zielsetzungen und methodischen Herangehensweisen des Workshops.
  • World Café (60 Minuten): Strukturierter Austausch in moderierten Kleingruppen zur Entwicklung praxisnaher und umsetzbarer Maßnahmen.
  • Zusammenfassung und Abschluss (15 Minuten): Präsentation und Diskussion der erarbeiteten Ergebnisse.

Referenzen

[1] Butsch C, Beckers L-M, Nilson
E, Frassl M, Brennholt N, Kwiatkowski R et al. Gesundheitliche Auswirkungen
von Extremwetterereignissen – Risikokaskaden im anthropogenen Klimawandel
2023; 2023(8).
[2] IPCC. Climate Change 2022 –
Impacts, Adaptation and Vulnerability: Contribution of Working Group II to the
Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change:
Cambridge University Press; 2023.
[3] Battenberg R, Koppelin F, Palm
D, Klein L-H, Gansefort D, Buff O. LifeGrid: Ein Verbundprojekt zur Stärkung
der Resilienz im Katastrophenfall. IM EINSATZ 2024; 31(3):27–32.
[4] Kailes JI, Enders A. Moving
Beyond “Special Needs”. Journal of Disability Policy Studies 2007;
17(4):230–7.
[5] Heagale T, Pacquiao D.
Disaster vulnerability of elderly and medically frail populations. Health
Emergency and Disaster Nursing 2019; 6(1):50–61.
Herr Robin Battenberg
Jade Hochschule, Oldenburg
Frau Doris Palm
Jade Hochschule, Oldenburg
Frau Laura-Helen Klein
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V., Hannover
Herr Lennart Semmler
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V., Hannover
Frau Prof. Dr. Frauke Koppelin
Jade Hochschule, Oldenburg
Professorin für Gesundheitswissenschaften, Medizin-Soziologin
#Workshop 60 #Katastrophen #Ältere Menschen #Salutogenese #Klimawandel
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
VS1-EN
Health Risks and Digital Interventions (in English)
This is an english session
Raum: Seminarraum 523 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beiträge:
1

Introduction

Digital health offers, such as websites, online courses, apps or wearables, could contribute to health and physical activity (PA) promotion. This study investigated user characteristics and the reasons for digital health offer use for health and PA promotion in Germany.

Methods

Adult internet users insured at a statutory health insurance provider (hkk Krankenkasse) in Germany participated in an online-survey on digital health offer use in healthcare in February 2023 [1]. This study reports the responses on survey items regarding digital health offers (i.e. websites, online courses, apps, and activity trackers) for health and PA promotion and participant characteristics (i.e. age, sex, socioeconomic (SES) and health status, and digital health literacy (DHLI)). Data were analysed using relative frequencies and the associations between digital health offer use and participant characteristics were tested using logistic regression.

Results

The 1720 participants were aged 18 to 80 years (median=44, 50% aged 30-49 years), 55% were female, 59% reported moderate SES, 74% moderate DHLI, and 69% good health status. Health website use, reported by 42% (730/1720), was associated with female sex, high SES, and moderate to high DHLI. Online health course use, reported by 28% (481/1720), was associated with middle age, female sex, good health status, and moderate to high SES and DHLI. Health app use, reported by 49% (842/1720), was associated with younger age, high SES, and moderate to high DHLI. Activity tracker use, reported by 55% (952/1720), was associated with high SES and moderate to high DHLI. Reasons for digital health offer use were time saving, flexibility of time and place, and interest in digital health technologies. Reasons for non-use were a preference for analogue offers (i.e. face-to-face or paper-based) and concerns about data security.

Conclusion / Discussion

Digitally literate adults in Germany reported predominantly health app and wearable use for health and PA promotion. Digital health literacy is an important factor associated with digital health offer use. Future studies need to investigate if such use contributes to health benefits and include less privileged populations (i.e. those with lower SES, lower DHLI and poorer health status).

Referenzen

[1]
Muellmann S, De Santis KK, Pohlabeln H, Zeeb H. Use and acceptance of video
consultation among adults insured by statutory health insurance provider in
Germany: A nationwide online survey. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. 2025.
DOI: 10.1016/j.zefq.2024.12.008.
Frau Dr. Karina Karolina De Santis
Leibniz Institute for Prevention Research and Epidemiology - BIPS, Bremen
Leibniz ScienceCampus Digital Public Health Bremen, Bremen
#Präsentation #Digital health #Physical activity promotion #Survey
2
​​Introduction
Social media platforms are increasingly used for both sharing and seeking of health-related information. Especially TikTok has become one of the most widely used social networking platforms over the last few years. One health-related topic trending on TikTok is Attention Deficit / Hyperactivity Disorder (ADHD). However, the accuracy of health-related information on TikTok remains a significant concern. Misleading information on ADHD on TikTok can increase stigmatization and lead to false “self-diagnosis”, pathologizing of normal behavior and overuse of care. This study aims at investigating the occurrence of misleading information in TikTok videos about ADHD and at exploring the amount of potential self-diagnosis among viewers based on an in-depths analysis of the video comments.

Methods
We scraped data from the 124 most liked ADHD-related TikTok videos uploaded between March 2022 and November 2023 using a commercial scraping software. We categorised videos based on the usefulness of their content as "misleading", "personal experience" or "useful" and used the Patient Education Materials Assessment Tool for Audiovisual Materials (PEMAT-A/V) to evaluate the video quality regarding understandability and actionability.
By purposive sampling we selected six videos and analysed the content of 100 randomly selected user comments per video to understand the extent of self-identification with ADHD-behaviour among the viewers.
All qualitative analyses were carried out independently by at least two authors, disagreement was resolved by discussion.
Using SPSS 27, we calculated the interrater reliability between the raters and descriptive statistics for video and creator characteristics. We used one-way ANOVA to compare the usefulness of the videos.

Results
We assessed 51 % of the videos as misleading, 30 % as personal experience, and 19 % as useful. The PEMAT-A/V scores for understandability and actionability are 79.5 % and 5.1 %, respectively, with the highest scores observed for useful videos (92.3 % for understandability, 8.3 % for actionability).
Viewers resonated with ADHD-related behaviours depicted in the videos in 36.7 % and with ADHD in 5.3 % of the 600 analyzed comments. The self-attribution of behavioural patterns varied significantly, depending on the usefulness of the video, with personal experience videos showing the most comments on self-attribution of behavioural patterns (51 % of the comments on personal experience videos, compared to 33.5 % and 25.5 % in useful and misleading videos respectively, p<.001). For the self-attribution of ADHD, we found no significant difference depending on the usefulness of the videos (p=.359).

Conclusion
A high proportion of ADHD-related TikTok videos are misleading and a high percentage of viewers seem to self-identify with the symptoms and behaviours presented. Self-identification is most common in videos on personal experiences, but also occurs in misleading videos, potentially increasing misdiagnosis. This highlights the need to critically evaluate health information on social media and for healthcare professionals to address misconceptions arising from these platforms.

Frau Katharina Sieferle
Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg im Breisgau
#Präsentation #Mental health #Digital health literacy
3

Hintergrund

Psychische Erkrankungen sind ein bedeutsames Gesundheitsproblem und erfordern wirksame Präventionsansätze. Digitale Angebote wie Apps und Webprogramme bieten Vorteile: Flexibilität, Anonymität, Eigenständigkeit sowie Skalierbarkeit und potentielle Kosteneffizienz. Dennoch sind sie nicht in der Routineversorgung etabliert—möglicherweise auch aufgrund mangelnden Wissens über ihre Wirksamkeit. Die unübersichtliche Forschungslandschaft erschwert den Überblick, und trotz wachsender Evidenz fehlen umfassende, qualitativ hochwertige Synthesen. Diese Arbeit zielt darauf ab, die beste verfügbare Evidenz zur Wirksamkeit digitaler Prävention zusammenzufassen.

Methoden

Die Arbeit wurde prä-registriert (https://osf.io/baquz). Im Januar 2025 führten wir eine systematische Literatursuche in PubMed, PsycINFO, Cochrane Library und Web of Science durch und schlossen systematische Übersichtsarbeiten von RCTs ein, die digitale, asynchrone psychologische Interventionen untersuchten. Die Zielgruppe umfasste gesunde oder subklinische Erwachsene. Primäre Outcomes waren Symptomschwere und Inzidenzen in Depression, Angst, Stress, Alkoholkonsum, Schlafproblemen oder Suizidalität. Um eine übermäßige Überlappung von Primärstudien zu vermeiden, haben wir Übersichtsarbeiten ausgeschlossen, die weniger als 25% neue Primärstudien zur Evidenzbasis beitrugen. Die verbleibende Überlappung wurde quantifiziert. Wir haben meta-analytische Ergebnisdaten extrahiert und auf übergeordneter Ebene, meta-meta-analytisch, synthetisiert. Für jede der Übersichtsarbeiten werden derzeit Verzerrungsrisiken (ROBIS) und Evidenzqualität (GRADE) bewertet.

Ergebnisse

Unsere Meta-Meta-Analysen von 20 eingeschlossenen Meta-Analysen zeigen kleine bis moderate post-interventionelle Präventionseffekte für psychische Erkrankungen. Für Depression wurden signifikante Effekte für Symptomreduktion (g = 0,32 [0,26; 0,37], N = 31.462 Teilnehmende, K = 9 Meta-Analysen) beobachtet. Weitere Effekte zeigten sich für Angstssymptome (g = 0,48 [0,09; 0,87], N = 17.935, K = 6), Stresserleben (g = 0,32 [0,24; 0,40], N = 43.072, K = 9), Schlafprobleme (g = 0,43 [0,18; 0,69], N = 2.703, K = 2), Suizidgedanken (g = 0,33 [0,04; 0,62], N = 6.049, K = 2) und Alkoholkonsum (g = 0,25 [0,17; 0,33], N = 18.930, K = 1). Inzidenzreduktionen konnten für Depression gezeigt werden (30% [18-43%], N = 12.886, K = 4), nicht aber für Angststörungen (N = 897, K = 1). Die Überlappung der Primärstudien war überwiegend gering bis moderat, mit Ausnahme von Suizidgedanken, wo sie erheblich ausfiel. Heterogenität war gering für Depression und Schlafstörungen (I² < 2%), moderat für Stresserleben (I² = 65%) substantiell für Angststörungen und Suizidgedanken (I² > 95%). Die ROBIS- und GRADE-Bewertungen werden auf der Konferenz vorgestellt.

Diskussion

Unsere Ergebnisse belegen die Wirksamkeit von Prävention per App und Web für verschiedene psychische Erkrankungen mit überwiegend kleinen bis moderaten Effekten anhand der Daten von mehreren zehntausend Studienteilnehmenden. Die Studienlage ist besonders robust für Depression, während für andere Outcomes Heterogenität besteht. Limitationen sind das mehrfache Einfließen einzelner Primärstudien, das dem Ziel der vollen Datenausschöpfung geschuldet ist sowie mögliche Verzerrungsrisiken in den eingeschlossenen Übersichtsarbeiten und Primärstudien. Zukünftige Forschung sollte synthetisierte Langzeiteffekte, Akzeptanz unter Versorgenden und potentiellen Nutzenden und Implementierungsstrategien untersuchen. Unsere Ergebnisse liefern eine evidenzbasierte Grundlage für die Integration digitaler Präventionsangebote in die Routineversorgung.
Frau Mariebelle Kaus
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg
#Präsentation #psychische Gesundheit #Digitale Gesundheitsinterventionen #Prävention #Systematic Review
4
Hintergrund

Digitale Transformationen in der professionellen Pflege beschreiben die Neu- und Umstrukturierung von Versorgungsmaßnahmen mithilfe digitaler Technologie [1]. Wie dabei Technologien mit den Prinzipien der Pflege vereinbar sind, die als Interaktionsarbeit sowohl fachliche Maßnahmen als auch Intuition, Gefühls- und Emotionsarbeit beinhalten, ist ein aktuelles Forschungsthema. Für die Erforschung der Verbindung zwischen Mensch und Technologie bietet die Resonanztheorie nach Hartmut Rosa eine gute theoretische Grundlage [2, 3]. Demnach können die Weltbeziehungen von Menschen resonant sein, wenn sie als berührend, selbstwirksam und transformativ erlebt werden. Das Gegenteil stellt die Entfremdung dar, in der die Weltbeziehungen stumm und nicht-antwortend sind.

Um die Effekte digitaler Technologie mithilfe der Resonanztheorie einzuordnen, wurde ein Analyseschema entwickelt [4], das auf Forschungsdaten des Pflegepraxiszentrums Hannover basiert (BMBF-gefördert). Hier wurden Technologien zwischen 2018 und 2024 auf einer unfallchirurgischen Station der Medizinischen Hochschule Hannover partizipativ eingeführt und erprobt. In diesem Beitrag wird ein Fallbeispiel aus dem Projekt – ein Multimedia-Bettplatzsystem für Patient:innen – in das Schema eingebettet und gefragt:

Wie beeinflusst das Bettplatzsystem die Resonanzbeziehungen von Pflegefachpersonen und Patient:innen und welche Faktoren beeinflussen eine resonante oder entfremdende Wirkung?

Methode

Teilnehmende Beobachtung (23 Beobachtungseinheiten) sowie leitfadengestützte Einzelinterviews mit Pflegefachpersonen (10 Interviews) wurden durchgeführt. Die Dokumentation der Beobachtungen erfolgte in einem Feldforschungstagebuch, und Interviews wurden mit einem Audiogerät aufgezeichnet und transkribiert.​​ Die Beobachtungen wurden durch die evaluative-, die Interviews durch die inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz [5] in MaxQDA22 ausgewertet. Alle Daten wurden in ein Analyseschema eingeordnet, das im fortwährenden Vergleich aus theoretischer Literatur und empirischer Analyse entstanden ist.

Ergebnisse

Das Schema stellt mögliche Einflussbereiche von Technologie auf die Beteiligten am Pflegeprozess auf drei Resonanzachsen dar:
  • Horizontal: Mensch zu Mensch
  • Diagonal: Mensch zur materiellen Umwelt (auch der Technologie)
  • Vertikal: Zwischen Mensch und existenziellen Erfahrungen (wie dem Gefühl, Teil eines gesellschaftlichen Wandels zu sein)

Für Patient:innen verbessert das Bettplatzsystem das Gefühl der Privatsphäre, da sie durch die Auswahl eigener Multimediaangebote (im Vergleich zum geteilten TV im Patientenzimmer) einen Raum um sich schaffen, den sie nicht mit anderen teilen müssen. Somit kommt es zu weniger Konflikten mit Mitpatient:innen (horizontale Resonanz) und die Krankenhauserfahrung als Ganzes wird verbessert (diagonale/vertikale Ebene). Patient:innen berichten, dass sie die Nutzung der Geräte zumeist als einfach und intuitiv erleben (diagonale Ebene).

Pflegefachpersonen haben einen indirekten Vorteil durch das System, da sie seltener Konflikte zwischen Patient:innen schlichten müssen. Für den Fall, dass jedoch Unsicherheiten bei Patient:innen zur Bedienung der Geräte auftreten, sind Pflegende die erste Anlaufstelle, was wiederum mehr Zeit für (Er-)Klärung nötig macht (horizontale/diagonale Ebene). Eine Integration von Point-of-Care Dokumentation ist zwar möglich, konnte jedoch in der Studie nicht umgesetzt werden (Potenzial für die vertikale/diagonale Ebene).

Implikationen

Resonanz kann durch digitale Technologien in der Pflege gefördert werden, was jedoch durch die Art der Technologieanwendung gesteuert werden muss. Voraussetzungen dafür sind Eigenschaften der Technologie, wie eine einfache Nutzeroberfläche, die keiner ständigen Intervention durch Mitarbeitende bedarf und dadurch im Hintergrund laufen kann. Außerdem sollten institutionelle Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Software-Erweiterungen mit einem hohen Entlastungspotenzial für Pflegende schnell integriert werden können. Das Analyseschema kann zukünftig bei Technologieimplementierungen dazu verwendet werden, resonanzförderliche Einflussfaktoren zu identifizieren.

Referenzen

[1] Zettl A, Trübswetter A.
Digitale Transformation in der Pflege – Neue Ansätze für die nutzerzentrierte
Implementierung. Gesellschaft für Informatik e.V. und German UPA e. V; 2018.
[2] Rosa H. Unverfügbarkeit.
Berlin: Suhrkamp; 2020.
[3] Rosa H. Resonanz: Eine
Soziologie der Weltbeziehung. Berlin: Suhrkamp; 2016.
[4] Klawunn R, Katzmarzyk D, Dierks
ML. Pflege, Technik, Resonanz – Entwicklung eines resonanz- und
transformationssensiblen Analyseschemas auf Grundlage ethnografischer
Fallbeispiele. In Heckes KT, Lorke M, Siegler M, Wrona KJ, editors. Soziotechnische Transformationen im Sozial- und Gesundheitswesen: kollaborativ, divers, barrierefrei und sozialräumlich. Im Druck. Weinheim: Beltz Juventa; 2025.
[5] Kuckartz U. Qualitative
Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 4. Auflage. Weinheim,
Basel: BeltzJuventa; 2018.
Herr Ronny Klawunn
Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Pflege #Digitale Technologien #Digitalisierung #Resonanz #Implementierung
5
Hintergrund: Studierende gelten als besonders gefährdete Gruppe für den Gebrauch legaler und illegaler Substanzen. Oft zeigen sich bei dieser Studierendengruppe auch psychische Belastungen. Frühere Studien haben den Substanzkonsum vorrangig an einzelnen Hochschulstandorten untersucht. Auf nationaler Ebene fehlt es an umfassenden Analysen zur Verbreitung von Substanzkonsum sowie zu den damit zusammenhängenden Faktoren. Ziel dieser Studie war es, die Häufigkeit des Substanzgebrauchs Studierender an verschiedenen Hochschulstandorten zu erheben und die Assoziationen zwischen psychischer Gesundheit, körperlichen Gesundheitsproblemen und Substanzgebrauch in Deutschland zu analysieren.
​​​​Methodik: Im Rahmen der Querschnittsbefragung „Studienbedingungen und (psychische) Gesundheit Studierender“ (StudiBiFra) wurden zwischen Juni 2021 und März 2023 Daten von 21.651 Studierenden an elf Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland erhoben. Die Erhebung umfasste den Gebrauch von Alkohol, Tabak und illegalen Substanzen (inkl. Cannabis) sowie Gesundheitsindikatoren wie studienbedingte Ängste, depressive Symptome und körperliche Gesundheitsprobleme. Zur Analyse der Assoziationen zwischen psychischer Gesundheit und Substanzgebrauch wurden binäre logistische Regressionen für illegale Substanzen und multinomiale logistische Regressionen für legale Substanzen durchgeführt (adjustiert für Alter, Geschlecht, Fächergruppe und Hochschule).
Ergebnisse: 40,4 % der Studierenden berichteten, mindestens einmal im Monat Rauschtrinken zu praktizieren, und 22,4 % gaben an, in den letzten drei Monaten geraucht zu haben. Zudem konsumierten 20,1 % der Studierenden in den letzten zwölf Monaten Cannabis, 3,8 % MDMA, 3,7 % Kokain und 1,4 % Neuro-Enhancer. Männliche Studierende wiesen eine höhere Wahrscheinlichkeit für den Gebrauch aller untersuchten Substanzen auf als weibliche Studierende. Finanzielle Schwierigkeiten erhöhten die Wahrscheinlichkeit des Gebrauchs legaler und illegaler Substanzen (z. B. Kokain: OR = 2,00; 95 % CI = 1,68–2,39). Studierende mit kognitiven Stresssymptomen konsumierten häufiger sowohl legale als auch illegale Substanzen (z. B. Neuro-Enhancer: OR = 1,41; 95 % CI = 1,22–1,62). Studienbezogene Angstsymptome waren ebenfalls mit einem erhöhten Substanzgebrauch assoziiert, mit Ausnahme von Neuro-Enhancern (z. B. Cannabis: OR = 1,23; 95 % CI = 1,16–1,30). Depressive Symptome waren mit einem erhöhten Tabakgebrauch assoziiert (täglicher Konsum: OR = 1,16; 95 % CI = 1,04–1,30). Studierende, die über Erschöpfungsgefühle berichteten, zeigten eine geringere Wahrscheinlichkeit für den gelegentlichen Gebrauch von Tabak, Cannabis, MDMA und Kokain (z. B. MDMA: OR = 0,86; 95 % CI = 0,79–0,94). Körperliche Gesundheitsprobleme waren mit täglichem Tabakgebrauch assoziiert (OR = 1,22; 95 % CI = 1,09–1,36).
Diskussion: Die Ergebnisse unterstreichen die hohe Prävalenz des Substanzgebrauchs bei Studierenden in Deutschland und die Verbindung zwischen psychischer Gesundheit und Konsumverhalten. Angesichts der Risikofaktoren, insbesondere finanzieller Belastungen und psychischer Gesundheitsprobleme, sind gezielte Präventions- und Interventionsprogramme dringend erforderlich. Hochschulen sollten verstärkt Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit implementieren und ein unterstützendes Umfeld schaffen, um riskanten Substanzgebrauch zu reduzieren.
Herr Robert Hrynyschyn M.Sc.
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Berlin
#Präsentation #Substanzgebrauch #Studierende #Hochschule #psychische Gesundheit
6
Hintergrund: Diskriminierung beeinträchtigt das Wohlbefinden und die akademische Laufbahn Studierender, z. B. durch schlechtere Noten oder höhere Studienabbruchquoten. Zudem steht Diskriminierung im Zusammenhang mit Einsamkeit und einer geringeren Identifikation mit der Hochschule. Einsamkeit stellt eine zunehmende Herausforderung für Studierende dar und ist mit negativen gesundheitlichen Folgen verbunden. Die COVID-19-Pandemie hat diese Problematik noch verschärft und Einsamkeit bei Studierenden stärker in den Fokus gerückt. Insbesondere könnte Einsamkeit die Auswirkungen von Diskriminierung verstärken, indem sie z. B. das Gefühl sozialer Isolation vertieft und die Identifikation mit der Hochschule und Studienleistung weiter schwächt. Dennoch ist bisher nur wenig darüber bekannt, wie diese Faktoren miteinander assoziiert sind. Ziel dieser Studie ist es, die Zusammenhänge von Diskriminierung, Einsamkeit, Identifikation mit der Hochschule und Studienleistung unter Berücksichtigung von Diversitätsmerkmalen zu untersuchen.

Methoden: Die Analyse basiert auf Daten der Querschnittsstudie „Studienbedingungen und (psychische) Gesundheit Studierender“ (StudiBiFra), die zwischen Juni 2021 und März 2023 mit dem „Bielefelder Fragebogen zu Studienbedingungen“ an 13 deutschen Hochschulen erhoben wurden (n = 24.533). Mittels logistischer Regressionsmodelle analysierten wir, inwieweit wahrgenommene Diskriminierung im Studiengang (durch Dozierende oder Mitstudierende) mit Einsamkeit, Identifikation mit der Hochschule und Studienleistung assoziiert ist. Darüber hinaus wurde mithilfe einer Moderationsanalyse nach Hayes (2013) PROCESS macro untersucht, ob Einsamkeit die Zusammenhänge zwischen Diskriminierung und Identifikation mit der Hochschule sowie Studienleistung moderiert. Für alle Modelle wurde nach Alter, Geschlecht, erste akademische Generation, Familienaufgaben und Hochschule adjustiert.

Ergebnisse: Studierende, die Diskriminierung von Mitstudierenden in ihrem Studiengang erlebten, hatten eine fast fünfmal so hohe Chance, sich einsam zu fühlen (OR = 4,69, 95% CI: 3,25-6,76), eine fast doppelt so hohe Chance einer niedrigen Hochschulidentifikation (OR = 1,92, 95% CI: 1,41-2,61) und eine fast dreimal so hohe Chance, eine verschlechterte Studienleistung zu berichten (OR: 2,92, 95% CI: 1,93-4,43). Auch Diskriminierungserleben durch Dozierende war mit Einsamkeit (OR = 1,92, 95% CI: 1,41-2,61), geringerer Identifikation mit der Hochschule (OR = 1,94, 95% CI: 1,43-2,64) und schlechterer Studienleistung (OR = 1,63, 95% CI: 1,11-2,38) assoziiert. Besonders betroffen waren Studierende, die sich als genderdivers identifizierten, Studierende mit Familienaufgaben und Studierende der ersten akademischen Generation. Ältere Studierende (über 30 Jahre alt) hingegen wiesen eine geringere Chance für Einsamkeit und schlechtere Studienleistungen auf.
Die Moderationsanalyse zeigte, dass die Assoziation zwischen wahrgenommener Diskriminierung (durch Dozierende oder Mitstudierende) und der Identifikation mit der Hochschule schwächer ausfällt, wenn die Studierenden sich einsam fühlen. Hinsichtlich der Studienleistung konnte hingegen keine statistisch signifikante Moderation durch Einsamkeit festgestellt werden.

Diskussion: Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass Diskriminierung im Hochschulkontext stark mit Einsamkeit, geringerer Identifikation mit der Hochschule und schlechterer Studienleistung assoziiert ist. Besonders vulnerable Gruppen, darunter Studierende, die sich als genderdivers identifizieren, Studierende mit Familienaufgaben und Studierende der ersten akademischen Generation, sind hierbei betroffen. Auffällig ist, dass Einsamkeit die Assoziation von Diskriminierung auf die Identifikation mit der Hochschule abschwächt, was möglicherweise auf eine ohnehin geringere Bindung an die Hochschule bei einsamen Studierenden hindeutet. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit gezielter Maßnahmen zur Förderung eines inklusiven Hochschulumfelds und zur Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls der Studierenden.

Referenzen

Weiterführende Literatur:
[1] Meyer J, Strauß, S., Hinz, T. The student survey in Germany: Focus analyses on experiences of discrimination at universities. Hannover; 2022.
[2]  Goodfellow C, Hardoon D, Inchley J, Leyland AH, Qualter P, Simpson SA, et al. Loneliness and personal well-being in young people: Moderating effects of individual, interpersonal, and community factors. Journal of Adolescence. 2022;94(4):554-68.
[3]  Hayes AF. Introduction to mediation, moderation, and conditional process analysis: A regression-based approach. New York, NY, US: Guilford Press; 2013.
Frau Laura Pilz González
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institute of Health and Nursing Science, Augustenburger Platz 1, Berlin
Frau Vanessa Wenig
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institute of Health and Nursing Science, Augustenburger Platz 1, Berlin
#Präsentation #Diskriminierung #Einsamkeit #Hochschulidentifikation #Studienleistung #Hochschulbildung
7

Introduction

Methods

Results

Conclusion / Discussion

Referenzen

Some References Altaf, Amika et al eds, 2024, Equity in COVID 19: Mitigation and Policy Responses in Africa, EADI (Open Access) file:///C:/Users/HP/Downloads/978-3-031-58588-3%20(1).pdf Asante L A and R O Mills, 2020,  “Exploring the Socio-Economic Impact of COVID 19 Pandemic in Market Places in Ghana”, Africa Spectrum, Vol. 55 ( 2 ) pp.170 - 181 Nwaka, Geoffrey, 2005, “”The Urban Informal Sector in Nigeria: Towards Economic Development, Environmental Health and Social Harmony”, Global Urban Development, Vol. 1, pp. 1 – 11; https://www.globalurban.org/Issue1PIMag05/NWAKA%20article.htm Onyishi C J et al, 2021, “COVID 19 Pandemic and Informal Urban Governance in Africa: A Political Economy Perspective”, Journal of Asian and African Studies, Vol. 56(6), pp. 1226-1250 Wilkinson A, 2020, “Local Response in Health Emergencies: Key Considerations for Addressing the COVID 19 Pandemic in Informal Urban Settlements”, Environment and Urbanization, Vol. 32 (2) pp. 503 -522.
Herr Professor Geoffrey Nwaka
Abia State University, Uturu, Nigeria, Uturui
#Präsentation #Africa, Informal Sector, COVID 19, social determinants of health, equity, participation
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
VS12
Methodische Ansätze und KI
Methodische Ansätze und KI
Raum: Hörsaal 4, Forum 4 (Standort: Forum 4, Anzahl der Plätze: 96)
Beiträge:
1

Introduction

Evidence synthesis is a time-intensive methodology, especially the literature screening phase, which relies on manual assessment of abstracts by at least two independent reviewers. While machine learning tools have been increasingly adopted to expedite this phase, attention has shifted to large language models such as ChatGPT, which have shown promising results in pilot studies. Although the effectiveness of these models depends substantially on the prompt used, this aspect has not yet been systematically evaluated in the context of literature appraisal. This study investigates how different prompting techniques influence ChatGPT 4o’s performance in literature appraisal.

Methods

We evaluated a range of prompting strategies using ChatGPT-4o on a subsample of five scoping reviews related to public health topics. A stepwise process was followed: first, six base prompt formulations were tested; second, common prompt engineering techniques – including impersonation and chain-of-thought prompting – were applied; and third, selected techniques were combined. The most sensitive prompt was identified at each stage and validated on unseen data. ChatGPT’s decisions were generated using a temperature of 0.5 and a top-p of 0.7 and performance was benchmarked against human reviewer decisions.

Results

Performance varied widely across the six base prompts formulations, with sensitivity ranging from 0.244 to 0.537 and specificity from 0.914 to 0.971. Being the most sensitive, the concise formulation was combined with individual prompting techniques, where the chain-of-thought prompt performed best, reaching a sensitivity of 0.757. Combining prompting strategies improved performance with the best results achieved when adding an instruction to the chain-of-thought prompt, achieving a sensitivity of 0.856. Validation on unseen abstracts yielded a sensitivity of 0.771 and specificity of 0.862.

Conclusion / Discussion

Prompt formulation and technique significantly influence the performance of ChatGPT in abstract screening tasks. The reliable use of large language models in evidence synthesis requires systematic prompt engineering strategies, supported by continuous human oversight to ensure accuracy.
Herr Dr. Florian Fischer
Bayerisches Zentrum Pflege Digital, Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, Kempten
#Präsentation #Artificial Intelligence #Evidence synthesis #Scoping Review
2
Hintergrund: Die zahnmedizinische Prävention ist ein zentrales Handlungsfeld der öffentlichen Gesundheitsförderung – insbesondere mit Blick auf sozial ungleich verteilte Krankheitslast und Versorgungslücken. Die Deutschen Mundgesundheitsstudien (DMS) leisten seit 1989 einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsberichterstattung und Versorgungsforschung in Deutschland. Mit der sechsten Auflage (DMS • 6) wurde diese bevölkerungsrepräsentative Langzeiterhebung erstmals um einen längsschnittlichen Arm erweitert. Dadurch lassen sich nicht nur aktuelle Versorgungslagen, sondern auch individuelle gesundheitliche Entwicklungen im Zeitverlauf abbilden. Ziel war es, soziale Disparitäten in der Mundgesundheit differenziert zu erfassen und die soziodemografischen sowie verhaltensbezogenen Einflussfaktoren oraler Erkrankungen zu analysieren.

Methode: Die DMS • 6 wurde als kombinierte Querschnitts- und Kohortenstudie angelegt. Erstmals wurden frühere Teilnehmende der DMS V nachuntersucht, um längsschnittliche Analysen individueller Krankheitsverläufe und Versorgungswege zu ermöglichen. Die Datenerhebung erfolgte von Oktober 2022 bis September 2023 in sechs Altersgruppen, eine zusätzliche Kohorte wurde bereits im Frühjahr 2021 erfasst. Die Altersgruppenauswahl orientierte sich an WHO-Empfehlungen für oralepidemiologische Studien. Eine zweistufige, disproportional geschichtete Zufallsauswahl (1. Auswahl von Stichprobengemeinden, 2. Einwohnermeldeamtsstichprobe) gewährleistete die Repräsentativität. Insgesamt wurden 4.463 Personen zahnmedizinisch-klinisch untersucht und sozialwissenschaftlich befragt. Die klinischen Untersuchungen erfolgten in temporär eingerichteten Untersuchungszentren. Neben einer schriftlichen Befragung mittels Papierfragebogen (PAPI) wurde ein computergestütztes Interview (CAPI) unmittelbar vor der Untersuchung durchgeführt. Erhoben wurden u. a. klinische Befunde zu Karies, Parodontitis und Zahnverlust, soziodemografische Merkmale (z. B. Bildungsstatus, Einkommen, Migrationsgeschichte) sowie Selbstangaben zur Versorgung, Inanspruchnahme, Gesundheitskompetenz und Mundhygieneverhalten. Zur Sicherstellung der Repräsentativität wurden Gewichtungsverfahren angewendet. Die Auswertung erfolgte auf querschnittlicher, trendbezogener und längsschnittlicher Ebene. Berichtet wurden Prävalenzen und Mittelwerte mit 95 %-Konfidenzintervallen sowie Regressionsanalysen zur Untersuchung sozialer Einflussfaktoren. Trendanalysen verglichen die Daten der DMS • 6 mit vorangegangenen Erhebungen; zudem wurden individuelle Veränderungen (Inzidenz, Progression) und deren soziale Determinanten auf Basis der Längsschnittdaten analysiert.

Diskussion: Die DMS • 6 liefert eine robuste Datengrundlage zur gezielten Weiterentwicklung präventiver Strategien in der Zahnmedizin. Das innovative querschnittliche und longitudinale Studiendesign mit klinischen und sozialwissenschaftlichen Komponenten ermöglicht eine differenzierte Identifikation von Risikogruppen und relevanten Einflussfaktoren auf die Mundgesundheit – sowohl auf struktureller als auch auf individueller Ebene. Dadurch lassen sich evidenzbasierte Ansatzpunkte für zielgruppenspezifische zahnmedizinische Präventionsmaßnahmen ableiten, insbesondere für sozial benachteiligte Gruppen. Die Ergebnisse zeigen, dass präventive Maßnahmen dann besonders wirksam sind, wenn sie kontextsensibel entwickelt, sozialstratifiziert evaluiert und langfristig begleitet werden. Die DMS • 6 liefert zudem wichtige empirische Grundlagen für gesundheitspolitische Entscheidungen, etwa zur Förderung frühzeitiger Interventionen, zur Schaffung niedrigschwelliger Zugänge oder zur stärkeren Integration von Prävention in bestehende Versorgungsstrukturen.
Herr M.A. Fabian Zimmermann
Institut der Deutschen Zahnärzte, Köln
#Präsentation
3

Hintergrund

Arthrose ist die häufigste degenerative Gelenkerkrankung unter Erwachsenen ab dem 50. Lebensjahr, wobei die Hüft- und Kniegelenksarthrose (Cox- bzw. Gonarthrose) mit schätzungsweise 600.000 prävalenten Fällen (22% der >60-Jährigen) in Deutschland die häufigste Unterform darstellt. Jährlich werden hierzulande ca. 250.000 Hüft- und 200.000 Knie-Endoprothesen durchgeführt. Vor diesem Hintergrund hat die AOK Sachsen-Anhalt (AOK SAN) einen Selektivvertrag zur strukturierten, konservativen Behandlung bei fortgeschrittener Gon- bzw. Coxarthrose mit dem Ziel der Stärkung der konservativen Versorgung eingeführt. Über die outcomebezogene Evaluation des IV-Vertrages Gon-/Coxarthrose hinaus sollen GKV-Routinedaten für vertiefende Analyse der Epidemiologie und Versorgung von Gon- und Coxarthrosepatient:innen in Sachsen-Anhalt genutzt werden.

Methode

Die Grundlage der Evaluation bilden Routinedaten der AOK SAN aus dem Zeitraum 01.01.2017-31.12.2022. Speziell wurden Abrechnungsdaten aus der ambulanten und stationären Versorgung sowie der Arznei-, Heil- und Hilfsmittelversorgung genutzt, ergänzt um Daten zur Arbeitsunfähigkeit. Einschlusskriterium für die Selektion der Versicherten zwischen 45 und 85 Jahren war mindestens eine ambulante oder stationäre Gon-/Coxarthrose in diesem Zeitraum.

Zunächst erfolgt die Unterteilung in eine epidemiologische Darstellung der Gon- und Coxarthrose sowie eine Darstellung der aktuellen medizinischen Versorgung dieser Krankheitsbilder in Sachsen-Anhalt. Die differenzierte Betrachtung der Versorgungssituation basiert dabei primär auf dem Vergleich von operativ und konservativ therapierten Versicherten mit der Unterteilung in inzidente und prävalente Fälle als Grundlage für retro- und prospektive Analysen. So können unter anderem folgende zentrale versorgungsmedizinische Fragestellungen beantwortet werden: Wie unterscheiden sich operierte von konservativ geführten Fällen bzgl. ihrer Demographie, Komorbiditäten und medizinischer Versorgung vor der Diagnosestellung bzw. endoprothetischen Intervention? Was sind mögliche Determinanten, die zu einer endoprothetischen Therapie führen? Welche medizinischen Therapieansätze erfolgen vor und nach der Diagnosestellung einer Gon- bzw. Coxarthrose?

Ergebnisse

Betrachtet wird ein Datenkörper mit rund 94.600 AOK-Versicherten mit einer gesicherten ambulanten Diagnose Gon- und/oder Coxarthrose (M2Q-Kriterium). Die Prävalenz von Gon- und Coxarthrose unter AOK-Versicherten im Jahr 2017 betrug 153 Fälle pro 1.000 Versicherte. Im Beobachtungszeitraum erhielten ca. 14% dieser Versicherten mindestens eine endoprothetische Therapie. Erste Analysen zur Epidemiologie der Gon- und Coxarthrose zeigen, im Einklang zur bisherigen Studienlage, auf eine Dominanz von Frauen ab dem 80. Lebensjahr. Vertiefende Analysen bzgl. der Versorgungssituation einzelner Subgruppen folgen.

Diskussion

GKV-Routinedaten sind ein wichtiger Bestandteil von Analysen zur Epidemiologie und medizinischen Versorgungssituation bei Gon- und Coxarthrose. Sie dienen der Evaluationen neuer Versorgungsmodelle auf Struktur-/Prozess- und Ergebnisebene Aufgrund ihrer Limitationen bzgl. Risikofaktoren der Patient:innen, Schweregrad der Arthrose oder Indikationsstellung für leitliniengerechte Diagnostik und Therapien, sind Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Leitlinien und zur Stärkung konservativer Therapieansätze allerdings nur eingeschränkt möglich.

Referenzen

[1] Postler A et. al.. Prevalence and treatment of hip and knee osteoarthritis in people aged 60 years or older in Germany: an analysis based on health insurance claims data. In: Clinical interventions in aging. Band: Volume 13, 2018, DOI 10.2147/CIA.S174741 . p. 2339-2349.
Frau Friederike von Wangenheim
Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Magdeburg
#Präsentation #Routinedaten #IV-Vertrag #Arthrose
4
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der qualitativen Forschung ist Gegenstand kontroverser Debatten. Während Large Language Models (LLM) wie GPT-4o, Llama 3.3 70B und Mistral 8x7B Texte verarbeiten und Muster erkennen können, wird ihnen im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse ein Mangel an interpretativer Tiefe und methodischer Präzision unterstellt (Mayring, 2025). Bislang fehlen systematische Analysen und Praxistests dazu, ob und inwieweit KI-Modelle qualitative Forschungsprozesse unterstützen können.

Diese Studie vergleicht Forschungsergebnisse verschiedener KI-Modelle mit den Ergebnissen eines realen qualitativen Forschungsprojektes. Dazu wurde mithilfe der KI-Modelle ein vollständiger Forschungsprozess simuliert – von der Entwicklung der Interviewfragen über die strukturierte qualitative Inhaltsanalyse bis zur Ableitung von Handlungsempfehlungen. Die Ergebnisse der KI-Modelle wurden dann hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den durch die Forschenden erarbeiteten Ergebnissen verglichen. Hierfür wurden die Ergebnisse der einzelnen Projektschritte systematisch von qualitativen Forschenden bewertet und auf Unterschiede zwischen den verschiedenen KI-Modellen und dem realen Forschungsprojekt analysiert.

Die Ergebnisse zeigen, dass KI-Modelle in vielen Bereichen mit realen Forschenden vergleichbare Ergebnisse erzielen, insbesondere bei der Strukturierung und Kategorisierung von Texten. Herausforderungen bestehen jedoch bei der Erfassung kontextabhängiger Bedeutungen und der tiefergehenden Interpretation. Zudem kam es teilweise zu falschen Ausgaben (z.B. ausgedachte Zitate), welche durch gezieltes Anpassen der Prompts verbessert werden konnten. Handlungsempfehlungen der KI waren oft plausibel, jedoch weniger tiefgründig als die der realen Forschenden.

Insgesamt zeigt sich, dass LLM keinen Ersatz für qualitativ Forschende darstellen. Es zeigte sich, dass Ergebnisse stets kritisch betrachtet werden müssen, um Fehler in der Auswertung zu vermeiden. Als Forschungspartner besitzen die KI-Modelle allerdings Potenzial. Besonders vielversprechend ist der Einsatz von LLM zur Simulation von Forschungsprozessen in der Lehre für Übungszwecke, als Plattform für Pretests oder zur Automatisierung bestimmter Analyseaufgaben. Zukünftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, Strategien zur Optimierung des KI-Einsatzes in der qualitativen Forschung zu entwickeln.

Referenzen

Mayring, P. (2025). Qualitative Content Analysis With
ChatGPT: Pitfalls, Rough Approximations and Gross Errors. A Field Report. Forum
Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 26(1).
https://doi.org/10.17169/fqs-26.1.4252
Herr Christian Kempny
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Witten
#Präsentation #Qualitative Inhaltsanalyse #KI-gestützte Forschung
5
Reviews sind zentraler Bestandteil evidenzbasierter Forschung, jedoch ist das Titel- und Abstract-Screening häufig ressourcenintensiv. Mit der steigenden Zahl wissenschaftlicher Publikationen wächst auch der Screening-Aufwand, was zu Verzögerungen in der Veröffentlichung relevanter Ergebnisse führt. Der Einsatz von KI-gestützten Tools wie ASReview könnte den Prozess beschleunigen, indem relevante Studien priorisiert werden. Allerdings fehlen validierte Stopp-Kriterien, die eine vorzeitige Beendigung des Screenings ermöglichen, ohne relevante Studien zu übersehen. Diese Studie untersucht verschiedene Stopp-Kriterien, um die Effizienz systematischer Reviews zu optimieren.

35.000 Simulationen wurden mit ASReview auf fünf unterschiedlichen systematischen Review-Datensätzen aus der SYNERGY-Datenbank durchgeführt. Drei potenzielle Stopp-Kriterien, die in der Literatur empfohlen werden, wurden getestet: (1) Beendigung des Screenings nach Erreichen einer vorher berechneten Anzahl relevanter Studien, (2) Beendigung nach einer bestimmten Anzahl aufeinanderfolgender irrelevanter Studien, (3) Beendigung nach Sichtung eines bestimmten Prozentsatzes des Datensatzes. Die Validität der Stopp-Kriterien wurde durch die Anzahl der korrekt gefundenen relevanten Studien und den eingesparten Screening-Aufwand bewertet.

Alle getesteten Stopp-Kriterien reduzierten den Screening-Aufwand. Allerdings zeigte keines eine durchgehende Zuverlässigkeit. Das Stopp-Kriterium 1) war in 98 % der Simulationen fehlerhaft und damit ungeeignet. Bei dem Stopp-Kriterium 2) zeigte sich eine hohe Variabilität und keine einheitliche Schwelle für verschiedene Datensätze. Auch das dritte Stopp-Kriterium funktionierte nicht universell über alle Datensätze, da der zu screenende Anteil bis zum Auffinden aller relevanter Studien stark schwankte.

ASReview kann eine signifikante Zeitersparnis im Screening-Prozess bieten. Allerdings konnte keine allgemeingültige Stopp-Regel identifiziert werden, die den Screening-Prozess ohne Verlust relevanter Studien zuverlässig verkürzt. Stattdessen sind adaptive, datenspezifische Stopp-Kriterien erforderlich, um eine effiziente und gleichzeitig vollständige Sichtung zu gewährleisten. Weitere Forschung sollte sich darauf konzentrieren, hybride und kontextabhängige Stopp-Mechanismen zu entwickeln, die eine verbesserte Balance zwischen Effizienz und Genauigkeit ermöglichen.
Herr Christian Kempny
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit (Department für Humanmedizin), Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Witten
#Präsentation #Systematic Review #ASReview #KI
6
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Form von Large Language Models (LLM) wie beispielsweise ChatGPT, DeepSeek oder Mistral in der qualitativen Inhaltsanalyse wird in verschiedenen Veröffentlichungen und Diskussionsplattformen thematisiert. Dabei werden je nach Autor:innenteam unterschiedliche Positionen für oder gegen den Einsatz solcher Tools eingenommen. Ein wesentlicher Diskussionspunkt ist das Antwortverhalten der KI-Tools. Es wird angemerkt, dass Antworten nicht replizierbar sind und sich bei gleichem Prompt unterscheiden. Außerdem werden inhaltliche Fehler aufgelistet und den KI-Tools zum Teil eine fehlende Eignung für die qualitative Inhaltsanalyse ausgesprochen. Diese Studie untersucht, wie sich verschiedene Parameter von KI-Tools gezielt anpassen lassen, um geeignete und bei Bedarf replizierbare Antworten zu erhalten.

Für die Untersuchung wurden drei beispielhafte Schritte einer qualitativen Inhaltsanalyse (Induktive Kategorienbildung, Kodierung mit Codebuch und Zusammenfassung von Textsegmenten) mit zwei Beispieldatensätzen bestehend aus deutsch- und englischsprachigen Interviews untersucht. Dabei wurden unterschiedliche Prompts systematisch geprüft. Zusätzlich wurden auch die KI-Tools gezielt in Bezug auf die spezifischen Anforderungen dieser Schritte hinsichtlich einzelner Parameter (Temperatur, Auswahlbreite, Neuheitsdrang) angepasst.

Ergebnisse zeigen, dass unterschiedliche Parametereinstellungen starke Auswirkungen auf die Konsistenz, Kreativität oder analytische Präzision der KI-Ausgaben für eine qualitative Inhaltsanalyse haben. Je nach Anpassung der Werte können beispielsweise assoziative, kreative Kategorien oder stark am Text orientierte, weniger kreative induktive Kategorien entwickelt werden. Auch bei Kodierung können die Anpassungen und gezieltes Prompten eine Kodierung regelgeleiteter und konsistenter gestalten. Die strenge Begrenzung einzelner Parameter führt zu weniger variierenden Antworten, was insbesondere für reproduzierbare Kodierungsprozesse von Vorteil ist.

Die Ergebnisse legen nahe, dass KI-basierte qualitative Analysen durch adaptive Parametrisierung sowohl Kreativität als auch methodische Strenge gewährleisten können, wodurch Herausforderungen wie inkonsistente Antworten oder methodisch ungenaue Textanalysen minimiert werden. Diese Erkenntnisse bieten eine Grundlage für den gezielten Einsatz von KI in der qualitativen Inhaltsanalyse und zeigen, dass durch die dynamische Anpassung von Parametern eine Balance zwischen interpretativer Offenheit und methodischer Strenge erreicht werden kann.
Herr Christian Kempny
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit (Department für Humanmedizin), Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Witten
#Präsentation #Qualitative Forschung #Künstliche Intelligenz #KI-gestützte Forschung #Qualitative Inhaltsanalyse
7
Hintergrund:
In der Sozialepidemiologie und der Gesundheitsberichterstattung des Bundes hat sich der German Index of Socioeconomic Deprivation (GISD) als wichtiges Instrument zur Dokumentation gesundheitlicher Ungleichheiten auf räumlicher Ebene etabliert. Der Index fasst sozioökonomische Merkmale in den Dimensionen Beschäftigung, Einkommen und Bildung, die auf Gemeinde oder Kreisebene vorliegen, in einer Kennzahl zusammen. Die bisherigen Versionen des GISD können regionale Unterschiede innerhalb von Gemeinden allerdings nicht abbilden, sodass die teils erheblichen sozioökonomischen Disparitäten in deutschen Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt unberücksichtigt bleiben.
Der Beitrag exploriert, wie kommunale Datenquellen zu soziökonomischen Merkmalen der Bezirksebene genutzt werden können, um GISD Scores für großstädtische Bezirke zu generieren. Ein wesentliches Hindernis besteht darin, dass nicht alle Indikatoren des GISD auf Ebene der großstädtischen Bezirke verfügbar sind.

Methodik:
Zunächst werden mögliche Optionen für das Vorgehen bei unterschiedlichen Graden der Verfügbarkeit der Indikatoren für die Bezirke diskutiert:
(1) Der Indikator aus dem GISD ist mit äquivalenter Messung für die Bezirksebene verfügbar.
(2) Der Indikator aus dem GISD ist mit leicht abweichender Messung verfügbar.
(3) Der Indikator ist nicht auf Bezirksebene verfügbar.
Je nach Verfügbarkeitsgrad müssen Imputationsverfahren und/oder kriteriumsorientierte Normierung angewandt werden, um die Indikatoren für die Generierung der Scores für die Bezirke vorzubereiten. Mögliche Verfahren werden vorgestellt. Die Aggregation der Indikatoren erfolgt auf Basis der Gewichtungsmatrix des GISD (Release 2025 v1). Für die exemplarische Umsetzung werden Daten aus der Innerstädtischen Raumbeobachtung (IRB) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und der Zensus-2022-Datenbank der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder verwendet, um die GISD-Indikatoren für großstädtische Bezirke abzubilden.

Ergebnisse:
Das Vorgehen wird exemplarisch anhand von Daten für Berliner Bezirke illustriert. Ziel ist es, zu untersuchen, inwieweit sich die neu generierten GISD-Scores auf Bezirksebene in ihrer Aussagekraft und räumlichen Verteilung mit bestehenden sozialepidemiologischen Indizes decken. Zu diesem Zweck werden die Ergebnisse mit dem Erwerbs- und Sozialindex (ESIx) des Gesundheits- und Sozialstrukturatlas Berlin 2022 verglichen. Darüber hinaus erfolgt eine Korrelationsanalyse mit Daten zur Lebenserwartung bei Geburt, um erste Hinweise auf die Validität der GISD-Scores im Hinblick auf gesundheitliche Ungleichheiten zu gewinnen.

Diskussion:
Vorbehaltlich der noch ausstehenden Ergebnisauswertung erlaubt der Ansatz eine erste Einschätzung der Übertragbarkeit des GISD auf städtische Kontexte unterhalb der Gemeindeebene. Durch die Einbeziehung großstädtischer Bezirke wird für die einwohnerstärksten Gemeinden Deutschlands eine höhere kleinräumige Auflösung erreicht. Zudem erhalten Großstädte in verteilungsbasierten Maßzahlen (z. B. Dezilen oder Quintilen) ein größeres Gewicht, das ihrem tatsächlichen Bevölkerungsanteil besser entspricht. Die Bevölkerungszusammensetzung dieser Räume kann dadurch in Analysen differenzierter abgebildet werden, was zu einer präziseren Erfassung regionaler sozioökonomischer Deprivation beiträgt. Langfristig sollen die gewonnenen Erkenntnisse zur Weiterentwicklung des GISD beitragen und seine Anwendbarkeit für die kommunale Gesundheitsberichterstattung stärken.
Lola Omar Soliman
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Sozialwissenschaften, Berlin
#Präsentation #Sozioökonomische Deprivation #Kleinräumige Analysen #Indexbildung #Urban Health #Lebenserwartung
8
Datenkompetenz ist eine essenzielle Fähigkeit im Gesundheitswesen, die Fachkräfte in die Lage versetzt, Daten effizient zu identifizieren, zu sammeln und für Forschung und Praxis zu nutzen. Eine Möglichkeit, Datenkompetenz effizient zu vermitteln, bieten Open Educational Resources (OER), da sie praxisnahe Schulungsangebote schaffen. Allerdings ist unklar, in welchem Umfang und in welcher Qualität bestehende OER für die Datenerhebung im Gesundheitssektor verfügbar sind. Diese Studie zielt darauf ab, bestehende OER mit Fokus auf Datenerhebung systematisch zu identifizieren und zu bewerten. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Umfang, thematischer Ausrichtung und Qualität der Materialien, insbesondere im Hinblick auf quantitative und qualitative Datenerhebung für Fachkräfte im Gesundheitswesen.

Eine systematische Suche wurde auf den Plattformen „Twillo.de“, „Orca.nrw“, „Merlot.org“, „OER Commons“, „Serlo“, „VIMEO“, „Dailymotion“, „SlideShare“ und „YouTube“ durchgeführt. Berücksichtigt wurden ausschließlich OER, die unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht wurden. Ein Forscherteam bewertete die identifizierten Ressourcen hinsichtlich Produktions- und Inhaltsqualität mithilfe eines standardisierten Bewertungskatalogs. Dabei wurden auch die Relevanz für das Gesundheitswesen und die langfristige Verfügbarkeit geprüft.

Aus 4.383 Suchergebnissen wurden 111 OER für die qualitative Datenerhebung identifiziert, darunter 9 mit direktem Gesundheitsbezug. Für die quantitative Datenerfassung wurden 145 geeignete OER gefunden, wovon 36 einen Gesundheitsbezug aufwiesen. Nach Anwendung eines Bewertungskatalogs wurden 14 OER für die quantitative und 29 für die qualitative Datenerhebung als inhaltlich und produktionstechnisch geeignet bewertet.

Die Ergebnisse zeigen einen erheblichen Mangel an hochwertigen, für Fachkräfte im Gesundheitswesen spezifisch konzipierten OER zur Förderung der Datenkompetenz im Bereich der Datenakquise. Viele vorhandene OER sind nicht auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe zugeschnitten, enthalten fachfremde Beispiele oder weisen Qualitätsmängel in der Produktion auf. Zudem erschwert eine unzuverlässige Verfügbarkeit der OER eine nachhaltige Nutzung. Es besteht ein deutlicher Bedarf an neuen, qualitativ hochwertigen und zielgruppenspezifischen OER für die Schulung von Fachkräften im Gesundheitswesen.
Herr Christian Kempny
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Witten
#Präsentation #Datenkompetenz #Open Educational Resource
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
SYM3
Partizipation und Ko-Kreation in psychiatrischen Lebenswelten: Perspektiven partizipativer Forschung und Versorgung (N Hojka)
Psychiatrie
Raum: Hörsaal 6, Mittelallee 10 (Standort: Mittelallee 10, Anzahl der Plätze: 240)
Beitrag:
1

Hintergrund

Psychiatrische Versorgung greift tief in die Lebenswelten von Betroffenen und Angehörigen ein. Die Organisation und Umsetzung von partizipativen Gestaltungsmöglichkeiten wird durch die UN-BRK gefordert und stellt ein zentrales Qualitätsmerkmal lebensweltlich-orientierter Versorgung und Forschung dar. Gleichzeitig ist Partizipation in diesem Kontext besonders aufgrund asymmetrischer Beziehungskonstellationen, normativer und institutioneller Grenzziehungen und Stigmatisierung besonders voraussetzungsreich. Vor diesem Hintergrund widmet sich das Symposium der Frage, wie partizipative Forschung und Wissensproduktion als Instrumente zur Förderung von Teilhabe, epistemischer Öffnung und transformativer Praxis gestaltet werden können.

Methode

Das Symposium versammelt vier Beiträge, die verschiedene methodische und praktische Dimensionen partizipativer Forschung beleuchten:
(1) Die Evaluation des Offenen Dialogs in Leipzig und das kollaborative Codieren als Beispiel aufsuchender Krisenversorgung und partizipativer Auswertung qualitativer Forschungsdaten.
(2) Ein Forschungsprojekt zu Gewalterfahrungen von Menschen mit psychischen Krisenerfahrungen, in dem Psychiatrie-Erfahrene als Ko-Forschende beteiligt sind.
(3) Eine betroffenenkontrollierte, kontaktbasierte Anti-Stigma-Intervention mit angehenden Polizeikräften, deren Entwicklung und Evaluation durch ein interdisziplinäres Team mit Erfahrungsexpertise erfolgte.
(4) Ein praxisorientierter Bericht über kollaborative Lehrformate, in denen Personen mit und ohne Psychiatrieerfahrung gemeinsam zu partizipativer Forschung lernen, lehren und forschen.

Ergebnisse

Die Beiträge verdeutlichen, wie partizipative Forschung neue, bislang marginalisierte Perspektiven und reflexive, erfahrungsbasierte Wissensproduktion ermöglicht. Dabei erweisen sich kollaborative Auswertungsverfahren, di- und trialogische Settings sowie kontinuierliche Beziehungsgestaltung als zentrale Gelingensbedingungen. Zugleich werden Grenzen partizipativer Praxis deutlich, insbesondere im Hinblick auf institutionelle Barrieren, ethische Dilemmata, methodische Standardisierungen und unklare Rollenzuschreibungen. Jedoch wird in allen Projekten Räume für Empowerment, Selbstwirksamkeit und neue Narrationen psychischer Krisenerfahrungen erschlossen. In der Lehre erweist sich der trialogische Austausch als impulsgebend für neue Lernformen und eine veränderte Haltung gegenüber Forschung und Subjektivität.

Diskussion

Partizipative Forschung ist kein einheitliches Konzept, dennoch stets ein sozialer Aushandlungsprozess. Sie erfordert methodische Offenheit, kritische Reflexion von Machtverhältnissen, strukturelle Ermöglichung und langfristige Beziehungspflege. Die Beiträge des Symposiums verdeutlichen, wie unter diesen Bedingungen tragfähige, lebensweltlich-orientierte Formen der Ko-Kreation entstehen und alle Beteiligten in besonderer Weise fordern. Die gemeinsame Gestaltung paternalistisch vorgeprägter Versorgung- und Forschungsstrukturen stellt sich als herausfordernd und gleichzeitig nachhaltig lohnenswert dar. In der gemeinsamen Diskussion mit dem Publikum werden Gelingensbedingungen, Herausforderungen und politische Implikationen partizipativer Forschung identifiziert, vertieft und weitergedacht. Das Symposium zielt demnach auf eine Stärkung partizipativer Strukturen in Praxis, Forschung und Lehre – mit dem langfristigen Ziel, sozialpsychiatrische Strukturen mit und durch krisenerfahrene Menschen und nicht reibungsarm über ihre Köpfe hinweg.
Herr Nicolai Hojka
Vorurteilsfrei e.V., Leipzig
Herr Thomas Klatt
Zentrum für Versorgungsforschung Brandenburg, Medizinische Hochschule Brandenburg, Rüdersdorf bei Berlin
Herr Sebastian von Peter
Zentrum für Versorgungsforschung Brandenburg, Medizinische Hochschule Brandenburg, Rüdersdorf bei Berlin
#Symposium 60
Do
18 Sep
09:00 - 09:30
PW4
Gesundheitsverhalten und Substanzkonsum
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1

Hintergrund

Im Schuljahr 2024/25 wurden im Rahmen der kommunalen Suchtprävention an insgesamt 12 Schulen der Hanse- und Universitätsstadt Rostock zielgruppenspezifische Präventionsangebote durchgeführt. Die Maßnahmen richteten sich an Jugendliche verschiedener Schulformen (u. a. Regionalschulen, Gesamtschulen, Berufsschulen) in mehreren Sozialräumen der Stadt. Ziel war es, Schüler*innen für Risiken des Substanzkonsums zu sensibilisieren, Wissen zu vermitteln und Reflexionsprozesse anzuregen. Die Umsetzung erfolgte durch die Präventionsambulanz des Gesundheitsamts, aufbauend auf aktuellen Empfehlungen zur Lebenskompetenzförderung und Kontextsensibilität in der Prävention [1].

Methode

Zur Wirkungsevaluation wurde ein zweistufiges Erhebungsdesign eingesetzt:
Eine anonyme Konsumbefragung (N = 531), durchgeführt vor Beginn der Präventionsveranstaltungen, erfasste Basisdaten zum Konsumverhalten in den Bereichen Alkohol, Nikotin, Cannabis und digitale Medien.
Direkt im Anschluss an die Maßnahmen wurden standardisierte Evaluationsbögen (N = 502) ausgefüllt, um Inhalte, Umsetzung und subjektive Wirkung (z. B. Reflexion, Lerngewinn) zu bewerten.
Neben geschlossenen Fragen wurden auch offene Rückmeldungen dokumentiert. Die Auswertung erfolgte deskriptiv sowie qualitativ-inhaltsanalytisch anhand freier Textkommentare.

Ergebnisse

Die Maßnahmen wurden insgesamt positiv bewertet. Die Gesamtnote lag im Mittel bei 2,2 (1 = sehr gut, 6 = ungenügend), die inhaltliche Verständlichkeit bei 2,1. Die subjektive Einschätzung eines eigenen Lernzuwachses erreichte im Mittel 2,8. Besonders häufig wurden interaktive Methoden, Alltagsnähe und der offene Umgang der Fachkräfte mit kritischen Fragen gelobt. Erste Hinweise deuten auf eine erhöhte Risikowahrnehmung und reflektierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten hin. Der Konsum alkoholischer Getränke lag in der Vorab-Befragung bei ca. 41 % (innerhalb der letzten 30 Tage), Nikotinkonsum bei 22 % – in Übereinstimmung mit regionalen Vergleichsstudien [2].

Diskussion

Die Ergebnisse bestätigen die Relevanz schulbasierter Präventionsmaßnahmen, insbesondere bei frühzeitiger, lebensweltbezogener Ansprache. Die methodische Kombination aus Konsumerhebung und Evaluation bietet eine praxisnahe Rückmeldung zur Wirksamkeit. Auch wenn keine personenbezogene Längsschnittverfolgung möglich ist, zeigen die Daten eine hohe Akzeptanz der Angebote. Zukünftig wäre eine systematische Vorher-Nachher-Erhebung wünschenswert, um auch mittel- bis langfristige Effekte erfassen zu können [3] [4]. Studien weisen zudem auf die Bedeutung sozialer Schutzfaktoren hin – wie familiäre Unterstützung und schulische Einbindung – die auch in offenen Rückmeldungen mehrfach genannt wurden [5]. Die Ergebnisse stützen bestehende Evidenz zur Effektivität kontextnaher Suchtprävention und betonen die Notwendigkeit, Programme regional zu adaptieren [1].

Referenzen

[1] Bühler A. Prävention des Substanzmissbrauchs. Psychologische Förder-und Interventionsprogramme für das Kindes-und Jugendalter. 2021:259-73.
[2] König S, Johann M, Penth M, Kuchlmaier K, Kliegel P, Lange K, et al. Entwicklung des Konsums von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen bei 14- bis 16-Jährigen 2002 und 2006. Nervenheilkunde. 2008;27:S24 - S5.
[3] Korczak D. Ist der Erfolg von Alkoholpräventionsmaßnahmen mess- und evaluierbar? Suchttherapie. 2013;14:114 - 8.
[4] Walter U, Plaumann M, Dubben S, Nöcker G, Pawils S, Koch U. Wirksamkeit, Qualität und Transfer: Weiterentwicklung der Prävention und Gesundheitsförderung durch Forschung. Deutsche Medizinische Wochenschrift. 2011;136(28/29):1488-92.
[5] Charvoz L, Bodenmann G, Hermann E. Die Bedeutung der Familie für den Konsum psychotroper Substanzen bei Jugendlichen. Kindheit und Entwicklung. 2002;11(1):14-20.
Herr Prof. Dr. Daniel Rottke M. mel.
Hochschule Neubrandenburg, Berlin
Studium der Medizin, Philosophie, Gesundheitswissenschaften, Geschichte. Promotion in der medizinischen Biochemie, Facharztausbildung Psychosomatik, Lehre in der Medizinethik.
Frau Susanne Schreiber
Gesundheitsamt Rostock, Rostock
Frau Antje Wrociszewski
Gesundheitsamt Rostock, Rostock
#Poster #Präventionsambulanz Suchtprävention Schüler:innen Jugendliche
2
Es gibt keinen gesundheitlich risikofreien Alkoholkonsum. Erwachsene sollten deshalb nach aktuellen Empfehlungen keinen oder möglichst wenig Alkohol zu sich nehmen [1]. Ein Konsum von ein bis zwei alkoholischen Getränken pro Woche wird als risikoarm angesehen, zwei bis sechs Getränke sind mit einem moderaten Risiko für nicht übertragbare Erkrankungen assoziiert, mehr als sechs Getränke bergen hohe Risiken für Folgeschäden. Als ein Getränk gelten hierbei 330 ml Bier, 125 ml Wein oder 40 ml Schnaps. Der Alkoholkonsum der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland soll anhand dieser Kriterien bewertet werden.
Datengrundlage bildet die Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA 2019/2020-EHIS). In dieser telefonischen Querschnittserhebung im Rahmen des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut wurden die Fragen der Europäischen Gesundheitsbefragung (EHIS) gestellt, unter anderem zur Häufigkeit und Menge des Alkoholkonsums in den letzten 12 Monaten. Es liegen Daten von 22.708 Erwachsenen vor. Berichtet werden gewichtete Bevölkerungsanteile gesamt und nach Geschlechts-, Alters- und Bildungsgruppen (CASMIN-Klassifikation).
Nur 21,2 % der Erwachsenen haben in den letzten 12 Monaten keinen Alkohol getrunken oder trinken nie Alkohol. Dieser Anteil ist bei Frauen mit 25,3 % höher als bei Männern mit 16,7 %. Etwa die Hälfte der Befragten (46,3 %) weist einen risikoarmen Konsum auf und trinkt somit maximal zwei alkoholische Getränke pro Woche. Dagegen konsumieren 14,2 % Alkohol in Mengen, welche mit einem moderaten Krankheitsrisiko assoziiert sind und 18,3 % haben auf Grund ihres Konsums ein hohes Risiko für Folgeschäden. Dieser Hochrisikokonsum ist bei Männern (28,6 %) deutlich häufiger als bei Frauen (8,6 %). Außerdem ist die Prävalenz des Hochrisikokonsums bei Männern in den Altersgruppen 45-64 und ab 65 Jahren (mit jeweils 30,3 %) sowie bei Männern (32,4 %) und Frauen (12,3 %) mit höherem Bildungsabschluss am höchsten.
Etwa jeder dritte Erwachsene trinkt Alkohol in Mengen, die mit einem moderaten oder hohen Erkrankungsrisiko assoziiert sind. Um die gesundheitlichen Risiken zu verringern, die mit dem Konsum assoziiert sind, sollten in Deutschland effektive Maßnahmen zur Reduzierung des Alkoholkonsums umgesetzte werden. Anhaltspunkte dazu liefert die WHO, die als bevölkerungsweite Maßnahmen u. a. Beschränkungen der Alkoholverfügbarkeit und der Werbung für Alkohol sowie Erhöhung der Alkoholpreise durch eine entsprechende Steuerpolitik empfiehlt. Neben den gesundheitlichen Vorteilen würde dies auch weitere negative Auswirkungen wie alkoholbedingte Verkehrsunfälle, Gewalt oder Abhängigkeit verringern.

Referenzen

[1] Richter M, Tauer J, Conrad J, Heil E, Kroke A, Virmani K, et al. on behalf of the German Nutrition Society (DGE): Alkohol – Zufuhr in Deutschland, gesundheitliche sowie soziale Folgen und Ableitung von Handlungsempfehlungen –Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Ernährungs Umschau. 2024; 71(10):2-16.
Frau Dr. Almut Richter
Robert Koch-Institut, Berlin
#Poster #Alkoholkonsum
3
​​​​​Hintergrund: Die Gesundheitskompetenz beschreibt den versierten Umgang mit schriftsprachlich vermittelten Informationen, welche sich inhaltlich den gesundheitsrelevanten oder gesundheitsbezogenen Themengebieten zuordnen lassen. Sie ist als Grundlage gesundheitsbewusster Handlungen anzusehen und trägt somit zur Förderung der individuellen und gesellschaftlichen Gesunderhaltung bei. Während der Zusammenhang zwischen Gesundheitskompetenz und dem daraus resultierenden gesundheitsbewussten Verhalten bei Erwachsenen gut untersucht ist, liegen bisher nur wenig Erkenntnisse über den Einfluss auf die Verhaltensregulation bei Kindern und Jugendlichen vor. So widmet sich die vorliegende Untersuchung der Erfassung der Gesundheitskompetenz spanischer Schüler/-innen und der Analyse ihres Zusammenhangs mit der Verhaltensregulation im Sportunterricht.
Methode: Im Rahmen dieser Querschnittsuntersuchung wurden 126 Schüler/-innen (MAge = 11.93 Jahre, SD = 1.79) aus drei zufällig ausgewählten öffentlichen Schulen in Spanien befragt. Die Stichprobe bestand zu 58,7 % aus weiblichen (NW = 74) und zu 41,3 % aus männlichen Probanden (NM = 52). Die Teilnehmenden wurden für weiterführende Analysen in zwei Altersgruppen eingeteilt (Altersgruppe 1: 10–12 Jahre, N = 90; Altersgruppe 2: 13–16 Jahre, N = 36). Für die Ermittlung der Gesundheitskompetenz wurde der standardisierte European Health Literacy Survey Questionnaire (HLS-EU-Q16) in der spanischen Version eingesetzt (Nolasco et al., 2020). Die Verhaltensregulation im Sportunterricht wurde mithilfe des spanischen Behavioral Regulation in Sport Questionnaire (BRSQ) erfasst (Viladrich et al., 2011). Der BRSQ basiert auf den Erkenntnissen der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan, welche motivierte Handlungen entlang eines Kontinuums von heteronomer bis autonomer Verhaltenssteuerung in sechs Regulationsstile unterteilt.
Ergebnisse: Während innerhalb der Gesundheitskompetenz keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern (z = -1.648; p = .099) oder den Altersgruppen (z = -0.692; p = .489) ermittelt werden konnten, zeigten sich jedoch bedeutsame Erkenntnisse in Bezug auf die intrinsische Verhaltensregulation. So erzielten die männlichen Probanden in diesem Bereich signifikant höhere Werte als die weiblichen (z = -2.450; p = .014; d = .32). Die Untersuchung der altersbedingten Unterschiede zeigte deutlich, dass die Teilnehmer/-innen der Altersgruppe 1 sportliche Handlungen signifikant häufiger aufgrund intrinsischer Motivation ausüben als die Teilnehmer/-innen der Altersgruppe 2 (z = -2.033; p = .042; d = .58). Zudem wurden sowohl für die Gesamtstichprobe (ρ = .263; p = .003) als auch bei den männlichen Probanden (ρ = .363; p = .008) und innerhalb der Altersgruppe 1 (ρ = .255; p = .015) signifikant positive Zusammenhänge zwischen der Gesundheitskompetenz und der intrinsischen Verhaltensregulation festgestellt.
Diskussion: Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass ein höheres Maß an Gesundheitskompetenz mit einer stärkeren intrinsischen Motivation im Sportunterricht einhergeht. Dies gilt insbesondere für die männlichen Untersuchungsteilnehmer und innerhalb der Altersgruppe 10 bis 12 Jahre. Unter Beachtung der autonomiefördernden curricularen Handlungsspielräume innerhalb des spanischen Bildungssystems lässt sich schlussfolgern, dass Gesundheitskompetenz ein relevanter Faktor für selbstbestimmtes, gesundheitsförderliches Verhalten in der Schule sein kann.

Referenzen

[1] Nolasco A, Barona C, Tamayo-Fonseca N, et al. Alfabetización en salud: propiedades psicométricas del cuestionario HLS-EU-Q16 [Health literacy: psychometric behaviour of the HLS-EU-Q16 questionnaire]. Gac Sanit. 2020;34(4):399-402. DOI: 10.1016/j.gaceta.2018.08.006.
[2] Viladrich C, Torregrosa M, Cruz J. Calidad psicométrica de la adaptación española del Cuestionario de Regulación Conductual en el Deporte [Psychometric quality supporting the Spanish adaptation of the Behavioral Regulation in Sport Questionnaire]. Psicothema. 2011;23(4):786-794.
Herr Jonas Gagelmann
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg
#Poster #Gesundheitskompetenz #Verhaltensregulation #Motivation #Spanien #Sportunterricht #Schüler
4

Hintergrund

Die zunehmende Digitalisierung hat die Art und Weise, wie Gesundheitsinformationen verbreitet und aufgenommen werden, nachhaltig verändert. Besonders bei jungen Erwachsenen, die verstärkt digitale Kanäle nutzen, könnte das Wissen über und das Vertrauen in Gesundheitsförderungsmaßnahmen unterschiedlich ausgeprägt sein. Diese Studie untersucht den potenziellen Einfluss psychischer Erkrankungen auf das Gesundheitsverhalten und die Informationsaufnahme dieser Zielgruppe.

Methode

Im Rahmen der Untersuchung werden demografische und gesundheitliche Daten von ca. 2.500 Personen erhoben, wobei der Altersrange der Befragten zwischen 16 und 40 Jahren liegt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Vergleich von jüngeren (16–30 Jahre) und älteren (31–40 Jahre) Alterskohorten, da erwartet wird, dass insbesondere die jüngeren Befragten ein anderes Vertrauen in Gesundheitsinformationen zeigen könnten. Vorläufige Annahmen basierend auf bestehenden Studien, wie z.B. der McKinsey-Umfrage, deuten darauf hin, dass jüngere Generationen (16–30 Jahre) weniger stark auf Ärzte und Ärztinnen vertrauen und eher alternative Informationsquellen, einschließlich sozialer Medien, bevorzugen. Diese Unterschiede könnten auch im Hinblick auf die Art und Weise variieren, wie psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen das Vertrauen in Gesundheitsinformationen beeinflussen.

Ergebnisse

Besonderes Augenmerk liegt zudem auf psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und PTBS, um zu verstehen, inwieweit diese Erkrankungen das Vertrauen in Gesundheitsinformationen und das Wissen über präventive Maßnahmen beeinflussen könnten. Es wird vermutet, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen möglicherweise andere Bedürfnisse und Zugänge zu Gesundheitsinformationen haben als die Allgemeinbevölkerung.
Zusätzlich wird der Einfluss von elterlicher Krankheitsbelastung auf die Präventionshaltung junger Erwachsener untersucht. Erste Annahmen deuten darauf hin, dass familiäre Erfahrungen mit gesundheitlichen Belastungen, insbesondere im Bereich psychischer Erkrankungen, die Einstellungen und das Verhalten hinsichtlich Prävention und Gesundheitsförderung beeinflussen könnten.
Die Bekanntheit von verschiedenen gesundheitsfördernden Maßnahmen wie Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen und gesunder Ernährung wird ebenfalls in Betracht gezogen. Vorläufige Hypothesen legen nahe, dass bekannte Maßnahmen stärker verbreitet sind als spezifische Themen wie Gesundheitsförderung in Bildungseinrichtungen oder Sexualaufklärung. Diese Ergebnisse könnten Hinweise darauf geben, wie zielgerichtete Informationsstrategien entwickelt werden sollten.
Ein weiterer Fokus der Studie liegt auf dem Informationsverhalten, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung von sozialen Medien. Es wird geprüft, inwiefern die Nutzung digitaler Plattformen das präventive Gesundheitsverhalten beeinflussen könnte, wobei zu erwarten ist, dass die Zuverlässigkeit der Quellen und die Art der vermittelten Informationen eine Rolle spielen werden.

Diskussion

Die Ergebnisse dieser Studie könnten wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, wie Gesundheitsförderung und Prävention für junge Erwachsene gestaltet werden sollten, insbesondere im Hinblick auf ihre digitalen Gewohnheiten und psychischen Belastungen. Es wird erwartet, dass die Studie einen Beitrag zur Weiterentwicklung zielgerichteter Präventionsstrategien leisten kann, die sowohl traditionelle als auch digitale Kanäle berücksichtigen

Referenzen

/
Frau Lena Peter
Uniklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Ulm
#Poster #Digital health #Public Health #Gesundheitskompetenz #Psychische Erkrankungen #Prävention #Online-Informationsverhalten #Gesundheitsverständnis
Do
18 Sep
09:00 - 10:30
JP1
Junge Perspektiven
Raum: Übungsraum 508 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 106)
Beiträge:
1
Der themenoffene Workshop „Junge Perspektiven“ richtet sich an alle jungen Wissenschaftler:innen und Studierende aller Fachrichtungen. Ziel ist es, den Austausch zwischen Nachwuchsforschenden zu fördern und ihnen ein gemeinsames Forum zur Präsentation und Diskussion ihrer aktuellen Forschungsarbeiten zu geben. In der Veranstaltung können Wissenschaftler:innen in einer frühen Karrierephase und Studierende ihre aktuellen Forschungs- oder Abschlussarbeiten in Form von Kurzpräsentationen (maximal 5 Minuten) eines digitalen Posters vorstellen. Der Workshop ermöglicht es dem (wissenschaftlichen) Nachwuchs, wertvolle Erfahrungen bei der Präsentation ihrer Arbeiten vor einem interdisziplinären Publikum zu sammeln. Gleichzeitig bietet der Workshop eine Plattform, um mit anderen jungen Wissenschaftler:innen in Kontakt zu kommen und sich zu vernetzen.
Der Workshop wird von der Arbeitsgruppe „Wissenschaftlicher Nachwuchs“ der DGSMP veranstaltet und moderiert. Die AG vergibt im Rahmen des Workshops einen Posterpreis, der mit 100,- EUR dotiert ist.
Herr Andreas Staudt
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, TU Dresden, Dresden
Herr Florian Beese
Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin
Frau Francesca Färber
Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin
Herr Dennis Jepsen
Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsmedizin Halle, Halle
Frau Dr. Rosemarie Schwenker
Abteilung für Versorgungsforschung im Kindes- und Jugendalter, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatalogie und Kinderkardiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
#Präsentation
2

Hintergrund

Internationale Forschungsarbeiten zeigen, dass Persönlichkeitsmerkmale mit gesundheitsrelevantem Risikoverhalten zusammenhängen [1, 2]. Beispielsweise neigen extrovertierte Personen eher dazu, Tabakprodukte und Alkohol zu konsumieren. Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und dem UV-bezogenen Risiko- und Schutzverhalten ist hingegen kaum erforscht. Daher war es das Ziel dieser Arbeit, zu explorieren, welche Zusammenhänge zwischen der Persönlichkeitsstruktur und dem intentionalen Bräunen in Sonne und Solarium, der Sonnenbrandhäufigkeit, dem Sonnenschutzverhalten und dem UV-bezogenen Risikobewusstsein bestehen.

Methode

Im November 2024 wurden im Rahmen einer bundesweiten Online-Befragung des Nationalen Krebshilfe Monitorings (NCAM-online) 4.156 Personen (49,9% weiblich, Alter 42,73 [SD: 13,85]) zu ihrem Risikoverhalten, wie dem Bräunen in der Sonne (nie, selten, manchmal, oft, sehr oft), der Nutzung von Solarien (nie, ehemals, aktuell), der Sonnenbrandhäufigkeit in den letzten 12 Monaten (nie, einmal oder mehr als einmal) sowie zu ihrem Sonnenschutzverhalten (u.a. Auftragen von Sonnencreme) befragt. Zusätzlich wurde das UV-bezogene Risikobewusstsein mittels drei Items erhoben. Die Persönlichkeitsmerkmale wurden mithilfe des Big Five Inventory 10 (BFI-10) erfasst, das die Dimensionen Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit abdeckt [3]. Nach den deskriptiven Analysen folgten bivariate Analysen (ANOVAs, Post-hoc-Tests, T-Tests und Pearson-Korrelationen).

Ergebnisse

Extraversion war mit dem UV-bezogenen Risikoverhalten verknüpft. So erzielten Personen, die sich sehr oft im Freien bräunen, sowie aktuelle Solariennutzende signifikant höhere Werte bei Extraversion (MW=3,32; MW=3,27) als die Vergleichsgruppen (p<0,05). Dies zeigte sich auch für Personen mit mehr als einem Sonnenbrand in den letzten 12 Monaten (MW=3,11; p<0,05). Auch war Gewissenhaftigkeit mit dem Bräunen im Solarium und der Sonnenbrandhäufigkeit verknüpft. Personen die niemals im Solarium waren, sowie Teilnehmende ohne Sonnenbrand erzielten signifikant höhere Werte bei Gewissenhaftigkeit (MW=3,64; MW=3,75; p<0,05). Höhere Gewissenhaftigkeitswerte zeigten ebenso Personen, die ein höheres UV-Risikobewusstsein aufwiesen. Auch die Zusammenhänge zwischen den fünf BFI-10 Dimensionen und den Sonnenschutzmaßnahmen waren signifikant, jedoch schwach.

Diskussion

Die Zusammenhänge zwischen dem UV-bezogenen Risikoverhalten und Extraversion sowie Gewissenhaftigkeit stehen im Einklang mit den bislang bekannten Zusammenhängen mit anderen Risikoverhaltensweisen. Dies verdeutlicht, dass diese Persönlichkeitsmerkmale wichtige Determinanten von Risikoverhalten sind. Daher kann es im Rahmen der Hautkrebsprävention sinnvoll sein, diese in zukünftigen Maßnahmen gezielt aufzugreifen und anzusprechen.

Referenzen

[1] Raynor DA, Levine H. Associations Between the Five-Factor Model of Personality and Health Behaviors Among College Students. J AM Coll Health. 2009;58(1):73-82.
[2] Bogg T, Roberts BW. Conscientiousness and health-related behaviors: a meta-analysis of the leading behavioral contributors to mortality. Psychol Bull. 2004;130(6):887-919.
[3] Rammstedt B, Kemper CJ, Klein MC, Beierlein C, Kovaleva A. Big Five Inventory (BFI-10). Zusammenstellung sozialwissenschaftlicher Items und Skalen (ZIS). Mannheim: GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften; 2014.
Frau Laura Ratusznik
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
#Poster #Hautkrebsprävention #Persönlichkeitsmerkmale #Risikoverhalten
3
Hintergrund: Pflege und Betreuung von Personen mit Pflegebedarf werden in Deutschland zum großen Teil von Angehörigen geleistet. Pflegende Angehörige weisen ein erhöhtes Risiko für Beeinträchtigungen auf, die sich in einer Verminderung der Lebensqualität und einer Verschlechterung der physischen und psychischen Gesundheit manifestieren können [1][2]. Im Hinblick auf Fragen rund um Gesundheitserhalt, Krankheitsvermeidung und (Wieder-)Herstellung von Gesundheit spielen digitale Angebote eine zunehmende Rolle [3][4]. Digitale gesundheits- und/oder pflegebezogene Angebote (DG/PA) können dazu beitragen, die Herausforderungen der Pflege zu bewältigen und die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden zu stärken, jedoch ist die konkrete Nutzung durch pflegende Angehörige bislang unzureichend erforscht.
​​​​​​
Methode: Diese Studie untersucht u.a., welche DG/PA von pflegenden Angehörigen genutzt werden, welche subjektiven Motive sie zur Nutzung von DG/PA bewegen und welche Funktionen diese Angebote in Pflegesituationen erfüllen. Die Forschung im Stil der K​​​onstruktivistischen Grounded Theory zielt darauf ab, die subjektiven Relevanzen und Sinndeutungen der Pflegepersonen offenzulegen und in ihren sozialen Kontexten zu verorten. Bislang wurden 12 problemzentrierte Interviews mit pflegenden Angehörigen (10 Frauen, 2 Männer, Alter: 33-84 Jahre) erhoben und analysiert, um tiefere Einblicke in die emergenten Phänomene und die Dynamik individueller Handlungen in komplexen Pflegesituationen zu erlangen.

Ergebnisse: Die Analyse zeigt, dass der Eintritt in eine Pflegesituation zur Zusammenveranlagung der „Fürsorgekapazitätenhaushalte“ der pflegenden und der pflegebedürftigen Person führt. Diese gemeinsame Veranlagung zeichnet sich dadurch aus, dass die Pflegeperson vermehrt Fürsorgekapazitäten einsetzt, um das Fürsorgekapazitäten-Defizit der pflegebedürftigen Person, das durch Einschränkungen und oder steigende Fürsorgebedarfe entsteht, auszugleichen.
Nutzen pflegende Angehörige in diesem Kontext DG/PA, haben diese vor allem vier funktionale Rollen:
1) Sie tragen dazu bei, externe Fürsorgekapazitäten zu mobilisieren, um einem Ungleichgewicht des Kapazitäten-Bedarfe-Haushalts entgegenzuwirken (z.B. Essenliefer-Apps, Online-Anträge für Pflegeleistungen etc.).
2) Sie stärken die Fürsorgekapazitäten der pflegenden Person, sodass diese in der Lage ist, sowohl ihren eigenen Fürsorgebedarf als auch den der pflegebedürftigen Person zu decken (z.B. Informations-Websites zu Krankheitsbildern, online-Pflegekurse).
3) Sie wirken präventiv gegen den Verlust von Fürsorgekapazitäten und wirken einem Anstieg des Fürsorgebedarfs der pflegenden Person entgegen, um das Ungleichgewicht nicht zu verschärfen (z.B. Online-Sportangebot, Meditations-App, Betroffenenaustausch in Foren).
4) DG/PA werden auch eingesetzt, um den Fürsorgebedarf der pflegebedürftigen Person direkt zu verringern (z.B. Terminbuchungsportale, Telemedizin).
Diese zielgerichtete Nutzung ist ein integraler Bestandteil der Pflegehandlung, wobei DG/PA strategisch zur Bewältigung spezifischer Herausforderungen eingesetzt werden.

Diskussion: Die Ergebnisse betonen die komplexe interdependente Beziehung der beteiligten Akteure in Pflegesituationen und die funktionale Bedeutung von DG/PA im Rahmen der Ko-Kreation von Fürsorgeleistungen. Es zeigt sich aber auch die Notwendigkeit, die Gestaltungsbedingungen solcher digitalen Angebote kritisch zu hinterfragen, da nicht alle Hoffnungen auf Entlastung erfüllt werden. In manchen Fällen können DG/PA sogar zu einer Verschärfung der Belastung führen. Diese Erkenntnisse werfen wichtige Fragen für die gesundheitliche Teilhabe im Pflegekontext und damit auch für weiterführende Forschungen auf: Wie kann eine gerechte Verteilung der Ko-Kreation zwischen Pflegebedürftigen, Angehörigen und externen Ressourcen gewährleistet werden, ohne dass die Beteiligten überlastet werden? Welche Rolle können digitale Angebote spielen, um diese Balance zu unterstützen?

Referenzen

[1] Liu Z, Heffernan C, Tan J. Caregiver burden: A concept analysis. Int J Nurs Sci 2020; 7(4):438–45.
[2] Rothgang H, Müller R. Pflegereport 2018. Berlin; 2018. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse 12.
[3] Baumann E, Großmann U, Calhoun K. Ist Gesundheit schon digitaler Alltag?: Teilergebnisse der Studie „HINTS Germany“ zur Nutzung digitaler Gesundheitsangebote; 2021. trendmonitor 4 [cited 2025 Feb 15]. Available from: URL: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/sites/default/files/pdf/2021_07_08_trendmonitor_Digitaliserung_AktFass_vf_0.pdf.
[4] Kricheldorff C. Die Rolle von digitalen Technologien zur Unterstützung von Angehörigen pflegebedürftiger älterer Menschen: Expertise zum Achten Altersbericht der Bundesregierung. Berlin: Deutsches Zentrum für Altersfragen; 2020.
Frau Janka Stürner-Höld
Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg
#Poster #Gesundheitsförderung & Prävention #Digital health #pflegende Angehörige
4
Trotz gesetzlicher Vorgaben zur diskriminierungsfreien ärztlichen Versorgung empfinden Menschen mit Behinderungen (MmB) ihre hausärztliche Versorgung häufig als unzureichend. Insbesondere bestehende Barrieren beim Zugang zur Versorgung und Unsicherheiten des medizinischen Personals erschweren eine bedarfsgerechte Versorgung. Vor diesem Hintergrund führte die Fachstelle Inklusion und Gesundheit im Gesundheitsreferat der Landeshauptstadt München in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München eine Befragung zur hausärztlichen Versorgung von MmB in München durch. Ziel dieser Studie war es, die Inanspruchnahme der hausärztlichen Versorgung aus Sicht der MmB in München zu analysieren sowie mögliche Einschränkungen beim Zugang zur Versorgung zu identifizieren.

In einer Querschnittstudie wurden MmB in München mittels eines Fragebogens von August bis Oktober 2024 zu ihrer hausärztlichen Versorgung befragt. Die Befragung konnte in Alltags- und leichter Sprache online und schriftlich durchgeführt werden. Mit Hilfe deskriptiver Statistik und bivariater Analysen wurden Häufigkeiten und Zusammenhänge untersucht. Durch eine logistische Regressionsanalyse wurden Prädiktoren für die Wahrscheinlichkeit, Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Hausarzt zu haben oder gehabt zu haben berechnet.

An der Befragung nahmen 306 Personen teil. Davon gaben 95% (n=291) an, eine Hausärztin/ einen Hausarzt zu haben und über 80% sind mit ärztlichem (n=253) bzw. Praxispersonal (n=252) zufrieden. Dennoch berichteten 39% (n=111) von Schwierigkeiten bei der Ärztin-/Arztsuche und 33% (n=91) wurde schon einmal von einer Praxis abgewiesen. Es zeigten sich Unterschiede in der Versorgung in Abhängigkeit von Geschlecht, Wohnform und Art der Beeinträchtigung sowie bei der Notwendigkeit von Hausbesuchen. Zudem haben Menschen ein signifikant höheres Risiko, Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Hausärztin/ einem Hausarzt zu haben, wenn sie schon mal von einer Praxis abgewiesen wurden, beim Arztbesuch eingeschränkt sind oder Hausbesuche benötigen.

Die Studie deutet darauf hin, dass die hausärztliche Versorgung von MmB als zufriedenstellend einzustufen ist, jedoch Zugangsprobleme bestehen. Um eine an die Bedürfnisse von MmB in München besser angepasste hausärztliche Versorgung gewährleisten zu können, sollten Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit und Schulungen für medizinisches Personal zum sensiblen Umgang mit MmB umgesetzt werden. Zudem sollten Kostenträger*innen für eine angemessene, kostendeckende Vergütung für die Behandlung von MmB sorgen. In zukünftigen Studien sollten weitere Daten zur Versorgungssituation von MmB erhoben werden, auch unter Einbezug der fachärztlichen und stationären Versorgung in ländlichen und urbanen Regionen.
Frau Antonia Pflüger
Gesundheitsreferat Landeshauptstadt München, München
#Präsentation #medizinische Versorgung #Beeinträchtigung #Behindertenhilfe #Barrieren #Inanspruchnahme
5

Hintergrund

​​​​Stigmatisierung ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das besonders Menschen mit psychischen Erkrankungen betrifft und die Chancengleichheit in Bereichen wie Einkommen, sozialer Teilhabe und Gesundheit erheblich beeinflussen kann. Studien zeigen, dass Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (AD(H)S) gesellschaftlichen Vorurteilen und Stereotypen, wie zum Beispiel dem des „Zappelphilipps“, begegnen. Entgegen der Annahme, dass AD(H)S eine Kindererkrankung sei, sind auch Erwachsene betroffen. Im Erwachsenenalter rücken die Symptome der Hyperaktivität in den Hintergrund, während Desorganisation, Unruhe, Reizbarkeit und eine verminderte Stresstoleranz vermehrt auftreten. Solche und weitere Symptome können zu erheblichen Einschränkungen im Sozial- und Berufsleben führen und gesellschaftlich bestehende Stereotype verstärken [1]. Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Arbeit mit der Erforschung der Stigmatisierungserfahrungen von Erwachsenen mit AD(H)S und deren Bewältigungsstrategien.

Methode

Im Rahmen einer qualitativen Momentaufnahme wurden problemzentrierte Einzelinterviews nach Witzel [2] mit Erwachsenen mit AD(H)S geführt, die eine entsprechende (Verdachts-)Diagnose angaben. Als Basis der Interviews diente ein teilstrukturierter Leitfaden, der nach der SPSS-Methode nach Helfferich erstellt wurde [3]. Die transkribierten Interviews wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet [4]. Hierbei wurden deduktiv vier Hauptkategorien gebildet, zu welchen induktiv Subkategorien erstellt wurden.

Ergebnisse

Es konnten fünf Teilnehmende für die Interviews rekrutiert werden, darunter zwei weibliche und drei männliche Teilnehmende. Der Altersdurchschnitt betrug 33,6 Jahre. Drei Teilnehmende gaben an, ADHS zu haben, und zwei berichteten von ADS. In den Interviews erzählten die Teilnehmenden von Vorurteilen und Stereotypen sowohl im öffentlichen und institutionellen Kontext als auch im persönlichen Umfeld. Einige Teilnehmende stigmatisierten sich selbst, indem sie sich als „anders“ oder „nicht der Norm entsprechend“ kategorisierten. Dies hatte zur Folge, dass sich das Selbstbild negativ veränderte, was Vermeidungsverhalten begünstigte und ihre soziale Teilhabe einschränkte: Einige Teilnehmende wurden aufgrund ihrer AD(H)S-spezifischen Eigenschaften von sozialen Aktivitäten ausgeschlossen, andere vermieden soziale Interaktionen, da sie sich für ihre Symptome schämten. Im institutionellen Kontext wurde davon berichtet, dass die mangelnde Diagnose- und Therapiemöglichkeit eine strukturelle Benachteiligung darstellte. Dies führte bei den Teilnehmenden zu einer zusätzlichen psychischen Belastung. Um mit der Stigmatisierung umzugehen, setzten die Teilnehmenden verschiedene Bewältigungsstrategien ein, die sich mit den Symptomen, mit ihnen selbst oder direkt mit der Stigmatisierung auseinandersetzten. Zudem suchten sie sich soziale Unterstützung und lenkten sich durch Aktivitäten ab.

Diskussion

Um Vorurteile und Stereotypen abzubauen, sollten gesundheitswissenschaftliche und sozialpädagogische Maßnahmen etabliert werden. Hierfür würden sich niedrigschwellige Hilfsangebote und Destigmatisierungsinitiativen auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene eignen, die das Ziel haben, das Wohlbefinden von Erwachsenen mit AD(H)S nachhaltig zu verbessern. Um die Teilhabe von Erwachsenen mit AD(H)S zu fördern und die Angebote zielgruppenspezifisch und bedürfnisorientiert zu organisieren, sollte dabei ein partizipativer Ansatz gewählt werden. Strukturelle Probleme in der Gesundheitsversorgung von Erwachsenen mit AD(H)S müssen behoben werden, um eine adäquate Behandlung und Unterstützung sicherzustellen. Um dies zu erreichen, sollte ärztliches Fachpersonal entsprechend sensibilisiert werden, beispielsweise durch Weiterbildungen oder Workshops. Zudem sollte eine verständnisvollere Einstellung gegenüber Menschen mit Neurodiversität politisch gefördert werden, mit dem Ziel, die Teilhabe von Erwachsenen mit AD(H)S in der Gesellschaft zu verbessern. Voraussetzung hierfür ist das Auflösen der bestehenden Vorurteile und Stereotypen durch Aufklärungsarbeit, beispielsweise durch öffentliche Kampagnen.

Referenzen

[1] Jans T, Jacob C. 2013. ADHD in Families. In: Surman, C. B. H. (ed.) ADHD in Adults: A Practical Guide to Evaluation and Management. Totowa, NJ: Humana Press.
[2] Witzel A. 2000. Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research.
[3] Helfferich C. 2014. Leitfaden- und Experteninterviews. Springer Fachmedien Wiesbaden. 559-574.
[4] Kuckartz U, Rädiker S. 2022. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 5. Auflage ed: Beltz Juventa.
Frau Dana Rodewald
#Präsentation
6

Introduction

Chemsex refers to a specific form of sexualized substance use predominantly found in gay and queer communities. Characterized by the intentional use of psychoactive substances in sexual contexts involving multiple partners, this practice often extends over long durations and is facilitated by personal invitations through specialized apps (Stuart 2019). While Chemsex is linked to numerous health risks, such as HIV and STI infections, substance-related emergencies or mental and social burdens, it also plays a significant role in addressing psychosocial needs, particularly in coping with syndemic effects of minority stress (Pollard, Nadarzynski and Llewellyn 2017). Recent research has expanded the understanding of Chemsex by considering not only health risks but also motivational and cultural dimensions, aiming to provide a more holistic view of this phenomenon (Møller and Hakim 2021). Despite this, the temporal development and dynamics of consumption patterns remain largely underexplored.This study, conducted as part of a master's thesis, seeks to examine how social factors and salutogenic aspects shape individual patterns of thinking and behavior over the course of Chemsex use. Additionally, the study explores how these factors influence the development of consumption trajectories in long-term Chemsex users.
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Methods

An empirical-qualitative research design was employed, utilizing a semi-structured interview guide to map the temporal dimensions of consumption phases. These phases were linked to social factors and health-related aspects through problem-centered interviews. Five long-term Chemsex users from Berlin participated in the study. The documentary method was applied to reconstruct collective experiences and socially embedded patterns of thought and behavior, using case vignettes, comparative discourse analysis, and the development of typologies.
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Results

The analysis identified two overarching themes with eight subthemes, which were illustrated through five case vignettes. In the context of comparative discourse analysis, three types of Chemsex practices were constructed, revealing the social influences and patterns of thought and action underlying these practices. Key components included experiences of stigma and discrimination, social comparison and differentiation, networks and support structures, rules and boundaries, and aspects of Chemsex use perceived as either positive or negative. These elements provide insight into the complex interplay between individual behaviors and the social environment.

Conclusion / Discussion

The findings suggest that the coming-out process, along with relocating to Berlin, creates a shared experiential space that frames gay vulnerability and significantly influences individual Chemsex practices and thought patterns. Social comparison and alignment with peer groups also play crucial roles in shaping consumption behaviors over time, which may either reinforce or mitigate risky patterns. Additionally, positive shifts in consumption trajectories were observed in the reprioritization of substance-free areas of life, such as work, leisure, and friendships, alongside visible, affirmative, and stigma-free psychosocial health services. By integrating the temporal dimensions of consumption dynamics with social and salutogenic aspects, this study contributes valuable insights into the complexity of Chemsex and offers implications for both scientific research and health science practice in preventive settings.

Referenzen

[1] Møller K, Hakim J. Critical chemsex studies: Interrogating cultures of sexualized drug use beyond the risk paradigm. Sexualities. 2021;0(0):1–9. DOI: 10.1177/13634607211026223.[2] Pollard A, Nadarzynski T, Llewellyn C. Syndemics of stigma, minority-stress, maladaptive coping, risk environments and littoral spaces among men having sex with men using chemsex. Cult Health Sex. 2018;20(4):411–27. DOI: 10.1080/13691058.2017.1350751.
[3] Stuart D. Chemsex: origins of the word, a history of the phenomenon, and a respect to the culture. Drugs Alcohol Today. 2019;19(1):3–10. DOI: 10.1108/DAT-10-2018-0058.
Herr Nils Merten
Checkpoint-BLN, Berlin
#Präsentation #LGBTQI related health #sexualized substance use #Chemsex
7
Creative higher education (CHE) institutions seem to often fail to provide safe environments for aspiring artists in terms of boundary violations and various forms of violence (e.g. [1], [2]). This suggests that existing prevention measures remain inadequate, necessitating a shift beyond mere care provisions [3]. There is a need for the creation of power-sensitive learning spaces where creative higher education students can truly thrive and develop their creative potential [4]. To address these concerns, we build upon the capabilities approach [5] and integrate findings from two qualitative studies to comprehensively examine prevention needs, good practices, and areas requiring further development to establish safer learning environments for young artists.

In the first study, we conducted 16 interviews with key CHE stakeholders, including students, equality officers, lecturers, and senior professionals, to explore shared and divergent perspectives on safety and prevention. Reflexive thematic analysis [6] was employed to identify key transformation levels required to enhance safety within CHE. The second study analyzed open-ended survey responses from 233 CHE students, capturing their visions of safer learning environments. Structured Tabular Thematic Analysis [7] was used to create a thematic map illustrating students' aspirations for institutional reforms and cultural shifts within CHE.

From the first study, we identified three levels of transformation necessary for improving safety: Community Transformation (emphasizing student well-being and enhanced communication among peers and staff); Institutional Transformation (addressing power dependencies and establishing strong internal and external support structures); and
Transformation of Knowledge and Norms (highlighting the importance of training, empowerment, and the establishment of clear guidelines for conduct).
The second study revealed students' aspirations for safer learning environments in ten themes and related subthemes, including their desires for cultural shifts and institutional reforms. These findings, combined and partly juxtaposted with those from the first study, exposed the limitations of current prevention approaches.

They reveal that current prevention strategies are insufficient and often focused on incremental reforms and response, rather than more systemic, transformative changes and fundamental violence prevention. The results suggest that CHE institutions need to adopt a broader societal perspective, acknowledging their responsibility not only in shaping the careers of future artists but also in embedding their talents within society. Supporting their role as creative contributors is essential for creating learning spaces where artists can thrive and contribute meaningfully to the creative industries using their full artistic capabilities.

Referenzen

[1] Fischer M, Veit S, Buspavanich P, Stadler G. Turning the spotlight: Hostile behavior in creative higher education and links to mental health in marginalized groups. PLoS One. 2025;20(1):e0315089. DOI: 10.1371/journal.pone.0315089.
[2] Payne C, Annetts D, Pohl N. Dignity in study: A survey of higher education institutions [Internet]. London: Incorporated Society of Musicians; 2018 [cited 2025 Apr 12]. Available from: https://www.ism.org/images/images/Equity-ISM-MU-Dignity-in-Study-report.pdf. [3] Kirschning A. Kunst braucht Nähe. Nähe braucht Regeln. Vom professionellen Umgang mit Grenzen in der musikalischen Ausbildung an Musikhochschulen. In: Pantelmann H, Blackmore S, editors. Sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt im Hochschulkontext: Herausforderungen, Umgangsweisen und Prävention. Wiesbaden: Springer Gabler; 2023. p. 83–94. DOI: 10.1007/978-3-658-40467-3_7. [4] Wickström D-E. Inside Looking In: Strategies to Counteract Misconduct in Artistic Teaching within Higher Music Education. In: Scharff C, Bull A, Nooshin L, editors. Voices for change in the Classical Music Profession: New ideas for tackling inequalities and exclusions. Oxford: Oxford University Press; 2023. p. 54–65. DOI: 10.1093/oso/9780197601211.003.0005.[5] Nussbaum MC. Education and Democratic Citizenship: Capabilities and Quality Education. J Hum Dev. 2006;7(3):385–95. DOI: 10.1080/14649880600815974.
[6] Braun V, Clarke V. Thematic Analysis: A practical guide. London: Sage Publications; 2021. [7] Robinson OC. Conducting thematic analysis on brief texts: The structured tabular approach. Qual Psychol. 2022;9(2):194–208. DOI: 10.1037/qup0000189 .
Frau Marina Fischer
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Berlin
CC1 Human- und Gesundheitswissenschaften, Arbeitsbereich Geschlechterforschung in der Medizin (GIM), Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin
#Poster #creative higher education #violence prevention #capabilities approach #thematic analysis #multi method study
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Hintergrund

Hitzetage und -perioden nehmen in Deutschland durch den Klimawandel stärker zu als im weltweiten Durchschnitt. Besonders vulnerable Gruppen, wie ältere Menschen, sind von den gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von Hitze betroffen [1]. Sachsen-Anhalt zählte bereits im Jahr 2018 zu den drei Bundesländern mit dem größten Anstieg der langjährigen Monatsmitteltemperatur April bis Juli [2]. Um die hitzebedingte Gesundheitsbelastung der Menschen in Sachsen-Anhalt zu untersuchen und die hitzeassoziierte Gesundheitskompetenz der Menschen durch gezielte Maßnahmen bestmöglich zu stärken, ist die Verwendung valider Daten aus unterschiedlichen Disziplinen notwendig. Vor diesem Hintergrund verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, den Bestand hitzerelevanter Geo-, Gesundheits-, Umwelt-, versorgungsnaher und demografischer Daten sowie Akteure für das Forschungsvorhaben „HiLSA – Hitzekompetenz gefährdeter Gruppen im Land Sachsen-Anhalt“ systematisch zu identifizieren. Neben einer detaillierten Erfassung und Analyse des Bestandes, soll zudem deren Verwendbarkeit für das Forschungsprojekt bewertet werden. Das Projekt HiLSA wird unter den Förderkennzeichen ZS/2023/12/182328 (Hochschule-Magdeburg-Stendal) und ZS/2023/12/182585 (Hochschule Harz) durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und das Land Sachsen-Anhalt gefördert.

Methode

Es wird eine systematische Bestandserhebung hitzerelevanter Geo-, Gesundheits-, Umwelt-, versorgungsnaher und demografischer Daten sowie Akteure durchgeführt. Das Vorgehen der Bestandserhebung wird an die Kriterien des PRISMA 2020 Statement für systematische Reviews [3] und an die Methoden der systematischen Onlinerecherche angelehnt und modifiziert diese. Zunächst werden, anhand von Expert:innengesprächen, einer systematischen Onlinesuche mit Google und mittels Schneeballverfahren, potentiell relevante Datenquellen und Akteure identifiziert und dokumentiert. Anschließend werden diese Quellen nach Themenbereichen (z.B. Gesundheitsdaten, Geodaten) kategorisiert, um eine gezielte thematische Recherche zu ermöglichen. Projektrelevante Datensätze werden nach zuvor definierten Ein- und Ausschlusskriterien (z.B. räumliche Bezugsbasis) ausgewählt. Die identifizierten Datensätze werden einzeln anhand ihrer Metadaten von zwei unabhängigen Autor:innen hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit für das Forschungsprojekt gesichtet und auf Grundlage verschiedener Kriterien (u.a. Aktualität, Zugänglichkeit, Urheberschaft) bewertet. Aufgrund der Komplexität, Heterogenität und der wachsenden Verfügbarkeit von Daten in Deutschland, wird das Vorgehen zudem von Expert:innen begleitet und der erhobene Bestand kontinuierlich um weitere Datenquellen ergänzt sowie entsprechend des Vorgehens systematisch bewertet.

Ergebnisse

Die systematische Vorgehensweise für Recherche, Selektion und Dokumentation hitzerelevanter Daten wurde anhand des Zensus 2022 [4] erfolgreich erprobt und für das Ziel der Bestandserhebung als geeignet erachtet. Das methodische Vorgehen soll dargestellt und diskutiert werden. Erste Erkenntnisse aus der Bestandserhebung verdeutlichen, dass nicht alle hitzerelevanten Daten verschiedener Fachdisziplinen aufgrund des Volumens und der Zugänglichkeit sowie in Anbetracht der kontinuierlichen Aktualisierung des Bestandes vollständig erfasst werden können. Des Weiteren ist es nicht möglich, den Auswahlprozess der Datensätze genau zu quantifizieren, da zentrale interdisziplinäre Datenbanken fehlen.

Diskussion

Die Arbeit identifiziert und dokumentiert systematisch den Bestand geeigneter Geo-, Gesundheits-, Umwelt-, versorgungsnaher und demografischer Daten sowie Akteure für Sachsen-Anhalt. Auf Grundlage der Ergebnisse sollen geeignete Datensätze gezielt ausgewählt und u.a. für räumliche Analysen zur Erforschung hitzebedingter Gesundheitsauswirkungen in Sachsen-Anhalt genutzt werden, beispielsweise zur Identifizierung regionaler Hitze- und Vulnerabilitäts-Hotspots. Damit leistet die Bestanderhebung eine wichtige Vorarbeit, um die Klimaresilienz Sachsen-Anhalts gegenüber Hitzeextremen zu stärken.

Referenzen

[1] Winklmayr C, Matthies-Wiesler F, Muthers S, Buchien S, Kuch B, an der Heiden M, et al. Hitze in Deutschland: Gesundheitliche Risiken und Maßnahmen zur Prävention. Journal of Health Monitoring. 2023 Sep 6;8(S4), 3-34. DOI: 10.25646/11645.
[2] Mohr S, Marx A. Deutschland im Hitzestress: Rekordwärme trifft Rekorddürre. Earth System Knowledge Platform [www.eskp.de]. 2018 Sep 5;5. DOI: 10.2312/10.2312/eskp.025.
[3] Page MJ, McKenzie JE, Bossuyt PM, Boutron I, Hoffmann TC, Mulrow CD, et al. The PRISMA 2020 statement: an updated guideline for reporting systematic reviews. BMJ. 2021 Mar 29;372:n71. DOI: 10.1136/bmj.n71.
[4] Statistische Ämter des Bundes und der Länder [Internet]. Eine neue Datenbasis für Deutschland - Zensus 2022; [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://www.zensus2022.de/DE/Home/_inhalt.html.
Frau Ena Peters
Hochschule Magdeburg-Stendal, Magdeburg
#Poster #Bestandserhebung #Daten #Hitze #Gesundheit #Klimawandel
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Einleitung
Vor dem Hintergrund zunehmender psychischer Belastungen bei Kindern und Jugendlichen und dem damit einhergehenden steigenden Bedarf an psychosozialen Hilfen, bei gleichzeitigen Engpässen in der psychosozialen Versorgung gewinnen digitale, meist onlinebasierte Interventionen (E-Mental Health) als ergänzende Versorgungsform an Bedeutung. Insbesondere unter dem Leitmotiv der gesundheitlichen Teilhabe und Mitgestaltung können E-Mental-Health Interventionen neue Zugangswege eröffnen und ggf. Barrieren abbauen und Versorgungslücken schließen [2,4]. Bislang fehlt es jedoch an zertifizierten E-Mental Health Interventionen für diese Zielgruppe. Diese Studie untersucht die Potenziale und Herausforderungen von E-Mental-Health Interventionen in der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen aus der Perspektive von Expert:innen und unterbreitet abschließend Handlungsempfehlungen.

Methoden
Im Rahmen einer Masterarbeit wurde eine qualitative Studie mit leitfadengestützten Expert:inneninterviews durchgeführt. Befragt wurden sechs Expert:innen aus der psychotherapeutischen Versorgung (Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen, Psycholog:innen, Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen). Ebenfalls eingeschlossen wurde eine schriftliche Beantwortung des Leitfadens durch eine mitarbeitende Person der Psychatriekoordination. Die Interviews wurden transkribiert und mittels der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz mit MAXQDA ausgewertet [1,3].

Ergebnisse
E-Mental Health Interventionen stellen bei sechs der sieben Expert:innen eine größere Chance als Herausforderung dar. Als Potenziale wurden u.a. die zeitliche und räumliche Flexibilität, die alltagsnahe Anwendung und Unterstützung über die Therapie hinaus sowie die hohe Technikaffinität der Zielgruppe, die den Zugang zur Anwendung erleichtert, genannt. Besonders für ländlich geprägte oder unterversorgte Versorgungslandschaften werden diese Tools als sinnvoll erachtet. Gleichzeitig wurden Herausforderungen beschrieben, darunter technische Hürden, eingeschränkte Zielgruppennutzung (z. B. bei kognitiven Einschränkungen) und notwendige individuelle Anpassung aber auch Datenschutzfragen und Hürden bei der Abrechenbarkeit digitaler Anwendungen. Der Einsatz wird frühestens ab einem Alter von 12 bis 14 Jahren als sinnvoll erachtet. Alle Expert:innen betonten, dass E-Mental Health Interventionen, besonders bei der Zielgruppe, den direkten menschlichen Kontakt nicht ersetzen können, sondern nur ergänzend und geleitet eingesetzt werden sollten. Der Einsatz solcher Interventionen ist in der Prävention, therapeutischen Behandlung und als Rezidivprophylaxe denkbar.

Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass E-Mental Health Interventionen vielversprechende Instrumente sein können, um die psychische Gesundheit und psychosoziale Teilhabe zu stärken, insbesondere für vulnerable Zielgruppen wie Kinder und Jugendliche. Allerdings sollten diese Angebote zertifiziert und niedrigschwellig zugänglich sein, um auch präventiv agieren zu können. Gleichzeitig erfordert es eine Anpassung der bestehenden Versorgungsstrukturen wie z.B. die Integration der Interventionen in bestehende Therapieangebote, sowie eine sorgfältige Implementierung, die Aspekte wie eine notwendige individuelle Anpassung und die therapeutische Beziehung bei der Zielgruppe berücksichtigt.

Schlussfolgerung
Digitale Interventionen können die psychotherapeutische Versorgung sinnvoll ergänzen und zur gesundheitlichen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen beitragen. Voraussetzung dafür ist eine Stärkung des politischen und gesellschaftlichen Bewusstseins und Diskurses für psychische Gesundheit, um dem Thema eine stärkere Position zu verleihen. Frühzeitige Aufklärung in Bildungseinrichtungen kann zur Entstigmatisierung beitragen. Zugleich ist die partizipative Einbindung von Kindern und Jugendlichen, Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen und Eltern in Forschung und Entwicklung notwendig, um bedarfsgerechte, alters- und krankheitsspezifisch, sowie akzeptierte digitale Angebote zu gestalten. Eine qualitätsgesicherte Regulierung des digitalen Angebotsmarkts ist ebenso erforderlich wie ein flächendeckender technischer Zugang und gezielte Schulungen für Fachkräfte. Insgesamt braucht es partizipativ entwickelte, evaluierte und nachhaltig eingebettete E-Mental Health Interventionen, um Teilhabe im Sinne von Public Mental Health zu fördern.

Referenzen

[1] Kuckartz U, Rädiker S. Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis,Computerunterstützung: Grundlagentexte Methoden. 5. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2022.
[2] Lincke L, Ulbrich L, Reis O, Wandinger E, Brähler E, Dück A et al. Attitudes toward innovative mental health treatment approaches in Germany: E-mental health and home treatment. Front Psychiatry 2022; 13:889555. DOI: 10.3389/fpsyt.2022.889555 .
[3] Rädiker S, Kuckartz U, Hrsg. Analyse qualitativer Daten mit MAXQDA. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden; 2019.
[4] Romanos M, Berg G, Brauer A, Jung M, Klein M, Kölch M et al. Wie sichern wir in Zukunft die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen? Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2024; 67(4):482–9. DOI: 10.1007/s00103-024-03858-w.
Frau Melina Niering
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Magdeburg
#Präsentation
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Hintergrund: Ausreichende körperliche Aktivität ist wichtig, um langfristig einer Vielzahl an Krankheiten entgegenzuwirken, jedoch erreicht nur etwa die Hälfte der Kinder den empfohlenen Umfang an körperlicher Aktivität [1]. Studien aus anderen Ländern weisen darauf hin, dass Kinder mit Förderbedarf noch größere Schwierigkeiten haben, die Bewegungsempfehlungen zu erreichen, auch aufgrund eines Mangel an geeigneten Bewegungsangeboten [2, 3]. Kindertageseinrichtungen (Kitas) bieten ein vielversprechendes Setting, um Kindern mit Förderbedarf Angebote zur Bewegung anzubieten, da der Großteil der Kinder in Deutschland eine Kita besucht. Es gibt Hinweise darauf, dass vor allem personelle Merkmale von Kita-Beschäftigten beeinflussen, wie viel sich Kinder mit Förderbedarf in Kitas bewegen [4]. Vor diesem Hintergrund wird untersucht, ob sich Kitas mit und ohne speziellem Bewegungsangebot für Kinder mit Förderbedarf im Hinblick auf personelle Merkmale des pädagogischen Personals unterscheiden.

Methode: Datengrundlage ist die „Befragung zum Stand der Bewegungsförderung in Kindertageseinrichtungen“ des BeweKi-Projekts des Robert Koch-Instituts. In einer zweistufigen Zufallsstichprobe wurden rund 5.500 Kitas aus ganz Deutschland aus einer Kita-Adressdatenbank des Deutschen Jugendinstituts gezogen. Die Datenerhebung erfolgte anhand eines standardisierten Papier- bzw. Onlinefragebogens von November 2022 bis Februar 2023. Pro Kita wurden eine Kitaleitung und eine Person des pädagogischen Personals zur Befragung eingeladen [5]. Die Analysestichprobe umfasst 1.647 Kitas, in denen sowohl die Kitaleitung als auch eine Person des pädagogischen Personals an der Befragung teilgenommen haben. Kitas, die angaben, in den vergangenen 12 Monaten mindestens einmal wöchentlich „spezielle Bewegungsangebote für Kinder mit Integrations- bzw. Förderbedarf“ durchgeführt zu haben, wurden mit Kitas mit keinen oder selteneren Angeboten verglichen. Folgende personelle Merkmale des pädagogischen Personals wurden analysiert: Zufriedenheit mit dem Personalschlüssel und den Weiterbildungsmöglichkeiten in Bezug auf Bewegung; Nutzung von Weiterbildung zur Bewegung; eigene körperliche Aktivität in der Freizeit; Bewegung mit den Kindern während der Bewegungsförderung. Um Unterschiede in den personellen Merkmalen zwischen Kitas mit und ohne einem speziellen Bewegungsangebot für Kinder mit Förderbedarf zu untersuchen, wurden explorativ Chi2 Tests (α≤0.05) durchgeführt.

Ergebnisse: 25,1% der Kitas gaben an, spezielle Bewegungsangebote für Kinder mit Förderbedarf zu haben. Diese Kitas unterschieden sich signifikant in allen berücksichtigten personellen Faktoren von Kitas ohne ein solches Angebot: Das Personal in Kitas mit einem speziellen Bewegungsangebot für Kinder mit Förderbedarf war zufriedener mit dem Personalschlüssel (56,1% vs. 40,9%) sowie den Möglichkeiten zur Weiterbildung im Bereich Bewegung (85,8% vs. 71,8%). Zudem nahm das Personal dieser Kitas häufiger an Weiterbildungen zu Bewegung teil (24,5 % vs. 17,8 %). 49,3% des Personals in Kitas mit einem speziellen Bewegungsangebot für Kinder mit Förderbedarf waren selbst häufiger mehr als 2 Stunden pro Woche körperlich-sportlich aktiv, im Vergleich zu 42,5% des Personals in Kitas ohne dieses Angebot. Sie gaben außerdem häufiger an, sich immer mit den Kindern gemeinsam zu bewegen (26,9% vs. 22,2%).

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse legen nahe, dass personelle Merkmale einen Einfluss darauf haben, ob in Kitas Bewegungsangebote für Kinder mit Förderbedarf angeboten werden. Eine Verbesserung des Personalschlüssels, Weiterbildungsangebote sowie eigene körperliche Aktivität des pädagogischen Personals könnten erfolgsversprechende Ansätze sein. Weitere Forschung ist erforderlich, um eine Konkretisierung der Bedingungen für die Implementierung von Bewegungsangeboten für Kinder mit Förderbedarf zu ermitteln und zu verbessern.

Referenzen

[1] Robert Koch-Institut (Hrsg.). 1. Quartalsbericht – Kindergesundheit in Deutschland aktuell (KIDA): Monitoring der Kindergesundheit in (und nach) der COVID-19-Pandemie. Ergebnisse des ersten Erhebungszeitraums 02-05/2022. Revidierte Fassung (Stand: 13.12.2022) [Zitiert am 15.04.2025]. Verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Themen/Nichtuebertragbare-Krankheiten/Studien-und-Surveillance/Studien/KIDA/1-Quartalsbericht-KIDA.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
[2] Bingham DD, Boddy LM, Ridgers ND, Stratton G. The Physical Activity Levels and Play Behaviours of Children with Special Needs: An Exploratory Cross-sectional Study. Archives of Exercise in Health and Disease. 2015;5(1-2):359-65 [Zitiert am 15.04.2025]. Verfügbar unter: https://www.researchgate.net/.publication/293826015_The_Physical_Activity_Levels_and_Play_Behaviours_of_Children_with_Special_Needs_An_Exploratory_Cross-sectional_Study.
[3] Piłatowicz K, Kinga Zdunek M, Molik B, Nowak AM, Marszałek J. Physical activity of children and youth with disabilities. Postępy Rehabilitacji. 2018:45-54. DOI: 10.5114/areh.2018.83394.
[4] Birk FF, Mirbek S. Inklusive Bildung und Bewegung in der frühen Kindheit: Wege zu einer bewegungsorientierten Bildung für alle. Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, 2021;27(1-2), 50–56 [Zitiert am 15.04.2025]. Verfügbar unter: https://ojs.szh.ch/zeitschrift/article/view/916.
[5] Hermann S, Krug S, Domanska OM, Wurm J, Romefort J, Kuger S, et al. Physical activity promotion in daycare centres in Germany: study protocol for a cross-sectional survey within the BeweKi study. BMJ Open. 2023;13(6):e070726. DOI: 10.1136/bmjopen-2022-070726.
Frau Marie Chiara Rissom
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Poster #Bewegungsförderung #Kinder mit Förderbedarf #Kindertagesstätten
11
Background: Berlin’s techno party scene faces challenges of high alcohol and substance consumption associated with health and social issues, including intoxication and (sexual) violence [1]. Recognising these challenges, the scene has evolved “Awareness Structures” (AS), on-site peer-to-peer programs aiming to address patrons’ well-being during club events. To date, there is a research gap in exploring the implementation and effectiveness of AS in techno clubs in Berlin. Existing literature examines comparable harm reduction approaches in nightlife settings, particularly in the US, Australia, and Europe suggesting positive effects [2-4]. Following the approach of an Australian study [4], this study explores currently operating AS in techno clubs in Berlin, focussing on strengths and weaknesses of the effective implementation of AS as harm reduction programs for patrons.

Methods: Between September and October 2023, seven semi-structured expert interviews, including five individual interviews, one paired interview, and one focus group interview were conducted with three key stakeholder groups: techno club managers (n = 3), event collective representatives (n = 4), and Awareness Persons (AP) working within AS (n = 6). The interviews explored stakeholders’ perceptions about the strengths and weaknesses of their AS. The data analysis followed Kuckartz’s qualitative content analysis method, employing a deductive-inductive strategy, and was performed using MAXQDA [5].

Results: Stakeholders identified a number of strengths that enhance the effectiveness of AS in techno clubs in Berlin as well as weaknesses that hinder its effectiveness. Perceived strengths included the qualified expertise of AP and additional training for other club staff, the reduced occurrence of severe incidents postimplementation, supervision for AP, and management’s commitment to prioritising patrons’ well-being. Perceived weaknesses included the inadequacy of training, the potential aggravation of situations with the implementation of AS, the lack of universal understanding and standards, psychological challenges faced by AP, and market forces.

Conclusion: The findings of this study contribute to understanding the complex dynamics of currently operating AS in techno clubs in Berlin. The potential strengths and weaknesses documented in this study, emphasise the importance of AS and suggest specific factors to be vital for its effective implementation as harm reduction programs for patrons.

Referenzen

[1] Schmolke R, Harrach T, Sterneck W, Eigenstetter P, Tietz K, Bahri S. In: akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, Deutsche Aidshilfe, editors. Safer Nightlife: Eine Aufgabe für Bund, Länder und Kommunen. Lengerich: Pabst Science Publishers; 2020. p. 59–67.
[2] Brunn J, Brunner S, Mütsch M. Preventive Interventions for Young Adults in Nightlife: Coproduction for a Systematic Literature Assessment Followed by a Stakeholder Dialogue Process. European addiction research. 2021;27(5):311–325. https://doi.org/10.1159/000511191.[3] Quigg Z, Bellis MA, Hughes K, Kulhanek A, Brito I, Ross-Houle K, et al. STOP-sexual violence: evaluation of a community-based nightlife worker awareness raising bystander training programme. European journal of public health. 2021;31(3):659–664. https://doi.org/10.1093/eurpub/ckaa245.[4] Wadds P, Doran CM, Shakeshaft A, Tran DA. "It’s like a safety net for when things go wrong": key stakeholder and program user perspectives on a peer-led safe space program in Sydney, Australia. Harm reduction journal. 2023;20(1):129. https://doi.org/10.1186/s12954-023-00854-2.[5] Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 4th ed. Weinheim: Beltz Verlagsgruppe; 2018.
Frau Lena Frey
Charité Universitätsmedizin Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Berlin
Berlin School of Public Health (BSPH), Berlin
#Poster #Recreational Drugs #Harm Reduction #Nightlife #Awareness #Qualitative Forschung
Do
18 Sep
09:30 - 10:00
PW5
Beeinträchtigungen und innovative Versorgung
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1

Hintergrund

Sehbehinderungen schränken die Selbstständigkeit und soziale Teilhabe der Betroffenen ein und gehen oft mit psychosozialen Belastungen einher. Die rehabilitative Versorgung umfasst medizinische, berufliche, psychosoziale und technische Unterstützung, sie wird aber oft nicht dem Bedarf entsprechend genutzt. Zu den Gründen zählen motivationale Widerstände der Betroffenen, aber auch mangelnde Kenntnis der Angebote und schließlich auch fehlende Transparenz des Versorgungssystems [2]. Augenärzt*innen spielen als „Gatekeeper“ [1] eine zentrale Rolle für die Betroffenen, weil sie von ihnen regelmäßig Bescheinigungen benötigen. Bei dieser Gelegenheit können Menschen mit Sehbehinderung und Erblindung frühzeitig beraten und auf wichtige Versorgungsangebote hingewiesen werden.
Zielsetzung: In der explorativen Studie sollen das Selbstverständnis von Augenärzt*innen und ihre Rolle in der rehabilitativen Versorgung geklärt sowie die Herausforderungen untersucht werden, die es ihnen ggf. erschweren, Patient*innen im Zugang zur Rehabilitation zu unterstützen.

Methode

Es wurde eine qualitative Interviewstudie durchgeführt. Von über 40 kontaktierten ambulant tätigen Augenärzt*innen konnten fünf aus Würzburg und Umgebung (vier Männer, eine Frau, durchschnittlich 58 Jahre alt und 30 Jahre Berufserfahrung) mittels halbstrukturierter Interviews zu ihrer Rolle in der rehabilitativen Versorgung befragt werden. Die Interview dauerten durchschnittlich 27 Minuten, mit einer Spannbreite von 12 bis 46 Minuten. Sie wurden aufgezeichnet, mit der Software f4x transkribiert und mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring in MAXQDA ausgewertet.

Ergebnisse

Die tatsächlich übernommenen Aufgaben der befragten Augenärzt*innen variierten, abhängig von dem individuellen Verständnis ihrer Rolle in der rehabilitativen Versorgung. Während Einige konkrete Beratungen zur Rehabilitation zu ihren Aufgaben zählten, sahen sich Andere ausschließlich in weiterleitender oder dienstleistender Funktion. Als zentrale Herausforderung wurde Zeitmangel identifiziert, der durch finanziellen Druck und hohes Patient*innenaufkommen bedingt ist. Die Interviewten zeigten unterschiedliche Ansätze in der Weiterleitungspraxis, kannten nur vereinzelt regionale rehabilitative Angebote; eine systematische Zusammenarbeit mit diesen Stellen fehlte.

Diskussion

Die Ergebnisse legen nahe, dass Augenärzt*innen aufgrund von Zeitmangel oft keine ausführliche Beratung leisten können. Um Patient*innen gezielt weiterleiten zu können, benötigen sie umfassendere Kenntnisse der Unterstützungsangebote. Auch eine stärkere Vernetzung mit rehabilitativen Einrichtungen könnte die Transparenz des Systems verbessern, etwa indem Berater*innen in Augenarztpraxen präsent sind. Standardisierte Prozesse für die Weiterleitung oder der stärkere Einbezug von Praxisassistent*innen in die Beratung könnten sie entlasten und die Inanspruchnahme rehabilitativer Angebote erhöhen. Für eine umfassende Betrachtung müssten die verschiedenen Akteure im Versorgungssystem und die Erfahrungen von Betroffenen einbezogen werden. Weitere, v.a. quantitative Studien sollten die identifizierten Aufgaben und Herausforderungen und mögliche Ansätze zur Verbesserung des Versorgungssystems in einer repräsentativen Stichprobe untersuchen.

Referenzen

[1] Christ SL, Zheng DD, Swenor BK, Lam BL, West SK,
Tannenbaum, SL, et al. (2014). Longitudinal Relationships Among Visual Acuity,
Daily Functional Status, and Mortality: The Salisbury Eye Evaluation Study. JAMA Ophthalmology,
132(12), 1400–1406. https://doi.org/10.1001/jamaophthalmol.2014.2847.
[2] Seifert A, Pfeuffer
A (2023). Endbericht zur Studie „PROVIAGE“. Psychosoziale Versorgungs- und
Überweisungslücken bei Sehbehinderung im Alter. Olten, HSA FHNW.
[3] Wistuba M (2011). Gestaltung medizinisch-sozialer Netzwerke: ein Beitrag zur Versorgungsforschung
am Beispiel der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD). Frankfurt am Main,
Peter Lang. https://doi.org/10.3726/b13576.
Herr Heiner Vogel
Universitätsklinikum Würzburg, Zentrum für Psychische Gesundheit, Arbeitsgruppe Rehabilitationswissenschaften, Würzburg
#Poster #Ambulante Versorgung, Reha-Zugang
2
Hintergrund
Die unzureichende (rehabilitations-)medizinische Versorgung von Menschen mit geistiger und/oder mehrfacher Behinderung (MgmB) ist ein bekanntes Problem. Häufig werden diese Patientinnen und Patienten als „nicht rehabilitationsfähig“ eingestuft [1], da bestehende Rehabilitationsstrukturen oftmals nicht hinreichend an ihre spezifischen Bedürfnisse angepasst sind [2]. Medizinische Zentren für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) bieten zwar eine grundlegende gesundheitliche Versorgung, können jedoch keine umfassende rehabilitative Betreuung gewährleisten. Eine gesetzlich noch nicht mögliche indikationsübergreifende mobile Rehabilitation wäre für diese Zielgruppe eine möglich rehabilitative Versorgungsstruktur [3]. Derzeit erhalten Menschen mit MgmB in der Regel anstelle einer medizinischen Rehabilitation, Physiotherapie und/oder Ergotherapie im ambulanten oder häuslichen Setting.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob eine sozialraumorientierte Rehabilitation eine geeignete Alternative darstellt, um bestehende Versorgungslücken für Menschen mit MgmB zu schließen.

Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie [4] wurde die sozialraumorientierte Rehabilitation für Menschen mit MgmB erprobt. Die durchgeführten rehabilitationsmedizinischen und therapeutischen Maßnahmen wurden systematisch analysiert. Zur individuellen Ergebnismessung kamen ein selbst entwickelter Fragebogen in Leichter Sprache sowie der Barthel-Index zum Einsatz.

Die Rehabilitation erstreckte sich für die 15 teilnehmenden Personen über einen durchschnittlichen Zeitraum von sieben Wochen. Im Rahmen der Maßnahme erhielten die Teilnehmenden drei- bis viermal wöchentlich 60-minütige physiotherapeutische sowie 45-minütige ergotherapeutische Sitzungen. Zusätzlich wurden individuell erweiterte Therapieangebote bereitgestellt. Der Barthel-Index zeigte im Durchschnitt eine Verbesserung um sieben Punkte.

Die sozialraumorientierte Rehabilitation erweist sich trotz des hohen organisatorischen Aufwands als eine vielversprechende Alternative zu den bestehenden Versorgungsstrukturen im Gesundheitssystem.

Referenzen

[1] Hasseler M. Menschen mit geistiger und mehrfachen Behinderungen
als vulnerable Bevölkerungsgruppe in der gesundheitlichen Versorgung.
Ausgewählte Ergebnisse einer qualitativ-explorierenden Untersuchung mit dem
Fokus auf defizitäre Erfahrungen. Rehabilitation 2015; 54: 369-375. DOI:
https://doi.org/10.1055/s-0041-108468.
[2] Egen C, Busche T, Bethge M, Bassler M, Gutenbrunner C. Ist
das Konstrukt der Rehabilitationsfähigkeit in seiner Anwendung durch DRV und
GKV ausgrenzend? Ein Diskussionsbeitrag. Rehabilitation 2024; 63(2): 72-77;
DOI: https://doi.org/10.1055/a-2263-2627.
[3] Wilke C, Siegert R,
Warnach M, Beyer J, Emmerich J, Reckert M, et al. Mobile Rehabilitation erweitert denken – zur
Implementierung einer Mobilen 
indikationsübergreifenden Rehabilitation. Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin,
Kurortmedizin 2024; 34(04): 185-187. DOI: https://doi.org/10.1055/a-2353-6254.
[4] Gartmann J, Förster K, Bökel A,
Busche T, Egen C. Feasibility study of an experimental social
space-oriented rehabilitation concept for people with intellectual and/or
multiple disabilies: a study protocol. BMJ Open 2025; 15: e085390.
DOI: https://doi.org/10.1136/bmjopen-2024-085390.
Frau Judith Gartmann
Klinik für Rehabilitations- und Sportmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
#Präsentation #Behinderung #Rehabilitation #Teilhabe #Inklusion
3
This pilot project (January 2024 – December 2025) investigates the role of art therapy in enhancing wellbeing within museum settings. Conducted by art therapists—postgraduate alumni of Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin (SFU)—in collaboration with the Staatliche Museen zu Berlin (SMB), the study explores art therapeutic approaches in non-clinical environments. The intervention is a monthly workshop series held at the Altes Museum, located on Berlin’s reconstructed Museum Island.

The program seeks to strengthen collaborations between the arts and health sectors while piloting art therapeutic interventions in museums. Led by two art therapists working in tandem, the series explores the intersection of art education and art therapy within these settings. By integrating receptive art therapeutic tools, the workshops foster deep introspection and promote trauma-informed practices in alignment with WHO recommendations to harness the healing power of the arts across the lifespan. Utilizing Slow Looking art encounters, the project creates supportive environments that encourage transformative experiences through creative practices and calm, playful dialogue.

Methodologically, the study employs instruments such as the Aesthetic Experience Questionnaire (AEQ) to measure aesthetic responses to artworks and the UCL Museum Wellbeing Measures Toolkit to assess psychological wellbeing using a pre–post design. Findings from the 18 participants (N = 18) contribute to developing non-stigmatizing, inclusive frameworks for implementing art therapy in museums.

Ultimately, the project argues that museums must prioritize accessibility to ensure that all visitors feel welcome and safe. Our plan for the future is to implement further studies that advance this field by expanding these methods to include a broader participant sample—particularly patients with psychological conditions—and by incorporating additional instruments to assess detailed psychological constructs such as loneliness, inclusion, and participation. The final goal is to generate more in-depth knowledge for future projects and to develop a multimodal approach to mental health prevention that is deeply integrated into the public health sector.

Referenzen

[1] Bloss N, Utasch U. Begegnung ist Kunst ist Begegnung. Joseph Beuys – Eine Werkbetrachtung. Musik-, Tanz- & Kunsttherapie. Zeitschrift für künstlerische Therapien im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen. 2024;34(1):11–21. DOI: 10.2440/005-0017 [2]Büter M. Slow-Looking. Musik-, Tanz- & Kunsttherapie. Zeitschrift für künstlerische Therapien im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen. 2024;34(1):42–49. DOI: 10.2440/005-0021 [3]Büter M, Chamberlain R. Art galleries as potential wellbeing centres of the future. Musik-, Tanz- & Kunsttherapie. Zeitschrift für künstlerische Therapien im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen. 2024;34(1):50–64. DOI: 10.2440/005-0022 [4]Cowan B, Laird R, McKeown J. Museum object, health and healing. Routledge; 2019. DOI: 10.4324/9780429467813[5]Föhl PS, Baum S, Eckert S. Das barrierefreie Museum: Theorie und Praxis einer besseren Zugänglichkeit. Transcript; 2007. [6]Franzen G, Menzen KH, editors. An der Schnittstelle von Kunst & Psychotherapie. Claus Richter; 2025. [7]Franzen G, Otto J, editors. Rezeptive Kunsttherapie im Museum. Pabst Science Publishers; 2024. DOI: 10.2440/005-0015 [8]Franzen G. Kunst als Ressource für die seelische Gesundheit. In: Becker S, Chochkona Giese K, Korowin E, editors. Heilende Kunst – Wege zu einem besseren Leben. Deutscher Kunstverlag; 2024. p. 101–112. [9]Franzen G. Positive psychotherapy and art. The Global Psychotherapist. 2023;3(2):96–108. [10]Franzen G, Menzen KH. Rezeptive Kunsttherapie: Das künstlerische Bild im Leidenszusammenhang des Patienten. Karl Alber; 2022. [11]Franzen G, editor. Kunst und seelische Gesundheit [Art and mental health]. Medizinisch-Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2009. [12]Fuchs C, editor. Gesundheit im Museum 2019/2020: Projekte und Evaluation. Stadtkultur Netzwerk Bayerische Städte e. V.; 2022. [13]Greiner K, Jandl MJ, Burda G. Der Psycho-Bild-Prozess und andere Beiträge zu Psychotherapiewissenschaft und Philosophie. Sigmund-Freud-Privatuniversitätsverlag; 2013. [14]Kahl Y. Inklusion und Teilhabe aus der Perspektive von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Psychiatrie Verlag; 2016. [15]Pöppel S. Das therapeutische Potenzial der Kunstrezeption: Studien zur rezeptionsästhetischen und bildwissenschaftlichen Grundlegung einer rezeptiven Kunsttherapie. Logos Verlag Berlin; 2015. [16]Poltrum M. Universitäres Psychotherapiestudium: Das Modell der Sigmund Freud Privatuniversität. In: Pritz A, Fiegl J, Laubreuter H, Rieken B, editors. Universitäres Psychotherapiestudium. Pabst Science Publishers; 2020. p. 32–48. [17]Sarbia K. Bildwahrnehmung als kunsttherapeutische Praxis. In: Majer H, Niederreiter L, Staroszynski T, editors. Kunstbasierte Zugänge zur Kunsttherapie: Potentiale der Bildenden Kunst für die kunsttherapeutische Theorie und Praxis. Kopaed; 2015. p. 187–196. [18]Schuster M, Ameln-Haffke H. Museumspsychologie: Erleben im Kunstmuseum. Hogrefe; 2006. [19]Tschacher W, Greenwood S, Kirchberg V, Wintzerith S, Van Den Berg K, Tröndle M. Physiological correlates of aesthetic perception of artworks in a museum. Psychol Aesthet Creat Arts. 2012;6(1):96–103. DOI: 10.1037/a0023845[20]WHO-Regionalbüro für Europa. What is the evidence on the role of the arts in improving health and well-being? A scoping review. 2019. Available from: https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/329834/9789289054553-eng.pdf [21]Zeki S. Glanz und Elend des Gehirns: Neurobiologie im Spiegel von Kunst, Musik und Literatur. Reinhardt; 2010.
Frau Maria Büter
Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin, Berlin
#Poster #ko-kreative Ansätze #Kunsttherapie #interdisziplinäre Psychotherapieforschung #kulturelle Teilhabe #Gesundheitsförderung & Prävention
4
Gemeinsam auf den Gipfel – Ein ko-kreatives und iteratives Beteiligungsformat für zukunftsfähige Bildungskultur

Hintergrund

Wie gelingt echte Teilhabe in schulischen Veränderungsprozessen – jenseits symbolischer Mitbestimmung?
Im Sinne des DGSMP-Leitthemas „Teilhabe und Ko-Kreation“ präsentiert dieser Workshop ein kulturpsychologisch fundiertes, erlebnisorientiertes Beteiligungsformat, das Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte als gleichberechtigte Ko-Akteur*innen zusammenbringt.
Der Prozess ist als metaphorische Expedition ‚Reise in die Zukunft der Bildung‘ gestaltet – mit den Etappen Vorbereitung, Aufstieg, Gipfel, Abstieg und Rückblick. Dieses bildhafte, partizipative Setting schafft emotionale Zugänge, strukturiert komplexe Themen und fördert kreative, lösungsorientierte Denk- und Handlungsprozesse.

Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer Zeit multipler Krisen auf: Klimaangst, Kriege, Zukunftssorgen und insbesondere die Nachwirkungen der Pandemie belasten junge Menschen. Die Pandemie verstärkte Belastungen, entzog Heranwachsenden elementare Entwicklungsräume und verschärfte bestehende Chancenungleichheiten, was bis heute Auswirkungen auf mentale wie körperliche Fähigkeiten hat. Gleichzeitig zeigen viele junge Menschen enorme Resilienz und entwickeln eigene Bewältigungsstrategien – doch sie finden bislang weder ausreichend Beachtung noch Eingang in schulische Strukturen.
Heranwachsende wünschen sich heute vor allem eines: gesehen zu werden – in ihrer Einzigartigkeit, mit ihren Sorgen, Perspektiven und eben ihren Stärken. Sie wünschen sich echte Mitgestaltung, Wertschätzung und Räume, in denen ihre Stimmen zählen.

Methode
Das vorgestellte Format „Reise zur Bildung der Zukunft“ setzt hier an: Es schafft einen emotional sicheren und kreativen Raum, in dem Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte gemeinsam Perspektiven austauschen, Beziehungsräume stärken und konkrete Impulse für eine resiliente, partizipative Bildungskultur entwickeln.
Ziel ist es, gegenseitiges Verständnis zu fördern, Beziehung zu stärken und gemeinsam konkrete Impulse für eine wertschätzende, resiliente und zukunftsgerichtete Lernkultur zu entwickeln. Es wird ein emotionaler Zugang zu eigenen Bedürfnissen wie zu den anderen Mitwirkenden geschaffen. Dabei richtet sich der Fokus auf alle zentralen Protagonisten im Wirkungsraum Schule: Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern. Denn Schule ist weit mehr als eine Lehrinstitution – sie ist ein sozialer Lebens- und Erfahrungsraum.

Das Format gliedert sich in drei Phasen:
Vorbereitung:
  • Vertrauensaufbau, gemeinsames Ankommen und Zielklärung
  • Entwicklung eines Teamspirits und Festlegung gemeinsamer Werte
Aufstieg & Gipfel:
  • Sichtbarmachen aktueller Herausforderungen (z. B. Schulklima, Leistungsdruck, fehlende Teilhabe)
  • Ko-kreative Entwicklung von Lösungsideen (z. B. Feedbackformate, neue Lernräume und -formate, Schulfach ‚Herausforderungen‘)
  • Erprobung und Präsentation erster prototypischer Umsetzungsschritte
Abstieg, Rückblick & Feiern:
  • Integration der Erfahrungen durch kreative Dokumentation
  • Planung schulinterner Veranstaltungen
  • Sichtbarmachung der Ergebnisse – z. B. Peer-to-Peer-Projekte, Medienarbeit und Öffentlichkeitsformate
Ergebnisse
Die Schüler*innen agieren als Multiplikatorinnen und kommunizieren ihre Ergebnisse – intern wie extern: stolz, wirksam und öffentlichkeitswirksam. So entstehen Selbstwirksamkeitserleben und eine Kultur des Gehörtwerdens und der gemeinsamen Gestaltungskraft. Ideen können direkt als Prototypen erprobt und modifiziert werden.
Das Format stärkt demokratische Teilhabe, psychosoziale Gesundheit und eine wertschätzende Beziehungskultur im Schulalltag. Es basiert auf kulturpsychologischer Forschung und ist flexibel übertragbar – etwa auf Unternehmen, Jugendhilfe oder kommunale Beteiligungsprozesse.

Diskussion
Transformation gelingt, wenn vielfältige Perspektiven gehört und kreative Potenziale aktiviert werden.
Dieses Format bietet dafür den passenden Rahmen: partizipativ, erfahrungsorientiert und zukunftsgerichtet. Es verbindet kreative Methoden, systemische Moderation und partizipative Didaktik mit gesundheitsfördernden Public-Health-Zielen: psychische Resilienz, Beziehungskompetenz, Chancengerechtigkeit und gesellschaftliche Mitgestaltung. Und macht vor allem eins: Spaß!
Frau Diplom Psychologin Birgit Langebartels
Birgit Langebartels (Jahrgang '68) ist Diplom-Psychologin mit eigenem Unternehmen (b.forscht) und arbeitet seit über 25 Jahren in der qualitativen Forschung. Ihr Schwerpunkt liegt auf tiefenpsychologischer Forschung, Analyse und Beratung, um komplexe Fragestellungen verstehbar und handlungsfähig zu machen. Mit b.forscht begleitet sie Organisationen in kollaborativen, co-kreativen Prozessen und verbindet psychologische Forschung mit praktischer Umsetzung. Langebartels ist als Gastdozentin für angewandte Psychologie tätig und setzt sich für partizipative Ansätze in Forschung und Praxis ein. Birgit Langebartels ist verheiratet, Mutter von drei Söhnen und lebt in Köln.
#Workshop 60 #Teilhabe, Co-Creation, Forschung
Do
18 Sep
10:00 - 10:30
PW6
Studierende & COVID-19
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1

Hintergrund

Gesundheitliche Ungleichheiten bei Studierenden rückten erst in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus epidemiologischer Forschungsarbeiten. Eine bislang vernachlässigte Gruppe im Hochschulkontext stellen First-Generation-Studierende dar. Dabei handelt es sich um sogenannte Erstakademiker:innen, die als Erste in ihrer Familie studieren. Zur Ergänzung der bisherigen Forschung im Bereich der gesundheitlichen Ungleichheiten wird in dieser Arbeit der Zusammenhang zwischen dem akademischen Hintergrund der Eltern und der Gesundheit von Studierenden exploriert.

Methode

Insgesamt nahmen 1.105 Studierende (Durchschnittsalter: 25,51 Jahre) aus ganz Deutschland an einer quantitativen Online-Befragung teil. Die im Rahmen eines DFG-Projekts durchgeführte Erhebung enthielt unter anderem die Gesundheitsoutcomes allgemeine Gesundheit, subjektives Wohlbefinden, Burnout sowie Stress. Um Unterschiede zwischen First-Generation-Studierenden und Studierenden aus Akademikerhaushalten zu untersuchen, wurden multivariate Regressionsanalysen eingesetzt, die für Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, Hochschulart, Semester und Studienfach kontrolliert wurden.

Ergebnisse

Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmenden gab an, als Erste in der Familie zu studieren (51,2 %, n = 555), während bei 28,5 % (n = 310) ein Elternteil und bei 20,3 % (n = 221) beide Elternteile einen Hochschulabschluss erworben hatten. Die multivariaten Regressionsanalysen ergaben, dass First-Generation-Studierende eine schlechtere allgemeine Gesundheit berichteten als Studierende mit einem (β = 0,114, p < 0,001) oder mit zwei akademischen Elternteilen (β = 0,162, p < 0,001). Dasselbe Muster fand sich auch für das subjektive Wohlbefinden (ein Elternteil: β = 0,112, p < 0,001; zwei Elternteilen: β = 0,192, p < 0,001). Für Burnout und Stress fand sich ein schwächerer, aber dennoch signifikanter Unterschied zwischen First-Generation-Studierenden und Studierenden mit zwei akademisch gebildeten Elternteilen (β = -0,099, p = 0,002; β = -0,087, p = 0,007).

Diskussion

Unsere Ergebnisse deuten auf einen sozialen Gradienten zwischen First-Generation-Studierenden und Studierenden aus Akademikerhaushalten hinsichtlich der allgemeinen Gesundheit und des subjektiven Wohlbefindens hin. Studierende aus Akademikerhaushalten scheinen weniger anfällig für Burnout und Stress zu sein. Dies impliziert, dass Studierende, die als Erste in ihrer Familie ein Studium aufnehmen, mehr Ressourcen benötigen, um ihr Studium gesund gestalten zu können. Der akademische Hintergrund der Eltern von Studierenden kann ein wichtiger Ansatzpunkt für die Reduzierung von gesundheitlichen Ungleichheiten an Hochschulen sein. In Diskussionen über Bildungsgerechtigkeit sollten daher gesundheitliche Aspekte vermehrt Berücksichtigung finden.
Frau Corinna A. Södel
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
#Poster
2

Hintergrund

Studierende schildern zunehmend ein schlechteres Wohlbefinden und häufigere Einsamkeit. Eine mögliche Determinante dafür stellt die wahrgenommene universitäre Ungerechtigkeit dar. Allerdings wurde die spezifische Beziehung von wahrgenommener Ungerechtigkeit an der Universität und Einsamkeit bislang nicht wissenschaftlich untersucht. Inwiefern zwischen wahrgenommener universitärer Ungerechtigkeit, Einsamkeit und Wohlbefinden von Studierenden an deutschen Hochschulen ein Zusammenhang besteht, soll in dieser Arbeit exploriert werden.

Methode

Im Rahmen eines DFG-geförderten Projekts wurde eine bundesweite Befragung unter Studierenden (n = 1.105) durchgeführt. Neben der Erhebung soziodemografischer Angaben der Studierenden wurden etablierte und validierte Messinstrumente eingesetzt, unter anderem zu wahrgenommener universitärer Ungerechtigkeit (University Fairness Questionnaire; UFair), Einsamkeit (6-item De-Jong-Gierveld-Skala) und Wohlbefinden (WHO-5 Well-being Index). Zur statistischen Auswertung wurden multivariate Regressionen und eine Mediationsanalyse (PROCESS-Makro von Hayes) herangezogen. Die Analysen wurden adjustiert für soziodemografische Faktoren (Geschlecht, internationale Studierende), sozioökonomische Faktoren (BAföG, Nebenjob) und studienbezogene Faktoren (Studienfach, Semester).

Ergebnisse

Die statistischen Analysen zeigten signifikante Assoziationen zwischen wahrgenommener universitärer Ungerechtigkeit und allgemeiner Einsamkeit (β = 0,327, p < 0,001), emotionaler Einsamkeit (β = 0,334, p < 0,001) sowie sozialer Einsamkeit (β = 0,205, p < 0,001). Die Mediationsanalyse ergab einen negativen Zusammenhang zwischen wahrgenommener universitärer Ungerechtigkeit und dem Wohlbefinden von Studierenden (β = -0,114, p < 0,05), welcher vollständig durch die allgemeine Einsamkeit mediiert wurde. Sowohl die emotionale (ß = -0,073, p < 0,05) als auch die soziale Einsamkeit (ß = -0,041, p < 0,05) vermittelten die Mediation.

Diskussion

Unsere Analysen zeigen, dass Studierende, die das Setting Hochschule als gerecht wahrnehmen, weniger Einsamkeit und ein höheres Maß an Wohlbefinden berichten. Hochschulmitarbeitende, Dozierende und Studierende sollten daher für das Thema wahrgenommene Ungerechtigkeit an Hochschulen sensibilisiert werden. Emotionale Einsamkeit scheint in stärkerem Maße mit der Wahrnehmung von Ungerechtigkeit an Universitäten assoziiert zu sein als soziale Einsamkeit. Zukünftige Studien sollten untersuchen, ob auch in anderen Ländern ein Zusammenhang zwischen wahrgenommener universitärer Ungerechtigkeit, Einsamkeit und studentischem Wohlbefinden beschrieben werden kann oder ob das Phänomen kulturabhängig ist.
Frau Corinna A. Södel
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
#Poster
3
Hintergrund: Die Covid-19-Pandemie brachte globale Gesundheits- und Informationsherausforderungen mit sich, wobei die Impfung eine zentrale Rolle im Management der Krise spielte. Angesichts der unterschiedlichen Einstellungen zur Covid-19-Impfung und der Vielfalt an Informationsquellen im Internet ist es entscheidend zu verstehen, wie Nutzer:innen Informationen suchen und verarbeiten. Während frühere Studien häufig das Impfverhalten im Allgemeinen untersucht haben [1,2] und einen Zusammenhang zwischen Impfeinstellung und Informationsverhalten feststellten [3], fehlt bisher eine differenzierte Auswertung spezifischer Nutzergruppen. Dies ist das Ziel der vorliegenden Analyse, Nutzergruppen basierend auf ihrem Online-Informationsverhalten zur Covid-19-Impfung zu identifizieren. Auf dieser Basis lassen sich zudem Empfehlungen für gezielte Kommunikationsstrategien zur Verbesserung der Impfbereitschaft ableiten.

Methode: 1.000 Personen eines Online-Panels wurden im Zeitraum vom 26.11.2021 - 08.12.2021 zur Internetnutzung bzgl. der COVID-19-Impfung befragt. Die Nutzergruppen wurden mittels einer hierarchischen Clusteranalyse auf der Grundlage der Variablen Häufigkeit der Nutzung von Onlineinformationen und der jeweils genutzten Kanäle bzw. der Gründe für deren Nutzung gebildet (Distanzmaß Gower-Distance, N = 778). Die optimale Clusteranzahl wurde durch die Elbow- und Silhouette-Methode ermittelt. Zudem wurde eine Diskriminanzanalyse durchgeführt, um die Klassifizierungsgenauigkeit der identifizierten Cluster zu bewerten.

Ergebnisse: Drei Nutzergruppen ließen sich differenzieren: 1) die „Häufig nutzenden (Kritisch-) Faktenorientierten“ (58,4 %), die gezielt offizielle Informationsquellen konsultieren; 2) die „Gelegentlich passiv Nutzenden“ (28,5 %), die selten aktiv nach Informationen suchen; und 3) die „Häufig Multikanalnutzenden Interaktivorientierten“ (13,1 %), die verschiedene Kanäle nutzen und aktiv den Austausch mit Gleichgesinnten suchen. Die Diskriminanzanalyse zeigte eine Klassifizierungsgenauigkeit von 86,4 %, was auf eine hohe Reliabilität der Clusteranalyse hinweist.

Diskussion: Die Ergebnisse verdeutlichen signifikante Unterschiede im Informationsverhalten während der Corona-Pandemie, die sich in den drei identifizierten Nutzergruppen widerspiegeln. Zukünftige Kommunikationsstrategien zur Covid-19-Impfung sollten gezielt auf die verschiedenen Nutzerpräferenzen abgestimmt werden, um eine informierte Entscheidung zur Impfung sicherzustellen und damit gleichzeitig auch die Gesundheitskompetenz zu stärken. Für die Nutzergruppe 1, der mehr als die Hälfte aller Nutzer:innen angehören, sollten evidenzbasierte, detaillierte Informationen auf öffentlich-rechtlichen Kanälen bereitgestellt werden. Die Nutzergruppe 2 könnte durch niedrigschwellige und leicht verständliche Formate, z. B. kurze Erklärvideos, besser erreicht werden. Dagegen könnte die Nutzergruppe 3 von interaktiven Formaten, beispielsweise in den sozialen Medien, mehr profitieren.

Referenzen

[1] Bartig S, Müters S, Hoebel J, Schmid-Küpke NK, Allen J, Hövener C. Soziale Unterschiede im COVID-19-Impfstatus – Ergebnisse der Studie GEDA 2021. Journal of Health Monitoring 2023(S2).
[2] Wulkotte E, Schmid-Küpke NK, Neufeind J, Wichmann O. COVID-19-Impfquotenmonitoring in Deutschland als Einwanderungsgesellschaft (COVIMO-Fokuserhebung): Report 9 [Internet]; 2022 [cited 2025 Apr 2]. Available from: https://www.rki.de/DE/Themen/Infektionskrankheiten/Impfen/Forschungsprojekte/abgeschlossene-Projekte/COVIMO/Downloads_Uebersetzungen/COVIMO-9-Report-Deutsch.html.
[3] Kourlaba G, Kourkouni E, Maistreli S, Tsopela C-G, Molocha N-M, Triantafyllou C, et al. Willingness of Greek general population to get a COVID-19 vaccine. Glob Health Res Policy 2021;6(1):3.
Frau Lisa Schmidt
Universität Osnabrück, Institut für Gesundheitsforschung und Bildung, Osnabrück
#Poster #Online-Informationsverhalten #COVID-19-Impfung #Nutzergruppen
4
​​​​Hintergrund: Die Auswirkungen einer Long- bzw. Post-COVID-Erkrankung sind für Betroffene und auch deren Angehörige enorm [1]. Noch immer ist nicht genau bekannt, wie viele Menschen hiervon betroffen sind. Schätzungen gehen von 5-15% aller SARS-CoV-2-Infizierten aus [2]. Ihre Versorgungssituation ist trotz erster existierender Leitlinien teils hochproblematisch [3]. So fühlen sich ambulante Behandelnde mit der Betreuung häufig überfordert [4].
Mittels einer umfassenden Datensammlung möchte das Innovationsfonds-Projekt "Die Versorgungssituation von Long-/Post COVID-Betroffenen verbessern (LCovB)" die Prävalenz ärztlich diagnostizierter Post-COVID-Erkrankung und die Versorgungssituation von Long-/Post-COVID-Erkrankten bestimmen, Versorgungslücken und -hindernisse identifizieren und daraus von Eckpunkte für eine Versorgungsoptimierung ableiten insbesondere für die ambulante Versorgung schwer und langandauernd Erkrankter, unterstützt von einem Expert:innenpanel aus Fachpersonen und Betroffenen.
Methoden: Das Innovationsfonds-Projekt LCovB besteht aus mehreren Studienmodulen.
1. Im Rahmen einer Vollerhebung von Versicherten von 48 Betriebskrankenkassen mit der Diagnose Post-COVID-Zustand (U09.9) werden die Prävalenz von Post-COVID bestimmt und Versorgungsverläufe von Betroffenen analysiert.
2. Es wird eine standardisierte, schriftliche Befragung von n=200 BKK-Versicherten mit Post-COVID durchgeführt u.a. mit den Themen Gesundheitszustand, Erwerbssituation, Alltagsaktivitäten, Symptomatik und Versorgung (Inanspruchnahme, Barrieren, Zufriedenheit)
3. Zur vertieften Exploration der Versorgungssituation werden mit n=15 Post-COVID-Betroffenen leitfadengestützte Interviews durchgeführt, verschriftlicht und inhaltsanalytisch ausgewertet.
4. Eine Subgruppe von n=15 besonders schwer erkrankten, hausgebundenen Personen mit Post-COVID wird aufsuchend ärztlich begutachtet, diagnostisch abgeklärt und jeweils ein Versorgungskonzept unter Einbindung bestehender Versorgungsstrukturen erstellt.
5: Abschließend erfolgt unter Einbezug der Ergebnisse der Studienmodule 1-4 die Entwicklung und Konsentierung von Empfehlungen für die Versorgung von Post-COVID-Betroffenen mithilfe von Expert:innen aus den Bereichen ambulante und stationäre Versorgung, Rehabilitation, Krankenkassen und Selbsthilfe.
Ergebnisse: Erste Erkenntnisse der ärztlichen Begutachtung schwerbetroffener Personen mit Post-COVID (Modul 4) lassen bereits Rückschlüsse auf spezifische Versorgungslücken sowohl im stationären als auch ambulanten Bereich zu, aus denen Empfehlungen abgeleitet werden können. Die im Verlauf des Jahres 2025 erfolgenden Auswertungen von Routinedaten und standardisierter Befragung liefern weitere Ergebnisse aus der Sicht der Betroffenen, welche im Beitrag vorgestellt werden.
Diskussion: Durch die umfassende Analyse von Krankenkassen-Routinedaten und die Einbindung der Perspektive von Betroffenen über Primärerhebungen und ärztliche Begutachtungen lassen sich Versorgungsverläufe rekonstruieren und Barrieren im Versorgungszugang identifizieren. Hieraus können konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die dabei unterstützen sollen, die Versorgung Long-/Post-COVID-Betroffener zu verbessern. Diese Empfehlungen könnten auch in die aktualisierte Long-COVID-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses einfließen [5].

Referenzen

1. Scheibenbogen C, Renz-Polster H, Hohberger B, Behrends U, Schieffer E, Schieffer B. Post COVID und Post-Vakzin-Syndrom: Die Pandemie nach der Pandemie. Deutsches Ärzteblatt. 2023;120(13):566-70. 2. Chen C, Haupert SR, Zimmermann L, Shi X, Fritsche LG, Mukherjee B. Global prevalence of Post-Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) condition or Long COVID: A meta-analysis and systematic review. J Infect Dis. 2022;226(9):1593-607. 3. Koczulla AR, Ankermann T, Behrends U, Berlit P, Brinkmann F, Frank U, et al. S1-Leitlinie "Long/Post-Covid" (aktualisiert). Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.; 2024. 4. Bachmeier BE, Hölzle S, Gasser M, van den Akker M. How do German general practitioners manage Long-/Post-COVID? A qualitative study in primary care. Viruses. 2023;15(4):1016. 5. Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID und Erkrankungen, die eine ähnliche Ursache oder Krankheitsausprägung aufweisen (Long-COVID-Richtlinie/LongCOV-RL). 2024. https://www.g-ba.de/richtlinien/141/
Herr Martin Brünger
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
#Poster #Long COVID #Post COVID #Versorgungsforschung #Versorgung
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
SYM9
Interventionsstudien für gesunde und nachhaltige Lebensbedingungen und Lebensweisen (FIGENA) – BMFTR-Forschungsverbünde zu Gesundheitsförderung und Klimaschutz (Teil 2)
FiGeNa II
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Beiträge:
1
Die globalen Umwelt- und Klimaveränderungen bedrohen unsere Lebensgrundlagen und Gesundheit [1, 2, 3]. Um dem entgegenzuwirken, müssen gesundheitsförderliche sowie ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Lebensbedingungen und Lebensweisen verstärkt gefördert werden. Die Verknüpfung von Gesundheitsförderung und Klima- und Umweltschutz wird oft noch außer Acht gelassen. Dabei haben die zunehmenden Umwelt- und Gesundheitsprobleme unserer heutigen Gesellschaft häufig gemeinsame Ursachen, sodass sich in der Verknüpfung beider Aspekte zahlreiche Synergien für neue, wirksame Lösungsansätze ergeben [2, 3, 4].
Das BMFTR greift diese Herausforderung mit der Förderung von Interventionsstudien für gesunde und nachhaltige Lebensbedingungen und Lebensweisen auf. Ziel der Fördermaßnahme ist es, Evidenz für wirksame, praxisrelevante Maßnahmen zu einer grundlegenden gesellschaftlichen Transformation in Richtung gesundheitsförderlicher sowie ökologisch nachhaltiger und sozial gerechter Lebensbedingungen und Lebensweisen zu generieren. Nach einer sechsmonatigen Konzeptentwicklungsphase werden ab Anfang 2025 sechs interdisziplinäre Verbünde mit insgesamt 23 Projekten gefördert. Diese umfassen auf synergistische Wirkungen zielende Interventionen auf Verhaltens- und Verhältnisebene und ihre Evaluation in verschiedenen Lebenswelten wie KiTa, Schule, Betrieb, Pflegeheim und Kommune.
Der Workshop zeigt Ziele der Förderlinie auf und gibt einen Überblick über den Fokus, Konzept und Methodik der sechs Verbünde.

Das Symposium besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil zeigen nach einem Grußwort des BMFTR zwei Keynotespeaker Herausforderungen und Lösungsansätze zur Thematik des Förderschwerpunkts Umwelt/Nachhaltigkeit und Gesundheit sowie ihre Integration auf. Im zweiten/dritten Teil werden jeweils drei Verbünde vorgestellt und zentrale Fragen diskutiert. Poster zu den Verbünden und Teilprojekten ergänzen das Symposium.

Vorstellung der Verbünde: Lebenswelten KiTA, Schule, Betrieb, Pflegeheim (60 min., Vorträge à 15 min, Diskussion à 5 min.)
  • KliBUp: Klimagesundheit in Lebenswelten – Entwicklung von Strategien und Handlungsansätzen zur Förderung von Resilienz durch Bottom-Up-Ansätze | PI: Neumann, O. (Alice Salomon Hochschule Berlin, Berlin School of Public Health)
  • # FREI-DAY-FOR-FUTURE: Lebenswelten über den Whole School Approach FREI DAY gemeinsam gesund und nachhaltig gestalten | PI: Walter, U. (Medizinische Hochschule Hannover)
  • NatFair: Naturverbunden und fair gestaltet – innovative Interventionen zur Gesundheitsförderung und Steigerung der Nachhaltigkeit im Betrieb | PI: Hoffmann, B. (Universität Düsseldorf)

Referenzen

[1] Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Gesund leben auf einer gesunden Erde. Berlin: WBGU; 2023. [2] Sachverständigenrat für Umweltfragen. Umwelt und Gesundheit konsequent zusammendenken: Sondergutachten. Berlin: Geschäftsstelle des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU); 2023.
[3] Robert Koch Institut (RKI). Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit (2023) [Internet]. Robert Koch Institut; 2024 [zitiert am 15.04.2025]. Verfügbar unter: https://www.rki.de/ DE/Themen/Gesundheit-und-Gesellschaft/Klimawandel/Klimawandel-Gesundheit-Sachstandsbericht.html
[4] World Health Organization (WHO). COP29 special report on climate change and health: Health is the argument for climate action. Geneva: World Health Organization; 2024.
#Symposium 60 #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMFTR Verbund Figena
2
Hintergrund
Die Klimakrise stellt auch eine globale Gesundheitskrise dar (1) und erfordert umfassende Maßnahmen zum Klimaschutz (Mitigation) und zur Klimaanpassung (Adaptation). Diese Maßnahmen sollten nicht „Top Down“ verordnet werden, sondern „Bottom Up“, also aus der Perspektive der Nutzer*innen, um passgenau, akzeptiert und nachhaltig wirksam zu sein. Klimagesundheit umfasst sowohl direkte gesundheitliche Folgen (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Hitze) als auch indirekte Effekte (z. B. psychische Belastungen, soziale Ungerechtigkeiten). Klimagesundheitsförderung verknüpft dabei Strategien, um sogenannte Co-Benefits zu erzielen, also Maßnahmen, die gleichzeitig positive Effekte auf das Klima und die Gesundheit haben.

Relevanz
Klimagesundheit und Klimagesundheitsförderung werden zunehmend als relevant anerkannt, jedoch fehlen bislang vielfach konkrete Handlungsansätze. Besonders in Kommunen, Kitas und Pflegeeinrichtungen zeigt sich bereits ein erheblicher Handlungsbedarf (2). Gleichzeitig sind diese Settings häufig durch mangelnde Ressourcen und unklare Zuständigkeiten eingeschränkt. Gesetzliche Rahmenbedingungen wie das Präventionsgesetz (§ 20a SGB V sowie § 5 SGB XI) bieten jedoch Ansatzpunkte für eine institutionelle Verankerung von Maßnahmen zur Klimagesundheitsförderung (3).

Verbundstruktur und methodisches Vorgehen
KliBUp wird von 2025-2028 durch das BMBF gefördert und gemeinsam durchgeführt von der Alice Salomon Hochschule Berlin (Verbundkoordination), der Hochschule Magdeburg-Stendal, dem Universitätsklinikum Essen, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Hochschule Esslingen. Ziel ist es, partizipative Prozesse der Organisationsentwicklung zur Förderung von Klimagesundheit in den Settings Kita, Pflege und Kommune wissenschaftlich zu begleiten. Im Vordergrund stehen fördernde und hemmende Faktoren für individuelle und kollektive Partizipation, Selbstwirksamkeit sowie soziale Teilhabe.
Methodisch basiert KliBUp auf einem multimodalen Studiendesign mit qualitativen und quantitativen Methoden. Es werden leitfadengestützte Interviews, Fokusgruppen, teilnehmende Beobachtungen sowie standardisierte Befragungen durchgeführt. Ergänzend dazu erfolgen Fallstudien zur Krisenadaption (Desaster Preparedness), sozialökologische Raumanalysen und Diskursanalysen.
Das methodische Kernelement bildet der partizipative Forschungsansatz Community-Based Participatory Research (CBPR, 4), der die direkte Einbindung der beforschten Akteur*innen in allen Phasen des Forschungsprozesses – von der Konzeption über Datenerhebung bis hin zur Auswertung und Anwendung der Ergebnisse (Ko-Kreation) – ermöglicht. Dies gewährleistet die Praxisrelevanz und unmittelbare Anwendbarkeit der Ergebnisse und fördert zugleich die soziale Teilhabe aller Beteiligten.
Zudem erfolgt eine systematische Analyse und Kontrastierung der Settings Kita, Pflege und Kommune hinsichtlich settingspezifischer Merkmale sowie sozialräumlicher Unterschiede. Kriterien wie Wirksamkeit, Übertragbarkeit und Nachhaltigkeit klimagesundheitsbezogener Maßnahmen stehen dabei im Mittelpunkt. Besonderes Augenmerk liegt auf der Identifikation fördernder und hemmender Faktoren wie intrinsische Motivation, Blockaden durch Überlastung, Konflikte oder Stigmatisierung. Angelehnt an Bronfenbrenners ökologisches Systemkonzept (5) werden systemübergreifende Wechselwirkungen analysiert, um Ansatzpunkte zur Förderung resilienter Communities und entsprechendes Capacity Building zu identifizieren.

Diskussion
KliBUp geht von der Hypothese aus, dass Bottom-Up-Ansätze durch Partizipation nachhaltig zu Empowerment, sozialer Kohäsion und Resilienz innerhalb der Settings beitragen können. Es wird angenommen, dass insbesondere Gruppen, die als besonders vulnerabel gegenüber den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels gelten (z. B. Kinder, ältere Menschen), von partizipativen Ansätzen profitieren und dadurch stärker motiviert werden, aktiv an der Gestaltung und Umsetzung von Klimagesundheitsförderung mitzuwirken. Gleichzeitig wird vermutet, dass strukturelle Herausforderungen wie Überlastung, fehlende Ressourcen und Konflikte den Erfolg partizipativer Ansätze maßgeblich beeinflussen. Diese Annahmen sollen empirisch überprüft werden, um daraus geeignete Lösungsstrategien abzuleiten, die unmittelbar in fachliche und politische Diskurse eingespeist werden sollen.

Referenzen

[1] Herrmann A, Eichinger M. Klimawandel und Gesundheitsförderung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), editor. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. 2022. Available from: https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i156-1.0.
[2] Krase E, Geene R, Arndt N, Hartung E, Ihm M, Lehmann F. Klimagesundheitsförderung. In: Hartung S, Wihofszky P, editors. Gesundheit und Nachhaltigkeit. Berlin, Heidelberg: Springer; 2024. Available from: https://doi.org/10.1007/978-3-662-64954-1_46-1.
[3] Arndt N, Geene R, Hartung E, Ihm M, Krase E, Lehmann F, Rieck T. Klimagesundheitsförderung – ein Schlüsselbegriff zur Entwicklung von Strategien zur klimafreundlichen Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten. In: Kolhoff L, editor. Aktuelle Diskurse in der Sozialwirtschaft. Wiesbaden: Springer VS; 2025 [i.E.]. Available from: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-43290-4.
[4] Banks S, Herrington T, Carter K. Pathways to co-impact. Action research and community organizing. Educ Action Res. 2017;25(4):541–59. DOI: 10.1080/09650792.2017.1331859.
[5] Bronfenbrenner U. Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Frankfurt am Main: Fischer Verlag; 1989.
Herr Tuan Anh Rieck
Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH), Berlin
Berlin School of Public Health (BSPH), Berlin
Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialwissenschaften (BIGSo), Berlin
Herr Prof. Dr. Raimund Geene
Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH), Berlin
Berlin School of Public Health (BSPH), Berlin
Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialwissenschaften (BIGSo), Berlin
Frau Maria Ihm
Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH), Berlin
Berlin School of Public Health (BSPH), Berlin
Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialwissenschaften (BIGSo), Berlin
#Symposium 60
3
Hintergrund: Die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN zielen nicht nur auf eine nachhaltige Entwicklung, sondern beziehen zugleich alle zentralen Determinanten der Gesundheit ein [1]. Für ihre Umsetzung in Deutschland ist Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ein wichtiger Treiber, um Menschen für die Transformation zu zukunftsfähigem Denken und Handeln zu befähigen [2]. Soll dieses gelingen, empfiehlt die UNESCO [3] neben der Gestaltung von handlungsorientierten, selbstgesteuerten, auf Partizipation und Kooperation beruhenden Lernprozessen das lokale Umfeld einzubeziehen und ein nachhaltiges Lernumfeld i.S. eines Whole-Institution-Approach zu entwickeln [4]. Dieses Konzept ist anschlussfähig an den WHO-Settingansatz und die Organisationsentwicklung, die strukturelle Veränderungen unterstützen. Bislang liegen für Deutschland keine kontrollierten Studien vor, die die Transformationsfähigkeit von Schulen und die Wirksamkeit eines Whole Institution Approach untersucht haben, der sowohl die Gesundheit als auch die ökologische Nachhaltigkeit fördert.
Intervention: Der FREI DAY ist ein im deutschsprachigen Raum eingeführter Whole Institution Approach, der die Schulentwicklung, insbesondere die Strukturen und Handlungsroutinen der gesamten Schule adressiert [5]. Als partizipatives und empowerndes Lernformat knüpft der FREI DAY an den Leitprinzipien der WHO-Ottawa Charta an. Für die Schüler:innen ist der FREI DAY ein Freiraum von 4 Std./Woche in der Kernunterrichtszeit, in dem sie, orientiert an den SDGs, in Kleingruppen längerfristige Projekte entwickeln und in ihrer Kommune umsetzen. Ziel ist, dass die Heranwachsenden die für ein gesundes und nachhaltiges Leben wichtigen Gestaltungs- und Lebenskompetenzen aufbauen und erleben, dass sie selber Veränderungen hin zu gesunden, gerechten und nachhaltigen Lebensbedingungen und Lebensweisen bewirken können. Die achtphasige Implementation erfolgt durch ein eigens initiiertes Schulentwicklungsteam, das von der Schule im Aufbruch gGmbH begleitet wird.
Ziele: Ziel ist es, die Prozesse und die Wirksamkeit der Mehr-Ebenen-Intervention FREI DAY als Whole School Approach zu evaluieren, um Aussagen treffen zu können, ob und falls ja unter welchen Bedingungen der FREI DAY in welchem Ausmaß gesunde und nachhaltige Lebensweisen und Lebensbedingungen fördert. Wir fokussieren dabei auch auf die Implementationsqualität, da diese für die Wirksamkeit der Intervention entscheidend ist.
Design und Methoden: Die Studie wird in Niedersachsen mit einem Non-Randomized Stepped-Wedge Design durchgeführt. Einbezogen werden 30 Grundschulen sowie 60 weiterführende (inkl. beruflich bildende) Schulen. Die Stichprobe besteht zum einen aus Interventionsschulen, die bereits zu Studienbeginn den FREI DAY umsetzen, sowie aus Kontrollschulen, die sich entweder in der Informationsphase des 8-stufigen FREI DAY-Implementationsprozesses befinden oder den FREI DAY (noch) nicht durchführen. Die primären und sekundären Outcomes in den Bereichen Gesundheit, ökologische Nachhaltigkeit und systemische Veränderungen werden mittels validierter Instrumente gemessen. Es werden quantitative und qualitative Erhebungen (Fokusgruppen, Photovoice, Most Significant Change) bei Schüler:innen, den FREI-DAY-Teams und School Key Informants (Personal, Eltern und sonstige Stakeholder der Schule) durchgeführt. Eine Triangulation der Ergebnisse des qualitativen und des quantitativen Forschungsstrangs wird angestrebt. Ökonomische Analysen ergänzen die Studie.
Ausblick: Die Studie wird erstmals Aussagen zur Wirksamkeit des in deutschsprachigen Ländern eingeführten Whole Institution Approach FREI DAY liefern und Optimierungspotenziale bezüglich der Implementation aufzeigen. Zudem werden übergreifende Empfehlungen für BNE-Ansätze herausgearbeitet, mit Akteuren diskutiert und transferiert.

Das Verbundprojekt #FREI DAY wird durch das BMBF gefördert (Förderkennzeichen: MHH: 01EL2408A, LUH: 01EL2408B).

Referenzen

[1] World Health Organization. Health promotion glossary of terms 2021. Geneva: WHO; 2021.
[2] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Was ist BNE? [Internet]. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung; 2024 [cited 2025 Apr 15]. Available from: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html.
[3] UNESCO, Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Bildung für nachhaltige Entwicklung: Eine Roadmap. Bonn: Deutsche UNESCO-Kommission e. V. (DUK); 2021.
[4] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Whole Institution Approach – der ganzheitliche BNE-Ansatz [Internet]. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung; 2024 [cited 2025 Apr 15]. Available from: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/bildungsbereiche/whole-institution-approach/whole-institution-approach.
[5] Rasfeld M. FREI DAY: Die Welt verändern lernen! Für eine Schule im Aufbruch. München: oekom verlag; 2021.
Frau Ulla Walter
Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Symposium 60 #Prävention und Gesundheitsförderung #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMBF Verbund Figena
4
Hintergrund: Naturkontakt im betrieblichen Umfeld erweist sich in internationalen experimentellen
Studien als wirksam zur Förderung der psychischen und psychosomatischen Gesundheit von
Beschäftigten sowie deren proökologischem Bewusstsein und Verhalten und dem sozialen
Zusammenhalt. Unerforscht ist jedoch bislang, wie sogenannte arbeitsplatzbezogene naturbasierte
Interventionen (ANBI) sich in die betriebliche Routine implementieren und realisieren lassen, so dass
sie von Verantwortlichen und Beschäftigten angenommen werden und wie die Alltagsbedingungen in
den Betrieben sowie Teamdynamiken die bekannten positiven Wirkungen verändern. Ziel des
Forschungsprojektes NatFair ist es, die Umsetzung und Wirksamkeit der ANBI in der realen
Arbeitswelt zu untersuchen.

Methode: Auf Grundlage des Frameworks von Skivington et al. [1] zur Entwicklung und Evaluation
komplexer Interventionen, wurden bereits im Vorfeld des Forschungsprojekts NatFair in einer
Vorstudie experimentell wirksame ANBI (z. B. Greening and Gardening, Nature Savouring, Walk-
Meetings) zusammengetragen. Diese wurden dann in Workshops gebündelt und mit partizipativen
und teambildenden Maßnahmen ergänzt, um die spätere Umsetzbarkeit in den Betrieben zu
erleichtern sowie Gruppenprozesse zu fördern. Im NatFair-Projekt sollen die ANBI mittels der
entwickelten Workshops in 20 Betrieben aus verschiedenen Sektoren mit einer angestrebten
Studienpopulation von 400 Teilnehmenden über 15 Monate hinweg implementiert werden. Pro
Betrieb finden zwei Workshops statt, in denen die ANBI partizipativ durch die Verantwortlichen und
Mitarbeitenden sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen betrieblichen Kontextes angepasst und
laufend optimiert werden, um anschließend im Betrieb implementiert zu werden. Begleitet wird die
Implementierung der ANBI durch eine cluster-randomisierte, kontrollierte (Wirksamkeits-)Studie mit
Wartelisten-Kontrollgruppendesign, bei der zu drei Messzeitpunkten (T0 = Basiserhebung im 1.
Monat, T1 = Zwischenerhebung im 8. Monat, nach 6-monatiger Interventionsphase, T2 =
Enderhebung im 15. Monat, nach der zweiten 6-monatigen Interventionsphase) Daten zum
Wohlbefinden, Gesundheit, Naturverbundenheit, Arbeitszufriedenheit, proökologischer Einstellung
und Verhalten, sozialem Zusammenhalt im Team, und organisationaler Gerechtigkeit erhoben
werden. Primärer Endpunkt für die Bewertung der Wirksamkeit der ANBI im realen betrieblichen
Kontext ist das Wohlbefinden, welches mittels WHO-5 erfasst wird. Zur Bewertung der
Umsetzbarkeit der ANBI im betrieblichen Kontext erfolgt eine Prozessevaluation nach den acht
Implementierungsendpunkten (z. B. Akzeptanz, Annahme, Reichweite, Durchdringungsrate) nach
Proctor et al. [2]. Dazu werden zusätzlich zu den Daten der drei Erhebungszeitpunkte qualitative
Interviews geführt und die Gruppendynamik der Workshopteilnehmenden evaluiert.

Diskussion und Schlussfolgerung: Das Forschungsprojekt NatFair vereint Expertise aus
Arbeitsmedizin, Psychosomatik, Nachhaltigkeitsmanagement und unternehmerischer Praxis, um alle
Ebenen der Organisationskultur in den Betrieben abzudecken und einbeziehen zu können, die eine
erfolgreiche Implementierung der ANBI in den betrieblichen Kontext ermöglichen sollen. Erwartet
wird dadurch, dass sich aus den Ergebnissen Empfehlungen für den Einsatz von Naturkontakt im
betrieblichen Kontext sowie Beschreibungen und Anleitungen für die konkrete Einführung von ANBI
in den Betrieb ableiten lassen. Vor dem Hintergrund steigender Urbanisierung und dem Klimawandel
und den damit verbundenen Nachhaltigkeitsanforderungen an die Arbeitswelt erweist sich das
NatFair-Projekt als innovatives Projekt, mit daraus resultierendem Potenzial für
Gesundheitsförderung und ökologischem Fortschritt in der deutschen Wirtschaft.

Referenzen

[1] Skivington K, Matthews L, Simpson SA, Craig P, Baird J, Blazeby JM, et al. A new framework for developing and evaluating complex interventions: update of Medical Research Council guidance. BMJ. 2021;374:n2061. DOI: 10.1136/bmj.n2061.
[2] Proctor E, Silmere H, Raghavan R, Hovmand P, Aarons G, Bunger A, et al. Outcomes for implementation research: conceptual distinctions, measurement challenges,and research agenda. Administration and Policy in Mental Health. 2011;38(2):65–76. DOI: 10.1007/s10488-010-0319-7.
Frau Louisa Scheepers
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Symposium 60 #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMBF Verbund Figena
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
VS7
Digitale Lösungen für spezifische Gesundheitsprobleme
Digitale Lösungen für spezifische Gesundheitsprobleme
Raum: Hörsaal 3 (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 210)
Beiträge:
1

Hintergrund

Im Alter von 18 bis 29 Jahren erreichen bereits 40 % der Frauen und 30 % der Männer in Deutschland nicht die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation für körperliche Aktivität (150-300 Minuten moderate körperliche Aktivität/Woche). Personen, die nach Schulabschluss eine Berufsausbildung beginnen, sind dabei besonders gefährdet, inaktiv zu werden. Digitale Angebote zur Bewegungsförderung (u. a. Apps, Wearables, Online-Plattformen) können dabei unterstützen, Auszubildende zu körperlicher Aktivität zu motivieren. Ziel der Studie ist es, Präferenzen von Auszubildenden hinsichtlich digitaler Angebote zur Bewegungsförderung zu erforschen.
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Methode

Durchgeführt werden semistrukturierte Onlineinterviews mit jungen Erwachsenen (18-29 Jahre, n≈25), die zurzeit eine Berufsausbildung in Deutschland absolvieren. Die Rekrutierung zur Studie erfolgt im April und die Durchführung der Interviews von Mai bis Juni 2025. Die Interviews werden im Anschluss transkribiert und mit Hilfe der Software MAXQDA inhaltsanalytisch (deduktive und induktive Kategorienbildung) nach Kuckartz ausgewertet. Die Studie dient der Ermittlung relevanter Merkmale eines digitalen Angebots als Grundlage für die Entwicklung eines Discrete Choice Experiments.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse werden im September 2025 präsentiert. Die Ergebnisse sollen Aufschluss darüber geben, welche digitalen Angebote aus Sicht von Auszubildenden geeignet sind, um ihre körperliche Aktivität zu steigern. Gegenstand der Interviews sind Inhalte und Eigenschaften eines potenziell geeigneten digitalen Angebots, z. B. Möglichkeiten der Personalisierung (u. a. personalisierter Trainingsplan, individuelles Coaching), Einbindung von Influencer:innen (u. a. Werbung, Livestreams), soziale Interaktion (z. B. Team-Challenges) und Belohnung (z. B. monetäre und nicht-monetäre Anreize).

Diskussion

Digitale Angebote zur Bewegungsförderung bei Erwachsenen haben sich in Studien als wirksam erwiesen. Da sie zeit- und ortsunabhängig sind, bieten sie das Potenzial, sich an den zeitrestriktiven Berufsalltag von Auszubildenden anzupassen. Die ermittelten Präferenzen bieten die Grundlage für weitere quantitative Forschung und geben erste Anhaltspunkte für die Entwicklung zielgruppenspezifischer Interventionen.
Frau Jessica Bau
Institut für Medizinische Soziologie, Sektion Public Health, Center for Health and Society, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Präsentation #Körperliche Aktivität #Gesundheitsförderung & Prävention #Digital health
2

Hintergrund

Die Zahl der pflegebedürftigen Bewohner:innen von Pflegeheimen steigt, und damit auch der Bedarf in Bezug auf die Versorgung der Menschen. Dem steht eine sinkende Zahl von Pflegekräften gegenüber. Digitale Gesundheitsangebote wie beispielsweise die elektronische Patientenakte (ePA) könnten hier generell eine entlastende Rolle spielen, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie sowohl für Pflegekräfte als auch für die Bewohner:innen von Pflegeheimen leicht zugänglich und nutzbar sind. In diesem Zusammenhang spielt die digitale Gesundheitskompetenz (dGK) beider Gruppen eine wichtige Rolle. Für Pflegekräfte bedeutet dies, Bewohner:innen den Zugang zu relevanten digitalen Gesundheitsinformationen zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen, diese Informationen zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden. Für Bewohner:innen bedeutet dies entsprechend, digitale Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden.
Wie sich aktuell die Situation in stationären Pflegeeinrichtungen gestaltet und unter welchen Bedingungen die Fähigkeiten des Pflegepersonals und der Pflegebedürftigen zur Nutzung von digitalen Gesundheitsinformationen und -angeboten gestärkt werden können, ist Gegenstand einer qualitativen Befragungsstudie.

Methode

In sechs Pflegeinrichtungen in unterschiedlichen Regionen Deutschlands werden qualitative Fokusgruppeninterviews durchgeführt, wobei in jeder Einrichtung zwei Fokusgruppen mit jeweils sechs bis acht Teilnehmenden vorgesehen sind. Gruppe 1 umfasst voll- oder teilstationär Pflegebedürftige, Angehörige von Pflegebedürftigen, Heimbeiräte und Alltagsbegleitungen. Gruppe 2 umfasst Pflegekräfte und Heimleitungen. Die Fokusgruppen werden anhand eines teilstrukturierten Leitfadens durchgeführt, der die Themenschwerpunkte individuelle bzw. professionelle dGk, Unterstützungsmaßnahmen bei der Nutzung digitaler Anwendungen und organisationale Rahmenbedingungen zur Förderung von dGk umfasst. Die Fokusgruppeninterviews werden aufgezeichnet, transkribiert und in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring mit einem deduktiven Kategoriensystem ausgewertet.

Ergebnisse

Bis zum 15.04.2025 wurden vier Fokusgruppeninterviews mit insgesamt 25 Teilnehmenden durchgeführt. In Gruppe 1 haben 13 Personen teilgenommen (5 Pflegebedürftige, 7 Angehörige, eine Alltagsbegleitung; 69 ± 12 Jahre; 8 Frauen, 5 Männer), in Gruppe 2 haben 12 Personen teilgenommen (3 Pflegekräfte, 9 Personen mit Führungs- /Koordinationsaufgaben; 46 ± 12 Jahre; 5 Männer, 7 Frauen). Zwei weitere Fokusgruppeninterviews sind bereits terminiert.
Erste Auswertungsergebnisse deuten darauf hin, dass in beiden Gruppen ein geringer Kenntnisstand über digitale Gesundheitsangebote, eine geringe digitale Gesundheitskompetenz und große Schwierigkeiten im Umgang mit digitalen Informationen – insbesondere bei der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit und Neutralität – bestehen. Die technische Ausstattung unterscheidet sich je nach Pflegeeinrichtung, vereinzelt werden bereits digitale Dokumentationstools eingesetzt, außerdem digitale Endgeräte in der Beschäftigung der Pflegebedürftigen, etwa Bewegungsspiele. Die Mehrheit der Teilnehmenden hat Kenntnis von der ePA, jedoch sind ihnen die spezifischen Funktionen und Zugriffswege nicht bekannt. Die Gruppe der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sucht Gesundheitsinformationen hauptsächlich über Google, Wikipedia oder die Webseiten von Krankenhäusern. Die Gruppe der Pflege- und Leitungskräfte nutzt auch die Webseiten von Fachgesellschaften und YouTube, um sich zu informieren.

Diskussion

Die vorliegende Studie kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Bedarfe und Bedürfnisse von Pflegebedürftigen und Pflegekräften in Bezug auf dGk und die Nutzung digitaler Gesundheitsangebote in der Pflege zu erheben und dadurch dazu beitragen, Handlungsfelder zu identifizieren, die in anschließenden repräsentativen Befragungsstudien oder Interventionsstudien bearbeitet werden können.
Herr Leonard Oppermann
Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
#Präsentation #Digitale Gesundheitskompetenz #Pflegeeinrichtungen #Professionelle Gesundheitskompetenz #Fokusgruppen
3

Hintergrund

Der demographische Wandel führt zu einer steigenden Anzahl pflegebedürftiger Menschen, die von einer abnehmenden Erwerbsbevölkerung versorgt werden müssen [1]. Digitale Technologien in der Pflege (DTiP) bieten dabei das Potenzial die Pflegenden zu Entlasten und zur Erreichung der Ziele des Quadruple Aim (Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Patientenerfahrung, Gesundheit der Bevölkerung und Senkung der Gesundheitskosten) beizutragen [2]. Insbesondere aufgrund der Vielfalt an Technologien und Anwendungsfällen ist die evidenzbasierte Auswahl von effektiven DTiP von großer Bedeutung. Eine Methodik, um den Auswahlprozess zu unterstützen sind gesundheitsökonomische Evaluationen [3]. Allerdings können Methoden und Endpunkte aus traditionellen Bereichen der Gesundheitsökonomie, nicht ohne Weiteres auf den Pflegekontext transferiert werden – so sind klassische Endpunkte wie beispielsweise die Mortalität nicht gut übertragbar. Dies hat zur Folge, dass eine hohe Heterogenität bei den Endpunkten gesundheitsökonomischer Evaluationen von DTiP vorherrscht, wodurch die Vergleichbarkeit von Evaluationen erschwert wird. Bestehende Übersichtsarbeiten fokussieren sich primär auf die Ergebnisse der jeweiligen Evaluationen, betrachten jedoch kaum die Zusammensetzung der inkludierten Kosten-, Nutzen- und Endpunktarten (KNE-Arten). Im Rahmen eines Scoping-Reviews werden daher die folgenden Forschungsfragen untersucht:
  1. Welche KNE-Arten werden in gesundheitsökonomischen Evaluationen digitaler Technologien in der Pflege berücksichtigt und wie wird die Entscheidung der gewählten KNE-Arten begründet?
  2. Wie beeinflussen die berücksichtigten KNE-Arten die Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Evaluationen?

Methode

Ein Scoping-Review wird durchgeführt, um die inkludierten KNE-Arten von gesundheitsökonomischen Evaluationen DTiP darzustellen. Die systematische Literaturrecherche erfolgt über die Datenbanken MEDLINE via PubMed, CINAHL und PsychINFO via EBSCO, Web of Science, EconLit, und Scopus via Elsevier. Das Review umfasst vollständige ökonomische Evaluationen von DTiP in der ambulanten und stationären Langzeitpflege. Das Literaturscreening wird durch zwei Forschende unabhängig voneinander anhand vordefinierter Ein- und Ausschlusskriterien durchgeführt. Der Auswahlprozess erfolgt in zwei Schritten: Zunächst werden Titel und Abstracts gescreent. Daraufhin folgt im zweiten Schritt eine Volltextprüfung der relevanten Studien. Die Datenerhebung erfolgt mit Hilfe eines Extraktionsformulars. Die KNE-Arten werden hinsichtlich Häufigkeit und Art analysiert. Neben einer quantitativen Zusammenfassung erfolgt eine qualitative Analyse der Begründungen für den Ein- oder Ausschluss der jeweils verwendeten KNE-Arten, um thematische Muster in der Argumentation der Studienautor*innen zu identifizieren. Hierzu wird die Framework Analysis nach Ritchie & Spencer verwendet [5].

Ergebnisse

Das Scoping-Review wird voraussichtlich bis August 2025 fertiggestellt. Es wird eine große Heterogenität in der Einbeziehung von KNE-Arten erwartet, wodurch die eingeschränkte Vergleichbarkeit der Studienergebnisse verdeutlicht werden würde. Zudem wird erwartet, dass die Ergebnisse der Framework Analysis ein besseres Verständnis für den Entscheidungsprozess bei der Zusammensetzung ökonomischer Evaluationen bieten. Darüber hinaus wird antizipiert, dass durch das Review Forschungslücken wie vernachlässigte KNE-Arten sowie Endpunkte jenseits traditioneller Gesundheitsmetriken identifiziert werden.

Diskussion

Durch die Analyse der zugrunde liegenden Begründungen sowie der konkret berücksichtigten KNE-Arten kann ein tieferes Verständnis für den Entscheidungsprozess bei der Auswahl und Zusammensetzung gesundheitsökonomischer Evaluationen gewonnen werden. Eine strukturierte Aufarbeitung dieser Entscheidungslogiken und der eingesetzten KNE-Arten kann zur methodischen Weiterentwicklung und potenziellen Standardisierung zukünftiger Evaluationen beitragen. Dies ist insbesondere relevant vor dem Hintergrund knapper Ressourcen und der Notwendigkeit, effektive und effiziente Lösungen für die pflegerische Versorgung zu identifizieren. Das Review liefert somit eine Grundlage für fundierte Entscheidungsprozesse in Praxis, Politik und Forschung.

Referenzen

[1] Rothgang
H, Kalwitzki T. Themenreport Pflege 2030: Was ist zu erwarten – was ist zu tun?
Gütersloh: Bertelsmann Stiftung; 2012.
[2] Bodenheimer T, Sinsky C. From triple to quadruple aim: care of the
patient requires care of the provider. Ann Fam Med. 2014;12(6):573–576.
[3] Drummond MF, Sculpher MJ, Claxton K, Stoddart GL, Torrance GW.
Methods for the economic evaluation of health care programmes. 4th ed. Oxford:
Oxford University Press; 2015.
[4] Büscher A, Meyer I, Görres S, Wingenfeld K, Schnepp W, Schaeffer D,
et al. Der
Hannoveraner Konsens zur gesundheitsökonomischen Evaluation von Interventionen
in der Pflege. Gesundheitswesen. 2021;83(11):846–852.
[5] Ritchie J, Spencer L. Qualitative data analysis for applied policy
research. In: Bryman A, Burgess RG, editors. Analyzing qualitative data.
London: Routledge; 1994. p. 173–194.
Herr Musa Dukuray
Medizinische Hochschule Hannover - Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Gesundheitsökonomische Evaluation #Digitale Technologien #Langzeitpflege
4

Hintergrund

Das atopische Ekzem ist eine chronische Hauterkrankung mit einer Prävalenz von bis zu 20% [1] bei Kindern und 7% [2] bei Erwachsenen. Es verursacht Juckreiz und teils superinfizierte Hautausschläge, die die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen beeinträchtigen [3]. Die neue Versorgungsform (nVF) ADCompanion zielt darauf ab, den Krankheitsverlauf durch eine digitale Intervention in Form einer App mit validierten Patientenschulungsinhalten, standardisierter Symptom- und Triggeraufzeichnung sowie individuellen Videoberatungen zu den Themenfeldern Ernährung, Pflege und psychosozialen Aspekten positiv zu beeinflussen und die Gesundheitskompetenz von Betroffenen und Bezugspersonen zu fördern. Die Prozessevaluation untersucht die Wahrnehmung, Akzeptanz und Erfahrungen der Betroffenen, ihrer Bezugspersonen und der Fachkräfte mit der nVF. Erfasst werden Erwartungen vor und Erfahrungen während der Anwendung sowie Vor- und Nachteile im Vergleich zur Regelversorgung. Zudem werden Barrieren und förderliche Faktoren für die Implementierung identifiziert. Ziel ist es, die Auswirkungen der nVF auf die wahrgenommene Krankheitskontrolle, Gesundheitskompetenz der Betroffenen und den Versorgungsalltag der Behandelnden zu untersuchen.

Methode

Die Prozessevaluation folgt einem Mixed-Methods-Ansatz. Die Betroffenen und Bezugspersonen nahmen an einer Befragung mittels eines selbst konzipierten Fragebogens teil. Die Datenerhebung erfolgte zur Baseline und nach dem Interventionszeitraum (6 Monate). Ergänzend wurden digitale Fokusgruppen durchgeführt. Für die Erfassung der Perspektive der Fachkräfte wurden halbstrukturierte, leitfadengestützte Einzelinterviews durchgeführt.

Ergebnisse

Die Auswertung der Patientenbefragung (n = 226) zeigt, dass die Mehrheit angab, durch die nVF ein besseres Verständnis ihrer Erkrankung erlangt zu haben und zeitnah individuelle Beratungen zu erhalten. Zudem stimmten die Befragten darin überein, dass die nVF ihnen Antworten auf Fragen bot, die sie sonst ihrem Arzt gestellt hätten, und dass die benötigten Informationen in der App leicht zu finden waren.
In den digitalen Fokusgruppen (n = 31) berichteten die Teilnehmenden, dass sie vor allem die Funktionen zur Dokumentation des Hautzustands, die Wissensartikel und die Buchung individueller Beratungen nutzten. Viele gaben an, einen Wissenszuwachs erfahren zu haben, unterstützt durch die in der nVF ausreichende Beratungszeit mit den Fachkräften.
Die Interviews mit den Behandelnden (n = 9) bestätigten diese Ergebnisse und zeigten einen hohen Wissenszuwachs bei den Betroffenen, insbesondere durch gründliche Wissensanamnese und Informationsvermittlung, die in der Regelversorgung zuvor nicht in diesem Umfang stattfanden.

Diskussion

Die Ergebnisse der Prozessevaluation weisen darauf hin, dass die App und die drei Beratungsstränge der nVF potenziell in die Regelversorgung integriert werden können. Es bedarf einer Prüfung, ob und wie die App als DiGA anerkannt werden kann und welche technischen Anpassungen erforderlich sind. Zudem sollte untersucht werden, in welcher Art und Weise die Beratungsinhalte als Heilmittel in die Regelversorgung überführt werden können.

Referenzen

[1] Schmitz R, Thamm M, Ellert U, Kalcklosch M, Schlaud M, Ki GGSSG. [Prevalence of common allergies in children and adolescents in Germany: results of the KiGGS study: first follow-up (KiGGS Wave 1)]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2014; 57(7): 771-8.
[2] Haufe E, Abraham S, Heratizadeh A, et al. Verminderte berufliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualitätbei Patienten mit moderater bis schwerer Neurodermitis : Ergebnisse aus dem DeutschenNeurodermitisregister TREATgermany. Hautarzt. 2018;69(10):815-824. DOI: 10.1007/s00105-018-4261-z.
[3] Weisshaar E, Diepgen T, Bruckner T, et al. Itch intensity evaluated in the German Atopic DermatitisIntervention Study (GADIS): correlations with quality of life, coping behaviour and SCORAD severityin 823 children. Acta Derm Venereol 2008; 88: 234-239.
Frau Laura M. Deppe
LiKe Healthcare Research GmbH, Berlin
#Präsentation #Digitale Gesundheitsanwendung #Versorgungsforschung #Prozessevaluation #Patientenbeteiligung #Mixed Methods
5

Hintergrund

Die Evidenz zeigt, dass bereits ein geringer Alkoholkonsum mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert ist, insbesondere aufgrund eines erhöhten Krebsrisikos. Eine Reduktion des Alkoholkonsums wird unabhängig von der konsumierten Menge empfohlen. Bisher gibt es keine systematischen Präventionsmaßnahmen, die darauf abzielen, das allgemeine Gesundheitsrisiko durch Alkoholkonsum zu reduzieren. Ziel des Projektes ist die schrittweise Entwicklung und Erprobung einer E-Health-Intervention, die unabhängig von Trinkhäufigkeit und -menge anwendbar ist.

Methode

Die Entwicklung der E-Health-Intervention erfolgte schrittweise in mehreren Studienphasen. Im Beitrag werden die Ergebnisse der ersten beiden Studienphasen vorgestellt: (1) Entwicklung, Design und Programmierung sowie (2) Proof of Concept. In Phase 1 wurde eine erste Version der Intervention theoriegeleitet und in einem sequentiellen Mixed-Methods-Design entwickelt. In 22 halbstrukturierten Telefoninterviews sowie vier Fokusgruppendiskussionen wurden Motive, Ressourcen und Barrieren einer Trinkmengenreduktion bei Personen mit geringem Alkoholkonsum identifiziert. Darauf aufbauend wurden Fragebögen zur Erfassung motivationaler Konstrukte und der Wahrnehmung abstinenter Personen neu entwickelt oder adaptiert und anschließend in einem Online-Survey (n = 1157, 57 % Frauen, mittleres Alter = 47 Jahre, SD = 14 Jahre) validiert. Die empirisch identifizierten Inhalte wurden gemeinsam mit theorieimplizierten Inhalten in Module überführt und iterativ programmiert. In Phase 2 wurden die Akzeptanz, Adhärenz und Umsetzbarkeit der Intervention in einer Machbarkeitsstudie mit Personen im Alter von 18 bis 70 Jahren getestet, die in den letzten 30 Tagen Alkohol konsumiert hatten und im Wartebereich von Hausarztpraxen rekrutiert wurden (n = 50).

Ergebnisse

Der Prototyp des virtuellen TUCAN-Coaches besteht aus fünf Modulen, die obligatorische mit fakultativen Elementen verbinden. Die Teilnehmende erhalten in einem interaktiven Chat mit einem virtuellen Coach personalisiertes, normatives und ipsatives Feedback zu ihrem Alkoholkonsum, ihrer Motivation zur Veränderung, Entscheidungsbalance, Selbstwirksamkeit sowie zur Wahrnehmung abstinenter Personen. Die Intervention erfolgt im Sinne der Motivierenden Gesprächsführung kooperativ, personenzentriert und autonomiebetonend. Dazu werden Reflexionen, offene Fragen und Informationen mit Erlaubnis eingesetzt. Die Intervention umfasst insgesamt drei Kontakte im Abstand von jeweils sechs Wochen, wobei die Folgekontakte ein Feedback zu den individuellen Veränderungen beinhalten.

Diskussion

Mit dieser Intervention wurde erstmals eine umfassende Präventionsmaßnahme entwickelt, die auf die Reduktion von Alkoholkonsum in der Bevölkerung abzielt - unabhängig vom Konsumniveau. Die Entwicklung einer solchen E-Health-Intervention bringt sowohl inhaltliche als auch technische Herausforderungen mit sich. Im nächsten Schritt wird das Wirksamkeitspotenzial der Intervention in einer randomisierten Pilotstudie untersucht.
Frau Maria Zeiser
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Dresden
#Präsentation #eHealth #Digital-Public-Health #Alkoholkonsum #Prävention #Mixed-Methods
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
WS8
Stadtteilforschung im Kiez: erste Erfahrungen aus dem Projekt NAVIGATION
Kommune/Einzelprojekt
Raum: Seminarraum 505 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 28)
Beitrag:
1
Hintergrund
Das Innovationsfondsprojekt NAVIGATION entwickelt ein interprofessionelles Versorgungsmodell, das in Primärversorgungszentren implementiert wird. Ziel ist die ambulante Versorgung von Menschen mit komplexen bio-psycho-sozialen Bedarfen, die bislang unzureichend versorgt wurden. Das Modell umfasst ein standardisiertes bio-psycho-soziales Assessment und individuelle Versorgungspfade, die durch interprofessionelle Teams umgesetzt werden. Zur Evaluation der Wirksamkeit der Intervention auf Sozialraumebene und im Vergleich zu einer Kontrollgruppe in einem sozioökonomisch ähnlich strukturierten Bezirk wird eine aufsuchende Befragung durchgeführt. Diese zielt darauf ab, Personen in vulnerablen Lebenssituationen zu erreichen, die üblicherweise nicht an Studien teilnehmen.
Methoden
Die Befragung basiert auf einer Zufallsstichprobe aus Einwohnermeldedaten der Städte Berlin und Hamburg. Stadtteilforschende besuchen potentielle Teilnehmende, die sich nicht aktiv gegen eine Teilnahme entschieden haben (Opt-out). Die Interviews werden flexibel gestaltet und können zu Hause oder in anderer vertrauter Umgebung stattfinden. Um sprachliche und kulturelle Barrieren zu überwinden, werden mehrsprachige Forschende eingesetzt und Interviews in Arabisch, Albanisch, Türkisch, Russisch und Englisch angeboten.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse zeigen, dass die Zielgruppe zwar schwer erreichbar ist, jedoch durch geeignete Maßnahmen erfolgreich angesprochen werden kann. Die Kombination aus kultureller und räumlicher Vertrautheit der Forschenden mit dem Stadtteil und deren Bewohner: innen sowie die Mehrsprachigkeit der Interviewenden hat sich als förderlich erwiesen. Dennoch bestehen Herausforderungen: Viele Zielpersonen lehnen eine Teilnahme aufgrund fehlender persönlicher Ressourcen, was insbesondere jene betrifft, die eigentlich im Fokus der Studie stehen. Diese paradoxe Situation verdeutlicht, dass gerade Personen mit belastenden Lebensumständen oft von der Teilnahme ausgeschlossen werden. Zudem schüren Missverständnisse über die Herkunft der personenbezogenen Daten – etwa die Befürchtung, diese könnten aus der Gesundheitsversorgung stammen – Vorbehalte gegenüber der Studie und führen zu Datenschutzbedenken. Trotz dieser Hürden zeigt sich, dass durch flexible Interviewmöglichkeiten (z. B. zu Hause, im Park oder telefonisch) sowie durch den Aufbau von Vertrauen und Bekanntheit im Stadtteil die Erreichbarkeit verbessert werden kann. Der zeitliche Aufwand für die Rekrutierung bleibt jedoch hoch und erfordert gezielte Strategien, um die Teilnahmebereitschaft weiter zu fördern, wie etwa niedrigschwellige Informationskampagnen oder Anreizsysteme für Teilnehmende.
Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung innovativer Ansätze zur Erhöhung der Repräsentativität in Studien mit Personen in vulnerablen Situationen.
Diskussion:
Im Rahmen des Workshops sollen drei kurze Inputs zu den unten genannten Themen vorbereitet werden, die als Grundlage für eine vertiefte Diskussion dienen und unterschiedliche Perspektiven sowie Impulse für den gemeinsamen Austausch bieten.
Erfahrungen mit Stadtteilbefragungen: Erkenntnisse und lessons learned von Stadtteilforschenden
o Wie kann man die Menschen im Stadtteil gut erreichen?
o Wie kann das Vertrauen in die Studie verbessert werden?
o Wie geht man mit besonders belastenden Situationen um?
o Welche strukturellen Hürden behindern die Teilnahme besonders belasteter Personen?
Effektives Datenmanagement und Koordination von Stadtteilbefragung
o Was sind die Herausforderungen im Datenmanagement?
o Aus was muss man achten? Wie die Motivation der Stadteilforschenden aufrechterhalten?
Maßnahmen zur Verbesserung der Repräsentativität – welche Strategien sind sinnvoll und angemessen?
o Mit welchen Methoden gelingt der Kontakt zu besonders schwer erreichbaren Personen in prekären Lebenslagen?
o Welche konkreten Maßnahmen verhindern, dass primär sozioökonomisch besser gestellte Personen teilnehmen?
o Welche Formen der Anerkennung erhöhen die Motivation zur Studienteilnahme?

Referenzen

[1] Hoffmann W, Terschüren C, Holle R, Kamtsiuris P, Bergmann M, Kroke A, et al. Zum Problem der Response in epidemiologischen Studien in Detuschland (Teil II), Gesundheitswesen. 2004;66(8/09):482-491
[2] John D, Tyrach M, OttmannS. Best-Practice-Beispiele der Evaluationsforschung in der kommunalen Gesundheitsförderung: des Projekt: " Gesundheit für alle im Stadtteil", Nürnberg: Gesundheitsamt Nürnberg; 2024
[3] Kuper S, MoneckeM, von Falkenhausen I, Nentwig L, Kleinod E, Pocha S, Zimmermann T. Projektabschlussbericht KiezRadar: ortsbezogen - personalisert - proaktiv. Berlin: Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme FOKUS 2021
Frau Dr. Angela Schuster
Institut für Allgemeinmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin
Frau Ulrike Stasun
Institut für Allgemeinmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin
Herr Mohammed Hubrack
Gesundheitskollektiv Berlin e.V., Berlin
#Workshop 60 #Community Health #Partizipation #Teilhabe #vulnerable Gruppen
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
SYM10
Digitale Gesundheitskompetenz in der Schule: von der Reflexion zur gezielten Stärkung am Beispiel des BARMER Präventionsprogramms DURCHBLICKT! (A Funken)
HL/Schule
Raum: Seminarraum 507 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1
Rational/Begründung

In Anbetracht steigender Informationsbestände zu und über Gesundheit in digitalen Räumen nimmt die Fähigkeit des Erschließens von und kritischen Umgangs mit Informationen eine hohe Bedeutung für Public Health ein. Studien offenbaren, dass die als digitale Gesundheitskompetenz (dGK) bezeichnete Fähigkeit in der schulischen Sekundarstufe I bei mehr als der Hälfte der Kinder und Jugendliche und etwa 40% der Lehrkräfte eingeschränkt ist [1-3]. Daraus leitet sich ein hoher Bedarf an Interventionen für Kinder, Jugendliche und das Schulpersonal zur frühzeitigen Förderung von dGK ab [4]. Studien in der Vergangenheit verdeutlichen, dass die GK des Schulpersonals für die Umsetzung von Maßnahmen der schulischen Gesundheitsförderung auch von der personalen Gesundheitskompetenz beeinflusst wird [5].

Methode

Ausgehend von den Ergebnissen von zwei Studien mit Kindern, Jugendlichen sowie Schulpersonal wurde mit BARMER DURCHBLICKT! auf Basis eines partizipativen Ansatzes (Fokusgruppen und Ko-Kreation) mit Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern und der Befragungen der Zielgruppen ein umfassendes Präventionsprogramm entwickelt. Dieses adressiert und fördert gezielt die dGK von Schülerinnen und Schülern im Setting Schule. Hierfür wurden entlang der Studienergebnisse und partizipativ Schwerpunktsetzungen vorgenommen und eine Umgebung geschaffen, in der Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler Informationen, Medien, eine modulare Fortbildung sowie umfangreiches Unterrichtsmaterial vorfinden.

Das Präventionsprogramm DURCHBLICKT!

Im Jahr 2022 wurde das Präventionsprogramm BARMER DURCHBLICKT! gelauncht, das aus einer digitalen Plattform mit über 40 Unterrichtsmaterialien, Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte, Tools für Schülerinnen und Schüler, Informationsangebote für Eltern und zwei Verfahren zur Selbstreflexion der personalen und organisationalen dGK entwickelt. Seit dem Launch hat DURCHBLICKT! ca. 780.000 Schülerinnen und Schüler erreicht und stärkt in über 6.500 Schulen bundesweit die dGK – vom Eintritt in die Schule bis zur Berufsschule.

Der Erfolg von DURCHBLICKT! basiert auch auf dem partizipativen Vorgehen, der durch Fortbildung der Multiplikatoren und einsatzbereite Unterrichtsmaterialien in die Schule gebracht wird und auf einer Online Plattform zur Verfügung steht. Lehrkräfte erarbeiten zusammen mit ihren Schülerinnen und Schülern ihre persönlichen Methoden und Strategien, um digital kompetenter zu werden und ihr Wohlbefinden zu verbessern.

DURCHBLICKT! als Blaupause. Aufbau des Symposiums

Das Präventionsprogramm DURCHBLICKT! soll im Rahmen eines Symposiums eingehend vorgestellt und als Blaupause für eine evidenzinformierte und skalierbare Intervention zur Förderung der digitalen GK diskutiert werden. Hierfür werden insgesamt vier Beiträge einen Einblick in die Studienbasis, die Entwicklung und aktuelle Umsetzung geben.
  1. Digitale Gesundheitskompetenz und Schule: Begrifflich-konzeptionelle Einführung (Kevin Dadaczynski)
  2. Digitale Gesundheitskompetenz von Schülerinnen und Schüler und Schulpersonal. Ergebnisbefunde von zwei Studien (Team TUM)
  3. Entwicklung und Umsetzung des Präventionsprogramms DURCHBLICKT (Astrid Funken)
  4. Erfahrungen der Umsetzung von DURCHBLICKT! aus Sicht von Schule (Praxisvortrag)
Im Anschluss an die Vorträge erfolgt eine gemeinsame Reflexion der Vortragenden zum Tagungsthema, also zur Frage, inwiefern das Präventionsprogramm DURCHBLICKT! partizipativ entwickelt und umgesetzt wurde und welche Barrieren und Erfolgsbedingungen hierbei identifiziert werden können. Dabei werden die Erfahrungen und Impulse der Teilnehmenden in einer gemeinsamen Diskussion systematisch eingebunden.

Referenzen

[1]   Barmer. Digitale Gesundheitskompetenz und
Schule. 2023. Available from:
https://www.durch-blickt.de/durchblickt-studie#2023
[2]   Rangnow P, Hartmann A, Fischer L, Stauch L,
Renninger D, Okan O, Dadaczynski K. Digital health literacy among primary and
secondary school teachers: a quantitative study. Frontiers in Public Health.
2024;12:1334263.
[3]   Stauch L, Renninger D, Rangnow P, Hartmann A,
Fischer L, Dadaczynski K, Okan O. Digital health literacy of children and
adolescents and its association with sociodemographic factors: Representative
study findings from Germany. J Med
Internet Res. 2025 (in press).
[4]   Renninger D, Stauch L, Fischer L, Hartmann A,
Rangnow P, Dadaczynski K, Okan O. Das Erlernen digitaler Gesundheitskompetenz
im schulischen Kontext: Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von
Schülerinnen und Schülern in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz. 2025; 68(3):293-301.
[5]   Dadaczynski
K, Rathmann K, Hering T, Okan O. The Role of School Leaders’ Health Literacy
for the Implementation of Health Promoting Schools. Int. J. Environ. Res.
Public Health. 2020; 17:1855
Herr Thomas Neumann
Präventionsprogramm DURCHBLICKT!
Frau Astrid Funken
BARMER, Wuppertal
Herr Prof. Dr. Orkan Okan
Technische Universität München, TUM School of Medicine and Health, WHO Collaborating Centre for Health Literacy, München
Herr Prof. Dr. Kevin Dadaczynski
Universität Potsdam, Humanwissenschaftliche Fakultät, Potsdam
#Symposium 60 #Prävention #Gesundheitsförderung & Prävention #Digitale Gesundheitskompetenz #Lebenswelt Schule #Schule #Digitalität
2
Hintergrund

Die technologische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hat dazu geführt, dass digitale Endgeräte und deren Anwendungen zum alltäglichen Bestandteil gehören. Keine andere als die heutige junge Generation wächst so selbstverständlich mit digitalen Medien auf und hat damit jederzeit auch Zugriff auf gesundheitsbezogene Informationen. Mit der Menge an verfügbaren Informationen mit unterschiedlichen Qualitäts- und Verlässlichkeitsniveau steigt die Anforderung der Beschaffung und angemessenen Verarbeitung, einschließlich der kritischen Informationsbewertung und Anwendung im Alltag. Bei der Frage nach dem geeigneten Setting zur Förderung der Gesundheit spielt die Schule vor dem Hintergrund seiner Bildungs- und Erziehungsfunktion seit jeher eine besondere Rolle für die gesunde Entwicklung. Im Rahmen des Vortrages werden die Schule als Ort zur Stärkung der digitalen Gesundheitskompetenz reflektiert und geeignete Interventionsansätze eingeführt.

Methode

Die konzeptionelle Einführung erfolgt unter Rückgriff auf Literatur aus den Bereichen schulischen Gesundheitsförderung und Prävention, die seit Verabschiedung der Ottawa Charta für Gesundheitsförderung national wie international im großen Ausmaß verfügbar ist. Hinzu kommt die seit etwa 15 Jahren in Deutschland erstarkende Studien- und Literaturlage zur Gesundheitskompetenz im Kindes- und Jugendalter [1].

Ergebnisse und Diskussion

Ausgehend von einem relationalen Verständnis ist (digitale) Gesundheitskompetenz auf individueller als auch strukturell-organisatorischer Ebene zu stärken. Diese strategische Ausrichtung findet ihre Entsprechung in der Verhaltens- und Verhältnisprävention, die sich in verschiedenen Ansätzen der schulischen Gesundheitsförderung wiederfindet [2]. Dabei stellen die gesundheitsfördernde Schule oder die gute gesunde Schule geeignete Ansatzpunkte für ganzheitliche Ansätze dar, die auch die Anliegen der (digitalen) Gesundheitskompetenz aufnehmen können. Neben der Vorstellung eines konzeptionellen Rahmens zur ganzheitlichen Förderung der (digitalen) Gesundheitskompetenz [3] werden bildungspolitische Herausforderungen und Notwendigkeiten aufgegriffen, die für eine stärkere Verankerung des Themas im Setting Schule zu adressieren sind.

Referenzen

[1] Bollweg
T, Bröder J, Pinheiro, Hrsg. Health Literacy im Kindes- und Jugendalter. Ein-
und Ausblicke. Wiesbaden: Springer; 2020.
[2] Paulus P,
Dadaczynski K. Gesundheitsförderung und Schule. In: Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BZgA), editor. Leitbegriffe der
Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und
Methoden. 2024. Available
from: https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i051-3.0
[3] Okan O, Paakkari L, Dadaczynski
K. Health literacy in schools. State of the art. Schools for Health in Europe
(SHE) network. 2020. Available from: https://tinyurl.com/y63ovqth
Herr Prof. Dr. Kevin Dadaczynski
Humanwissenschaftliche Fakultät, Universität Potsdam, Potsdam, Deutschland, Potsdam
#Symposium 60 #Digitale Gesundheitskompetenz #Schule #Lebenswelt Schule #Prävention
3
Hintergrund

Gesundheitsinformationen durchdringen viele Bereiche des Lebensalltags von Kindern und Jugendlichen aber auch Lehrkräften und spielen eine wichtige Rolle für die Entscheidungsfindung. Durch die Digitalisierung werden der Anstieg an Informationen sowie der Zugang zu diesen über digitale Endgeräte noch einmal verstärkt und erleichtert. Die digitale Gesundheitskompetenz befähigt Menschen dazu, sachgerecht mit Informationen zur Gesundheit umzugehen, zwischen richtigen und falschen Informationen im Internet zu unterscheiden und gesündere Verhaltensweisen zu praktizieren. Das Ziel dieser Studie ist es, die digitale Gesundheitskompetenz von Schülerinnen und Schülern sowie vom Schulpersonal abzubilden, Zusammenhäng mit soziodemografischen, Gesundheits- und Verhaltensvariablen abzubilden.

Methode

Diese Querschnittsstudie basiert auf zwei Teilerhebungen: (1) einer repräsentativen Stichprobe von (N=1448) Sekundarschulkindern (im Alter von 9–18 Jahren) in Deutschland, die alle 16 Bundesländer und Schulformen umfasst und (2) eine Gelegenheitsstichprobe mit 1.600 deutschen Grund- und Sekundarschullehrkräften. Die digitale Gesundheitskompetenz wurde mithilfe der Kinder- und Jugendversion sowie der Erwachsenversion des Digital Health Literacy Instruments mittels Selbstbericht-Skala erfasst. Die Skala wurde im Rahmen dieser Studie entwickelt und vorgetestet wurde. Basierend auf deskriptiven und bivariaten Analysen sowie Regressionen wurden Verteilungen, Assoziationen und Unterschiede von ausgewählten demografischen Variablen, Gesundheitsoutcomes, Gesundheitsverhaltensweisen (Ernährung, Zähneputzen, Rauchen und Alkoholkonsum) und Informations- und Schulvariablen sowie der digitalen Gesundheitskompetenz untersucht.

Ergebnisse

Von den befragten Schülerinnen und Schülern haben mehr als 50% eine niedrige digitale Gesundheitskompetenz, bei den Lehrkräften sind es mehr als 40%. Bei den Schülerinnen und Schülern liegen Zusammenhänge mit dem Gesundheitsverhalten vor (Obst; Gemüse und Salat; Vollkornprodukte; andere tierische Produkte; Schokolade oder andere Süßigkeiten; zuckerhaltige Getränke; Fast Food; Ausnahme: Fleischkonsum). Zudem folgt die Gesundheitskompetenz bei Kindern einem sozialen Gradienten, bei den Lehrkräften einen Alters- und Schulgradienten. Im Schnitte berichten sie mit über 50% (Schüler) bzw. über 60% (Lehrkräfte), dass Gesundheitskompetenz im Unterricht nicht adressiert würde. Das Erlernen von Themen zur digitalen Gesundheitskompetenz im schulischen Kontext zeigt eine signifikante Korrelation mit der digitalen Gesundheitskompetenz der Schüler. Schüler, die ein hohes Maß an Lernen berichten, zeigen weniger Verwirrung im Umgang mit Gesundheitsinformationen und fühlten sich deutlich besser informiert. Im Vergleich zu Gleichaltrigen mit unzureichendem Lernen berichteten Schüler mit hohem Lernen häufiger, dass sie Gesundheitsinformationen von Eltern, durch Interaktionen mit Gleichaltrigen, aus Online-Quellen, aus Inhalten von Influencern, aus Offline-Literatur, aus dem Fernsehen und in der Schule zu erhalten.

Fazit

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die meisten Gesundheitsverhaltensweisen von Schulkindern durch die Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz in der Schule verbessert werden könnten. Die in dieser Studie identifizierten Muster deuten auf einen höheren Interventionsbedarf bei älteren Lehrkräften, Lehrenden an Grund- und allgemeinbildenden Sekundarschulen sowie bei Personen ohne Führungspositionen hin. Bei den Kindern sind es in erster Linie diejenigen aus bildungsfernen und einkommensschwachen Elternhäusern, die einen erhöhten Bedarf haben.

Referenzen

Barmer (2023). Digitale Gesundheitskompetenz und Schule. Studienbericht 2023. Autoren: Orkan Okan, Kevin Dadaczynski in Kooperation mit den Studienteams der TU München (Denise Renninger, Lisa Stauch), HS Fulda (Pia Rangnow, Lisa Fischer, Anja Hartmann) und We Are Family Stuttgart. Barmer, Berlin. https://www.hs.mh.tum.de/fileadmin/w00bbr/healthliteracy/_my_direct_uploads/BARMER-DURCHBLICKT-Digitale-Gesundheitskompetenz-und-Schule.pdf . Lisa Stauch, Denise Renninger, Pia Rangnow, Lisa Fischer, Anja Hartmann, Kevin Dadaczynski, Orkan Okan. (2025). Digital health literacy of children and adolescents and associated sociodemographic factors: A cross sectional-study in Germany. Journal of Medical Internet Research (accepted) Renninger, D., Stauch, L., Fischer, L., Hartmann, A., Rangnow, R., Dadaczynski, K., Okan, O. (2024). Das Erlernen digitaler Gesundheitskompetenz im schulischen Kontext: Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Schülerinnen und Schülern in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt. https://doi.org/10.1007/s00103-024-03991-6 . Rangnow, P., Fischer, L., Hartmann, A., Renninger, D., Stauch, L., Okan, O., Dadaczynski, K. (2024). Digital health literacy among primary and secondary school teachers-a quantitative study. Frontiers in Public Health. 12:1334263. https://doi.org/10.3389/fpubh.2024.1334263 . Dadaczynski, K., Rathmann, K., Hering, T., Okan, O. (2020). The Role of School Leaders’ Health Literacy for the Implementation of Health Promoting Schools. International Journal of Environmental Research and Public Health. 17(6),1855. https://doi.org/10.3390/ijerph17061855 .
Herr Prof. Dr. Orkan Okan
Technische Universität München, TUM School of Medicine and Health, WHO Collaborating Centre for Health Literacy, München
WHO Collaborating Centre for Health Literacy, Technische Universität München, München, Deutschland, München
#Symposium 60 #Digitale Gesundheitskompetenz #Lebenswelt Schule #Schule
4
Hintergrund: Stellenwert der Lebenswelt Schule

Die Lebenswelt Schule spielt für Prävention eine wesentliche Rolle. In der Schule kommen alle Kinder und Jugendlichen über einen langen Zeitraum zusammen. Lehrkräfte sind durch Richtlinien und Lehrpläne zunehmend angehalten die Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler über die reine Fachkompetenz hinaus zu fördern. Die Digitalisierung hat diesen Anspruch verstärkt, wie man aus der Empfehlung der Kultusministerkonferenz „Leben in der digitalen Welt“ [1] ableiten kann.
Daher haben Lehrkräfte bei DURCHBLICKT! eine Schlüsselfunktion: Sie empowern junge Menschen für einen gesunden Umgang mit digitalen Medien.

Strategische Entwicklung des Präventionsprogramms DURCHBLICKT!

Zur Absicherung der Wirksamkeit des Programms, wurden von Anfang an wissenschaftliche Analysen und die Kompetenz in der Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen sowie deren Begleiterinnen und Begleitern herangezogen.
Bei Entwicklung des Präventionsprogramms DURCHBLICKT! war die dGK bei ca. 40% der Lehrkräfte eingeschränkt [2-4]. Eine der Herausforderungen von Lehrkräften war zudem die Bewertung der Qualität von Informationen [2].
Somit müssen Lehrkräfte mit Inhalten ausgestattet werden, die keine weitere Recherche erfordern und einem rigorosen Qualitätssicherungsprozess durchlaufen haben.

Um nachhaltig Schülerinnen und Schüler zu erreichen, müssen Inhalte aber nicht nur korrekt sein. Diese Inhalte müssen so aufbereitet und dargestellt werden, dass Kinder und Jugendlichen intellektuell herausfordert werden. Man spricht von kognitiver Aktivierung, die durch Aktivitäten und Interaktion erreicht wird.

All diese Bemühungen sind nur dann erfolgreich, wenn sie die Schülerinnen und Schüler von heute anspricht. Die Kompetenz in der Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen fußt dabei auf die direkte Interaktion. Durch Befragungen und die Arbeit mit Fokusgruppen wurden Schülerinnen und Schüler bereits in der Entwicklungsphase als kompetente Partnerinnen und Partner eingebunden.

Der Ansatz Kindern und Jugendlichen zuzuhören, ihnen und ihren Erfahrungen Raum und Respekt zu bieten lebt als Grundsatz in der Umsetzung des Programms – vom Unterrichtsmaterial bis zum Podcast – fort.

Umsetzung des Präventionsprogramms DURCHBLICKT!

Lehrkräfte in ganz Deutschland haben jederzeit Zugang zu Fortbildung und Unterrichtsmaterial. So können sie schnell und problemlos agieren. Die Handreichungen zu den für 90 Minuten konzipierten Einheiten sind auf die Standards von Lehrkräften abgestimmt.

Methodisch und gestalterisch folgen die Unterrichtseinheiten den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen. Diese wollen ernst genommen werden und sich aktiv einbringen. So fördern die verwendeten Methoden die Mitbestimmung, soziale Interaktion und Reflexion des eigenen Handelns.

Partizipation und Ko-Kreation erhalten so ein Konzept, das Lehrkräfte auch ohne breite Methodenkenntnis umsetzen können. In den Modulen der Fortbildung erwerben sie zudem Kenntnisse und werden ermutigt, ihren Schülerinnen und Schülern Freiraum zu geben.

Durch die oftmals große Diskrepanz im Umfang der Erfahrungswelt mit digitalen Medien ergibt sich für Lehrkräfte eine einmalige Chance des Zusammenlernens mit den Schülerinnen und Schülern.

So sensibilisiert wollen Lehrkräfte ihre eigene dGK bzw. die das Kollegiums erfassen. Mit Tools auf dem DURCHBLICKT!-Portal können sie das unter wissenschaftlichen Bedingungen tun.

Fazit

Die Konzeption und Gestaltung des Entwicklungsprozesses sowie der Umsetzung von DURCHBLICKT! werden Schwerpunkt im Vortrag. Der Stellenwert von Partizipation und Ko-Kreation werden in Hinblick auf die Erwartungen und Bedürfnisse der GenZ und GenA vertieft werden.

Referenzen

[1] Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister
der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Lehren und Lernen in der
digitalen Welt: Ergänzung zur Strategie der Kultusministerkonferenz. Beschluss
der Kultusministerkonferenz. 09.12.2021.
[2] Barmer. Digitale Gesundheitskompetenz und Schule. 2023. Available
from: https://www.durch-blickt.de/durchblickt-studie#2023
[3] Rangnow P, Hartmann A, Fischer L, Stauch L,
Renninger D, Okan O, Dadaczynski K. Digital health literacy among primary and
secondary school teachers: a quantitative study. Frontiers in Public Health.
2024;12:1334263.
[4] Stauch L, Renninger D, Rangnow P, Hartmann A,
Fischer L, Dadaczynski K, Okan O. Digital health literacy of children and
adolescents and its association with sociodemographic factors: Representative
study findings from Germany. J Med Internet Res. 2025 (in press).
Frau Astrid Funken
BARMER, Wuppertal
#Symposium 60 #Digitale Gesundheitskompetenz #Lebenswelt Schule #Schule #Prävention #Gesundheitsförderung & Prävention
5
Hintergrund

Seit seiner Einführung im Oktober 2022 hat DURCHBLICKT! kontinuierlich neue Lehrkräfte hinzugewonnen. Diese Lehrkräfte kommen regelmäßig auf das DURCHBLICKT!-Portal, um durch die Inhalte der asynchronen Fortbildung ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln und die Materialien und Medien für den Einsatz im Unterricht auszuwählen.

Die über 7.000 registrierten Lehrkräfte aus über 6.000 Schulen kommen aus allen Bundesländern unabhängig vom Grad der Digitalisierung des Unterrichts. Von Beginn an waren Lehrkräfte aller Schulformen – von der Grundschule bis zur Berufsschule – vertreten.

Der Praxisvortrag wird die Erfahrungen der Auswahl und des praktischen Einsatzes der Unterrichtsmaterialien und Medien in einer Klasse vorstellen. Trotz Trends und Leitthemen ist die Situation in jeder Klasse individuell. Ko-Kreation ausgehend von dieser Situation fördert die Entwicklung passgenauer Konzepte und Strategien zur Verbesserung der dGK der Schülerinnen und Schüler.

Praxisbeispiel: Demokratieförderung und Förderung der dGK gehen Hand-in-Hand

Methode und Ergebnis

Im Vorfeld der Bundestagswahl wurden in der Schule Demokratie und demokratische Prozesse thematisiert. Allerdings ließen die Kommentare der Schülerinnen und Schüler erkennen, dass sie von Informationen verunsichert waren, die sie insbesondere in digitalen Medien erreichten.

Die Lehrkraft hatte ein Stimmungsbild der Schülerinnen und Schüler eingeholt, um die Herangehensweise an das Thema „Bundestagswahl“ auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler abzustimmen. Neben dem Inhaltsaspekt wurde dadurch ersichtlich, dass die Meldungen und Nachrichten eine Auswirkung auf das Befinden der Jugendlichen haben.
Die Klasse legte so den Schwerpunkt nicht allein auf die Beurteilung der Qualität von Informationen mit Hilfe des Unterrichtsmaterials „Digitalisierung der politischen Meinung“ sondern nutzte auch die Inhalte von „Wenn Informationen Angst machen – Medienkonfrontation in Krisenzeiten“.

Die Schülerinnen und Schüler entwickelten im Kontext des Themas Bundestagswahl ihre Kompetenz zur Einschätzung der Qualität von Informationen, Strategien zum Umgang mit Emotionen und lernten Hilfsangebote kennen.
Die Auswahl der Unterrichtsmaterialien und deren Anwendung im Kontext von Ko-Kreation wird im Vortrag mit Zitaten und Beispielen detailliert dargestellt.

Fazit

Die Förderung der dGK von Schülerinnen und Schülern ist im Regelunterricht möglich. Eine konstruktive Verbindung zu Themen aus den Lehrplänen lässt sich herleiten und über die Empfehlung „Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz [1] einem Kompetenzraster zuordnen.

Der Fachbezug der Ausbildung der Lehrkräfte rüstet diese nicht mit dem Hintergrundwissen aus, um Fachthemen relevanten Aspekten der dGK zuzuordnen. Diese Zuordnung muss, so wie bei den Unterrichtsmaterialien von DURCHBLICKT!, von Fachleuten vorgenommen werden.

Partizipation und Ko-Kreation sichern als Prinzip der Unterrichtsgestaltung ab, dass Unterricht zur Entwicklung individueller Handlungs- und Lösungsstrategien führt, die nicht allein auf der Ausgangssituation der Schülerinnen und Schüler basieren, sondern von diesen auch umgesetzt werden können.

Für eine nachhaltige Förderung der dGK, die über die Schulzeit hinaus wirkt, ist dies unverzichtbar.

Referenzen

[1] Sekretariat der Ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Lehren und Lernen
in der digitalen Welt: Ergänzung zur Strategie der Kultusministerkonferenz. Beschluss
der Kultusministerkonferenz. 09.12.2021 .
Herr Thomas Neumann
Präventionsprogramm DURCHBLICKT!, Stuttgart
#Symposium 60 #Digitale Gesundheitskompetenz #Gesundheitsförderung & Prävention #Prävention #Lebenswelt Schule #Schule #Praxisbeispiele
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
VS8
Psychosoziale Faktoren in Kindheit und Jugendalter
Psychosoziale Faktoren in Kindheit und Jugendalter
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Beiträge:
1

​Mit den verpflichtenden Schuleingangsuntersuchungen erfolgt jährlich eine Vollerhebung zur Gesundheit und Entwicklung der einzuschulenden Kinder. Für Magdeburg fehlt bislang eine systematische und kontinuierliche Analyse dieser standardisierten Dokumentation. Daher konnte bislang nicht untersucht werden, ob die Gesundheit der Kinder durch die gesellschaftlichen und gesundheitlichen Ereignisse der letzten Jahre (Migrationszunahme, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg) gelitten hat. Im Rahmen zweier Dissertationsvorhaben an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg in Zusammenarbeit mit dem Gesundheits- und Veterinäramt der Stadt Magdeburg soll diese Erkenntnislücke geschlossen werden.
Diese Studie basiert auf den standardisierten Schuleingangsuntersuchungen von mehr als 20.000 Kindern bzgl. ihrer Schulfähigkeit aus dem Zeitraum 2015 bis 2024. Im Elternfragebogen werden u.a. Angaben zum Schwangerschaftsverlauf, Entwicklung des Kindes und früheren und aktuellen Krankheiten und Therapien erhoben. Das familiäre und soziale Umfeld der Kinder wird über Fragen zum Haushalt, zum Stadtteil zur Bildung und Migrationsstatus der Eltern und zur vorschulischen Betreuung erfasst. Über Gesundheitszustand und Entwicklungsstand der Kinder gibt der ärztliche Dokumentationsbogen Auskunft, der unter anderem Angaben zu Krankheiten (u.a. Allergien, Atemwegserkrankungen), Entwicklungsstand (geistig, motorisch, sprachlich, sozial) und empfohlenen Fördermaßnahmen enthält. Die Analyse der Häufigkeit auffälliger Befunde und nicht gegebener Schulfähigkeit erfolgt bzgl. zeitlicher Trends, stadtteilbezogener Variation und sozialem bzw. Migrationsstatus der Eltern.
Erste Analysen aus den Jahren 2022 und 2023 beruhen auf 4580 Datensätzen. Die einzuschulenden Kinder waren zum Untersuchungszeitpunkt durchschnittlich 5,5 Jahre alt. Ein beidseitiger Migrationshintergrund liegt bei 25% der Kinder vor, bei weiteren 6% ein einseitiger. Der Sozialstatus nach dem Brandenburger Sozialindex weist für 40% der einzuschulenden Kinder einen hohen Sozialstatus auf (28% mittlerer, 15% niedriger Status; 16% fehlende Angaben). Die fünf Entwicklungsbereiche werden durch verschiedene Untertests erhoben und dokumentiert. So weisen insgesamt 10% der einzuschulenden Kinder in Magdeburg handlungsbedürftige oder zumindest grobmotorische Störungen auf (geistige Defizite 16%, feinmotorische Störungen 22%, Grammatikstörungen 28%, Artikulationsstörungen 32%). Jungen schneiden dabei in allen Bereichen schlechter ab als Mädchen. Mit abnehmendem Sozialindex steigt der Anteil an Kindern, die interventionsbedürftige Auffälligkeiten zeigen.
Mit weiteren Datenlieferungen für den Gesamtzeitraum 2015-2024 sollen die vorläufigen Ergebnisse vor allem bezüglich zeitlicher Trends weiter analysiert werden. Wir erwarten dabei eine Zunahme der Häufigkeit auffälliger Befunde als Folge der Corona-Pandemie und eine Variation nach Stadtteilen Magdeburgs in Abhängigkeit von deren Prosperität. Weiterhin vermuten wir eine Häufung von Auffälligkeiten bei Kindern mit Migrationshintergrund. Mit den Analysen soll die Basis für ein Monitoringsystem geschaffen werden, das in der Lage ist, vulnerable Gruppen und benachteiligte Setting zu identifizieren, um zielgruppenspezifische Interventions- und Präventionsangebote zu entwickeln.
Frau Anja Renar
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Medizinische FakultätInstitut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung (ISMG), Magdeburg
#Präsentation
2
Hintergrund: Psychische Gesundheit ist ein zentraler Bestandteil der allgemeinen Gesundheit. Sie umfasst sowohl das individuelle subjektive Wohlbefinden als auch die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen und aktiv am gesellschaftlichen Leben, z.B. in der Schule oder im sozialen Umfeld teilzuhaben. Kinder und Jugendliche mit Migrationserfahrung bringen besondere psychische Gesundheitsbedarfe und Ressourcen mit, da ihre psychosoziale Entwicklung durch zahlreiche Faktoren vor, während und nach der Migration beeinflusst wird. Gleichzeitig stehen sie bei der Inanspruchnahme von psychosozialen Versorgungsstrukturen häufig vor besonderen Hürden und sind in bestehenden Datensystemen oft nicht abgebildet. Dieses systematische Review untersucht daher die psychische Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen mit eigener oder elterlicher Migrationserfahrung in Deutschland. Im Fokus stehen dabei einerseits Prävalenzen psychischer Erkrankungen, Symptome und Ressourcen und andererseits die Erhebungsmethoden und -systeme mit denen diese Daten erfasst werden.

Methoden: Für dieses systematische Review wurde eine Literaturrecherche in Medline (via PubMed), EMBASE, PsycINFO und Web of Science durchgeführt. Eingeschlossen wurden quantitative Studien (2000–2024) in Deutsch oder Englisch, die die psychische Gesundheit von in Deutschland lebenden Kindern und Jugendlichen mit eigener und/oder elterlicher Migrationserfahrung untersuchten. Studien wurden eingeschlossen, wenn sie A) die Migrationserfahrung von Kindern und Jugendlichen oder Eltern als unabhängige Variable, bzw. Prävalenzunterschiede psychischer Erkrankungen, Symptome und Ressourcen zwischen Gruppen mit und ohne Migrationserfahrung untersuchten, oder B) Prävalenzen solcher Gesundheitsoutcomes bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationserfahrung berichteten. Berücksichtigt wurden multinationale Studien mit stratifizierten Ergebnissen für Deutschland ebenso wie nationale und regionale Studien.

Ergebnisse: Von 3.256 identifizierten Studien erfüllten 103 die Einschlusskriterien. Die eingeschlossenen Studien konzentrierten sich auf folgende Bereiche der psychischen Gesundheit: Allgemeine emotionale und Verhaltensauffälligkeiten, Angststörungen, Depression, posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), selbstverletzendes Verhalten und Substanzkonsum sowie psychische Ressourcen und Resilienz. Die meisten Studien (>70 %) stützten sich auf nicht repräsentative Stichproben und nutzten von den Eltern oder den Kindern bzw. Jugendlichen selbst ausgefüllte Fragebögen. Minderjährige Geflüchtete wiesen eine hohe Prävalenz psychischer Probleme, insbesondere PTBS, auf. Eine nicht auf Fluchterfahrungen beschränkte elterliche Migrationserfahrung war tendenziell nicht oder nur in geringem Maße mit schlechterer psychischer Gesundheit der Kinder und Jugendlichen assoziiert. Einige Studien hoben zudem Schutzfaktoren wie persönliche Ressourcen oder eine bessere gesundheitsbezogene Lebensqualität für Kinder und Jugendliche mit Migrationserfahrung hervor. Es wurden signifikante Interaktionseffekte in Bezug auf den sozioökonomischen Status, das Geschlecht, die Herkunftsregion, die Migrationserfahrung eines versus beider Elternteile und die elterliche versus eigene Migrationserfahrung berichtet.

Diskussion: Die komplexen Ergebnisse in Bezug auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit eigener oder elterlicher Migrationserfahrung in Deutschland zeigen, wie wichtig eine gezielte Erfassung des Gesundheitsstatus dieser Gruppe ist. Umfassende Daten helfen dabei, systemische Herausforderungen und gesundheitliche Ungleichheiten zu erkennen. Sie sind auch entscheidend, um effektive Präventions- und Interventionsstrategien zu entwickeln, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen am sozialen und schulischen Leben fördern und ihre psychische Gesundheit langfristig verbessern. Die Ergebnisse dieser Arbeit liefern die Grundlage für politische Empfehlungen, um die Datensysteme zu Gesundheit und Migration in Deutschland und darüber hinaus zu verbessern und eine chancengleiche und effektive Versorgung sicherzustellen.

Frau Bianka Detering
Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG 2 Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung, Universität Bielefeld, Bielefeld
Frau Veronika Wiemker
Universität Heidelberg, Sektion Health Equity Studies & Migration, Heidelberg
Frau Marleen Bug
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Präsentation #Migration #psychische Gesundheit #Kinder und Jugendliche #Datensysteme #Systematic Review
3

Hintergrund

Um gesundheitliche Ungleichheiten zu erkennen und eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik im Kontext von Migration und Gesundheit zu gewährleisten, sind aktuelle und repräsentative Daten sowie effektive Datensysteme unerlässlich. Dennoch bestehen erhebliche Lücken in der Erfassung und Integration migrationsbezogener Gesundheitsdaten. Ziel dieser Arbeit ist es, am Beispiel der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte, eine Bestandsaufnahme der in Deutschland verfügbaren Datenquellen vorzunehmen und deren Nutzbarkeit für die Gesundheitsberichterstattung zu erfassen.

Methode

Auf der Grundlage eines im Rahmen des Projekts „STRONGDATA-kids“ durchgeführten systematischen Reviews wurde eine umfassende Bestandsaufnahme aller seit dem Jahr 2000 in der Literatur identifizierten Datenquellen durchgeführt. Dabei wurden ausschließlich solche Datenquellen berücksichtigt, die relevante Informationen zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit eigener und/oder elterlicher Migrationsgeschichte in Deutschland enthalten und einen Datenumfang von mindestens 1.000 Fällen aufweisen. Die Auswahl umfasste quantitative Datenquellen, einschließlich nationaler Register- und Routinedaten sowie bevölkerungsbasierte Studien. Zur Erfassung der Nutzbarkeit der Datenquellen wurde eine im Rahmen des Projekts entwickelte Evaluierungsliste verwendet. Diese Liste berücksichtigt mehrere Dimensionen, die die Nutzbarkeit der Datenquellen für die Gesundheitsberichterstattung in Deutschland reflektieren. Zu bewertende Dimensionen umfassen die Genauigkeit, Konformität, Konsistenz, Zuverlässigkeit sowie Aktualität als auch rechtliche, finanzielle und strukturelle Barrieren, um potenzielle Zugangs- und Nutzungsbarrieren zu erfassen.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 30 Datenquellen (6 Register-/Routinedatenquellen und 24 Bevölkerungsstudien) in die Analyse einbezogen. Die häufigsten Indikatoren zur Erfassung des Migrationsstatus der Kinder und Jugendlichen sind das eigene (n=25) sowie elterliche Geburtsland (n=22) und die eigene aktuelle Staatsangehörigkeit (n=21). Die Indikatoren zur mentalen Gesundheit beziehen sich am häufigsten auf psychische Symptome und Störungen (z.B. Depressivität) (n=14) sowie Verhaltensauffälligkeiten und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (n=7). Auch protektive Aspekte der psychischen Gesundheit wie Wohlbefinden und Lebensqualität wurden betrachtet (n=11). Die größte Vielfalt an erfassten Outcomes zeigt sich dabei in surveybasierten Erhebungen, in denen eine Vielzahl an validierten krankheitsspezifischen Instrumenten und Skalen zur Anwendung kommt. In Bezug auf die Bewertung der Datenquellen zeigen Register- und Routinedaten eine höhere Konsistenz und Zuverlässigkeit, während Bevölkerungsbefragungen insbesondere in Bezug auf ihre Genauigkeit Vorteile aufweisen. Für beide Arten von Datenquellen bestehen vor allem strukturelle Barrieren hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit, wie beispielsweise fehlende Standardisierung.

Diskussion

Die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme unterstreichen die Notwendigkeit, die migrationsbezogenen Gesundheitsdatensysteme in Deutschland weiter zu verbessern. Nur so lassen sich gesundheitliche Ungleichheiten, insbesondere im Bereich der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationsgeschichte, besser verstanden und zielgerichtete, bedarfsorientierte Maßnahmen entwickelt werden, die die psychische Gesundheit und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen nachhaltig fördern. Die vorhandenen Datenquellen liefern wertvolle Informationen, weisen aber gleichzeitig erhebliche Lücken und Zugangsbarrieren auf. Für eine effektive Gesundheitsberichterstattung und eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik im Kontext von Migration ist es daher unerlässlich, bestehende Datensysteme auszubauen und zu standardisieren.
Frau Marleen Bug
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
Frau Bianka Detering
Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG 2 Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung, Universität Bielefeld, Bielefeld
Frau Veronika Wiemker
Universität Heidelberg, Sektion Health Equity Studies & Migration, Heidelberg
#Präsentation #Migration #Datenquellen #psychische Gesundheit #Kinder und Jugendliche
4

Hintergrund

Körperliche, emotionale und sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie Vernachlässigung (Kindesmisshandlung) ist ein dringliches gesundheits- und sozialpolitisches Problem. Studien zeigen, dass die Prävalenz für Deutschland bei ca. 30% liegt [1]. Kindesmisshandlung findet oft im sozialen Nahraum, wie dem familiären Umfeld, statt. Doch auch ehrenamtliche Vereine, in denen Kinder und Jugendliche betreut werden, können eine Rolle spielen [2]. Sie sind wichtige Lebensräume, in denen sich Kinder abseits von Elternhaus und Schule entwickeln. Ehrenamtliche Vereine bergen aber auch Risiken, etwa durch leichte Zugänglichkeit für Täter:innen, enge Beziehungen und fehlende Sensibilisierung [3]. Daher müssen sich Vereine ihrer Verantwortung bewusst sein, Kinder und Jugendliche vor Gewalt zu schützen und Betroffene zu unterstützen. Ziel dieser Arbeit ist es, die Prävalenz von Kindesmisshandlung in Vereinen, die Häufigkeit von Schutzmaßnahmen sowie deren Zusammenhang mit dem Sicherheitsgefühl in Vereinen für Deutschland zu untersuchen.

Methode

Von Oktober 2023 bis März 2024 wurde eine repräsentative Stichprobe von 2.513 Personen ab 16 Jahren in Deutschland befragt. Die Interviews wurden in den Haushalten der Proband:innen durchgeführt und erhoben Angaben zur Soziodemografie und ehrenamtlichen Aktivitäten im Kindes-/Jugend bzw. Erwachsenenalter. Zudem wurden Gewalterfahrungen in Vereinen als Kinder oder Jugendlichen, die Wahrnehmung von Schutzmaßnahmen, das Sicherheitsgefühl in den Vereinen, Gewalterfahrungen in der Familie und das subjektive Wohlbefinden (WHO-5) abgefragt. Deskriptive Statistiken wurden zur Analyse der Stichprobe und der Prävalenz verwendet, Regressionen wurden zur Untersuchung der Wahrnehmung von Schutzmaßnahmen und des subjektiven Wohlbefindens eingesetzt. Die Studie entsprach den ethischen Richtlinien und wurde von der Ethikkommission der Universität Leipzig genehmigt.

Ergebnisse

Von den 2.513 befragten Personen waren 954 (37.96%) ehrenamtlich aktiv und 819 (85.85%) davon als Kind/Jugendliche. Von diesen gaben 8,42% an, Gewalt im ehrenamtlichen Verein erlebt zu haben, 6,22% emotionale, 5,74% körperliche und 1,10% sexualisierte Gewalt. Zu den häufigsten wahrgenommen Schutzmaßnahmen in Vereinen gehörten die Thematisierung von Gewalt (42,49%) und Beschwerdemöglichkeiten (29,06%), allerdings zeigt sich, dass vor allem im Hinblick auf die Wahrnehmung von Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen und Präventionsmaßnahmen die Wahrnehmung zwischen Kindern und Erwachsenen stark auseinanderging. Die Ergebnisse machen deutlich, dass erlebte Gewalt in den Vereinen in einem negativen Zusammenhang mit der wahrgenommenen Anzahl an Schutzmaßnahmen (B=-0.515; p=0.005) steht. Das subjektive psychische Wohlbefinden ist positiv assoziiert mit der Tatsache, dass Gewalterfahrungen in den Vereinen ernst genommen wurden (B=0.808; p<0.001).

Diskussion

Vereine spielen eine zentrale Rolle beim Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Die Prävalenz von Gewalt in Vereinen zeigt jedoch einen erheblichen Handlungsbedarf. Besonders problematisch sind die unzureichende Umsetzung und Wahrnehmung von Schutzmaßnahmen. Die geringe Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Schutzkonzepten deutet auf eine unzureichende kindgerechte Kommunikation hin. Während andere Bereiche wie Bildung und Gesundheit zunehmend verbindliche Kinderschutzkonzepte etablieren, fehlt eine vergleichbare gesetzliche Grundlage für ehrenamtliche Vereine. Diese Lücke könnte das Risiko für Gewalt und unzureichende Intervention in ehrenamtlichen Vereinen bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erhöhen. Für eine wirksame Gewaltprävention sind verbindliche Schutzkonzepte, verpflichtende Schulungen für Ehrenamtliche und eine stärkere Partizipation von Kindern und Jugendlichen notwendig. Nur durch eine systematische Verankerung von Schutzmaßnahmen kann das Potenzial von Vereinen als sichere Entwicklungsräume vollständig ausgeschöpft werden.

Referenzen

[1] Witt A, Brown RC, Plener PL, Brähler E, Fegert JM. Child maltreatment in Germany: prevalence rates in the general population. Child Adolesc Psychiatry Ment Health 2017; 11:47.
[2] Bundschuh C. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder in Institutionen: Nationaler und internationaler Forschungsstand; Expertise im Rahmen des Projekts "Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen in Institutionen". München: Deutsches Jugendinstitut e.V.; 2010.
[3] Remke S, Bertels G. Ehrenamtliche im Blick. Zielgruppe und Partner bei Prävention gegen sexualisierte Gewalt. In: Wazlawik M, Christmann B, Böhm M, Dekker A (Hrsg.) Perspektiven auf sexualisierte Gewalt: Einsichten aus Forschung und Praxis. Wiesbaden: Springer; 2020. S.65-81.
Frau Dr. Anna Eberhardt
Uniklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Ulm
Deutsche Zentren für psychische Gesundheit (DZPG), Standort Ulm, Ulm
#Präsentation #Kindesmisshandlung #Gesundheitsförderung & Prävention #Gewaltschutz #Ehrenamtliches Engagement #Sensibilisierung #Epidemiologie
5
Hintergrund
Die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen am gesellschaftlichen Leben, am Bildungssystem, aber auch im Hinblick auf die gesundheitliche Chancenverteilung wird maßgeblich durch ihre soziale Herkunft beeinflusst. Bereits im Kindes- und Jugendalter zeigen sich sozioökonomische Ungleichheiten bei der psychischen Gesundheit. Während der COVID-19-Pandemie fühlten sich viele Familien zusätzlich belastet und auch nach der Pandemie sorgen sich Kinder und Jugendliche aufgrund aktueller Krisen (wie z.B. Kriege oder Klimawandel) [1]. Der vorliegende Beitrag untersucht die Entwicklung psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Status der Familie in Zeiten globaler Krisen. Dabei werden weitere Risikofaktoren und Ressourcen berücksichtigt und Implikationen für die Gesundheitsförderung und Prävention diskutiert.
Methoden
Die Datengrundlage bilden die bevölkerungsbezogene BELLA-Studie (prä-pandemisch, N=1.580) sowie die COPSY-Studie ((post)-pandemisch, N=1.586-1.701) mit Teilnehmenden im Alter von 7 bis 22 Jahren. Die Erhebungen wurden vor (2017), während (2020-2022) und nach der COVID-19-Pandemie (2023-2024) durchgeführt. Erfasst wurden psychische Auffälligkeiten mittels des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ), der sozioökonomische Status mittels der elterlichen Bildung (CASMIN) und dem Nettoäquivalenzeinkommen des Haushalts sowie weitere Einflussfaktoren wie die soziale Unterstützung (Social Support Scale), elterliche Depression (PHQ-8) und der Familienzusammenhalt (Familienklima-Skala). Berechnet wurden die Prävalenzen psychischer Auffälligkeiten und Unterschiede in den Mittelwerten (SDQ) nach elterlicher Bildung und Haushaltseinkommen sowie Panel-Regressionsanalysen.
Ergebnisse
Im gesamten Befragungszeitraum zeigte sich, dass Kinder und Jugendliche mit einem niedrigen sozioökonomischen Status häufiger von psychischen Auffälligkeiten betroffen sind als Gleichaltrige mit einem hohen Status (z.B. prä-pandemisch 6,2 % vs. 14,6 % und post-pandemisch 11,0 % vs. 18.3 %). Während der Pandemie nahmen psychische Auffälligkeiten in allen Statusgruppen deutlich zu. Die gesundheitliche Ungleichheit blieb stabil und verringerte sich sogar gegen Ende der Pandemie, wobei im Herbst 2022 die Mittelwerte psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen mit hohem und niedrigem elterlichen Bildungsniveau annähernd gleich waren. Nach der Pandemie begannen die Ungleichheiten im Bereich der psychischen Gesundheit wieder zuzunehmen. Dieses Muster ist auch beim Haushaltseinkommen zu beobachten, wenn auch weniger ausgeprägt. Persönliche Ressourcen wie ein guter familiärer Zusammenhalt und soziale Unterstützung wirkten sich protektiv auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen aus.
Diskussion
Sozioökonomische Ungleichheiten bei der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sind in Zeiten globaler Krisen zu beobachten, wenn auch mit wechselnden Verläufen. Im Zeitraum der COVID-19-Pandemie haben sich Ungleichheiten bei der psychischen Gesundheit nicht vergrößert und teils sogar angeglichen, wobei Erholungseffekte nach der Pandemie nur für junge Menschen mit höherem sozioökonomischem Status sichtbar sind. Es zeigt sich nach wie vor ein Bedarf an zielgerichteter Gesundheitsförderung und Prävention für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, welche insbesondere persönliche und soziale Ressourcen stärkt. Hierbei sollten vor allem, aber nicht nur, sozial benachteiligte Kinder und Familien in den Blick genommen werden und sowohl die individuelle (Verhaltens-) als auch die gesellschaftliche (Verhältnis-)Ebene adressiert werden, um damit die Chance auf soziale Teilhabe unabhängig von der sozialen Herkunft zu verbessern.

Referenzen

[1] Kaman A, Erhart M, Devine J, Napp AK, Reiß F, Behn et al. Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Zeiten globaler Krisen: Ergebnisse der COPSY-Längsschnittstudie von 2020 bis 2024. Bundesgesundheitsblatt, 2025 (im Druck).
Frau Dr. Franziska Reiß
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Hamburg
#Präsentation #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #Public Health #Psychisches Wohlbefinden #Kinder und Jugendliche
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
SYM11
Behinderung und Beeinträchtigung als vernachlässigte soziale Determinanten der Gesundheit? Stand der Forschung, Datenquellen und Bedarfe für Forschung und Praxis (K Rathmann)
Behinderung
Raum: Seminarraum 536 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1
Hintergrund:
Die gemeinsame „AG Sozialepidemiologie“ der DGSMP, DGMS und DGEpi plant ein Symposium zum Thema „Behinderung und Beeinträchtigung als vernachlässigte soziale Determinanten der Gesundheit?

Soziale Determinanten wie Bildung, Einkommen oder beruflicher Status sind zentrale Einflussfaktoren auf die gesundheitliche Lage von Bevölkerungsgruppen und werden in der Sozialepidemiologie seit vielen Jahren systematisch untersucht. Wesentlich weniger Aufmerksamkeit erhalten bislang jedoch Beeinträchtigungen und Behinderungen als soziale Determinanten der Gesundheit – obwohl zwischen 10 und 15 % der Bevölkerung in Deutschland von einer angeborenen oder erworbenen Beeinträchtigung betroffen sind. Menschen mit Behinderungen sind in mehrfacher Hinsicht benachteiligt: Sie haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nicht nur ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen, sondern auch schlechtere Chancen auf Bildung, Erwerbstätigkeit und soziale Teilhabe sowie einen erschwerten Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Vor diesem Hintergrund plant die AG Sozialepidemiologie der Fachgesellschaften DGSMP, DGMS und DGEpi ein Symposium, das an eine Serie von Veranstaltungen zum Schwerpunkt „Vernachlässigte soziale Determinanten“ der AG „Sozialepidemiologie“ anknüpft.

Das Symposium verfolgt drei Ziele:

1) Datenlage: Es soll ein Überblick über bestehende nationale und internationale Datenquellen zur gesundheitlichen und sozialen Lage von Menschen mit Behinderung gegeben werden. Dabei werden bestehende Lücken in der Gesundheitsberichterstattung, in Surveys und Registern aufgezeigt, ebenso wie Potenziale für zukünftige Forschung.

2) Forschungsergebnisse: Präsentiert werden aktuelle Erkenntnisse zur gesundheitlichen Lage und Versorgungssituation von Menschen mit Behinderung in Deutschland. Hierbei werden sowohl subjektive Gesundheitsindikatoren (z. B. Wohlbefinden, Gesundheit Teilhabe) als auch objektive Parameter (z. B. Zugang zu Prävention und Therapie) thematisiert.

3) Diskussion von Bedarfen: Im Dialog mit Wissenschaft, Praxis und Selbstvertretung sollen zentrale Bedarfe zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit identifiziert werden. Im Fokus stehen dabei Fragen der Inklusion, der Barrierefreiheit von Gesundheitseinrichtungen, der Datenlage sowie des intersektionalen Blicks auf mehrfache Benachteiligungen.

Für das Symposium sind vier Beiträge vorgesehen:

1. Julia Harand, Dr. Sebastian Link (infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, Bonn): „Die Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinde​​​​rungen (Teilhabsurvey): Studiendesign, Inhalte und Potentiale für die (Gesundheits-)Berichterstattung“

2. Dr. Franziska Prütz, Dr. Laura Krause (Robert Koch-Institut, Berlin): „Gesundheitliche Lage von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland – Welche Datenquellen stehen zur Verfügung?“

3. Prof. Dr. Katharina Rathmann (Hochschule Fulda): „Gesundheit und Gesundheitskompetenz von Menschen mit Beeinträchtigung und Behinderung: Stand der Forschung und Bedarfe für die Praxis“

4. PD Dr. Timo-Kolja Pförtner (Humanwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln) und Ko-Autor*innen (Laura Schippel, Monika Gube, Thilo Koch, Josef Michels, Katharina Rathmann, Simone Dohle): „Der familiäre Bildungsstatus und eine empfohlene sonderpädagogische Bedarfsprüfung: Eine Trendanalyse mit den jährlichen Daten der Schuleingangsuntersuchung der Städteregion Aachen der Jahre 2015 bis 2019“

Diskussion
Das Symposium versteht sich als Impulsgeber für eine stärkere Berücksichtigung von Beeinträchtigung und Behinderung als eigenständige soziale Determinanten der Gesundheit in Forschung, Datenerhebung und Praxis. Es soll bestehende Forschungslücken sichtbar machen, zur Entwicklung von Maßnahmen beitragen und die Bedeutung für die (Gesundheits-)Berichterstattung betonen.

Für die fachgesellschaftsübergreifende „AG Sozialepidemiologie“:
Prof. Dr. Katharina Rathmann (DGSMP: kommissarische AG-Sprecherin)
Dr. Jens Hoebel (Armut & Gesundheit)
Vertr.-Prof. Dr. Irene Moor (DGMS)
Prof. Dr. Odile Sauzet und Dr. Florian Herbolsheimer (DGEpi)
Frau Prof. Dr. Katharina Rathmann
Fachbereich Gesundheitswissenschaften, Hochschule Fulda, Hochschule Fulda
Herr Dr. Jens Hoebel
Robert Koch-Institut, Berlin
Herr Timo-Kolja Pförtner
Universität Köln, Köln
Frau Dr. Franziska Prütz
Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Frau Laura Krause
Robert Koch-Institut, Berlin
Frau Julia Harand
infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, Bonn
#Symposium 60 #Gesundheitsberichterstattung #Behinderung #Beeinträchtigung #Teilhabe #Gesundheitliche Chancengleichheit #Gesundheitliche Ungleichheit
2
In Deutschland lebten 2021 nach Daten des Mikrozensus rund 10,3 Millionen Menschen mit einer amtlich anerkannten Behinderung [1]. Die Anzahl der Menschen mit Beeinträchtigungen wird auf gut 13 Millionen geschätzt [2]. Um – auch im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung – die gesundheitliche Lage von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen zu beschreiben und darauf aufbauend politische Handlungsbedarfe zu formulieren, werden verlässliche Daten benötigt, die über die Informationen aus der amtlichen Statistik hinausgehen. Auch in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) [3] wird gefordert, dass geeignete Informationen zu Menschen mit Behinderung, einschließlich statistischer Angaben und Forschungsdaten, zur Verfügung stehen müssen, um die Umsetzung der UN-BRK zu unterstützen (UN-BRK, Art. 31).
In dem Beitrag sollen zunächst die Anforderungen an Daten dargestellt werden. Anschließend werden, aufbauend auf einer 2016 durchgeführten Recherche [4], in Deutschland vorhandene Datenquellen zur gesundheitlichen Lage von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen vorgestellt und u. a. nach Datenherkunft (amtliche Statistik, Routinedaten, Studien- und Surveydaten) sowie den erfassten Aspekten von Behinderung kategorisiert.
Die Recherche zeigt, dass in Deutschland zahlreiche Datenquellen zu Behinderung und Teilhabe existieren, deren Potential bislang noch nicht vollständig ausgeschöpft erscheint. Diese haben unterschiedliche thematische Schwerpunkte und bilden somit unterschiedliche Teilaspekte von Behinderung und Teilhabe ab. Zu den Herausforderungen bei Datenerhebung, Auswertung und Berichterstattung gehören ein barrierefreier Zugang für Studienteilnehmende zu den jeweiligen Erhebungen und die Ermöglichung der Teilnahme auch von Personen, die in Einrichtungen leben. Eine wichtige neue Datenquelle stellt die partizipativ entwickelte Repräsentativbefragung [5] zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen dar.

Referenzen

[1] Statistisches Bundesamt. Statistischer Bericht –Mikrozensus – Lebenslagen der behinderten Menschen, Endergebnisse 2021.Wiesbaden: Destatis; 2024.
[2] Bundesministerium für Arbeit und Soziales(BMAS), editor. Dritter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagenvon Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung.Bonn: BMAS; 2021.
[3] Beauftragter der Bundesregierung für die Rechteder Menschen mit Behinderungen, editor. Die UN-Behindertenrechtskonvention.Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Bonn: BMAS; 2024.
[4] Prütz F, Lange C. Daten zu Behinderung undTeilhabe in Deutschland – Anforderungen, Auswertungsmöglichkeiten und Ergebnisse. Bundesgesundheitsbl 2016 59(9):1103-1116.
[5] Bundesministerium für Arbeit und Soziales, editor.Abschlussbericht – Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Bonn: BMAS; 2024.
Frau Dr. Franziska Prütz
Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
#Symposium 60 #Gesundheitsberichterstattung #Behinderung #Beeinträchtigung #Teilhabe #Gesundheitliche Chancengleichheit #Gesundheitliche Ungleichheit
3

Hintergrund

Mit der „Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ (kurz: Teilhabesurvey) wurde in Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) eine Grundlage geschaffen, repräsentative Daten zur Lebenssituation von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen zu erheben und damit belastbare Aussagen über deren Lebenslagen zu treffen. Der Teilhabesurvey ist damit die bislang größte bundesweite Erhebung zur Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland und wird seit 2017 als Panelerhebung vom infas-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) durchgeführt.​

Methode

Die Studie zielt darauf ab, umfassende und verlässliche Daten zur Lebenssituation von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen bereitzustellen und deren Teilhabe an verschiedenen Lebensbereichen, wie Bildung, Arbeit, Gesundheit und Freizeit, zu untersuchen. Der Teilhabesurvey berücksichtigt dabei nicht nur Menschen mit anerkannten Behinderungen oder Schwerbehinderungen, sondern auch Personen mit längerfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, einschließlich chronischer Erkrankungen. Dabei wird Behinderung nach der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) definiert, die die Wechselwirkung zwischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Umweltfaktoren als Ursache von Einschränkungen in der Teilhabe betrachtet. Im empirischen Vergleich zu Menschen ohne Beeinträchtigung erschließen sich die Besonderheiten und spezifischen Probleme der Lebenswelt von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen.

Der Teilhabesurvey befragt neben Personen in Privathaushalten auch Bewohnerinnen und Bewohner in (besonderen) Wohnformen und sonstigen Einrichtungen. Im Rahmen der ersten Welle wurden 22.065 Personen in privaten Haushalten und 3.354 Bewohnerinnen und Bewohner in Wohnformen und Einrichtungen befragt. Der Studie liegt ein Panelansatz mit wiederholten Befragungen zugrunde. Darüber hinaus werden in den Teilhabesurvey auch Gruppen – wie wohnungslose Menschen sowie taubblinde und hörsehbeeinträchtigte Menschen – einbezogen, die über die üblichen Stichprobenverfahren hinaus nicht oder nur schwer erreicht werden.

Ergebnisse

Die mit dem Teilhabesurvey gewonnenen Daten ermöglichen eine ganzheitliche Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Umweltfaktoren, die zu Teilhabeeinschränkungen führen können. In der ersten Welle des Teilhabsurvey standen die Themen Gesundheit und Gesundheitsversorgung, die Förderung der Gesundheit und Prävention sowie der Zugang zu Rehabilitation und Pflege mit im Vordergrund. Der Survey erfasst detaillierte Informationen zur gesundheitlichen Situation und zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen bei Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen. Der Vortrag stellt den Teilhabesurvey – sein Studiendesign, und seine Inhalte – vor und zeigt die im Teilhabesurvey verfügbaren Daten zur sozialen und gesundheitlichen Lage von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen sowie die damit einhergehenden Analysepotentiale auf, um ein umfassenderes Bild der Gesundheit dieser Bevölkerungsgruppe zu zeichnen.
​​

Referenzen

[1] Steinwede J, Harand J. Abschlussbericht Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Forschungsbericht 598. Berlin: BMAS; 2022. Available from: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb- 598-abschlussbericht-repraesentativumfrage-teilhabe.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[2] Link S, Harand J, Deutschmann C, Lütgendorf H, Steinwede J, Kleudgen M. Abschlussbericht Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - Teilhabesurvey Welle 2. Forschungsbericht 661. Berlin: BMAS; 2025. Available from: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb-661-abschlussbericht-repraesentativbefragung-teilhabesurvey.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Frau Julia Harand
infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, Bonn
#Symposium 60 #Teilhabesurvey #Befragung zur Teilhabe #Methoden #Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen #ICF
4
In der vorliegenden Studie werden auf Basis der Schuleingangsuntersuchung (SEU) der Städteregion
Aachen aus den Jahren 2015 bis 2019 bildungsassoziierte Unterschiede in der Empfehlung zur Prüfung eines
sonderpädagogischen Förderbedarfs (SPF) (n = 19 993) untersucht. Kinder aus Haushalten mit einem geringeren familiären
Bildungsstatus besitzen laut vorliegender Studienergebnisse ein signifikant höheres Risiko, eine Empfehlung zur Prüfung eines
SPFs zu erhalten. Diese Assoziaton bleibt auch unter Berücksichtgung verschiedener Kontrollvariablen statistsch bedeutsam
und hat sich im Zeitverlauf nur leicht verändert. Bildungsassoziierte Unterschiede werden bei den Förderschwerpunkten
Lernen (LE), Sprache (SQ), geistge Entwicklung (GG) und emotonale und soziale Entwicklung (ESE) sowie bei Kindern mit
unklarem Förderbefund deutlich. Die Ungleichheit in der Empfehlung zur Prüfung eines SPFs nach familiärem Bildungsstatus
waren bei Mädchen tendenziell, aber nicht signifikant größer, als bei Jungen. Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, wie
stark ein möglicher SPF und dessen Determinanten in unserer Sozialstruktur verankert sind. Sie heben auch die Notwendigkeit
von Maßnahmen zur Förderung der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung sozial benachteiligter Kinder und
Familien hervor.
Herr Vertr.-Prof. Dr. Timo-Kolja Pförtner
Arbeitsbereich Forschungsmethoden, Humanwissenschaftlichen Fakultät, Universität zu Köln, Köln
#Symposium 60
5
kein Abstract verfügbar
#Symposium 60 #Gesundheitsberichterstattung #Behinderung #Beeinträchtigung #Teilhabe #Gesundheitliche Chancengleichheit #Gesundheitliche Ungleichheit
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
VS9
Gesundheitliche Risiken Studierender
Gesundheitliche Risiken Studierender
Raum: Seminarraum 520 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beiträge:
1
Hintergrund: Während der COVID-19-Pandemie zeigten sich Änderungen in den gesundheitliche Risikoverhaltensweisen wie Alkohol- und Substanzgebrauch und körperlicher Aktivität bei Studierenden. In dieser Studie wurde das Auftreten von gesundheitlichen Risikoverhaltensweisen als auch individuelle und studienbezogene Faktoren, die mit gesundheitlichen Risikoverhaltensweisen bei deutschen Studierenden 20 Monate nach Beginn der COVID-19-Pandemie assoziiert waren, untersucht. Zudem wurde untersucht, ob sich in der Population Muster im Auftreten von gesundheitlichen Risikoverhaltensweisen zeigen.

Methode: Die C19-GSWS Querschnittsstudie zur Studierendengesundheit während der COVID-19-Pandemie wurde im Oktober/November 2021 an fünf deutschen Universitäten durchgeführt. 7.203 Studierende nahmen an einer web-basierten Umfrage teil. Rauchverhalten, Rauschtrinken, Cannabisgebrauch und geringe körperliche Aktivität wurden als gesundheitliche Risikoverhaltensweisen erhoben. Depressive Symptome wurden mit der CESD-8-Skala gemessen. Als eine studienbezogene Variable wurde die Wichtigkeit des Studiums im Vergleich mit anderen Aktivitäten erhoben. Zudem wurden Profile von gesundheitlichen Risikoverhaltensweisen identifiziert. Um Assoziationen zu untersuchen, wurden multiple logistische Regressionen und zur Profilerstellung Latente Klassenanalysen durchgeführt.

Ergebnisse: 20 Monate nach Beginn der COVID-19-Pandemie berichteten 17% der Studierenden, dass sie in der letzten Woche geraucht haben, 19% haben Rauschtrinken und 6% Cannabis-Konsum mindestens einmal während der letzten Woche angegeben. In der letzten Woche waren 35% nicht intensiv körperlich aktiv. Studierende, die ihr Studium als unwichtiger im Vergleich mit anderen Aktivitäten einstuften, zeigten eine höhere Wahrscheinlichkeit, für Substanzkonsum in der letzten Woche (Rauchen: OR: 2,28, 95%-CI: 1,77-2.94; Rauschtrinken: OR: 2,29, 95%-CI: 1,79-2,93; Cannabisgebrauch: 3,31; 95%-CI: 2,29-4,76), verglichen mit Personen, die das Studium als wichtiger einstuften. Depressive Symptome waren mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von Rauchen (OR: 1,07; 95%-CI: 1,06-1,09 pro Einheit auf der CESD-8-Skala), Cannabis-Konsum (OR: 1,07; 95%-CI: 1,04-1,09) und keiner intensiven körperlichen Aktivität (OR: 1,06; 95%-CI: 1,05-1,07) verbunden. Bei den Teilnehmenden konnten vier Profile für gesundheitliche Risikoverhaltensweisen identifiziert werden. Die Mehrheit war Profilen zuzuordnen, die sich in der Ausprägung der körperlichen Aktivität unterschieden (hohe körperliche Aktivität kombiniert mit niedrigem Substanzgebrauch (53%), moderate körperliche Aktivität und niedrigem Substanzkonsum (29%)). Einem Profil mit hohem Substanzkonsum und hoher körperlichen Aktivität konnten 14,2% zugeordnet werden. Weniger als 5% fielen in das Profil Rauchen und moderate körperliche Aktivität.

Diskussion: Studierende, die ihr Studium im Vergleich zu anderen Aktivitäten weniger wichtiger empfinden und depressive Symptome angaben, zeigten auch häufiger Risikoverhaltensweisen 20 Monate nach Beginn der COVID-19-Pandemie. Die gesundheitliche Situation von Studierenden sollte langfristig auch nach der COVID-19-Pandemie untersucht werden. Präventionsprogramme, die sich gleichzeitig mit psychischen Gesundheitsproblemen und Gesundheitsverhaltensweisen befassen, sollten an deutschen Hochschulen verstetigt werden.
Frau Dr. Stefanie Helmer
Institut für Public Health und Pflegeforschung, Bremen
#Präsentation #Studierende #Studierendengesundheit #Alkoholkonsum #Körperliche Aktivität #COVID-19-Pandemie
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Hintergrund

In den letzten Jahren wurden zunehmendes Stresserleben bis hin zur gestiegenen Anzahl subklinischer und diagnostizierbarer psychischer Störungen unter Studierenden (international und deutschlandspezifisch) umfangreich dokumentiert (1,2). Um diesem Trend entgegenzuwirken, gibt es an Hochschulen eine Vielzahl von evidenz-basierten Angeboten zum Stressmanagement, zur Förderung der mentalen Gesundheit und zur Prävention psychischer Erkrankungen (3,4). Allerdings zeigen Studien, dass Studierende die vorhandenen Angebote kaum nutzen, und zwar unabhängig davon, ob diese digital, on-site oder hybrid durchgeführt werden (5,6). Basierend auf dem Technology Acceptance Model (TAM, (7)) sollen die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Entspannt Studieren in der Metropolregion Nürnberg“ zu einem besseren Verständnis der Gründe für die (Nicht-)Nutzung von Stressmanagementangeboten an Hochschulen beitragen.

Methode

Zur Datenerhebung wird im Projekt ein Mixed-Methods-Design eingesetzt. Neben qualitativen Interviews und Fokusgruppen wurde eine Online-Befragung von Studierenden der EVHN im Jahr 2023 (T0, N = 274) und 2024 (T1, N = 255) durchgeführt. Zudem erfolgte eine tägliche Stressmessung mit der App „TrackYourStress“ (8). Zu T0 und T1 wurden neben soziodemographischen Variablen und Gesundheitsindikatoren unter anderem Gründe für die Akzeptanz und Nutzung von Angeboten zum Stressmanagement, diverse Skalen zu Stressmanagementkompetenzen (Freiburger Achtsamkeitsfragebogen, Test Anxiety Inventory, Würzburger Zeitmanagementinventar) sowie das Stresserleben (Perceived Stress Scale) erhoben.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse logistischer Regressionen zu T0 zeigen, dass - entsprechend den Annahmen des TAM - neben personenbezogenen Faktoren („wahrgenommene Nützlichkeit“) wie dem Wunsch nach mehr Kompetenzen im Umgang mit Stress im Studium auch angebotsbezogene Faktoren („wahrgenommene Nutzerfreundlichkeit“) wie die wahrgenommene persönliche Relevanz der Inhalte oder die Verfügbarkeit von Informationen die Nutzungsabsicht von Angeboten zu den Themengebieten Achtsamkeit, Umgang mit Prüfungen und Zeitmanagement beeinflussen. Erste Analysen der PSS-4 (MW 2.06, SD = 0.84) zu T0 zeigen, dass Studierende mit Nutzungsabsicht von Angeboten zu den Themen „Zeitmanagement im Studium“ (p < 0.01), „Achtsam studieren“ (p < 0.01), „Lernstrategien“ (p < 0.01) und „Umgang mit Prüfungssituationen“ (p < 0.05) im Vergleich zu Studierenden ohne Nutzungsabsicht signifikant höhere Stresslevel berichten. In der weiteren Datenauswertung werden die Stresslevel der Studierendengruppen im Längsschnitt von T0 zu T1 analysiert. Geplant ist ebenfalls eine Analyse der Nutzungsabsichten im täglichen Verlauf mit der App „TrackYourStress“.

Diskussion

Erste Ergebnisse des Forschungsprojekts „Entspannt Studieren in der Metropolregion Nürnberg“ zeigen, dass sowohl personenbezogene als auch angebotsbezogene Faktoren die Nutzung und Akzeptanz von Angeboten zum Stressmanagement von Studierenden beeinflussen (6,9). Die Forschungsergebnisse können einen Beitrag zur optimierten und passgenauen Planung und Konzeption zukünftiger Angebote zur Förderung der mentalen Gesundheit an Hochschulen leisten.

Referenzen

1.            Heinrichs K, Lehnchen J, Burian J, Deptolla Z, Heumann E, Helmer S, u. a. Mental and physical well-being among students in Germany: results from the StudiBiFra study. J Public Health [Internet]. 23. September 2024 [zitiert 31. Januar 2025]; Verfügbar unter: https://link.springer.com/10.1007/s10389-024-02348-2 2.            Heumann E, Helmer SM, Busse H, Negash S, Horn J, Pischke CR, u. a. Depressive and anxiety symptoms among university students during the later stages of the COVID-19 pandemic in Germany - Results from the COVID 19 German Student Well-being Study (C19 GSWS). Front Public Health. 18. September 2024;12:1459501. 3.            Nagel A, John D, Scheder A, Kohls N. Klassisches oder digitales Stressmanagement im Setting Hochschule?: Vergleich der Wirksamkeit von Entspannungstrainings mit und ohne digitale Entspannungsübungen. Prävent Gesundheitsförderung. Mai 2019;14(2):138–45. 4.            Harrer M, Adam SH, Fleischmann RJ, Baumeister H, Auerbach R, Bruffaerts R, u. a. Effectiveness of an Internet- and App-Based Intervention for College Students With Elevated Stress: Randomized Controlled Trial. J Med Internet Res. 23. April 2018;20(4):e136. 5.            Apolinário-Hagen J, Hennemann S, Fritsche L, Drüge M, Breil B. Determinant Factors of Public Acceptance of Stress Management Apps: Survey Study. JMIR Ment Health. 7. November 2019;6(11):e15373. 6.            Schweighart R, Thätz J, Demar L, Zehl F, Neuderth S, Löbmann R. Welche Bedarfe haben Studierende hinsichtlich gesundheitsförderlicher Maßnahmen und welche sind ihnen bekannt? Eine Befragung an zwei Hochschulstandorten. Prävent Gesundheitsförderung. Mai 2024;19(2):277–85. 7.            Davis FD, Bagozzi RP, Warshaw PR. User Acceptance of Computer Technology: A Comparison of Two Theoretical Models. Manag Sci. 1989;35(8):982–1003. 8.            Pryss R, John D, Schlee W, Schlotz W, Schobel J, Kraft R, u. a. Exploring the Time Trend of Stress Levels While Using the Crowdsensing Mobile Health Platform, TrackYourStress, and the Influence of Perceived Stress Reactivity: Ecological Momentary Assessment Pilot Study. JMIR MHealth UHealth. 30. Oktober 2019;7(10):e13978. 9.            Krümmel A, Laiker I, Wrona KJ, Aschentrup L, Dockweiler C. Akzeptanz und Nutzungsbedingungen digitaler Interventionen zur Distressprävention bei Studierenden: Ergebnisse aus einer qualitativen Interviewstudie entlang der „unified theory of acceptance and use of technology“ (UTAUT2). Prävent Gesundheitsförderung. November 2023;18(4):508–16.
Herr Prof. Dr. Dennis John
Institut für Praxisforschung und Evaluation, Evangelische Hochschule Nürnberg, Nürnberg
#Präsentation #Gesunde Hochschule #Gesundheitsförderung bei Studierenden #Stressabbau #Gesundheitsförderung & Prävention #Mixed-Methods-Studie #Studentisches Gesundheitsmanagement
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Hintergrund: Studierende verbringen einen erheblichen Teil ihres Tages sitzend, insbesondere während Lehrveranstaltungen. Lange Sitzzeiten hängen mit negativen gesundheitlichen Auswirkungen zusammen und beeinträchtigen nicht nur das körperliche, sondern auch das psychosoziale Wohlbefinden. Ziel dieser Studie ist es, die Gesamtsitzzeit sowie die Sitzzeit während des Hochschulalltages zu erheben und ihre sozial-ökologischen Determinanten zu untersuchen. Der sozial-ökologische Ansatz bietet hierfür eine geeignete theoretische Grundlage, indem er relevante Faktoren sowohl auf individueller als auch auf umweltbezogener Ebene berücksichtigt.

Methodik: Die Datenerhebung erfolgte im Querschnitt anhand eines computergestützten Fragebogens über LimeSurvey. Der eingesetzte Fragebogen basiert auf etablierten Erhebungsinstrumenten (u. a. Marshall, OSPAQ [1-3]) und erfasst zentrale Aspekte des sozial-ökologischen Modells, wie soziokulturelle Normen und die wahrgenommene Arbeitsplatzumgebung. Alle Studierenden einer Hochschule mit bildungswissenschaftlichem Profil wurden über verschiedene Zugänge zur Teilnahme eingeladen. Als abhängige Variablen wurden der Anteil sitzender Zeit im Studienalltag, die Anzahl von Sitzunterbrechungen sowie die Sitzzeit während einer typischen Präsenz-Lehrveranstaltung erfasst. Die Datenauswertung erfolgte anhand deskriptiver Verfahren sowie inferenzstatistischer Analysen, insbesondere logistische und multinomiale Regressionsanalysen.

Ergebnisse: Studierende (n=434) sitzen täglich 12,4 Stunden und während einer 90-minütigen Lehrveranstaltung unterbrechen sie 0,8-mal das Sitzen. Bei den sozial-ökologischen Determinanten zeigte sich, dass Studierende mit einer höheren Selbstwirksamkeit (OR = 2,17, 95 %-KI: 1,37–3,41) ihr Sitzen häufiger unterbrechen. Für die Sitzzeit im Studienalltag zeigte sich, dass ein höheres mentales Wohlbefinden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einherging, mehr als 80 % des Tages zu sitzen (OR = 1,66, 95 %-KI: 1,11–2,48). Bezüglich der Sitzdauer während einer 90-minütigen Lehrveranstaltung zeigte sich, dass eine höhere motivationale Selbstwirksamkeit (OR = 0,48, 95 %-KI: 0,32–0,74) und eine bewegungsfreundlich wahrgenommene Umgebung (OR = 0,41, 95 %-KI: 0,22–0,79) mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit verbunden waren, die gesamte Lehrveranstaltung im Sitzen zu verbringen.

Diskussion: Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die sitzende Haltung in der Hochschulkultur verankert ist und unterstreichen die Notwendigkeit, eine mehrdimensionale Interventionsstrategie zu entwickeln, die sowohl strukturelle als auch didaktische Maßnahmen umfasst. Neben einer bewegungsfreundlichen Raumgestaltung könnten hochschuldidaktische Weiterbildungen und Konzepte für Lehrende eine effektive Möglichkeit sein, um Sitzunterbrechungen gezielt in die Lehre und eine übergeordnete Lehrstrategie zu integrieren. Dies würde nicht nur zu einer bewegungsfreundlicheren Lernumgebung führen, sondern könnte auch positive Effekte auf die Lernmotivation und das Wohlbefinden der Studierenden haben. Hochschulpolitische Maßnahmen sollten daher auch auf die Integration bewegungsfördernder didaktischer Konzepte und eine gezielte Sensibilisierung von Lehrenden und Studierenden abzielen, um langfristig eine bewegungsfreundlichere Hochschulkultur zu etablieren.

Referenzen

1. Maes I, Ketels M, van Dyck D, Clays E. The Occupational Sitting and Physical Activity Questionnaire (OSPAQ): a validation study with objective accelerometer registrations; 2020. 2. Marshall AL, Miller YD, Burton NW, Brown WJ. Measuring total and domain-specific sitting: a study of reliability and validity. Med Sci Sports Exerc 2010; 42(6):1094–102. DOI: 10.1249/MSS.0b013e3181c5ec18. 3. Godin G, Shephard RJ. A simple method to assess exercise behavior in the community. Can J Appl Sport Sci 1985; 10(3):141–6.
Frau Juliane Möckel
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Heidelberg
#Präsentation #Bewegte Hochschullehre
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Schlafprobleme sind unter Studierenden weit verbreitet und können sich negativ auf akademische Leistungen sowie die psychische und physische Gesundheit auswirken [1-3]. Digitale Gesundheitsinterventionen bieten eine vielversprechende Möglichkeit zur Unterstützung, jedoch stellen niedrige Akzeptanz und Wirksamkeit häufige Herausforderungen dar [4,5]. Um diese Lücke zu schließen, sind Ansätze erforderlich, die Studierende aktiv in die Gestaltung und Entwicklung digitaler Gesundheitslösungen einbeziehen, um sowohl das Engagement zu steigern als auch die Benutzerfreundlichkeit zu optimieren [6,7]. Diese Studie nutzt den Co-Design-Ansatz, um in einem iterativen Entwicklungsprozess einen Online-Kurs zu gestalten, der das Schlafbewusstsein fördert und Studierende befähigt, ihre Schlafgewohnheiten zu optimieren. Der Kurs soll dabei niederschwellig und als präventives Angebot allen Studierenden offenstehen.

Der Co-Design-Prozess umfasste mehrere Entwicklungsphasen. Zu Beginn wurde eine Vorbereitungsphase durchgeführt. In der anschließenden Co-Design-Phase wurden mehrere Ziele verfolgt: (1) Ermittlung der Relevanz und Bedürfnisse für einen Online-Kurs zur Schlafbildung; (2) Überprüfung und Priorisierung des Kursinhalts, des Formats und der Rekrutierungsstrategien; (3) Festlegung der allgemeinen Ziele und Struktur des Kurses; (4) Überprüfung und Priorisierung von Audio- und Visualisierungsinhalten; und (5) Entwicklung des tatsächlichen Kursinhalts. In jeder Entwicklungsphase wurden Rückmeldungen von unterschiedlichen Studierendengruppen eingeholt, um sicherzustellen, dass der Kurs inklusiv ist und die verschiedenen Bedürfnisse der Subpopulationen berücksichtigt.

Der Co-Design-Prozess erstreckte sich von November 2023 bis August 2025 und umfasste qualitative Interviews (N= 11) sowie Workshops mit Studierenden (N= 40). Das Kernentwicklungsteam bestand aus einem interdisziplinären Team von Studierenden und Mitarbeitenden (N= 13), das in mehreren Meetings gemeinsam in einem iterativen Prozess an der Entwicklung eines Online-Kurses arbeitete. Der Kurs besteht aus vier Modulen: „Sleep Basics“, „The Sleep Equation: Body, Mind and Habits“, „Build Your Sleep Routine“ und „Deep Dive“. Die Kursinhalte wurden gezielt auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt und durch interaktive sowie abwechslungsreiche Lernformate anschaulich und praxisnah entwickelt. Zudem bietet der Kurs Individualisierungsmöglichkeiten sowie ein begleitendes Workbook mit Reflexionsaufgaben, das den Lernprozess unterstützt und den Teilnehmenden ermöglicht, das Gelernte auf ihre persönlichen Bedürfnisse anzuwenden. Der gesamte Entwicklungsprozess wurde kontinuierlich von weiteren Partnern unterstützt, um eine fundierte, inklusive und zielgruppengerechte Kursstruktur sicherzustellen.

Trotz des hohen zeitlichen Aufwands zeigte sich der Co-Design-Ansatz als äußerst gewinnbringend. Die enge Einbindung der Studierenden sowie eines interdisziplinären Teams ermöglichte es, fundierte, praxisnahe und individuell anpassbare Kursinhalte zu entwickeln, die die Zielgruppe tatsächlich erreichen und ansprechen. Co-Design stellt somit eine zukunftsweisende Möglichkeit dar, um passgenaue und nachhaltige Gesundheitsförderungsmaßnahmen für Studierende zu gestalten.

Referenzen

[1] Becker SP, Jarrett MA, Luebbe AM, Garner AA, Burns GL, Kofler MJ. Sleep in a large, multi-university sample of college students: sleep problem prevalence, sex differences, and mental health correlates. Sleep Health. 2018;4(2):174-181.[2] Orzech KM, Salafsky DB, Hamilton LA. The state of sleep among college students at a large public university. J Am Coll Health. 2011;59(7):612-619.[3] Schlarb AA, Claßen M, Grünwald J, Vögele C. Sleep disturbances and mental strain in university students: results from an online survey in Luxembourg and Germany. Int J Ment Health Syst. 2017;11(1):24.[4] O'Connor S, Hanlon P, O'Donnell CA, Garcia S, Glanville J, et al. Understanding factors affecting patient and public engagement and recruitment to digital health interventions: a systematic review of qualitative studies. BMC Med Inform Decis Mak. 2016;16(1):120.[5] Sharma A, Harrington RA, McClellan MB, Turakhia MP, Eapen ZJ, Steinhubl S, et al. Using digital health technology to better generate evidence and deliver evidence-based care. J Am Coll Cardiol. 2018;71(23):2680-2690.[6] Tsouros AD, Dowding G, Thompson J, Dooris M. Health promoting universities: concept, experience and framework for action. Copenhagen: World Health Organization. Regional Office for Europe; 1998.[7] Leask CF, Sandlund M, Skelton DA, Altenburg TM, Cardon G, Chinapaw MJM, et al. Framework, principles and recommendations for utilising participatory methodologies in the co-creation and evaluation of public health interventions. Res Involv Engagem. 2019;5:2.
Frau Johanna Schmickler
Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik, TUM School of Medicine and Health, Technische Universität München, München
#Präsentation #Studierendenpartizipation #Studierendengesundheit
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Hintergrund

In Deutschland geben fast 16 % aller Studierenden an, dass sich eine gesundheitliche Beeinträchtigung erschwerend auf ihr Studium auswirkt [1] und folglich ihre Teilhabe eingeschränkt ist. Bzgl. bestehender Angebote ist unklar, welche Erfahrungen die Studierenden damit machen und was aus ihrer Sicht ggf. gegen eine Nutzung spricht. Unter Umständen werden Angebote nicht genutzt oder es besteht akuter Bedarf nach zusätzlicher, noch nicht verfügbarer Unterstützung. Hier ist vor allem die Perspektive von betroffenen Studierenden hilfreich, die wichtigen Input liefern können.

Methode

Es werden problemzentrierte qualitative Einzelinterviews mit Studierenden der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt (voraussichtlich April-Juli 2025). Rekrutiert wird über verschiedene Beratungsstellen der Universitäten, Fachschaften, (studentische) Netzwerke, persönliche Kontakte, Flyer und Aushänge sowie E-Mail-Verteiler und Social Media. Die Interviews finden digital oder in Präsenz statt. Auf Wunsch der Teilnehmenden kann eine unterstützende Person anwesend sein (Begleitperson oder Gebärdendolmetscher*in) bzw. das Interview auch gemeinsam mit einer zweiten teilnehmenden Person geführt werden. Die Interviews werden transkribiert und die Daten mittels qualitativer Inhaltsanalyse mithilfe der Software MAXQDA 2024 von mindestens zwei Analyst*innen ausgewertet.

Ergebnisse

Die Datenauswertung soll bis zur Tagung abgeschlossen sein. Erste geführte Interviews (n = 3) legen nahe, dass negative Erfahrungen u. a. im Bereich der Kommunikation mit manchen Dozierenden gemacht werden (z. B. unsensible Kommentare zu Erkrankungen, wahrgenommene Vermittlung von Zeitdruck im Studium). Schwierigkeiten bestünden in der Vereinbarkeit von regelmäßigen Terminen bei Ärzt*innen o. ä. mit dem Stundenplan, wodurch viel Eigenorganisation, Eigeninitiative sowie Priorisierung notwendig sei. Unterstützungsangebote und Nachteilsausgleiche werden laut der Studierenden teilweise nicht genutzt, weil sich die Betroffenen nicht angesprochen fühlen, diese als nicht notwendig ansehen, aber auch, weil sie sich nicht berechtigt fühlen (vor allem bei nicht-sichtbaren bzw. psychischen Erkrankungen).
Positiv wahrgenommene Effekte des Studiums auf die Erkrankung umfassen unter anderem ein positives Gefühl durch Erfolgserlebnisse, eine gesteigerte Motivation, den bestärkten Glauben an die eigenen Fähigkeiten sowie Routine und Struktur, die durch das Studium vorgegeben werden.
Zu den Verbesserungsvorschlägen der Studierenden zählt z. B. die Einrichtung einer neutralen, gut vernetzten Anlaufstelle ohne Bezug zu Lehrpersonal und Personen, die im Studium Leistungen bewerten, die die Studierenden bei der Organisation des Studiums und der Vereinbarkeit von z. B. Seminaren und Terminen unterstützt. Außerdem besteht der Wunsch nach einer stärkeren fakultätsübergreifenden Vernetzung der Studierenden sowie nach konkreten Angeboten zu Stress in Prüfungsphasen. Ein weiterer Vorschlag war das Angebot von zusätzlichen Prüfungsterminen im Semester, um Druck und Angst vor Zeitverlust durch einen verpassten Prüfungstermin zu mindern.

Diskussion

Die Ergebnisse sollen einerseits in den Kontext der Forschungsliteratur eingeordnet werden. Andererseits besteht der Wunsch, Verbesserungsvorschläge der Studierenden mit entsprechenden Stakeholdern (Beratungsstellen, Dozierende, Entscheidungstragende etc.) zu diskutieren und ggf. in einem partizipativen Ansatz einzelne Aspekte umzusetzen, z. B. durch Interviews, Fokusgruppen, Workshops oder Runde Tische.

Referenzen

[1] Kroher M, Beuße M, Isleib S, Becker K, Ehrhardt MC, Gerdes F et al. Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021. Bundesministerium für Bildung und Forschung; 2023.
Frau Lisa Guthardt
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Präsentation #Studierendengesundheit #Behinderung #Chronische Erkrankungen #Psychische Erkrankungen #Teilhabe
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
VS11
Gesundheitsfördernde Lebenswelten im Alter
Gesundheitsfördernde Lebenswelten im Alter
Raum: Seminarraum 521 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 34)
Beiträge:
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Hintergrund: Die „Lebenswelt Seniorenpflegeheim“ kann unter dem Aspekt der Teilhabe einerseits eine Einbindung in gemeinschaftliche (Unterstützungs-)Strukturen darstellen. Auf der anderen Seite zeichnet die Realität in vielen Seniorenpflegeheimen ein Bild des „Abgeschobenseins“ und fehlender gesellschaftlicher Beteiligung älterer Menschen. Hochaltrige, pflegebedürftige Menschen, die in Seniorenheimen leben, sind vermutlich häufiger von psychischen Störungen wie Traumafolgestörungen betroffen als zu Hause lebende ältere Menschen [1]. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass für psychisch Erkrankte in Seniorenheimen eine massive Unterversorgung in Bezug auf psychotherapeutische Angebote herrscht [2].
Zielsetzung: Um dieser Unterversorgung entgegenzuwirken, wurde ein modellhaftes psychotherapeutisches Gesamtkonzept zur Versorgung von psychisch belasteten Senioren mit traumatischen Lebenserfahrungen entwickelt. Dieses wurde im Rahmen eines psychotherapeutischen Dienstes in zwei Senioreneinrichtungen implementiert und evaluiert.

Methode: Die Zufriedenheit mit dem Angebot sowie Hinweise auf Veränderungen bzgl. des implementierten psychotherapeutischen Konzepts wurden sowohl bei den Mitarbeitenden als auch bei den Bewohnenden der Senioreneinrichtung erhoben. Im Mixed-Method-Ansatz kamen hierzu Fragebögen mit offenen und geschlossenen Fragen bei n=48 Mitarbeitenden zum Einsatz und wurden durch vier Fokusgruppen mit insgesamt n=22 Mitarbeitenden um weitere qualitative Daten vertieft. Zudem wurden n=8 befragbare Bewohnende mittels semi-strukturierter Kurzinterviews befragt.

Ergebnisse: Das Gesamtprojekt sowie seine einzelnen Bausteine wurden von Mitarbeitenden wie Bewohnenden mehrheitlich positiv bewertet. Bezüglich möglicher Veränderungen auf Ebene der Mitarbeitenden und der Bewohnenden konnten wir unterschiedliche Bereiche identifizieren, welche potentiell durch das Projekt positiv beeinflusst werden konnten.

Diskussion: Das neuartige Gesamtbehandlungskonzept konnte erstmalig erfolgreich in zwei Senioreneinrichtungen implementiert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Einrichtung eines psychotherapeutischen Dienstes in Seniorenpflegeeinrichtungen gut angenommen wurde und auf unterschiedlichen Ebenen des „Systems Seniorenpflegeheim“ ansetzen sollte. Der Zugang zur psychotherapeutischen Behandlung stellt einen elementaren Bestandteil der Teilhabe im Bereich der gesundheitlichen Versorgung dar. Ein Wirksamkeitsnachweis bzgl. der beobachtenden Veränderungen steht jedoch aus.

Referenzen

[1] Laireiter A-R, Baumann U, Messer R.
Gerontopsychologie in Einrichtungen der Seniorenpflege. In: Maercker A, Hrsg.
Alterspsychotherapie und klinische Gerontopsychologie. Berlin: Springer; 2015.
S. 289–313. DOI: 10.1007/978-3-642-54723-2_13
[2] Gutzmann H, Schäufele M, Kessler
E-M, Rapp MA. Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung von
Pflegebedürftigen. In: Jacobs K, Kuhlmey A, Greß S, Schwinger A, Klauber J,
Hrsg. Schwerpunkt: Die Versorgung der Pflegebedürftigen. Stuttgart: Schattauer;
2017. S. 107–117
Frau Julia Majewski
Universitätsklinikum Würzburg Zentrum für Psychische Gesundheit Arbeitsgruppe Rehabilitationswissenschaften, Würzburg
Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist, Würzburg
#Präsentation #Psychotherapeutische Versorgung #Gerontopsychologie #Psychotherapie mit Älteren #Seniorenpflegeeinrichtung #Trauma
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Hintergrund: In Zeiten alternder Belegschaften gewinnt der Erhalt von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten an Bedeutung. Es ist allerdings bekannt, dass gerade Personen, die besonders von BGF-Maßnahmen profitieren würden, diese selten in Anspruch nehmen, sofern ihnen überhaupt ein entsprechendes Angebot zur Verfügung steht. Vor diesem Hintergrund wurden die Teilnahmehürden älterer Beschäftigter an BGF-Angeboten zu gesunder Ernährung, Entspannung und Bewegung, differenziert nach Gesundheitszustand, Berufsqualifikation und Arbeitszeiten, sowie ihr Wunsch nach entsprechenden Maßnahmenangeboten untersucht.

Methoden: Analysiert wurden die Daten von 7.188 sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen (geboren 1971, 1965 oder 1959), die an der repräsentativen lidA-Kohortenstudie 2022/23 teilgenommen haben. Bei einem BGF-Angebot ohne Beteiligung wurden die Beschäftigten nach ihren Hinderungsgründen gefragt. Bestand kein entsprechendes BGF-Angebot, wurden sie gefragt, ob sie sich ein solches wünschen. Untersucht wurden Häufigkeitsverteilungen inklusive 95%-Konfidenzintervallen (KI) sowie Chi²-Tests zu den Teilnahmehürden und Wünschen.

Ergebnisse: Am häufigsten erhielten die Befragten Angebote zu Bewegung (42,3%, 95%-KI: 41,2; 43,5), gefolgt von solchen zu Entspannung (29,9%, 95%-KI: 28,9; 31,0) und gesunder Ernährung (24,4%, 95%-KI: 23,4; 25,4), wobei die Teilnahmequoten jeweils etwa bei 30% lagen. Häufigste Teilnahmehürden waren eine bereits private Ausübung (41,2%, 95%-KI: 39,4; 42,9), ungünstige Terminlage (36,0%, 95%-KI: 34,3; 37,7) sowie keine Zeit (25,7%, 95%-KI: 24,2; 27,3). Es zeigten sich teils deutliche Unterschiede bezüglich der Teilnahmehürden und Angebotswünsche. So nannten Beschäftigte mit schlechter Gesundheit und Schichtdiensttätige signifikant häufiger als andere eine ungünstige Terminlage des Angebots und dass sie nach der Arbeit zu müde sind als Hinderungsgrund. Eine private Maßnahmenausübung als Teilnahmehürde nannten insbesondere Beschäftigte mit guter Gesundheit, jene ohne Schichtdienst und jene in höher qualifizierten Tätigkeiten sowie Teilzeitbeschäftigte. Letztere nannten zudem häufiger als Vollzeittätige eine ungünstige Terminlage als Hinderungsgrund. Von denen, die in ihren Betrieben kein entsprechendes BGF-Angebot erhielten, wünschten sich 59,3% (95%-KI: 57,8; 60,8) Bewegungsangebote, 53,6% (95%-KI: 52,2; 55,0) Entspannungsangebote und 31,8% (95%-KI: 30,5; 33,0) Angebote zu gesunder Ernährung. Je schlechter die Gesundheit, desto häufiger war der Wunsch nach einem Angebot zu allen untersuchten BGF-Maßnahmen. Auch wünschten sich Schichtdiensttätige die untersuchten BGF-Angebote signifikant häufiger als jene ohne Schichtdienst. Höher Qualifizierte und Teilzeitbeschäftigte wünschen sich häufiger als andere Entspannungsmaßnahmen. Bewegungsangebote wurden von allen Qualifikationsgruppen und unabhängig von der Arbeitszeitmenge besonders häufig gewünscht.
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Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass BGF-Angebote für ältere Beschäftigte insgesamt noch nicht in ausreichendem Maß von den Betrieben bereitgestellt werden. Bestehende Angebote scheinen zudem nicht für alle Beschäftigtengruppen gleichermaßen zugänglich zu sein. So äußern bekannte Risikogruppen, wie Personen mit schlechter Gesundheit oder im Schichtdienst, teils häufiger den Wunsch nach BGF-Maßnahmen, nehmen bestehende Angebote jedoch u. a. aufgrund ungünstiger Terminierungen nicht wahr. Betriebe sollten daher BGF-Maßnahmen insgesamt verstärkt anbieten und bei deren Gestaltung besonders darauf achten, diese bedarfsorientiert und möglichst für alle Beschäftigten – insbesondere für die genannten Risikogruppen – zugänglich zu machen.
Frau Dr. Daniela Borchart
Bergische Universität Wuppertal, Fakultät 7, Fachgebiet für Arbeitswissenschaft, Wuppertal
#Präsentation #Betriebliches Gesundheitsmanagement #Ältere Erwerbstätige #Inanspruchnahme von Präventionsangeboten
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Hintergrund

Ausreichend körperliche Aktivität ist auch im höheren Lebensalter wichtig, um chronischen Erkrankungen und gesundheitlichen Einschränkungen vorzubeugen, jedoch erreichen nur wenige ältere Erwachsene die bestehenden Empfehlungen. Bisherige Interventionen waren wenig erfolgreich, unter anderem weil sie häufig nicht auf die Zielgruppe zugeschnitten sind. Um die Bedarfe und Bedürfnisse der Zielgruppe der 65-75-Jährigen bei Maßnahmen zur Bewegungsförderung zu berücksichtigen, hat das Projekt OUTDOOR ACTIVE einen gemeindebasierten partizipatorischen Ansatz verwendet.

Methode

OUTDOOR ACTIVE ist eine cluster-randomisierte kontrollierte Studie in acht zufällig gezogenen Ortsteilen Bremens mit vier Interventions- und vier Kontrollortsteilen. Es wurden ein Baseline- und ein Follow-Up-Survey mit 65-75-jährigen Personen durchgeführt. Der Survey umfasste jeweils einen Fragebogen (inter-, intrapersonelle und Umgebungsfaktoren), eine kurze körperliche Untersuchung, einen Fitnesstest sowie eine siebentägige Bewegungsmessung. Hierfür wurde ein Akzelerometer (ActiGraph wGT3x-BT) am nicht-dominanten Handgelenk getragen. Das primäre Outcome war die objektiv gemessene Menge an körperlicher Aktivität. Sekundäre Outcomes stellten die Ergebnisse des Fitnesstests sowie selbstberichtete Zeit im Freien dar. Während in den Kontrollortsteilen lediglich die Surveys durchgeführt wurden, fand in den Interventionsortsteilen zusätzlich eine partizipative Interventionsentwicklung statt.

Ergebnisse

Insgesamt nahmen 1216 Personen (52,5 % Frauen) an der Baseline-Erhebung und 821 Personen (52,1 % Frauen) an der Follow-Up-Erhebung teil. Das Durchschnittsalter lag bei 69.8 Jahren (SD: 2,9 Jahre). Der sozioökonomische Status der Männer war im Durchschnitt höher als bei den Frauen. Von den Teilnehmenden nahmen durchschnittlich 70,0 % an der Akzelerometermessung, 80,1 % am Fitnesstest und 98,4 % an der Fragenbogenerhebung teil. Hierbei gab es keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowie Baseline und Follow-Up. Sowohl in den Interventions- als auch in den Kontrollortsteilen waren die Frauen zur Baseline-Erhebung körperlich aktiver als die Männer (primäres Outcome). Bezüglich der Ergebnisse des Fitnesstests konnten Geschlechtsunterschiede erkannt werden. Frauen zeigten bessere Werte in der Flexibilität und Männer bei Kraft- und Ausdauerübungen (sekundäre Outcomes). Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollortsteilen sowie die Veränderungen der primären und sekundären Outcomes zum Follow-Up-Zeitpunkt werden präsentiert. Während der partizipativen Interventionsentwicklung wählten die Teilnehmenden interpersonelle sowie Umgebungsfaktoren als zu bearbeitende Themen. Insbesondere wurden Maßnahmen zu fehlenden Bewegungsangeboten, Verkehrsproblematiken sowie aktiver Mobilität entwickelt und gemeinsam mit Teilnehmenden und Akteuren vor Ort umgesetzt.
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Diskussion

In OUTDOOR ACTIVE konnte gezeigt werden, dass das gemeindebasierte partizipatorische Vorgehen dabei helfen kann, Interesse in der Zielgruppe für Bewegungsförderung zu wecken und gemeinsam mit ihnen Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Möglichkeiten zur Übertragung werden präsentiert.
Frau Imke Stalling
Universität Bremen, Bremen
#Präsentation #Körperliche Aktivität #Ältere Menschen #gemeindebasierte partizipatorische Interventionsentwicklung
4
Hintergrund und Ausgangspunkt:
In Deutschland werden wesentliche Anteile der Pflegearbeit im häuslichen Umfeld durch Angehörige geleistet. Diese Sorgearbeit ist häufig mit einer erheblichen körperlichen, psychischen und organisatorischen Belastung verbunden [1] [2]. Gleichzeitig eröffnet die zunehmende Verfügbarkeit digitaler gesundheitsbezogener Angebote (DG/PA) pflegenden Angehörigen neue Handlungsspielräume, um gesundheitliche Belastungen abzufedern, Unterstützung zu organisieren und ihren Alltag aktiv zu gestalten [3] [4].
Im Zentrum dieses Beitrags steht die Frage, inwiefern pflegende Angehörige durch die Nutzung von DG/PA aktiv zur Ko-Kreation von Gesundheit und Fürsorge in Pflegesettings beitragen – verstanden als ein relationaler und prozessualer Aushandlungsprozess zwischen individuellen Bedürfnissen, digitalen Möglichkeiten und institutionellen Rahmenbedingungen. Dabei der Raumbegriff, wobei Räume in Orientierung an Löw „als relationale (An)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten“ [5] verstanden werden, in den Fokus: Welche Fürsorgeräume entstehen durch die Nutzung digitaler Angebote? Wie werden diese angeeignet, gestaltet, transformiert?

Methode:
Die empirische Basis bildet eine konstruktivistische Grounded-Theory-Studie mit bisher 12 problemzentrierten Interviews mit pflegenden Angehörigen (Alter 33–84 Jahre). Ziel ist es, subjektive Perspektiven, Relevanzsetzungen und Handlungslogiken der Nutzung digitaler gesundheitsbezogener Angebote zu rekonstruieren. Die Methode erlaubt es, nicht nur Nutzungsformen, sondern auch deren subjektive Bedeutungen, funktionale Einbettung in Pflegeroutinen und räumliche Implikationen analytisch zu erschließen.

Ergebnisse:
Die Analyse legt nahe, dass die Nutzung digitaler Angebote in vielfacher Weise zur Erhaltung und Stärkung von Fürsorgekapazitäten beiträgt.
Dabei lassen sich vier funktionale Rollen von DG/PA identifizieren:
  • Mobilisierung externer Fürsorgekapazitäten
  • Stärkung der eigenen (pflegenden) Kapazitäten
  • Prävention von Erschöpfung und Überlastung
  • Reduktion des Fürsorgebedarfs der pflegebedürftigen Person
Diese zielgerichtete Nutzung ist keine bloß technische Handlung, sondern ein Raum-schaffender und Raum-nutzender Prozess: Pflegende Angehörige positionieren sich aktiv in digitalen Strukturen, gestalten Interaktionsräume, dehnen ihre Handlungsräume aus und appropriieren digitale Infrastrukturen zur Bearbeitung von Alltagsanforderungen.
Aus einer raumtheoretischen Perspektive kann die Nutzung digitaler Angebote als Aneignung von digitalen Fürsorgeräumen verstanden werden. Diese Räume sind nicht gegeben, sondern werden durch praktisches Handeln hergestellt, transformiert und bedeutungsvoll gefüllt. Aneignung bedeutet hier nicht nur Nutzung, sondern eine Neuordnung des Verhältnisses von Positionierung und Handlungsfähigkeit im Pflegekontext.
Die Beteiligten sind dabei nicht nur passive Nutzerinnen, sondern aktive Ko-Produzentinnen von Fürsorgearrangements, die technologische, soziale und institutionelle Elemente miteinander verknüpfen. In diesem Sinne eröffnet die Nutzung digitaler Angebote auch pädagogische Räume, in denen pflegende Angehörige neue Kompetenzen entwickeln, sich orientieren, situativ anpassen und letztlich ihre Rolle innerhalb der Pflegesituation reflexiv gestalten.

Diskussion:
Der Beitrag versteht pflegende Angehörige als zentrale Akteur*innen der Ko-Kreation von Gesundheit – nicht nur durch ihre Sorgepraxis, sondern auch durch ihre Fähigkeit, digitale Angebote produktiv in ihren Alltag zu integrieren und dabei neue Räume für Fürsorge und Gesundheit zu erschließen.
Diese Perspektive lädt dazu ein, digital unterstützte Fürsorgeprozesse nicht nur funktional, sondern auch sozial-räumlich und subjektiv-sinnhaft zu analysieren. Sie wirft zugleich Fragen nach der Gestaltungsgerechtigkeit digitaler Infrastrukturen, nach Kompetenzanforderungen sowie nach der Verantwortungsverteilung in der Ko-Produktion von Pflege und Gesundheit auf.

Referenzen

[1] Baumann E, Großmann U, Calhoun K. Ist Gesundheit schon digitaler
Alltag?: Teilergebnisse der Studie „HINTS Germany“ zur Nutzung digitaler
Gesundheitsangebote; 2021. trendmonitor 4 [cited 2025 Feb 15]. Available
from: URL: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/sites/default/files/pdf/2021_07_08_trendmonitor_Digitaliserung_AktFass_vf_0.pdf.
[2] Kricheldorff C. Die Rolle von digitalen Technologien zur Unterstützung
von Angehörigen pflegebedürftiger älterer Menschen: Expertise zum Achten
Altersbericht der Bundesregierung. Berlin: Deutsches Zentrum für Altersfragen;
2020.
[3] Liu Z, Heffernan C, Tan J. Caregiver burden: A concept analysis. Int J
Nurs Sci 2020; 7(4):438–45.
[4] Rothgang H, Müller R. Pflegereport 2018. Berlin; 2018. Schriftenreihe
zur Gesundheitsanalyse 12.
[5] Löw M, Steets S, Stoetzer S. Einführung in die Stadt- und
Raumsoziologie. 2., aktualisierte Aufl. Opladen, Farmington Hills: Verlag
Barbara Budrich; 2008. (UTB Soziologie). S. 63.
Frau Janka Stürner-Höld
Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg
#Präsentation #pflegende Angehörige #Digital health #Sozialer Raum
5

Hintergrund

Digitale Anwendungen bieten ein großes Potenzial, pflegende Angehörige und pflegebedürftige Menschen in der häuslichen Pflege zu unterstützen – insbesondere dann, wenn sie gezielt auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Zielgruppen abgestimmt sind. Mit ihrem Einsatz wird die Erwartung verbunden, dass sie die Lebensqualität der Betroffenen verbessern, die Kommunikation erleichtern und den Pflegeaufwand für Angehörige reduzieren können. Die nutzerzentrierte Entwicklung solcher digitalen Angebote stellt jedoch in der Praxis eine besondere Herausforderung dar. Die Studie untersucht, wie die nutzerzentrierte Ausrichtung in digitalen Entwicklungsprojekten, die sich an pflegende Angehörige und pflegebedürftige Menschen richten, konkret umgesetzt wird und mit welchen Herausforderungen Projektbeteiligte dabei konfrontiert sind.

Methode

Es wurden leitfadengestützte Interviews mit nationalen Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis geführt. Die Interviews (n = 8, laufende Erhebung) wurden transkribiert und anonymisiert. Die Analyse des Datenmaterials erfolgt mittels Thematischer Analyse nach Braun & Clarke.

Ergebnisse

Die ersten Analysen zeigen, dass insbesondere qualitative Methoden wie Interviews und Fokusgruppen genutzt werden, um die Perspektiven der Zielgruppen frühzeitig einzubeziehen und die Nutzerzentrierung in der Entwicklungsphase digitaler Anwendungen zu erhöhen. Darüber hinaus finden sich auch Ansätze, die haptische und visuelle Methoden einsetzen, um beispielsweise Sprach- und Sprechstörungen bei Betroffenen zu adressieren und so eine niedrigschwellige Partizipation in der Entwicklungsbeteiligung ermöglichen. Digitale Beteiligungsmethoden werden als besonders vielversprechend beschrieben, da sie den Teilnehmenden eine flexible Zeiteinteilung und ortsunabhängige Mitwirkung erlauben – ein entscheidender Vorteil angesichts der häufig stark begrenzten zeitlichen Ressourcen pflegender Angehöriger. Als zentrale Herausforderungen werden neben diesen knappen Zeitbudgets mitunter auch die mit der Teilnahme verbundenen hohen Erwartungen benannt, die zu Überlastungen führen können. Zudem beschreiben Projektdurchführende knappe finanzielle Mittel und kurze Projektlaufzeiten als hinderlich für den Einsatz für die systematische Umsetzung nutzerzentrierter Methoden in der Praxis.

Diskussion

Die Ergebnisse liefern praxisnahe Einblicke in förderliche und hinderliche Bedingungen nutzerzentrierter Entwicklung digitaler Pflegeanwendungen. Sie können dazu beitragen, die Entwicklungsmethoden zukünftiger digitaler Anwendungen besser an den tatsächlichen Bedürfnissen der Zielgruppe auszurichten und die praxisorientierte Gestaltung zu verbessern. Insbesondere die Berücksichtigung der realen Lebensumstände von pflegenden Angehörigen und pflegebedürftigen Personen in der frühen Entwicklungsphase ist entscheidend, um die Akzeptanz, Zugänglichkeit und Wirksamkeit digitaler Anwendungen zu erhöhen.
Herr Lukas Trepschick
Institut für Pflegewissenschaft, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg
#Präsentation #Häusliche Pflege #Nutzerzentrierung #Digitale Gesundheitsanwendung #Partizipation #User Experience
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
VS2-EN
Participation and Co-Creation (in English)
This is an english session
Raum: Seminarraum 523 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beiträge:
1
Background: Health is strongly influenced by people’s environments and subject to many determinants outside the health sector. Thus, transforming structural conditions and empowering people is fundamental to improve population health and participation in society. Accordingly, impactful research in the field of health promotion and prevention requires interdisciplinary and participatory approaches that consider different perspectives. The emerging robust evidence is essential to ensure that interventions are effective, actionable and equitably accessible.

Objectives: We aim to introduce the Competence Network Preventive Medicine Baden-Württemberg (KNPM-BW) as an example of a successful cross-linked research network that enables co-creative research for contributing to population health. We also discuss challenges to inform other initiatives and improve our own work.

Introducing the network: Recognizing the need for fostering interdisciplinary collaboration and co-creation for impactful prevention research, the five medical faculties in BW have come together in the KNPM-BW. The state Ministry of Science, Research and Arts has funded the project since 2021 with the aim of pooling existing resources and expertise across sites and thus strengthening state-level prevention and health promotion. Our interdisciplinary researchers work together in seven working groups. To ensure participation of important actors in the field of public health, we have invested heavily in building relationships with ministries, the public health services, health insurances, and other local actors – for example by involving them in our network meetings and through interactive workshop formats. By actively engaging with a variety of actors, we aim to synthesise and generate evidence that is understandable, applicable, and relevant to a range of actors in practice and policy. We are therefore working towards implementing collaboration and co-creation throughout the entire research process – from agenda and priority setting to the development, implementation and evaluation of interventions – to transform health promotion and prevention with and for the people in BW. 

Challenges: Although the added value for evidence-informed decision-making in the field of prevention is evident, building such research networks is not without challenges. The implementation and coordination require time and patience. Networking and co-creative research processes are resource-intensive. This is partly due to the fact that actors have different interests, organisational cultures and needs, which require different modes of communication, collaboration and trust building. Additionally, resources on the part of the actors are also limited which hampers collaboration with research. Moreover, challenges exist in the locally heterogeneous structures of actors and services and partly unclear responsibilities in the field of public health. Adequate involvement and engagement of the public in the research processes are necessary as well, but equally time-intensive. The work of the KNPM-BW can contribute to the awareness and direct experience of the benefits of intensive collaboration and co-creation for actors within and outside university medicine.

Conclusion: Despite these hurdles, cross-linked research networks can drive co-creative collaboration throughout the research process, underline the relevance of prevention and health promotion, and foster political and public awareness. Ultimately, the robust evidence they generate supports the effectiveness, feasibility, but also the legitimacy of public health interventions.
Frau Lisa Kellermann
Center for Preventive Medicine and Digital Health (CPD), Medical Faculty Mannheim, Heidelberg University, Mannheim
Frau Dr. phil. Ludgera Lewerich
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheim
#Präsentation #Evidence-Based Public Health #Co-creative Research #Prevention #Health Promotion #Interdisciplinarity
2

Introduction

A majority of German female adolescents do not meet physical activity recommendations.1 There is a limited understanding of how female adolescents perceive their own physical, digital, and social environment in relation to being physically active. This study aimed to investigate barriers and facilitators to being active in everyday life among female adolescents.

Methods

This study followed Wang’s (1997) photo-voice methodology.2 Female participants were recruited through local youth centres and eligibility criteria included being aged 14-18 years and having access to a smartphone. Following an initial photo workshop, participants were asked to take photos within their everyday lives which were subsequently discussed in semi-structured interviews. Interviews were audio-recorded, transcribed, and analysed using thematic analysis. Findings were discussed with participants for respondent validation purposes.

Results

Eleven female participants aged 15-18 years took part in the study. Not wanting to be seen in public and a fear of being judged by others were addressed by the majority of participants as key deterrents to physical activity. Lack of time and opportunity, financial cost, and hindering factors perceived in the physical environment provided further barriers. Being active together with other females, having fun, and feeling good when being active were key facilitators.

Conclusion / Discussion

Using the photo-voice methodology facilitated in-depth conversations with young people. Providing female-only, ‘fun’, and non-judgemental opportunities to be active and considering gender-specific needs when designing activity-promoting environments might be key ways to promote physical activity in female adolescents.

Referenzen

[1] Finger JD, Varnaccia G, Borrmann A, Lange C, Mensink GBM. Körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring. 2018; 3(1): 24–31. DOI: 10.17886/RKI-GBE-2018-006.2
[2] Wang C, Burris MA. Photovoice: concept, methodology, and use for participatory needs assessment. Health Educ Behav. 1997 Jun;24(3):369-87. DOI: 10.1177/109019819702400309.
Frau Dr. Heide Busse
Leibniz Institute for Prevention Research and Epidemiology - BIPS, Bremen
#Präsentation #Physical activity promotion #Photo-Voice #adolescents
3

Introduction

Chronic fatigue syndrome affects approximately 45% of individuals with long COVID and significantly impairs Quality of Life1. A digitized occupational therapy app to support social inclu-sion and Quality of Life is being co-developed by long COVID patients with fatigue and/or concentration disorders who act as lifeworld researchers. The app also includes exercise elements suitable for any fitness level. The participatory2 approach will be presented here.

Methods

During a participatory process, seven lifeworld researchers, together with two practical researchers (occupational therapists) and four academic researchers, are developing a new, low-threshold therapy form for people suffering from fatigue and/or concentration disorders.
Helpful rated intervention excerpts from the previous intervention ErgoLoCo3 will be integrated into the eHealth platform CIAS4,5, further developed cooperatively through several adaptation loops, and repeatedly tested. Afterwards, app content will be tested with patients who were not involved in the development process and who suffer from fatigue due to an underlying rheumatic disease.
The therapeutic application, integrated into the CIAS-web-app, is designed so that it can be used both by those affected on their own and in collaboration with occupational therapists. The modular structure of the application creates a high degree of flexibility, allowing for targeted and individualized treatment of problems in the everyday lives of those affected.

Results

The researcher group developed a first app version, based on the following intervention time table:

1st test/adaption loop (February & March)
Content: Three research workshops for all members of the research group.
Aim: Presentation and feedback of interventions for the app, collection of suggestions for improvement and revision of app content.
2nd test/adaption loop (April & May)
Content: Testing of the app therapy units in individual sessions by practical and lifeworld researchers and independent testing of app therapy units by lifeworld researchers.
Aim: Random assignment of training units for lifeworld researchers, direct feedback of practical and lifeworld researchers and implementation of improvements for the app.
3rd test/adaption loop (June)
Content: Feedback and adjustment of app content.
Aim: Final research workshop with all members of the research group to present the adapted interventions.

Based on feedback from the lifeworld researchers, the original ten units on different occupa-tional therapy topics were expanded to a total of 13 units including two introductory units. These introductory units also include descriptions of the disease for those affected and those not affected by long COVID to provide information, so that this illness is going to be demarginalized to their social environment. Due to the lack of concentration of those affected by long COVID, one unit was divided into two parts. Eleven occupational therapy units and a separate unit for physical activity can be used to organize and reorganize daily activities.

Conclusion / Discussion

The commitment of lifeworld researchers gives them the feeling, that they are making a significant difference. Through their feedback, academic and practical researchers gain new, important perspectives on previously unknown gaps in disease care. Academic researchers are becoming more aware step by step and app content is directly addressed to users.

Referenzen

[1] Salari
N, Khodayari Y, Hosseinian-Far A, Zarei H, Rasoulpoor S, Akbari H et al. Global prevalence of chronic fatigue syndrome among long COVID-19
patients: A systematic review and meta-analysis. BioPsychoSocial Medicine. 2022. 21:
16(1). DOI: https://doi.org/10.1186/s13030-022-00250-5
[2] Partizipative
Forschung: Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden. (Springer
Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden, 2020). DOI: 10.1007/978-3-658-30361-7[3] Müllenmeister
C, Stoelting A, Schröder D, Schmachtenberg T, Ritter S, El-Sayed I et al. Evaluating the
Feasibility, Acceptance, and Beneficial Effects of Online Occupational Therapy
for Post-COVID-19 Condition: Protocol for a Randomized Controlled Trial
(ErgoLoCo Study). JMIR Res Protoc. 2024. 13:e50230. DOI: 10.2196/50230[4] Digital Health Interventions | Computerized Intervention
Authoring System. Cias https://www.cias.app/[5] Digital
Health Interventions | Computerized Intervention Authoring System. Cias
http://cias-app.eu/ (Deutsche Version)
Herr Torge-Christian Wittke
Klinik für Immunologie und Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Hannover
Regionales Kooperatives Rheumazentrum Niedersachsen e.V., Hannover
#Präsentation #Partizipation #chronische Erkrankungen #Long COVID #App-Entwicklung
4

Introduction

This study explores the relationship between school community support factors and school/class connectedness among general upper secondary school students in Finland. School and class connectedness are crucial for students' emotional and social wellbeing, impacting their academic success and overall development. The research examines how teacher-student relationships, peer interactions, group climate, and the broader school atmosphere influence students' connectedness both to their school and within their individual classrooms. This study aims to identify how supportive communities and positive social interactions foster engagement and connectedness. By examining these factors, the research contributes to understanding how school community elements can be leveraged to enhance student wellbeing and promote a positive educational environment. Earlier research, including the works of Read et al. [1] and Lyyra et al. [2], has highlighted the importance of social connectedness in educational settings, particularly among adolescents.

Methods

This study is part of a collaborative project between the Finnish Institute for Health and Welfare (THL) [3] and the University of Turku [4], focusing on adolescents’ perceptions of their school communities and associated wellbeing. Data comes from the 2023 Finnish School Health Promotion Survey (SHPS) [5], a bi-annual, national survey on the health and wellbeing of Finnish adolescents aged 14–20. The SHPS is an anonymous, voluntary classroom census survey conducted in nearly every school in Finland. The 2023 data includes responses from 68% of students in general upper secondary schools who began their studies in 2021 and 2022. Students completed the survey online in a classroom setting, with informed consent provided by participation. Adolescents absent on the survey day did not take part. The study received ethical approval from the Institutional Review Board (IRB) of THL in 2023 and adheres to the Declaration of Helsinki [6]. This study specifically focuses on students enrolled in general upper secondary education, who are at a critical stage in deciding between academic or vocational tracks. Data analysis involved Confirmatory Factor Analysis (CFA) and Structural Equation Modeling (SEM). Descriptive statistics were calculated using SPSS, while MPlus was used for the main models.

Results

Preliminary findings show that teacher-student relationships are significantly associated with overall school connectedness, while class climate strongly relates to class connectedness. Loneliness is intertwined with teacher-student and peer relationships and is closely associated with both school and class connectedness. Friendships have a direct effect on school and class connectedness, with positive peer relationships linked to lower levels of loneliness, which further enhances connectedness.

Conclusion / Discussion

This study highlights the importance of both teacher-student relationships and peer interactions in fostering school and class connectedness. A positive classroom climate and supportive teacher-student interactions are key to students' emotional ties to their educational environment. Additionally, friendships are essential for connectedness, and strategies to prevent loneliness can help shield students from isolation. These findings underscore the need for supportive school environments where students feel valued and heard, ultimately contributing to their social and emotional wellbeing.

Referenzen

[1] Read S, Salmela-Aro K, Kiuru N, Helenius J, Junttila N. The cohort
trends of social connectedness in secondary school students in Finland between
2017 and 2021. PLOS ONE. 2024;19(10):e0312579. doi:
10.1371/journal.pone.0312579.
[2] Lyyra N, Junttila N, Tynjälä J, Villberg J, Välimaa R. Loneliness,
subjective health complaints, and medicine use among Finnish adolescents
2006–2018. Scand J Public Health. 2022;1–8. DOI: 10.1177/14034948231152653.
[3] Finnish Institute for Health and Welfare (THL). Well-being of
children and young people – School Health Promotion Study 2023. Finnish
Institute for Health and Welfare; 2023. Available from: https://thl.fi/en/statistics-and-data/statistics-by-topic/social-services-children-adolescents-and-families/well-being-of-children-and-young-people-school-health-promotion-study
[4] University of Turku. EDUCA - Doc - Education for the future.
Available from: https://sites.utu.fi/tohtorikoulutuspilotti/en/educa-education-for-the-future-flagship/
[5] Finnish Institute for Health and Welfare (THL). Children and youth
health and wellbeing: Indicators: School community. Finnish Institute for
Health and Welfare. 2006–2023. Available from: https://public.tableau.com/app/profile/kouluterveyskysely/viz/shared/6RDHCRRDF
[6] World Medical Association. Declaration of Helsinki: Ethical
principles for medical research involving human subjects. 75th WMA General
Assembly, Helsinki, Finland. 2024 Oct. Available from: https://www.wma.net/policies-post/wma-declaration-of-helsinki/
Frau PhD Student Pirpa Sani
University of Turku, Finland, Turku
#Präsentation #general upper secondary school #class climate #latent profile analysis #loneliness #school community #school and class connectedness #teacher-student relationship
5
Background
In recent years, Brandenburg has experienced significant demographic shifts characterized by an aging population and regional disparities in population growth [1]. Consequently, there is an increasing demand for healthcare services, social support systems, and age-appropriate housing to accommodate the needs of the aging population [2]. With this background, people aged 75 and over are invited to take part in a preventive home visit by trained social workers in a rural district in Brandenburg, Germany. This study examines the social and health situation of older people who live independently at home in the district of Teltow-Fläming and other regions. It further investigates what needs older adults have regarding municipal social participation services, as well as counseling and support services, in order to maintain an autonomous and self-determined life for as long as possible.

Method
The prospective survey and observation study is based on the analysis of quantitative data collected through a standardized questionnaire. This questionnaire is completed by participants following the preventive home visit and subsequently evaluated. It captures key aspects of the social and health situation of older adults, including social support, loneliness, daily living activities, and digital health literacy. In addition, the questionnaire assesses both the utilisation of and the perceived need for various community-based services, such as healthcare, volunteering opportunities, and leisure activities. The collected data is then subjected to statistical analysis to identify patterns, correlations, and potential areas of need.

Results
The survey phase is currently running from March until probably July 2025. Data will be analysed on an ongoing basis so that the results can be presented and discussed at the conference.

Discussion
The data will give a good overview on the current needs of the population aged 75 and over, who live independently at home in a rural region. Conclusions are expected on feelings of loneliness, social support, state of health, need and utilisation of different services in the community.

Referenzen

[1] Demografieportal. Aktuelle regionale Bevölkerungsentwicklung. 2025 [cited 2025 Apr 15]. Available from: https://www.demografie-portal.de
[2] Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Brandenburg (MGS). Sozial spezial 8: Zur Situation Älterer im Land Brandenburg. 2021 [cited 2025 Apr 15]. Available from: https://www.brandenburg.de
Frau M.Sc. Romina Jasmin Frenzel
Zentrum für Alternsforschung, Medizinische Hochschule Brandenburg, Brandenburg an der Havel
#Präsentation #Healthy Aging, Preventive Home Visits, Rural Healthcare, Aging Research
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
VS10
Gender und Intersektionaliät
Gender und Intersektionalität
Raum: Hörsaal 4, Forum 4 (Standort: Forum 4, Anzahl der Plätze: 96)
Beiträge:
1
Die Gynäkologie ist für viele Patient*innen die erste Anlaufstelle für Anliegen rund um gynäkologische, sexuelle und reproduktive Gesundheit. Frauen, aber auch nicht-binäre, trans- und intersexuelle Personen, die gynäkologische Versorgung in Anspruch nehmen, sind im Laufe ihres Lebens dem Risiko ausgesetzt, negative Erfahrungen mit gynäkologischer Versorgung zu machen. Negative Erfahrungen mit gynäkologischer Versorgung, die als suboptimal, missbräuchlich oder entmenschlichend empfunden werden (z. B. medizinische Handlungen ohne vorherige Einwilligung, Nichtbehandlung von Schmerzen oder Diskriminierung) fassen wir als gynäkologische Gewalt.
Das Erleben gynäkologischer Gewalt kann sich ungünstig auf die psychische, körperliche, soziale und sexuelle Gesundheit auswirken und Einfluss auf das Inanspruchnahmeverhalten von gynäkologischer Versorgung haben. Das Konzept und die Erforschung „gynäkologischer Gewalt“ ist umstritten – unter anderem deshalb, weil der Gewaltbegriff gemeinhin interaktional und intentional verstanden wird. Zugleich regt sich Kritik an der Idee, dass gynäkologische Versorgung per se gewaltvoll sein könne. In unserem Forschungsprojekt (GYNVEPI – toward an epidemiology of gynaecological violence, gefördert vom ERC) haben wir mittels verschiedener ko-kreativer Workshops vielfältige und teil divergierende Perspektiven auf „gynäkologische Gewalt“ ermittelt.
Durch das Zusammenbringen von Forschenden, Gynäkolog*innen, medizinischem und pädagogischem Personal und Patient*innen initiieren wir einen multiperspektivischen Dialog über das Thema und erarbeiten gemeinsam die Bedingungen einer respektvollen, patient*innenzentrierten gynäkologischen Versorgung. Dabei nehmen wir insbesondere die Perspektiven von besonders vulnerablen Patient*innengruppen auf, beispielsweise Patient*innen mit kognitiven oder körperlichen Beeinträchtigen oder Behinderungen. Die ko-konstruktive Übung trägt dazu bei, Barrieren zwischen den verschiedenen Akteur*innen und Patient*innen abzubauen. Für die weitere Forschung ist es essenziell, ein Verständnis von „gynäkologischer Gewalt“ als geschlechtsbasierter Gewalt im Gesundheitswesen zu entwickeln.
Frau Malin Houben
Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld
Frau Stephanie Batram-Zantvoort
Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld
Frau Dr Céline Miani
Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld
#Präsentation #geschlechterbasierte Gewalt #Ko-Konstruktion #Gynäkologie
2

Hintergrund

Geschlechtersensible und diversitätsbewusste Versorgung (GSV+) ist zunehmend in medizinischen Leitlinien und pflegerischen Expertenstandards verankert. In der Praxis zeigt sich jedoch ein Wissens- und Umsetzungsdefizit: Es ist unklar, inwiefern GSV+-Inhalte von Versorgenden tatsächlich berücksichtigt werden und welche Bedürfnisse Patient:innen haben. GSV+ adressiert neben Geschlechtsunterschieden auch weitere Diversitätsmerkmale wie Alter, Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung sowie körperliche und psychische Merkmale – zentrale Faktoren einer personalisierten, patientenzentrierten Versorgung. Gerade in der kardiologischen Versorgung, in der geschlechtsspezifische Unterschiede in Symptomerkennung, Diagnostik und Behandlung nachgewiesen sind, kommt der GSV+ eine besondere Bedeutung zu.

Ziel des Versorgungsforschungsprojekts HeartGap war die Beantwortung folgender Fragestellungen:
(1) Welche Versorgungsdefizite bestehen im Hinblick auf GSV+ in kardiologischen Fachabteilungen aus Sicht von Ärzt:innen, Pflegekräften und Patient:innen?
(2) Welche Maßnahmen und Einflussfaktoren fördern oder hemmen die Umsetzung von GSV+?

Methode

Das Projekt folgte einem Mixed-Methods-Design mit qualitativen und quantitativen Erhebungsanteilen. Eingeleitet wurde es durch ein Scoping Review zur Identifikation zentraler Implementierungsebenen. Qualitative Daten wurden aus Fokusgruppen (n=18), Experteninterviews (n=8) und Beiratssitzungen (n=7) generiert. Die quantitative Erhebung basierte auf standardisierten Fragebögen, die an Patient:innen (n=390), Ärzt:innen (n=168) und Pflegepersonen (n=135) in kardiologischen Einrichtungen gerichtet waren. Neben Wissen und Haltung wurden auch Umsetzungserfahrungen und wahrgenommene Barrieren erfasst. Der Forschungsansatz war partizipativ und interdisziplinär angelegt, unter Einbindung von Expert:innen aus Versorgung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Ergebnisse

Das Scoping Review identifizierte vier zentrale Dimensionen für eine nachhaltige Implementierung von GSV+: Politik, Wissenschaft, Bildung und Versorgungspraxis. Zu den empfohlenen Maßnahmen zählen evidenzbasierte Leitlinien, verpflichtende GSV+-Lehrinhalte in Aus- und Weiterbildung, gesetzliche Rahmenbedingungen sowie Qualitätszirkel und Change Agents in Einrichtungen.
In der quantitativen Befragung zeigten insbesondere Patientinnen, Personen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Hochschulabschluss ein erhöhtes Bedürfnis nach GSV+. Patientinnen verfügten zudem über signifikant mehr Wissen zu geschlechtsspezifischer Symptomatik (M = 0.72 vs. M = 0.54; p < 0.001).
Pflegekräfte schätzten ihre geschlechtersensible Haltung als hoch ein (M = 3.46, SD = 0.75) und berichteten von einer überwiegend guten Umsetzung auf Stationsebene (M = 2.91, SD = 0.81). Zwei Drittel der GSV+-Anforderungen aus den Expertenstandards werden laut Pflegekräften bereits berücksichtigt (M = 0.681, SD = 0.16).
Ärzt:innen zeigten mit einem N-GAMS-Mittelwert von M = 3.95 eine signifikant geschlechtersensiblere Haltung als das Pflegepersonal (M = 3.46; p < 0.001). Der Wissensscore der Ärzt:innen zu GSV+-Inhalten lag bei MD = 0.65. Bei der Einschätzung zur Umsetzung auf der Station bewerteten Ärzt:innen diese mit MD = 2.45 und damit signifikant schlechter (< 0.001) als Pflegekräfte (MD = 2.91) und Patient:innen (MD = 3.04).
​​​​​

Diskussion

Die Versorgenden der Studie zeigen bereits eine mittlere bis gute Geschlechtersensibilität, die teilweise gemäß Leitlinien und Expertenstandards in der Praxis umgesetzt wird. Unterschiede bestehen zwischen Berufsgruppen insbesondere in der Wahrnehmung der strukturellen Umsetzung. Patient:innen äußern teilweise spezifische Bedürfnisse im Sinne von GSV+, die künftig systematischer erfasst und adressiert werden sollten. Insgesamt zeigt sich Potenzial zur Weiterentwicklung, das durch die identifizierten Implementierungsmaßnahmen – etwa in (Universitärer-) Ausbildung, medizinischen Leitlinien und Expertenstandards, sowie Organisationskultur und politischen Rahmenbedingungen – gezielt gestärkt werden kann, um GSV+ dauerhaft in der kardiologischen Versorgung zu verankern. Eine nachhaltige Umsetzung erfordert dabei ein Zusammenwirken individueller, institutioneller und gesundheitspolitischer Strategien.

Referenzen

[1] S, Mollenhauer J, Kloepfer M, Seeland U, Kurscheid C, Amelung V. Gender health gaps in guideline-based inpatient cardiovascular medical and nursing care and implementation strategies to reduce the gap (HeartGap): A mixed methods study protocol. PLoS One. 2024 Apr 18;19(4):e0301732. DOI: 10.1371/journal.pone.0301732.PMID: 38635776; PMCID: PMC11025927.
Frau Sophia Sgraja
Medizinische Hochschule Hannover - Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Geschlechterunterschiede #Kardiologie #Gender and Sex
3

Hintergrund

Die Perspektive der geschlechtsspezifischen Verzerrung (Sex/Gender Bias) fehlt häufig in Instrumenten zur Bewertung der Studienqualität in systematischen Übersichten. Eine 2019 entwickelte Sex/Gender-Bias-Checkliste im Bereich der betrieblichen Gesundheit mit dem Fokus auf sedentäres Verhalten am Arbeitsplatz und kardiometabolische Gesundheit erwies sich als anwendbar, zeigte aber Optimierungsbedarf (z.B. im Hinblick auf Anzahl der Items oder Algorithmus zur Bestimmung der Gesamtverzerrung). Ziel ist eine Weiterentwicklung der Sex/Gender-Bias-Checkliste für generische arbeitsepidemiologische Forschungsfragen.

Methode

Eine Expert:innengruppe mit Erfahrung in geschlechtsbezogener Forschung, systematischen Übersichtsarbeiten, Fragebogenentwicklung und Arbeitsmedizin untersuchte, wie die bestehende Sex/Gender-Bias-Checkliste für arbeitsepidemiologische Beobachtungsstudien weiterentwickelt werden kann. Es wurde das Potenzial zur Optimierung des Algorithmus zur Bestimmung der Gesamtverzerrung und der Länge des Instruments untersucht. Es wurde auch die Möglichkeit geprüft, ein Single-Item-Instrument zu entwickeln, das zu den bestehenden Instrumenten zur Bewertung des Verzerrungsrisikos (Risk of Bias) hinzugefügt werden könnte.

Ergebnisse

Die überarbeitete Version der Sex/Gender-Bias-Checkliste wird in ihrem aktuellen Stand präsentiert. Zusätzlich wird ein Vorschlag für ein Instrument mit einem Single-Item zur Diskussion gestellt, das ohne großen zeitlichen und personellen Mehraufwand zusätzlich zur Risk of Bias Bewertungen von arbeitsepidemiologischen Primärstudien eingesetzt werden kann. Dadurch können geschlechtsspezifische Verzerrungen in Primärstudien adäquat eingeschätzt werden.

Diskussion

Die angepasste Checkliste ermöglicht es, mit einem geringen zusätzlichen Aufwand geschlechtsspezifische Verzerrungen in der arbeitsepidemiologischen Forschung zu identifizieren und die Diskussion um mögliche geschlechtsspezifische Verzerrungen voranbringen.
Frau Michaela Prigge
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin
#Präsentation #geschlechtsspezifische Verzerrungen #Sex/Gender-Bias-Checkliste #Sytematisches Review
4

Hintergrund

Studierende rücken als Zielgruppe für Gesundheitsförderung zunehmend in den Fokus. Studien zeigen, dass vor allem psychische Beeinträchtigungen deutlich zugenommen haben. Medizinstudierende weisen im Vergleich zu anderen Studiengängen eine besonders hohe Leistungsmotivation und Verausgabungsneigung auf [1] , was zu erhöhter psychischer Belastung und Problemen der mentalen Gesundheit führt [2, 3]. Burnout- und Depressionswerte sind vergleichsweise hoch ausgeprägt [4]. In der Literatur werden Geschlecht und Studienfortschritt als Faktoren diskutiert, die die psychische Gesundheit beeinflussen [5]. Allerdings kommen selbst die einschlägigen Meta-Analysen nicht zu einem einheitlichen Ergebnis, wie stark Geschlecht und Studienfortschritt die psychische Gesundheit von Studierende beeinflussen [4, 5]. Ziel der vorgelegten Studie ist daher die Analyse des selbstberichteten psychischen Gesundheitszustands und der Bewältigung von Studienanforderungen bei Medizinstudierenden mit besonderem Fokus auf Geschlechtsunterschiede und den Einfluss des Studienverlaufs.

Methode

Wir führten eine Online-Umfrage an zwei deutschen Universitäten in drei Erhebungswellen in den Wintersemestern 2021/22, 2022/23 und 2023/24 durch. 1.083 Medizinstudierende (73 % weiblich) wurden in unsere Analysen einbezogen. Wir führten t-Tests und ANOVAs mit Geschlecht, Studienfortschritt und Universität als Prädiktoren für Depression, Erschöpfung, sechs Dimensionen der Studienanforderungen und Zufriedenheit mit Lernen und Studium durch.

Ergebnisse

Weibliche Studierenden berichten über eine schlechtere psychische Gesundheit und in fünf von sechs Dimensionen über höhere Studienanforderungen als männliche Studierende. Über Erschöpfung als Dimension von Burnout berichteten insgesamt 42% der Befragten über hohe Risikowerte, wobei männliche Studierende (29%) eine geringere Prävalenz aufweisen als weibliche Studierende (47%). Ebenso geben weibliche Studierende häufiger depressive Symptome oberhalb des klinisch relevanten Schwellenwerts (≥3 für den PHQ-2) an (mit 29% vs. 21%). Fortgeschrittene Studierende zeigen in den t-Tests unserer gepoolten Stichprobe eine schlechtere psychische Gesundheit als Anfänger. Diese Ergebnisse waren jedoch in ANOVAs nicht robust. Anders als bei psychischer Gesundheit und Studienanforderungen fanden wir bei der Zufriedenheit mit Studium und Lernen keine Geschlechtereffekte.

Diskussion

Unsere Ergebnisse bestätigen Befunde vorheriger Studien zu Geschlechterunterschieden bei psychischer Gesundheit und Studienanforderungen wonach Frauen über höhere Belastungen berichten. Keine Geschlechterunterschiede fanden wir dagegen bei der Zufriedenheit mit Studium und Lernen, was darauf hinweist, dass Studentinnen außerhalb ihres Studiums größeren Stressfaktoren ausgesetzt sein könnten als ihre männlichen Kommilitonen. Um die Gesundheit und das Wohlbefinden von Medizinstudierenden zu verbessern, sind geschlechtersensible und studienverlaufsspezifische Unterstützungskonzepte notwendig. Dabei sollten die Hochschulen als wichtige Akteure für Gesundheitsförderung nicht nur verhaltensbezogene-, sondern vor allem auch verhältnisbezogene Faktoren berücksichtigen.

Referenzen

[1]  Afshar K, Wiese B, Stiel S, Schneider N, Engel B. Perceived stress and study-related behavior and experience patterns of medical students: a cross-sectional study. BMC Medical Education. 2022;22(1):122. DOI: 10.1186/s12909-022-03182-4.
[2]    Lipson SK, Zhou S, Wagner III B, Beck K, Eisenberg D. Major differences: Variations in undergraduate and graduate student mental health and treatment utilization across academic disciplines. Journal of College Student Psychotherapy. 2016;30(1):23-41. DOI: 10.1080/87568225.2016.1105657.
[3]    de Sousa JM, Moreira CA, Telles-Correia D. Anxiety, depression and academic performance: A study amongst Portuguese medical students versus non-medical students. Acta Medica Portuguesa. 2018;31(9):454-462. DOI: 10.20344/amp.9996.
[4]    Frajerman A, Morvan Y, Krebs M-O, Gorwood P, Chaumette B. Burnout in medical students before residency: A systematic review and meta-analysis. European Psychiatry. 2019;55:36-42. DOI: 10.1016/j.eurpsy.2018.08.006.
[5]    Puthran R, Zhang MW, Tam WW, Ho RC. Prevalence of depression amongst medical students: A meta‐analysis. Medical Education. 2016;50(4):456-468. DOI: doi.org/10.1111/medu.12962.
Herr Jan Zöllick
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
Frau Susanne Dettmer
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
Frau Amanda Voss
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-NürnbergInstitut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Erlangen
#Präsentation #Studierendengesundheit #Genderforschung #Studienbedingungen #Psychische Belastung #Survey
5
Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen führt zur verstärkten Anwerbung internationaler Fachkräfte. Neben sprachlichen und kulturellen Herausforderungen können auch andere Diversitätsaspekte – wie Alter, Geschlecht oder Berufssozialisation – die Zusammenarbeit in heterogenen Teams erschweren. Online-Diversity-Trainings könnten eine Lösung sein, um Teamdynamiken zu verbessern und Inklusion zu fördern. Die Evidenz zur Akzeptanz und Wirksamkeit dieser Trainings ist jedoch begrenzt.

Mithilfe eines Scoping Reviews wurden systematisch Publikationen in den Datenbanken PubMed, Business Source Premier, PsycInfo und CINAHL aus den Jahren 2014 bis 2024 analysiert. Eingeschlossen wurden empirische Studien in deutscher und englischer Sprache, die Online- oder Hybrid-Diversity-Trainings evaluierten.

Von 4.110 identifizierten Studien erfüllten 23 die Einschlusskriterien. 14 der eingeschlossenen Studien stammen aus den USA. Die Dauer der Trainings variierte von einstündigen Sitzungen bis zu mehrwöchigen Programmen. Die Mehrheit der Trainings fokussierte auf kulturelle Diversität (n=16). Inhaltlich umfassten die Trainings Live-Online-Vorlesungen, digitale Selbstlernkurse und VR-Simulationen. Die Studienergebnisse zeigen, dass Online-Diversity-Trainings das Bewusstsein für Diversität steigern und die Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden fördern können. Zudem berichteten einige Studien über langfristige Veränderungen in Einstellungen und Verhalten der Teilnehmenden.

Online-Diversity-Trainings stellen eine effektive Maßnahme zur Förderung von Diversitätskompetenzen dar und könnten die Zusammenarbeit in diversen Teams verbessern. Dennoch bestehen zum Teil technische und organisatorische Herausforderungen, die einer erfolgreichen Implementierung entgegenstehen. Weitere Forschung ist notwendig, um langfristige Effekte und Best Practices für eine nachhaltige Integration in die Weiterbildung von Gesundheitspersonal zu identifizieren.
Herr Christian Kempny
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit (Department für Humanmedizin), Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Witten
#Präsentation #Diversität #Online-Training #Diversitätskompetenz
Do
18 Sep
11:00 - 11:30
PW7-EN
International Public Health Perspectives (in English)
This is an english session
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1
Rehabilitative, assistive, and restorative technologies (RART) are devices or systems developed to enhance the quality of life and independence for individuals with physical, neurological, or emotional disabilities. However, many underserved communities face barriers to accessing and adopting these technologies, including cultural, economic, and systemic challenges. Without inclusive design and engagement, these innovations will not reach the very people they claim to care and support.

The research, started in January 2025 is co-funded by the NIHR Devices for Dignity HRC who specialise in the development of innovative health technologies for people with long-term conditions and have a key national role in developing technologies. The project will explore the variability in technology uptake and the factors that limit its acceptance. Using qualitative research and co-design methods, the study will involve individuals with lived experience, carers, healthcare providers, and technology developers to identify challenges and solutions. By working directly with underserved communities, we will co-create an action plan to improve accessibility and adoption of such technologies.

This research will generate insights into the real-world barriers to technology use, informing more inclusive development practices. Moreover, it aims to influence policy, industry standards, and healthcare approaches to ensure assistive technologies are designed with and for the people who need them most. The presentation will demonstrate how participatory research and co-design approaches drive meaningful, lasting change in health technology accessibility.

Keywords: Rehabilitative, Assistive, and Restorative Technologies; Technology Acceptance Models; Digital Divide; Qualitative Research; Co-design; PPIE

Frau Sindhu Khanna
Coventry University, Coventry
#Poster
2
Traditional medicine and therapeutic techniques have a long history in Africa for treating a wide range of human and animal health conditions. Sadly, this rich body of knowledge has for a long time been undervalued because of the dominance of Eurocentric mindsets and practices. But current research confirms that many of today’s medicines are derived from tropical African medicinal plants, and that traditional medicine can provide a lead to scientific breakthrough in drug discovery and modern medicine. We argue that global health science needs to integrate the health traditions of local communities in Africa

With colonialism, modernity and the emphasis on the use of pharmaceutical drug, vaccination and other form of biomedicine, traditional medicine now has to contend with the dismissive bias of doctors and government official who claim that the practice does not conform with the scientific principles of modern medicine, least of all the spiritual and cultural aspects of healing that sometimes involve divination, rituals, belief in witchcraft, and so on. These officials tend to distrust traditional medicine, and to insist on the need for to validate, codify and standardize it practice in order to ensure greater safety and efficacy. They therefore often hesitate to provide the regulatory and legislative framework for integrating traditional medicine into the national health system Unfortunately, modern or orthodox medicine, with all its obvious merits, is not readily accessible and affordable to a large percentage of the populations, especially in the rural areas; and even in cities, most people tend to combine traditional and modern medicines, especially during epidemics like HIV/AIDS EBOLA and COVID19, and in respect of such ailments as insanity for which Western medicine has not provided ready cure. Psychiatric hospitals are in decline because of the general preference for folk/community based remedies that seek to gradually reintegrate the mentally ill into their cultural and spiritual setting.

The paper underscores the value and continuing relevance of traditional medicine and other aspects of Africa’s rich cultural heritage. It stresses the need to promote comparative medicine and collaboration between scientists and practitioners of modern medicine on the one hand, and on the other those who hold and use traditional medical knowledge, so that the traditional and the modern will complement and enrich each other, and thus advance the prospect of attaining Universal Health Coverage.

Herr Professor Geoffrey Nwaka
Abia State University, Uturu, Nigeria, Uturui
#Präsentation #Africa, traditional medicine, synergy, Global Health Coverage
3

Hintergrund

Das Neugeborenenhörscreening wurde im Jahr 2009 in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen eingeführt [2]. Die Erstevaluation (2011/2012) zeigt eine Screeningrate von 82,4%, die Folgeevaluation (2017/2018) 86,1%. Es lassen sich erhebliche Unterschiede der dokumentierten Screeningrate zwischen den Bundesländern mit 29,5–99,7 % (2018) erkennen. 42,4 % (2018) aller Geburtseinrichtungen erreichten die geforderte Screeningrate von über 95 %. Die Refer-Rate liegt bundesweit bei 6,0 % (2018) [1]. Eine Verbesserung der Abläufe erscheint notwendig.
Die Zielsetzung der Arbeit liegt in der Identifizierung und Herausstellung der Prozessabläufe des Neugeborenenhörscreenings unter der Berücksichtigung verschiedener Geburtssettings (ambulant, stationär, außerklinisch).

Methode

Im Rahmen des Forschungsvorhabens werden 16-18 semi-strukturierte qualitative Expert*inneninterviews ab November 2024 bis voraussichtlich Mitte April 2025 durchgeführt. Rekrutiert wird das am Prozess des Neugeborenenhörscreenings beteiligte Fachpersonal.

Ergebnisse

Die Datenanalyse findet als zusammenfassende, induktive Inhaltsanalyse nach Mayring [3] statt. Die Ergebnisanalyse findet parallel zu der fortlaufenden Interviewphase statt, sodass erste Resultate bereits ab Dezember 2024 vorliegen.

Diskussion

Aus den Erkenntnissen der qualitativen Erhebung lassen sich wichtige Aussagen über Prozesse, Interdisziplinarität, Verbesserungspotenziale und Problemfelder des Screenings ableiten. Darüber hinaus können nachfolgende Erhebungen auf Basis der Ergebnisse geplant und umgesetzt werden.

Referenzen

[1] Brockow I, Söhl K, Hanauer M, Heißenhuber A, Marzi C, Zehnhoff-Dinnesen A, et al. Neugeborenen-Hörscreening in Deutschland – Ergebnisse der Evaluationen 2011/2012 und 2017/2018. Bundesgesundheitsbl. 2023;66:1259–67. DOI: 10.1007/s00103-023-03779-0.
[2] Gemeinsamer Bundesauschuss. Neugeborenen-Hörscreening. Zusammenfassende Dokumentation zum Normsetzungsverfahren [Internet]. 2008 [zitiert 2024 Nov 11]. Verfügbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-759/2008-12-17-Abschluss-H%C3%B6rscreening.pdf
[3] Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 13. überarb. Aufl. Weinheim/Basel: Beltz; 2022.
Frau Romina Jasmin Frenzel
Jade Hochschule Wilhelmshaven / Oldenburg / Elsfleth , Campus Oldenburg, Oldenburg
Albert Ludwigs Universität Freiburg, Freiburg
#Präsentation #Kinder und Jugendliche #Hörscreening #Versorgungsforschung #Versorgungsqualität
4
Background
Throughout the COVID-19 pandemic, testing strategies have been implemented worldwide on an unprecedented scale. This provides an invaluable opportunity to evaluate the implementation of testing and draw conclusions on what to do and what not to do for future pandemics. To date, user perspectives on SARS-CoV-2 testing remain scarce, despite the important role of testing as a measure against the COVID-19 pandemic.

Objective
Conducted amid the second pandemic wave (late 2020 – early 2021) during and after a multi-arm trial evaluating SARS-CoV-2 surveillance strategies in the federal state Baden-Württemberg, Germany, this qualitative sub-study aimed to gain a deeper understanding of how test users and test rejectors perceived mail-in SARS-CoV-2 gargle tests. Based on the results, we draw conclusions to inform future testing measures, improve public health strategies against future pandemics and increase pandemic preparedness.

Methods
We conducted 67 semi-structured in-depth interviews (mean duration: 60 minutes) via telephone or video call. Interviews were audio-recorded, transcribed verbatim and analyzed inductively using thematic analysis. The Consolidated Framework for Implementation Research guided the findings’ presentation.

Results
Respondents generally described gargle sampling as simple and comfortable. However, individual perceptions of the testing method and its feasibility varied widely from disgusting and complicated to simple and brilliant. Self-sampling was appreciated for lowering infection risks during testing, but also considered more complex. Gargle-sampling increased participants’ self-efficacy to sample correctly. Communication (first contact, quantity and content of information, reminders, support system) and trust (in the study, its institutional affiliation and test method) decisively influenced the intervention’s acceptability.

Conclusions
User-driven insights on how to streamline testing include: consider communication, first impressions of tests and information as key for successful mail-in testing; pay attention to the role of mutual trust between those taking and administering tests; implement gargle self-sampling as a pleasant alternative to swab testing; offer multiple test methods to increase test up-take.
Frau Freda Röhr
Heidelberg Institute of Global Health (HIGH), Faculty of Medicine and University Hospital, Heidelberg University, Heidelberg
#Poster
Do
18 Sep
11:00 - 12:00
SYM13
Arbeit und Psyche - 360° (M Koschig)
Arbeit
Raum: Übungsraum 508 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 106)
Beitrag:
1
Psychische Erkrankungen stellen eine bedeutende Herausforderung für die Arbeitswelt dar. Sie fordern nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch Arbeitgeber:innen und die Gesellschaft insgesamt. Die Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen in den Arbeitsmarkt ist ein wichtiges Thema, das sowohl soziale als auch wirtschaftliche Dimensionen hat.

Studien zeigen, dass psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Schizophrenie die Erwerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigen können. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind psychische Erkrankungen mit 17,5% nach muskuloskelettalen Erkrankungen die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit [1]. Menschen mit psychischen Erkrankungen sehen sich häufig Stigmatisierung und Diskriminierung am Arbeitsplatz ausgesetzt. Diese Vorurteile können die Rückkehr in den Job erschweren und die berufliche Entwicklung behindern [2]. Unternehmen sind zunehmend gefordert, Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz zu implementieren. Programme zur Stressbewältigung, Schulungen für Führungskräfte und die Schaffung eines unterstützenden Arbeitsumfelds können dazu beitragen, die Integration psychisch Erkrankter zu erleichtern [3]. Aber auch eine Reihe neuer Ansätze wie das Supported Employment, der Einsatz von Peerarbeit und das Prinzip des Lotsens in das Gesundheitssystem wurden in den vergangenen Jahren in Deutschland modellhaft getestet. Empfehlungen der S3-Leitlinie psychosozialer Therapien für schwer psychisch Erkrankte weisen schon länger auf die Wirksamkeit dieser Ansätze hin [4], dennoch lässt die Implementierung auf sich warten.
Wir wollen im Symposium „Arbeit und Psyche - 360°“ leitliniengestützte Ansätze zur Förderung der beruflichen Teilhabe psychisch erkrankter Menschen vorstellen und ihre Implementierung in Deutschland diskutieren. Die einzelnen Beiträge ergründen verschiedene Sichtweisen von Akteur:innen auf dem Feld, um mögliche Hürden der Implementierung aber auch Chancen aufzudecken.

Der erste Beitrag berichtet Umsetzungserfahrungen von Individual Placement and Support (IPS) bei depressiven Menschen. Aus einem Projekt mit psychisch erkrankten Kund:innen des Jobcenters wird anschließend die Sichtweise der Integrationsfachkräfte auf die Projektarbeit und das herausfordernde Klientel diskutiert. Ergänzt werden die Perspektiven der Betroffenen und Integrationsfachkräfte um die Sichtweise von Arbeitgeber:innen. Der offene Umgang mit der psychischen Erkrankung ist Teil vieler Modellansätze, wird von Betroffenen jedoch häufig kritisch gesehen. Die Ergebnisse aus dem TAPE-Projekt beleuchten, wie Arbeitgeber:innen darüber denken. Das Symposium wird abgerundet von aktuellen Ergebnissen aus dem Mobbing-Report, da die Erfahrung von Diskriminierung ein großes Hemmnis für Reintegration in Arbeit darstellt und insbesondere psychisch vorbelastete Menschen schwer trifft.

​​​​Titel Beitrag 1: Supported Employment für Menschen mit Depression - Umsetzungsperspektiven für die Praxis

Titel Beitrag 2: Psychische Gesundheit von arbeitslosen Menschen aus Sicht von Integrationsfachkräften im Jobcenter. Ergebnisse aus dem LIPSY Projekt

Titel Beitrag 3: Spannungsfelder bei der beruflichen Integration von Menschen mit psychischer Erkrankung aus Sicht von Arbeitgeber:innen. Ergebnisse aus dem TAPE-Projekt

Titel Beitrag 4: Psychosoziale Belastung durch Mobbing: Ergebnisse aus der Repräsentativen Studie zum Thema Mobbing in der Arbeitswelt in der Bundesrepublik Deutschland

Referenzen

[1] Mental health in the workplace [Internet]. 2019 [zitiert 17. März 2025]. Verfügbar unter: https://gesund.bund.de/en/mental-health-in-the-workplace#mental-illnesses
[2] Corrigan P. How stigma interferes with mental health care. American Psychologist. Oktober 2004;59(7):614–25.
[3] Bakker AB, Demerouti E. Job demands–resources theory: Taking stock and looking forward. Journal of Occupational Health Psychology. Juli 2017;22(3):273–85.
[4] Gühne U, Weinmann S, Riedel-Heller SG, Becker T, Herausgeber. S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen: S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 2019 [zitiert 11. April 2024]. Verfügbar unter: http://link.springer.com/10.1007/978-3-662-58284-8
Frau Dr. Maria Koschig
Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig, Leipzig
Frau Julia Schreiter
Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern, Greifswald
Frau Lea Mayer
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II, Universität Ulm und BKH Günzburg, Günzburg
Frau Franziska Welzel
Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Medizinische Fakultät, Universität Leipzig, Leipzig
#Symposium 60 #Teilhabe #Individual Placement and Support #Lotsen #psychische Erkrankung #Arbeitslosigkeit
Do
18 Sep
11:30 - 12:00
PW8-EN
Prevention and Intervention (in English)
This is an english session
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1
Background:
With rising global temperatures due to climate change, policymakers need robust evidence on the effectiveness of interventions such as early warning systems, urban greening, or public cooling shelters. The Inter-heat project aims to provide policymakers with evidence on which heat interventions are most effective to reduce heat-related mortality, morbidity and emergency service demand through a systematic review. To make the evidence applicable for policymakers and practitioners in different geographic and cultural contexts, we discussed the review protocol with stakeholders.​​​​​

Method:
A first outline of the protocol was drafted according to PRISMA guidelines and based on the most recent literature on heat action planning. Then, we invited stakeholders to discuss the protocol. Stakeholders who had experience in heat action planning were searched for on the websites of the Global Heat Health Information Network and the Red Cross Climate Centre. We also identified stakeholders in the German context through relevant professional associations. Stakeholders were contacted via E-mail and invited to 1-hour online meetings.​​​​​​

Results:
Between January and March 2025, 15 stakeholders participated (9 from Europe, including 8 from Germany; 5 from Asia; and 1 from Africa), representing research (n=5), NGOs (n=3), state institutions (n=5), one international institution, and one specialist organization. Thirteen stakeholders participated in an online meeting, and two gave written feedback. Stakeholders viewed the review topic as important but had remarks regarding a) the broadness of the topic, b) the morbidity outcomes chosen, c) the consideration of the geographic and cultural context, d) specific search terms and e) the categorisation of interventions. We revised the protocol based on stakeholder recommendations and registered it at PROSPERO on 31 March 2025 (CRD420251020849).

Conclusion:
Stakeholder feedback helped to align the Inter-heat project with stakeholder priorities for heat-health action planning. Furthermore, it allowed us to reflect on a eurocentric perspective on heat protection and make the protocol relevant to the global context. Early engagement with multidisciplinary stakeholders from diverse countries should be integrated to make systematic reviews relevant for policymakers. In a future step of this project, we will discuss the results of the systematic review with the stakeholders to develop a dissemination strategy and logic model linking interventions to health outcomes and contextual factors.
Frau Alice Frevert
Center for Preventive Medicine and Digital Health (CPD), Medical Faculty Mannheim, Heidelberg University, Mannheim
#Poster #Systematic Review #Stakeholder involvement #Hitzeschutz
2
Hintergrund. Die positiven Auswirkungen regelmäßiger körperlicher Aktivität (KA) auf die Gesundheit sind durch zahlreiche Studien belegt und es gibt eine wachsende Evidenz, die darauf hinweist, dass zu Fuß gehen und Radfahren gesundheitsförderlich sind. Eine wichtige Determinante für KA ist die bebaute Umwelt, z.B. die Fahrradinfrastruktur. Da ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung in urbanen Gebieten lebt, stellen Infrastrukturmaßnahmen ein wichtiges Instrument zur Förderung von KA dar. Trotz der wachsenden Evidenz zu positiven Auswirkungen von Infrastrukturmaßnahmen variieren die Forschungsmethoden in durchgeführten Studien und die Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Strategien sowie deren Kombination sind inkonsistent. Vorhabensziel. Ziel dieses Rapid Reviews ist, die Evidenz zu den Effekten von Radinfrastruktur-Interventionen auf KA in der Allgemeinbevölkerung systematisch zusammenzufassen und zu bewerten. Methode. Der Rapid Review wurde gemäß der Cochrane Guidelines für Rapid Reviews durchgeführt. Es wurde eine systematische Suche in der Datenbank Pubmed mit folgenden Suchkonzepten durchgeführt: 1) Fahrradinfrastruktur, 2) multistrategische Intervention, 3) Körperliche Aktivität. Eingeschlossen wurden Artikel auf Englisch, veröffentlicht im Zeitraum 1. August 2013 bis 1. August 2023. Title- und Abstract-Screening sowie Volltext-Screening wurden von zwei Forscher:innen (LS, LB) durchgeführt mit Konfliktlösung durch eine 3. Forscherin (SW). Die Datenextraktion erfolgte auf Basis einer vorab pilotierten Excel-Tabelle. Im letzten Schritt wurde ein Risk-of-Bias-Assessment zur Qualitätsbewertung der eingeschlossenen Studien von zwei Forscherinnen (LG, CP) durchgeführt. Ergebnisse. Nach Deduplizierung der über Pubmed und das Schneeballprinzip identifizierten Studien (n = 926) wurden n=827 Studien in den Screening-Prozess einbezogen. Davon erfüllen n=26 Studien die Einschlusskriterien und wurden in die finale Datenanalyse eingeschlossen. Alle inkludierten Studien waren natürliche Experimente und wurden zwischen 2013 und 2021 überwiegend in den USA (n=7) und der UK (n=9) durchgeführt (Alter: >16 Jahre). Von den inkludierten Studien untersuchten n=13 multistrategische Interventionen, die neben Fahrradinfrastruktur auch Maßnahmen wie den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln, Informations- und Eröffnungsveranstaltungen sowie Fahrradtrainings beinhalteten. Die Zeiträume zwischen Baseline- und Folgeerhebung variierten von 3 Monaten bis zu 10 Jahren, der Großteil der Studien (n=9) erhob KA allerdings im Zeitraum von 1 bis 2 Jahren. Die Anzahl der Interventionsgruppen variiert zwischen einer bis zwei Gruppen, während die Anzahl der Kontrollgruppen von null bis vier reichte. Die Hälfte der Studien (n=13) untersuchten Effekte einer einzigen Interventionsgruppe ohne Vergleich mit einer Kontrollgruppe. In Bezug auf KA zeigten n=19 Studien eine Zunahme von KA nach Implementierung von Fahrradinfrastruktur, während n=2 Studien keine Veränderung und n=2 Studien eine Abnahme der KA feststellten. Diskussion. Die Ergebnisse des Rapid Reviews zeigen, dass trotz einer Varianz in eingesetzten Studiendesigns und Erhebungszeiträumen die Implementierung von Fahrradinfrastruktur signifikant zur Förderung von KA in der Allgemeinbevölkerung beitragen kann.
Frau Lisa Stähler
Institut für Medizinische Soziologie, Centre for Health and Society (chs), Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Poster #Public Health #Fahrradinfrastruktur #Multistrategische Intervention #Gesundheitsförderung #Körperliche Aktivität
3
Introduction: Telerehabilitative services have been increasingly disseminated in recent years, further prompted by Covid-19 pandemic, raising questions about their effectiveness [1]. Despite a growing body of evidence on lower back pain and hip/knee disorders, there is a lack of research on telerehabilitation for musculoskeletal disorders and traumatic injuries of the upper limb, which are significant work-related health issues [2]. Hence, this review aims to summarize evidence on telerehabilitation in this patient group.

Methods: We searched MEDLINE, Embase and AMED (up until 27 November 2024) for publications of telerehabilitation in adults with elective orthopedic and traumatic injuries of the upper limb. Electronic searches were supplemented by handsearching and search for grey literature. Telerehabilitation was defined as therapeutic intervention including exercise, advice or self-efficacy promotion, delivered remotely with technological support. The primary outcomes were pain, ADL function and quality of life. Publications of RCTs or Non-RCTs were included if they were published in English or German language and were conducted in high income countries, to minimize the influence of different healthcare systems on effects. The review protocol was registered in PROSPERO (CRD42024622465). Funding was provided by the German Institution for Statutory Social Accident Insurance and Prevention in the Health Care and Welfare Services (BGW).

Results: A total of 9,102 titles and abstracts and 111 full texts were screened by two reviewers. Ultimately, we included 27 studies representing 2,299 patients. Of these, 22 were RCTs and five had a non-randomized, controlled design. The majority of included trials examined diagnoses of the shoulder (n = 15), with rotator-cuff disorders being the primary focus (n = 8). Trials were mainly conducted in Spain and USA (both n = 7). Teleintervention incorporated exercise in 24 studies, a cognitive behavioural component or coaching in three studies, and exergaming in two. Twenty studies compared telerehabilitation to standard care. Of these, 14 trials examined pain, with 11 reporting no difference in interventions and three indicating improved results with telerehabilitation. Nineteen trials reported on ADL function. Findings predominantly suggested no difference between groups with three trials supporting superiority of telerehabilitation. One out of five studies observed increased quality of life for telerehabilitation. A subgroup of the aforementioned 20 studies compared telerehabilitation to in-person rehabilitation (n=12). The overall results here imply non-inferiority of telerehabilitation for pain, ADL function and quality of life. Seven trials incorporated telerehabilitation as home exercise adjunct to standard care. Herein, one out of five trials reported improved pain, whereas four trials found no difference between groups in ADL function.

Discussion: Our preliminary synthesis proposes non-inferiority for telerehabilitation versus in-person rehabilitation, which is in line with previous reviews [3,4]. For the benefit of telerehabilitation as adjunct to standard care evidence is lacking. At the DGSMP annual conference, we will report on accuracy of these findings, taking into consideration risk of bias assessment, quantitative synthesis (if possible) and GRADE-rating.

Referenzen

[1] Sobrepera MJ, Elfishawy J, Nguyen AT, Prosser LP,
Johnson MJ. Insights on Telecommunication Use by Rehabilitation Therapists
Before, During, and Beyond COVID-19. Archives of Rehabilitation Research and
Clinical Translation. 2024 Jun 1;6(2):100326.
[2] Kaczorowski
S et al. Telemedicine for patients with musculoskeletal pain lacks
high-quality evidence on delivery modes and effectiveness: an umbrella review. Telemedicine
and e-Health. 2024 May 1;30(5):1221-38.
[3] Maltby A, Underhill A, Woodbridge S. The use of
telephone and video consultations in upper limb musculoskeletal rehabilitation:
A scoping review. Hand Therapy. 2023 Sep;28(3):89-102.
[4] Gava V, Ribeiro LP, Barreto RP, Camargo PR.
Effectiveness of physical therapy given by telerehabilitation on pain and
disability of individuals with shoulder pain: a systematic review. Clinical
rehabilitation. 2022 Jun;36(6):715-25.
Frau Charlotte Pietzsch
Technische Universität DresdenMedizinische FakultätInstitut und Poliklinik für Arbeits- und SozialmedizinDirektor: Univ.-Prof. Dr. Andreas Seidler, MPHPostanschrift: Fetscherstraße 74; 01307 D, Dresden
#Präsentation #Telerehabilitation #Rehabilitation #muskuloskelettalen Erkrankungen
4
Gamification ist eine auf Informationstechnologie beruhende Zusatzdienstleistung, die aus Spiel-Design-Elementen besteht und darauf abzielt, Motivation, Produktivität und Verhaltensweisen von Nutzern positiv zu beeinflussen. Mithilfe von personalisierten Nachrichten, digitalen Belohnungen und Erinnerungszeichen werden Menschen dazu ermuntert, ihr Verhalten zu überdenken und zu verändern. Vergleichbar verfolgt Public Health als Wissenschaft und Praxis der Verhinderung von Krankheiten und Verlängerung des Lebens das Ziel, Verhaltensweisen von Menschen zur Förderung ihrer Gesundheit zu ändern.
Ziel des Beitrags ist es, den potentiellen Nutzen und Schaden von Gamification für Public Health zu betrachten sowie Grenzbereiche am Rand von Manipulation und Nötigung sowie Trivialisierung und Infantilisierung auszuloten.

Für die fokussierte Informationsbeschaffung erfolgten orientierende Recherchen in Datenbanken und Websites gemäß der Fragestellung, ergänzt durch Handsuchen in Referenzlisten bereits identifizierter Literatur.

Aufgrund des generell gestiegenen Einsatzes von Computertechnologien, der durch die COVID-19-Pandemie zusätzlich befördert wurde, lohnt eine erneute Betrachtung ethischer Implikationen von Gamification. Der Einsatz von Spiel-Design-Elementen in einem nicht spielerischen Kontext wie beispielsweise in der Physiotherapie durch Einbettung hoch repetitiver und monotoner Trainingseinheiten in ein Videospiel (Serious Games) wird überwiegend als positiv bewertet und seit mehr als 10 Jahren genutzt. Auch sogenannte Fitness-Tracker oder Wearables zur Steigerung der körperlichen Aktivität sind mit Gamification ausgestattet und werden von einigen Krankenkassen bezuschusst. Gamification im Gesundheitsbereich zielt überwiegend auf eine Steigerung der körperlichen Aktivität. Die Evidenz ist jedoch schwach, was auch für die von den Herstellern angepriesenen Fitness-Tracker gilt, die nur zu geringen Lebensstiländerungen beitragen.
Als schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis infolge von Gamification kann die Ausprägung einer Computerspielsucht gelten, weil in ihr die gleichen Mechanismen von Verführung und variabler Belohnung bedient werden. In der jüngsten Version der internationalen Klassifikation von Krankheiten wurde der Computerspielsucht daher auch eine separate Ziffer zuerkannt (6C51 Gaming disorder).
Der als Nudging bekannt gewordene Ansatz zur Verhaltensänderung kann aus ethischer Perspektive einem Graubereich zugeordnet werden. Das Konzept aus der Verhaltensökonomie beruht auf der Idee einer Entscheidungsarchitektur, für die eine Umgebung so gestaltet wird, dass Entscheidungen gelenkt werden. Demnach können gesundheitsförderliche Lebensmittel in Supermarktregalen auf Augenhöhe präsentiert und damit eher gekauft werden als Ware in Bodennähe. Nach dem gleichen Prinzip werden Wartende jedoch auch von Süßigkeiten und Alkohol im Kassenbereich angezogen. Von den Befürwortern ist Nudging als leicht vermeidbar definiert, doch bei Routinehandlungen im Alltag verlässt man sich eher auf Intuition als auf Vernunft, da die Kapazitäten zur Informationsverarbeitung begrenzt sind. Unbewusst gewählte kognitive Abkürzungen können bei späterer Reflexion dazu führen, dass man sich manipuliert fühlt.

Die Intention von Herstellern, die Gamification integrieren, ist zum Teil fragwürdig und kann im Fall von Serious Games zur Trivialisierung von ernsthaften Situationen führen, da der Unterhaltungsfaktor dem Lernziel übergeordnet ist. Die Evidenz zu Verhaltensänderungen durch Gamification und Nudging ist schwach, außerdem werden das absichtliche Umgehen der Vernunftfähigkeit von Individuen sowie das Lenken in eine von fremder Seite erwünschte Richtung kritisiert, und es ist umstritten, in welchem Ausmaß die Wahlfreiheit tatsächlich eingeschränkt wird und mit einer freiheitlichen Grundhaltung vereinbar ist.
Frau PD Dr. Barbara Buchberger
Robert Koch-Institut, Berlin
#Präsentation #Ethik #Gamification #Public Health
Do
18 Sep
12:00 - 13:00
AG3
AG Kindergesundheit
Kinder und Jugendliche in der DGSMP
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Do
18 Sep
12:00 - 13:00
AG4
AG Digitale Gesundheitsförderung und Prävention
Raum: Seminarraum 505 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 28)
Do
18 Sep
12:00 - 13:00
AG5
AG Erhebung und Nutzung von Sekundärdaten
Raum: Seminarraum 507 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Do
18 Sep
12:00 - 13:00
RT2
Ressort 2
Praktische Sozialmedizin und Rehabilitation
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Do
18 Sep
12:00 - 13:00
AG6
AG Sozialempidemiologie
Raum: Seminarraum 536 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Do
18 Sep
12:00 - 13:00
AG7
AG Gründungssitzung: KI in der Sozialmedizin und Prävention
Raum: Seminarraum 520 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Do
18 Sep
13:00 - 14:30
K2
1. Keynote (Anne MacFarlane, in English), 2. Keynote (Sebastian von Peter und Ute Krämer, in English)
both Keynotes in English
moderated by Prof. Dr. Christiane Stock

1) Professor Anne MacFarlane, PhD (Fakultät für Pädagogik und Gesundheitswissenschaften, Universität Limerick, Irland)

2) Prof. Dr. Sebastian von Peter (Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Brandenburg, Deutschland) zusammen mit Ute Krämer, M.Sc (Mental Health Services and Population Research am King's College London)
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
SYM14
Interventionsstudien für gesunde und nachhaltige Lebensbedingungen und Lebensweisen (FIGENA) – BMFTR-Forschungsverbünde zu Gesundheitsförderung und Klimaschutz (Teil 3)
FiGeNa III
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Beiträge:
1
Die globalen Umwelt- und Klimaveränderungen bedrohen unsere Lebensgrundlagen und Gesundheit [1, 2, 3]. Um dem entgegenzuwirken, müssen gesundheitsförderliche sowie ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Lebensbedingungen und Lebensweisen verstärkt gefördert werden. Die Verknüpfung von Gesundheitsförderung und Klima- und Umweltschutz wird oft noch außer Acht gelassen. Dabei haben die zunehmenden Umwelt- und Gesundheitsprobleme unserer heutigen Gesellschaft häufig gemeinsame Ursachen, sodass sich in der Verknüpfung beider Aspekte zahlreiche Synergien für neue, wirksame Lösungsansätze ergeben [2, 3, 4].
Das BMFTR greift diese Herausforderung mit der Förderung von Interventionsstudien für gesunde und nachhaltige Lebensbedingungen und Lebensweisen auf. Ziel der Fördermaßnahme ist es, Evidenz für wirksame, praxisrelevante Maßnahmen zu einer grundlegenden gesellschaftlichen Transformation in Richtung gesundheitsförderlicher sowie ökologisch nachhaltiger und sozial gerechter Lebensbedingungen und Lebensweisen zu generieren. Nach einer sechsmonatigen Konzeptentwicklungsphase werden ab Anfang 2025 sechs interdisziplinäre Verbünde mit insgesamt 23 Projekten gefördert. Diese umfassen auf synergistische Wirkungen zielende Interventionen auf Verhaltens- und Verhältnisebene und ihre Evaluation in verschiedenen Lebenswelten wie KiTa, Schule, Betrieb, Pflegeheim und Kommune.
Der Workshop zeigt Ziele der Förderlinie auf und gibt einen Überblick über den Fokus, Konzept und Methodik der sechs Verbünde.

Das Symposium besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil zeigen nach einem Grußwort des BMFTR zwei Keynotespeaker Herausforderungen und Lösungsansätze zur Thematik des Förderschwerpunkts Umwelt/Nachhaltigkeit und Gesundheit sowie ihre Integration auf. Im zweiten/dritten Teil werden jeweils drei Verbünde vorgestellt und zentrale Fragen diskutiert. Poster zu den Verbünden und Teilprojekten ergänzen das Symposium.

Vorstellung der Verbünde II: Lebenswelt Kommune (90 min., Vorträge à 20 min, Diskussion à 10 min.)
  • UNITY: Multistrategische Intervention zur Förderung von Radmobilität, Gesundheit und Nachhaltigkeit im Rahmen der Stadtentwicklung Düsseldorf |PI: Pischke, C. (Universität Düsseldorf)
  • KiezTransform: Kiezblocks als gesunde, nachhaltige und sozial gerechte Lebenswelt: Quasiexperimentelle Evaluation einer transformativen städtebaulichen Intervention | PI: Eichinger, M. (Universität Heidelberg)
  • SalusTransform: Evaluierung von Maßnahmen zur gerechten gesundheitsfördernden Stadtentwicklung und großen Transformation hinsichtlich der Förderung von Gesundheit, der Verringerung sozialer Ungleichheiten und des Schutzes von Klima und Umwelt | PI: Bolte, G. (Universität Bremen)

Referenzen

[1] Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Gesund leben auf einer gesunden Erde. Berlin: WBGU; 2023. [2] Sachverständigenrat für Umweltfragen. Umwelt und Gesundheit konsequent zusammendenken: Sondergutachten. Berlin: Geschäftsstelle des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU); 2023.
[3] Robert Koch Institut (RKI). Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit (2023) [Internet]. Robert Koch Institut; 2024 [zitiert am 15.04.2025]. Verfügbar unter: https://www.rki.de/ DE/Themen/Gesundheit-und-Gesellschaft/Klimawandel/Klimawandel-Gesundheit-Sachstandsbericht.html
[4] World Health Organization (WHO). COP29 special report on climate change and health: Health is the argument for climate action. Geneva: World Health Organization; 2024.
#Symposium 60 #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMFTR Verbund Figena
2
Hintergrund: Kfz-betriebener Individualverkehr ist die Hauptquelle von Luftverschmutzung und Klimagasen im städtischen Raum und geht mit einem Mangel an körperlicher Aktivität einher. Eine nachhaltige und gesundheitsfördernde Umstrukturierung des Verkehrs mit einer Verlagerung vom Kfz-Verkehr auf aktive Mobilität ist daher erforderlich. In Düsseldorf werden im Rahmen des Mobilitätsplans D verschiedene Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs umgesetzt. In einem natürlichen Experiment sollen die Auswirkungen dieser multistrategischen Intervention auf die Radnutzung und deren gesundheitsbezogenen Folgen untersucht werden. Die Maßnahmen umfassen den kontinuierlichen Ausbau von verkehrsberuhigten Radwegen, die Errichtung von Mobilitätsstationen, und die Verstärkung medialer Aktivitäten zur Förderung des Radfahrens.

Vorhabensziele: Untersucht werden a) die Auswirkungen einer multistrategischen Intervention auf die Radnutzung, b) die Determinanten der Radnutzung in unterschiedlichen Sozialräumen, c) die Luftschadstoffbelastung auf verkehrsberuhigten vs. konventionellen Radwegen, d) die gesundheitlichen Effekte des Radfahrens auf verkehrsberuhigten vs. konventionellen Radwegen.

Methode: In Teilprojekt 1) wird die Anzahl der Radfahrerenden zu Baseline (Frühjahr 2025) sowie 12 und 24 Monate später entlang einer neu auszubauenden Strecke durch zwei Stadtbezirke mit unterschiedlicher sozialräumlicher Belastung (Interventionsbezirke) und an vier Kontrollpunkten durch automatisierte Radzählstationen erfasst (objektiv/standardisiert). Die Determinanten der Radnutzung werden mithilfe eines Online-Surveys zu Baseline und 12 Monate später in den Interventionsbezirken erhoben (subjektiv/standardisiert) sowie durch Fokusgruppen und Interviews in einem Interventionsbezirk mit hoher sozialräumlicher Belastung untersucht (subjektiv/explorativ). In Teilprojekt 2 werden mittels mobiler Messungen die Konzentrationen verkehrsbedingter Luftschadstoffe auf Radwegen in verkehrsberuhigten Straßenzügen mit denen auf konventionellen Radwegen entlang verkehrsreicher Straßen verglichen. In einer Cross-over-Studie mit halbkontrollierter Exposition werden die direkten gesundheitsbezogenen Auswirkungen (z.B. Blutdruck, arterielle Steifigkeit, Lungenfunktion) des Radfahrens auf verkehrsberuhigten Radwegen im Vergleich zu konventionellen Radwegen untersucht.

Diskussion: Die Studie liefert Erkenntnisse zur Nutzung verbesserter Radinfrastruktur, den Determinanten des Radfahrens sowie zur gesundheitlichen Relevanz von verkehrsberuhigten Radwegen in verschiedenen sozialen Gruppen.
Frau Lisa Stähler
Institut für Medizinische Soziologie, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Düsseldorf
#Symposium 60 #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMBF Verbund Figena
3
Einleitung
Durchgangsverkehr im Nebenstraßennetz stellt in Städten ein Gesundheitsrisiko dar, da die Verkehrssicherheit und die aktive Mobilität beeinträchtigt werden und die Lärmbelastung steigt. Darüber hinaus sind aufgrund des hohen Versiegelungsgrads die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels in Städten besonders stark ausgeprägt. Beobachtungsstudien legen nahe, dass sich städtebauliche Maßnahmen zur Reduktion des Durchgangsverkehrs und Entsiegelung (z.B. Superblocks in Barcelona) u.a. durch die Reduktion von Luftverschmutzung, Einsamkeit und Stress sowie die Förderung aktiver Mobilität positiv auf die Gesundheit sowie die ökologische Nachhaltigkeit (z.B. reduzierte Treibhausgasemissionen) auswirken könnten. Trotz ihres Potenzials gestaltet sich die Umsetzung derartiger Maßnahmen schwierig, da bisher wenig über ihre Effektivität und notwendige Governance-Prozesse bekannt ist.
Die quasiexperimentelle KiezTransform Studie untersucht daher (1) die multidimensionalen kausalen Effekte von Kiezblocks (KB) auf Gesundheit, umweltbezogene Risikofaktoren (Luftverschmutzung, Hitzebelastung), ökologische Nachhaltigkeit und gesundheitliche Ungleichheit sowie (2) die für ihre Umsetzung notwendigen Governance-Prozesse.

Methoden
Die Effektevaluation basiert auf einem Difference-in-Differences-Design. Die Datenerhebung beginnt voraussichtlich im Juni 2025 und umfasst 3 Erhebungswellen (vor, 6 und 18 Monate nach Umsetzung von KB-Maßnahmen) und wird in 5 Interventionskiezen mit geplanten KB-Maßnahmen sowie 5 Kontrollkiezen ohne KB-Maßnahmen in Berlin durchgeführt. KB-Maßnahmen beinhalten als modulare städtebauliche Interventionen (1) die Unterbindung des ortsfremden Kfz-Durchgangsverkehrs in Wohnvierteln (2) die alternative Nutzung freiwerdender Verkehrsflächen und (3) die Entsiegelung und Ausweitung von Grünflächen. Gesundheitliche Effekte: Die volljährigen Studienteilnehmenden in den Interventions- und Kontrollkiezen werden über eine Zufallsstichprobe aus dem Einwohnermeldeamt rekrutiert. Körperliche Aktivität (primärer Endpunkt) und sekundäre Endpunkte zur körperlichen (u.a. Alltagsmobilität), psychischen (u.a. Einsamkeit) und sozialen Gesundheit (u.a. soziale Kohäsion) werden objektiv (Akzelerometrie, Cortisolkonzentration im Haar) und subjektiv (Onlineumfragen) erhoben. Luftverschmutzung: Die Luftverschmutzung (Stickstoffdioxid, Feinstaub und Ozon) wird in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung in den Interventions- und Kontrollkiezen mittels stationärer und mobiler Sensoren quantifiziert und unter Berücksichtigung gesamtstädtischer Luftverschmutzungsmuster analysiert. Hitzebelastung: Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden in den Interventions- und Kontrollkiezen mit stationären Sensoren erhoben. Zur Effektschätzung werden u.a. Indices für die physiologische Belastung herangezogen (u.a. Hitzeindex nach Steadman). Effekte auf die ökologische Nachhaltigkeit: Veränderungen der Verkehrsflüsse und verkehrsassoziierte CO₂-Emissionen werden über die Analyse von INRIX- und Strava-Verkehrsdaten quantifiziert und modelliert. Effekte auf die gesundheitliche Ungleichheit werden über Moderatoranalysen abgeschätzt, in die Teilnehmende mit unterschiedlichen Vulnerabilitätsprofilen einbezogen werden. Ergänzend zur Effektevaluation wird eine qualitative Prozessevaluation mit semistrukturierten Interviews mit Vertreter:innen der Verwaltung und der organisierten Zivilgesellschaft durchgeführt. Die Interviews umfassen u.a. Leitfragen zur Akzeptanz von KB-Maßnahmen und notwendigen Governance-Prozessen und werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet.

Ergebnisse
Im Rahmen der DGSMP-Jahrestagung wird das Design der interdisziplinären KiezTransform Studie vorgestellt.

Schlussfolgerung
Die interdisziplinäre KiezTransform Studie leistet einen Beitrag zur evidenzbasierten Weiterentwicklung städtebaulicher Maßnahmen, die auf eine Reduktion des Durchgangsverkehrs bei gleichzeitiger Entsiegelung abzielen und damit einen Beitrag zu Gesundheitsförderung, Klimaschutz und Klimaanpassung leisten. Die integrierten Ergebnisse der Effekt- und Prozessevaluation bilden insbesondere die Grundlage für die Ableitung von Empfehlungen zur Umsetzung von KB und verwandter Interventionen für Kommunalpolitik und -verwaltung, die über die Erweiterung etablierter Leitfäden disseminiert werden sollen.

Herr Dr. med. Michael Eichinger
Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim
Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz
#Symposium 60 #BMBF Verbund Figena #Verkehrsberuhigung #körperliche Aktivität #Luftverschmutzung #Planetary Health
4
Hintergrund: Internationale Evidenz zeigt, dass Programme zur Erhöhung der Wohnqualität, zur Verbesserung der (Wege-)Infrastruktur und zur Umgestaltung von öffentlichen (Grün-)Flächen mit positiven Veränderungen hinsichtlich der mentalen Gesundheit, des subjektiven Gesundheitszustands oder des Wohlbefindens assoziiert sind. In Deutschland sind Integrierte Stadtentwicklungskonzepte (ISEK) ein Steuerungs- und Koordinierungsinstrument der Stadtentwicklung einer Kommune. ISEK werden für ein ausgewähltes Stadtquartier unter Beteiligung verschiedener Ressorts, Sozialraumakteur*innen und der Öffentlichkeit aufgestellt. ISEK stellen die Ziele und Maßnahmen in dem Fördergebiet dar, bündeln finanzielle und personelle Ressourcen und schaffen die Voraussetzungen für eine gemeinsame, sektor- und ressortübergreifende Umsetzung. In der Regel umfassen ISEK eine Vielzahl von Maßnahmen, die die Wohngebäudequalität, Mobilitätsoptionen oder öffentliche Grün- und Freiräume sowie soziale und gesundheitliche Versorgungsstrukturen verbessern sollen. Auch die Entwicklung neuer Ideen für die Nutzung leerstehender Ladenlokale oder für die Verbesserung des Stadtteilimages können zu den Maßnahmen zählen. Bisher sind ISEK vor allem in Bezug auf die Verfahren zu deren Entwicklung und Umsetzung evaluiert worden, jedoch nicht hinsichtlich ihrer Wirkungen.

Ziel: Das Ziel des Verbundprojekts SalusTransform ist, erstmals integrierte Stadtentwicklungskonzepte in Deutschland umfassend zu evaluieren. Es soll geklärt werden, ob ISEK insgesamt zu einer Verbesserung der Gesundheit der Wohnbevölkerung, zu einer Verringerung sozialer Ungleichheiten und zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit im Stadtgebiet führen.

Studienregion und Methoden: Die Evaluation von ISEK erfolgt im quasi-experimentellen Design einer kontrollierten, nicht-randomisierten Interventionsstudie. Die drei ISEK-Gebiete Bremen-Blumenthal, Bochum-Wattenscheid-Mitte und Wuppertal-Mirke werden mit jeweils einem Stadtgebiet ähnlicher Sozialstruktur und ohne ISEK verglichen. Mit einem mixed-methods-Ansatz, basierend auf einem logischen Modell der ISEK, werden bereits vorhandene kommunale Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsdaten sowie im Projekt neu erhobene Daten genutzt. In der Prozessevaluation werden Parameter wie z.B. die Inanspruchnahme von ISEK-Maßnahmen, das Ausmaß der Umsetzung geplanter Maßnahmen und die Bewertung der ISEK-Umsetzung durch Bewohner*innen und Akteur*innen betrachtet. In die Ergebnisevaluation gehen Informationen z.B. zur Gesundheit der Bewohner*innen, zu deren sozialen Lage, aktiven Mobilität und subjektiven Einschätzung der Wohnumwelt sowie objektive Parameter zu Umwelt und Sozialstruktur ein. Die Analysen erfolgen gemäß der Datenstruktur, u.a. mit einem difference-in-differences-Ansatz.

Ausblick: Das Projektteam wird gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und städtischen Vertreter*innen die Evaluationsergebnisse bewerten und Optionen für eine Verstetigung der Evaluation hinsichtlich längerfristiger ISEK-Effekte in den drei Städten ausloten. Elemente der Evaluationsmethodik für ISEK sollen auf andere Kommunen übertragbar sein, um eine Health-Equity-in-All-Policies-Strategie in Kommunen zu unterstützen.
Das Verbundprojekt SalusTransform wird durch das BMBF gefördert (Förderkennzeichen: 01EL2420).
Frau Prof. Dr. Gabriele Bolte
Universität Bremen, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Bremen
#Symposium 60 #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMBF Verbund Figena
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
WS9
Perspektiven der Modernisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Workshop des DGSMP Ressorts ÖGD/Public Health
ÖGD
Raum: Hörsaal 3 (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 210)
Beitrag:
1

Hintergrund

In den letzten Jahren gab es mehrere Impulse zur Modernisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) in Deutschland, bereits vor der Pandemie. Das tradierte Bild von einer überwiegend ärztlichen Instanz für Individualprävention hat sich längst überholt. Bereits 2018 wurde nach einem Beschluss der GMK (2016) unter Federführung der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf ein „Leitbild für einen modernen Öffentlichen Gesundheitsdienst“ entwickelt und verabschiedet. In diesem Leitbild werden u.a. folgende Aufgaben als Kernaufgaben für einen modernen Gesundheitsdienst aufgeführt: „Gesundheitsförderung und Prävention, niedrigschwellige Angebote und aufsuchende Gesundheitshilfen … Koordination, Kommunikation, Moderation, Anwaltschaft, Politikberatung, Qualitätssicherung (Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsplanung, Gesundheitskonferenzen, Öffentlichkeitsarbeit etc.). Diese Aufgaben finden sich auch in der 2. Stellungnahme des Beirats Pakt ÖGD wieder, wo ein Bild des „ÖGD der Zukunft“ gezeichnet wird.
Es gibt mittlerweile eine Reihe von Ansätzen in Deutschland, die ein Bild davon geben, wie diese Zukunft aussehen könnte, die spannende Frage bleibt inwieweit sich die Impulse der Modernisierung auch in der Fläche ausgebreitet haben.

Methode

In dieser Veranstaltung des DGSMP Ressorts ÖGD/Public Health werden Ansatzpunkte zur Modernisierung des ÖGD anhand einiger kurzen Impulsbeiträge mit dem Publikum diskutiert. Vorgesehene Impulsgeber sind:
Dr. Thomas Altgeld, Vorsitzender der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Niedersachsen/
Mitglied des Beirats Pakt ÖGD:
2. Stellungnahme des Beirats „ÖGD der Zukunft“
Gudrun Widders, ehem. Gesundheitsamt Berlin-Spandau: Wie sind die Voraussetzungen für eine Modernisierung des ÖGD in den Gesundheitsdiensten der Länder verankert?
Brigitte Joggerst, Gesundheitsamt Karlsruhe: Was braucht der kommunale ÖGD, um die Modernisierung voranzutreiben?
Doris Wohlrab, Landeshauptstadt München, Sprecherin der DGSMP AG Gesundheitsberichterstattung:
Welche Rolle kann die kommunale GBE im Kontext der Modernisierung des ÖGD übernehmen und was braucht es dafür?
Prof. Dr. Anna Kühne, TU Dresden:
Welchen Beitrag kann Forschung mit dem ÖGD für die Modernisierung des ÖGD leisten?
Dr. Johannes Nießen, komm. Leiter des Bundesinstituts für die Öffentliche Gesundheit,
Wie kann das BIÖG zur Modernisierung des ÖGD beitragen?
Wir hoffen, dass die Diskussion in diesem Workshop dazu beitragen wird, dem Modernisierungsprozess im Öffentlichen Gesundheitsdienst produktiv weiterzubringen.

Ergebnisse

Diskussion

Herr Jeffrey Butler
Technische Universität Dresden Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Fetscherstr. 74; 01307 Dresden, Dresden
#Workshop 60 #Modernisierung #Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD)
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
WS10
Von Beteiligung zur echten Ko-Kreation: Lessons Learned aus dem HeLiS-Projekt
Partizipation/Einzelprojekt
Raum: Seminarraum 505 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 28)
Beitrag:
1
Inhalt des Workshops: Partizipation und Ko-Kreation sind zentrale Ansätze in der Versorgungsforschung, um nachhaltige und bedarfsgerechte Gesundheitslösungen zu entwickeln. Dennoch bleibt die Einbindung von Betroffenen oft auf eine symbolische Beteiligung beschränkt. Das HeLiS-Projekt zeigt, wie partizipative Forschung konkret umgesetzt werden kann: Langzeitüberlebende nach Krebserkrankung werden als Co-Forschende in die Entwicklung eines digitalen, diversitätssensiblen Angebots zur Stärkung der Gesundheitskompetenz einbezogen. Der Workshop, der gemeinsam mit den Co-Forschenden organisiert wird, nutzt die didaktische Methode des Gallery Walks, um Erfahrungen des Projekts praxisnah zu vermitteln. Teilnehmende des Workshops sollen die Möglichkeit bekommen, übertragbare Strategien für die eigene Arbeit zu entwickeln.

Didaktisches Konzept: Der Workshop wird von Mitarbeitenden des Projekts HeLiS der Universität Witten/Herdecke, Universität Siegen und Universitätsmedizin Greifswald durchgeführt. Der Workshop gliedert sich in 15 Minuten Input, gefolgt von einem 45-minütigen Gallery Walk und abschließend 30 Minuten Diskussion und Austausch im Plenum. Im interaktiven Gallery Walk bewegen sich die Teilnehmenden in Kleingruppen durch vier Stationen, an denen sie sich mit verschiedenen Aspekten von Partizipation und Ko-Kreation auseinandersetzen: (1) Stufen der Partizipation, (2) Herausforderungen in der Ko-Kreation, (3) Erfolgsfaktoren und (4) Transfer auf eigene Projekte. An jeder Station erarbeiten sie Lösungsansätze anhand realer Herausforderungen aus dem Projekt HeLiS. Die Erfahrungen aus dem HeLiS-Projekt zeigen, dass die gezielte Schulung von Co-Forschenden, klare Rollenverteilungen und iterative Feedbackprozesse essenziell sind. Gleichzeitig bleiben projektbezogene Herausforderungen wie begrenzte Ressourcen und institutionelle Barrieren bestehen. Durch Reflexionsfragen, Good-Practice-Beispiele und interaktive Gruppenaufgaben wird der Austausch unter allen Teilnehmenden gefördert und eine direkte Anwendung der Erkenntnisse ermöglicht.

Erwartete Ergebnisse: Der Workshop sensibilisiert die Teilnehmenden für die unterschiedlichen Partizipationsstufen und zeigt, wie echte Ko-Kreation gelingen kann, wenn sie strukturell und methodisch ermöglicht wird. Durch den Austausch in Kleingruppen entstehen konkrete Lösungsansätze für projektbezogene Herausforderungen wie Rekrutierung, Diversitätssensibilität und nachhaltige Einbindung Betroffener. Die Teilnehmenden entwickeln eigene „Action Cards“, auf denen sie Umsetzungsstrategien für ihre individuellen Kontexte festhalten. Rückmeldungen aus ähnlichen Formaten zeigen, dass die Methode des Gallery Walks als praxisnah, aktivierend und inspirierend wahrgenommen wird. Somit können die Ergebnisse des Workshops zur Weiterentwicklung partizipativer Ansätze in Forschung und Praxis beitragen und helfen, neue Strategien für eine effektive Ko-Kreation zu entwickeln.
Frau Kübra Annac
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit (Department für Humanmedizin), Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Witten
#Workshop 60 #Partizipation #Ko-Kreation #Co-Forschung #Gallery Walk #Langzeitüberlebende nach Krebs
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
SYM15
Teilhabe und Ko-Kreation durch familiäre Gesundheitsförderung (M Kuchler)
Familie
Raum: Seminarraum 507 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1
Die Gesundheitsförderung in der Lebenswelt von Familien stellt mit Blick auf den großen Einfluss der familiären Gesundheitseinstellungen und Verhaltensweisen eine wichtige Aufgabe dar. Um die unterschiedlichen Bedarfe und Bedürfnisse der zunehmend diversen Familienformen zu berücksichtigen/adressieren, sollten bei der Maßnahmenentwicklung ihre Perspektiven einbezogen werden. Hierzu haben in den letzten Jahren besonders partizipative und ko-kreative Ansätze für die Entwicklung und Umsetzung von gesundheitsfördernden Maßnahmen u.a. in der Kinderbetreuung an Bedeutung gewonnen. Die Partizipation von Familien bei der Entwicklung und Umsetzung sowie die Teilnahme an den Maßnahmen selbst ist für Familien jedoch mit zahlreichen Herausforderungen verbunden, die sowohl praktische als auch strukturelle Anforderungen betreffen.
In diesem Symposium der AG Kindergesundheit wird das Thema mit Ergebnissen aus unterschiedlichen Projekten der familiären Gesundheitsförderung beleuchtet.

Zum Einstieg in die Thematik werden Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Begleitung von partizipativen Gesundheitsförderungsprozessen in Kindertagesstätten aus dem Projekt NetFami vorgestellt. Mittels teilnehmender Beobachtung im Planungs- und Umsetzungsprozess, 12 Interviews und einer abschließenden Fokusgruppe konnten zentrale Herausforderungen bei der partizipativen Planung und Umsetzung von Gesundheitsförderung mit Familien identifiziert und Gelingensfaktoren herausgestellt werden. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der zentrale Ansatzpunkt die Entwicklung einer Partizipationskultur in den Einrichtungen ist und dafür Sensibilisierung, Reflexion und Coaching sowie flexible Formate, die den verschiedenen Lebensrealitäten von Familien begegnen, benötigt werden.

Der zweite Beitrag gibt Einblick in erste Erkenntnisse des dreijährigen Projekts Gesunde Hochschul-Kita (GeHoKi) das eine umfassende Qualifizierung von drei hochschulischen Betreuungseinrichtungen im Bereich Gesundheitsförderung durch einen Jugendhilfeträger umfasst. Ziel ist die Entwicklung und Etablierung einer Gesundheitsförderungskultur, die Kinder, ihre Familien und Fachkräfte einbezieht. Partizipative und ko-kreative Ansätze spielen hierbei eine zentrale Rolle, um Gesundheitsförderung nachhaltig im pädagogischen Alltag zu verankern. In dem Beitrag wird auf Grundlage von Interviewergebnissen mit Fachkräften der Frage nachgegangen, wie Gesundheitsangebote und -strukturen trotz bestehender Herausforderungen erfolgreich integriert werden können. Dabei stehen insbesondere partizipative Ansätze zur aktiven Mitgestaltung und nachhaltigen Integration von Gesundheitsmaßnahmen im Fokus.

Im dritten Beitrag werden Ergebnisse aus einem Praxisforschungsprojekt zu familiäre Gesundheitsförderung bei Allein- und Getrennterziehenden. Hier werden gesundheitsfördernde Strukturen im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg entwickelt, zugeschnitten auf die Lebensrealitäten von Allein- und Getrennterziehenden. In Synergie aus Organisationsentwicklung mit kooperierenden Organisationen in der Praxis und wissenschaftlicher Begleitung entwickelt und beforscht das Projektteam neue Handlungsfelder familiärer Gesundheitsförderung. Schwerpunkte liegen bei den oft übersehenen Perspektiven allein- und getrennterziehender Väter, der Entwicklung von Typologien von Alleinerziehenden sowie auf konkreten Herausforderungen und Chancen im Sozialraum (Sozialraumanalyse).

Im vierten Beitrag wird Einblick gegeben zu Möglichkeiten familiärer Gesundheitsförderung im Setting Kita im Hinblick auf familiäre (Klima-)Gesundheitsförderung. Diskutiert werden Potenziale und Grenzen partizipativer Gesundheitsförderung, die Erreichbarkeit vulnerabler Familien sowie Fragen sozialer und gesundheitlicher Chancengerechtigkeit. Mit dem Auditorium sollen insbesondere die Grenzen und Potentiale partizipativ ausgerichteter Maßnahmen für die Entwicklung von frühkindlichen Bildungseinrichtungen zu zentralen Orten der Klimagesundheit diskutiert werden.

Im Anschluss folgt eine Diskussion zur Gestaltung von Partizipation und Ko-Kreation von und mit Familien. Wie können Gesundheitsförderungsprozesse so gestaltet werden, dass sie echte Mitgestaltung ermöglichen und den Bedürfnissen und Möglichkeiten von Kindern, ihren Familien und beteiligten Fachkräften gerecht werden? Inwieweit können diese Prozesse gesundheitliche und soziale Ungleichheiten verringern? Ziel ist es, eine Balance zu finden zwischen der Gestaltung von Ko-Kreation und der Vermeidung zusätzlicher Barrieren, sodass alle Familien gleichermaßen von den Angeboten profitieren können.
Frau Maja Kuchler
Hochschule Bochum, Bochum
Frau Antonia Paeschke
Hochschule Bochum, Bochum
Frau Anett Pöbel
Europa-Institut für Sozial- und Gesundheitsforschung, Berlin
Alice-Salomon Hochschule (ASH), Berlin
Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialwissenschaften (BIGSo), Berlin
#Symposium 60 #Doing Famiy #Partizipation #Gesundheitliche Chancengleichheit
2

Hintergrund

Familien sind vielfältigen Belastungsfaktoren ausgesetzt, denen mit Belastungssenkung und Ressourcenstärkung begegnet werden sollte. Familiäre Gesundheitsförderung hat sich dabei zum Ziel gesetzt dies unter der Berücksichtigung der Familie als ganzheitliches System umzusetzen. Ein zunehmend relevanter Belastungsfaktor für Familien stellt der Klimawandel dar. Seine Auswirkungen beeinträchtigen Lebens- und Gesundheitsbedingungen und gelten als zentrale Gesundheitsdeterminante der Zukunft[1]. Kinder sind als vulnerable Gruppe besonders betroffen: steigende Temperaturen, verschlechterte Luftqualität sowie vermehrte Allergien und Infektionskrankheiten verdeutlichen den engen Zusammenhang zwischen Klima und Gesundheit[2]. Vor diesem Hintergrund sind Maßnahmen zur Klimaanpassung (Adaptation) und zum Klimaschutz (Mitigation) erforderlich, die Familien in ihren alltäglichen Lebenswelten erreichen – insbesondere in kind- und familienbezogenen Institutionen wie Kitas. Familiäre Gesundheitsförderung sollte dabei vorrangig verhältnispräventiv ausgerichtet sein und auf die Gestaltung gesundheitsförderlicher Rahmenbedingungen in diesen Settings abzielen. Um Wirksamkeit, Akzeptanz und Passgenauigkeit sicherzustellen, bedarf es partizipativer Ansätze: Maßnahmen sollten nicht „top-down“ vorgegeben, sondern aus der Perspektive der Nutzer:innen heraus entwickelt und im Idealfall gemeinsam mit ihnen „bottom-up“ gestaltet werden.
Die vom BMBF geförderten Projekte „Klimagesundheit in Lebenswelten – Entwicklung von Strategien und Handlungsansätzen zur Förderung von Resilienz durch Bottom-Up-Ansätze (KliBUp)“ mit dem Teilmodul Kita (Laufzeit: 02/2025–01/2028; www.klibup.de) und „Klimagesunde Settings (KliGeS)“ (Laufzeit: 04/2023–03/2026; www.bigso.de/kliges) widmen sich der Entwicklung und Erforschung partizipativer Strategien zur Klimagesundheitsförderung[3] im Setting Kita. Im Fokus stehen dabei fördernde und hemmende Faktoren gelingender Beteiligungsprozesse.

Methode

„KliBUp“ und „KliGeS“ verstehen sich als an partizipativer Gesundheitsforschung (PGF) [4] orientierte Projekte, die Maßnahmen der Klimagesundheitsförderung u.a. im Setting Kita wissenschaftlich begleiten. Beide Projekte forschen dabei Im Hinblick auf das Setting Kita in verschiedenen Zusammenhängen:
1) Mit dem ersten Forschungsstrang im Bereich Kita erfolgt durch KliBUp die wissenschaftliche Begleitung des Praxisprojekts „Klimagesunde Settings (KliGeS)“. Mit KliGeS werden u.a. Kitas dabei unterstützt im Rahmen von Organisationsentwicklungsprozessen klimagesunde Strukturen partizipativ aufzubauen. KliBUp richtet den Fokus dabei v.a. auf Prozesse und Strukturen der Beteiligung und analysiert diese mithilfe teilnehmender Beobachtungen und Gruppendiskussionen, welche orientiert an rekonstruktiven Verfahren ausgewertet werden.
2) Der zweite Forschungsstrang des „KliBUp“-Teilmoduls Kita baut auf den Ergebnissen von „KliGeS“ auf. Mit Hilfe von strukturierten partizipativen Organisationsentwicklungsprozessen werden Maßnahmen der Klimagesundheitsförderung im Setting Kita gemeinsam mit den beteiligten Akteur:innen entwickelt und erforscht. Ziel ist es, empirisch fundierte Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie organisationale Veränderungsprozesse gestaltet werden können, um eine nachhaltige Verankerung von Klimagesundheitsförderung in frühkindlichen Bildungseinrichtungen zu ermöglichen. In sogenannten Klimazirkeln – Arbeitsgruppen aus pädagogischen Fachkräften, Kita-Leitungen, Trägervertreter:innen und Eltern – werden spezifische Maßnahmen zur Förderung von Klimagesundheit entwickelt, erprobt und evaluiert. Prozessbegleitend kommen qualitative Erhebungsformate wie Expert:inneninterviews und Fokusgruppen zum Einsatz.

Diskussion

Der Beitrag gibt einen Einblick zu Möglichkeiten familiärer Gesundheitsförderung im Setting Kita im Hinblick auf familiäre (Klima-)Gesundheitsförderung. Diskutiert werden Potenziale und Grenzen partizipativer Gesundheitsförderung, die Erreichbarkeit vulnerabler Familien sowie Fragen sozialer und gesundheitlicher Chancengerechtigkeit. Mit dem Auditorium sollen insbesondere die Grenzen und Potentiale partizipativ ausgerichteter Maßnahmen für die Entwicklung von frühkindlichen Bildungseinrichtungen zu zentralen Orten der Klimagesundheit diskutiert werden.

Referenzen

[1] Hermann, A. & Eichinger, M. (2022).
Klimawandel und Gesundheitsförderung. In Leitbegriffe der Gesundheitsförderung
und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-I156-1.0.
[2] Eichinger,
M.; Andreas, M.; Hoeppe, A.; Nisius, K.; Rink, K. (2023): Kinder- und
Jugendgesundheit in der Klimakrise. In: Monatsschrift Kinderheilkunde. Online
verfügbar unter:
https://www.springermedizin.de/content/pdfId/23945680/10.1007/s00112-022-01685-4
, [letzter Zugriff 4.6.2024].
[3] Krase E, Geene R, Arndt N, Hartung E, Ihm
M, Lehmann F. Klimagesundheitsförderung. In: Hartung S, Wihofszky P, editors.
Gesundheit und Nachhaltigkeit. Berlin, Heidelberg: Springer; 2024. Available
from: https://doi.org/10.1007/978-3-662-64954-1_46-1.
[4] Hartung, S., Wihofszky, P. &
Wright, M. T. (2020). Partizipative Forschung. Ein Forschungsansatz für
Gesundheit und seine Methoden. Springer VS.
Frau Henriette Prössel
Hochschule Magdeburg-Stendal (H2), Stendal
#Symposium 60 #Familie, Doing Famiy
3

Hintergrund

Kindertageseinrichtungen übernehmen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, Gesundheitsförderung frühzeitig und nachhaltig zu verankern. Als Lebens- und Lernorte prägen sie nicht nur das Verhalten und Erleben von Kindern, sondern bieten auch einen wichtigen Zugang zu Familien. Damit haben sie das Potenzial, gesundheitsbezogene Verhaltensweisen bereits im frühen Kindesalter zu fördern (1). Angesichts der zentralen Rolle, die Kindertageseinrichtungen in der frühen Gesundheitsförderung spielen, lohnt sich ein Blick auf institutionelle Kontexte, in denen Betreuung, Bildung und Arbeitswelt eng miteinander verknüpft sind. Hochschul-Kitas stellen einen solchen Kontext dar: Sie befinden sich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Familie und pädagogischer Praxis. Diese spezifische Verortung eröffnet nicht nur neue Handlungsspielräume, sondern bringt auch besondere Anforderungen mit sich. Das dreijährige Projekt Gesunde Hochschul-Kita (GeHoKi) nimmt daher die Kinderbetreuung an Hochschulen als Ausgangspunkt, um eine nachhaltige Gesundheitsförderungskultur zu entwickeln. Dabei werden Kinder, Eltern und Fachkräfte gleichermaßen angesprochen, um gesundheitsfördernde Strukturen partizipativ zu gestalten und langfristig im pädagogischen Alltag zu verankern.
Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht die Frage, wie Gesundheitsförderung trotz bestehender Herausforderungen erfolgreich in den Alltag hochschulischer Betreuungseinrichtungen integriert werden kann. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf partizipativen Ansätzen, die es Fachkräften und Eltern ermöglichen, aktiv an der Gestaltung gesundheitsfördernder Maßnahmen mitzuwirken.

Methode

Zwischen Oktober 2024 und März 2025 wurden 14 semistrukturierte Expert*innen-Interviews [2] mit Fachkräften und Eltern der beteiligten hochschulischen Betreuungseinrichtungen durchgeführt und inhaltsanalytisch nach Kuckartz & Rädicker ausgewertet [3]. Ziel der Erhebung ist es einerseits, Einblicke in das Erleben von Gesundheit innerhalb der Einrichtungen zu gewinnen und andererseits die bestehenden Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen. Dabei liegt der Fokus auf gesundheitsförderlichen Strukturen und Angeboten, individuellen Bedarfen und Visionen, Herausforderungen bei der Umsetzung sowie möglichen Integrationsstrategien für Gesundheitsförderung im Alltag.

Ergebnisse

Die Auswertung zeigt, dass die Planung und Umsetzung gesundheitsfördernder Maßnahmen durch verschiedene Herausforderungen beeinträchtigt wird. Genannt wurden vor allem zeitliche Engpässe, hohe Arbeitsbelastung, umfangreiche Aufgabenbereiche, strukturelle Einschränkungen sowie persönliche Haltungen und Unsicherheiten im Umgang mit dem Thema Gesundheit. Trotz dieser Hürden gelingt es den Fachkräften, Gesundheit in ihren Alltag zu integrieren – insbesondere durch die Nutzung bestehender Routinen und Strukturen. Diese bieten praxisnahe Anknüpfungspunkte, um Gesundheitsthemen, wie Ernährung, Bewegung und Entspannung, ohne zusätzlichen Aufwand in den Alltag einzubinden. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die persönlichen gesundheitsbezogenen Interessen sowie der Lebensstil der Fachkräfte und Familien, die als Ressource für die Vermittlung gesundheitsförderlicher Inhalte dienen. Darüber hinaus wurde deutlich, dass insbesondere unter den Fachkräften die Fürsorge für das eigene Wohlbefinden und das ihrer Kolleg*innen einen hohen Stellenwert einnimmt.

Diskussion

Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen nicht als Zusatzaufgabe, sondern als integralen Bestandteil des pädagogischen Alltags zu verstehen. Für die Praxis bedeutet dies, dass alltagsnahe, niedrigschwellige Ansätze notwendig sind, die an bestehende Strukturen anknüpfen und Spielräume für individuelle Gestaltung lassen. Besonders wichtig ist es, Fachkräfte und Familien aktiv zu beteiligen, ihre Gesundheit mitzudenken und ihnen Zeit, Raum und Unterstützung für gesundheitsförderndes Handeln zu geben. Partizipative Prozesse können dabei maßgeblich zur nachhaltigen Verankerung einer Gesundheitsförderungskultur beitragen.

Referenzen

[1] Hartung S, Kluwe S, Sahrai D. Gesundheitsförderung und Prävention in Settings:Elternarbeit in Kitas, Schule und Familienhilfe. In: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 2011. S. 599–617. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/978-3-531-92790-9_33 .
[2] Morton RB. Formal Modeling and Empirical Analysis in Political Science. In: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 2009. S. 27–35. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91826-6_2 .
[3] Kuckartz U, Rädicker S. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 5. Auflage. In: Beltz Juventa. 2022.
Frau Antonia Paeschke
Hochschule Bochum, Bochum
#Symposium 60 #Settingansatz #Partizipation #Familie #Fachkräfte
4

Hintergrund

Der 10. Familienbericht fordert eine nachhaltige Familienpolitik, die den Bedarfen und Bedürfnissen wachsende Gruppe der Allein- und Getrennterziehenden Familienformen Rechnung trägt.
Allein- und Getrennterziehende tragen ein hohes Armutsrisiko, leiden häufiger an psychosozialen Belastungen, die das Risiko für Depressionen und Sucht verstärken und erleben Benachteiligung am Arbeits- und Wohnungsmarkt. Dennoch fehlen in den kommunalen Strukturen und Angeboten der Gesundheitsförderung oft spezifische Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten dieser Adressant*innen; sie sind – trotz besonderem Unterstützungsbedarf - bislang nicht hinreichend durch familiäre Gesundheitsförderung adressiert.
Das Projekt FamGeF – Familiäre Gesundheitsförderung insbesondere bei Alleinerziehenden entwickelt seit 2019 gesundheitsfördernde Strukturen in Berliner Bezirken, zugeschnitten auf die Lebensrealitäten von Allein- und Getrennterziehenden. In Synergie aus Organisationsentwicklung mit kooperierenden Organisationen in der Praxis und wissenschaftlicher Begleitung entwickelt und beforscht das Projektteam neue Handlungsfelder familiärer Gesundheitsförderung für Allein- und Getrennterziehende. Im Mittelpunkt steht dabei eine stärkere Nutzer*innenorientierung innerhalb der kommunalen Angebotslandschaft, die durch enge Kooperation mit Fachkräften und Beteiligung der Zielgruppen erreicht werden soll. Familien sollen darin unterstützt werden, ihre eigenen Ressourcen zu erkennen und gezielt zu nutzen.

Methode

Im Rahmen von FamGeF werden durch wissenschaftliche Begleitforschung (u.a. mit qualitativen Betroffeneninterviews, Befragungen von Fachkräften und Expert*innen sowie Sozialraumanalyse) Fragen der gesundheitsförderlichen Strukturentwicklung analysiert, Handlungsmuster/ Typologien identifiziert sowie bislang wenig beachtete Teilgruppen (u.a. Geflüchtete, Väter) untersucht. Ein weiterer Fokus liegt auf Sozialraumanalyse und der Entwicklung kultursensibler, niedrigschwelliger Ansätze der Gesundheitsförderung, die auf differenzierte Lebenslagen von Allein- und Getrennterziehende zugeschnitten sind.

Ergebnisse

Um wirksame Maßnahmen zu entwickeln, müssen die spezifischen Bedarfe und Bedürfnisse der Zielgruppe frühzeitig und partizipativ einbezogen werden. Im Rahmen des Projekts werden daher in enger Zusammenarbeit mit Familienzentren Kooperationen aufgebaut, in denen gesundheitsförderliche Angebote entwickelt, erprobt und – wo bewährt - verstetigt werden. Gleichzeitig dienen diese Kooperationen der Gewinnung und Ausbildung ehrenamtlicher Gesundheitsmittller*innen, die als Multiplikator*innen das Wissen um familiäre Gesundheitsförderung niedrigschwellig in ihre Nachbarschaften und Communities tragen.
Häufig berichten die Befragten von einer hohen psychischen Belastung durch den sogenannten „Mental Load“, der sich aus wiederkehrenden Überforderungen im Alltag ergibt. Die Inanspruchnahme professioneller Unterstützung ist dabei oft mit Scham- oder Schuldgefühlen verbunden, nicht immer hilfreich und bleibt häufig aus. Auch die persönlichen Netzwerke sind unterschiedlich ausgeprägt – sowohl hinsichtlich ihrer Größe als auch der verfügbaren Ressourcen und Qualität. Häufig wirken sich migrationsbedingte Lebensumstände zusätzlich auf das Familienleben und den Zugang zu Angeboten aus.
Trotz dieser vielfältigen Belastungen richten viele Alleinerziehende den Fokus auf das Wohl ihrer Kinder. Die Elternschaft wird von vielen als sinnstiftend und stärkend erlebt.

Diskussion

Die bisherigen Erkenntnisse des Projekts FamGeF zeigen durch die im Projekt angewendeten partizipativen und sozialraumorientierten Ansätze, dass es möglich ist, gesundheitsförderliche Strukturen so zu gestalten, dass sie niedrigschwellig, alltagsnah und bedarfsgerecht wirken können. Die Kombination aus qualitativer Forschung und Organisationsentwicklung erweist sich als zentral, um die Heterogenität der Zielgruppe abzubilden und daraus differenzierte Interventionsstrategien abzuleiten. Das Projekt macht deutlich, dass familiäre Gesundheitsförderung weit über individuelle Verhaltensprävention hinausgehen muss. Es bedarf struktureller Veränderungen und politischer Rahmensetzungen, die Allein- und Getrennterziehende gezielt unterstützen.

Frau Anett Pöbel
Europa-Institut für Sozial- und Gesundheitsforschung, Berlin
Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH), Berlin
Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialwissenschaften (BIGSo), Berlin
#Symposium 60
5
Kein Abstracht verfügbar
Frau Henriette Prössel
Hochschule Magdeburg-Stendal (H2), Stendal
#Symposium 60 #Doing Family #Partizipation #Gesundheitliche Chancengleichheit
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
WS11
Sichere Räume gestalten: Beteiligung und Mitbestimmung in der institutionellen Prävention von Gewalt und Missbrauch
Gewalt
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Beitrag:
1
Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und/oder diese betreuen, wie Kliniken, Pflege- und Bildungseinrichtungen, haben die Verpflichtung, die Ihnen anvertrauten Kinder zu unterstützen, aber auch zu schützen. Dennoch hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Gewalt gegen Kinder und Jugendliche neben der Familie auch in Institutionen stattfindet [1]. Gewalt zeigt sich dabei u.a. als körperliche Bestrafungen, Züchtigungen, Mobbing, psychische Misshandlungen, Grenzüberschreitungen und sexuellem Missbrauch. Jede dieser Gewalterfahrungen erhöht die Wahrscheinlichkeit, lebenslang an sozialen, physischen und psychischen Folgen zu leiden signifikant [2]. Institutionen sind dabei häufig nicht richtig aufgestellt, um Gewalt in der Institution vorzubeugen und Betroffene von Gewalt adäquat zu unterstützen, was zu Retraumatisierungen führen kann.
Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von Tabuisierung durch die Leitungsebene und fehlenden Kenntnissen zu Anzeichen und Umgang bei Mitarbeitenden bis zu unklaren Strukturen und etablierten Wertvorstellungen, die Gewalt begünstigen. Insgesamt lässt sich erkennen, dass ein erhöhtes Bewusstsein bei Mitarbeitenden der Institutionen benötigt wird, um Gewaltvorkommnisse wahrzunehmen, adäquat mit (Verdachts-)Fällen umzugehen und Betroffene zu unterstützen [3].
Angesichts dieser Herausforderungen rückt der Schutz vor Gewalt in Institutionen zunehmend in den Fokus der Präventionsarbeit. Die Entwicklung von institutionellen Schutzkonzepten, als Set von ineinandergreifenden Maßnahmen der Analyse, Prävention, Intervention und Aufarbeitung können dabei Einrichtungen als sichere Räume gestalten, indem sie diese sowohl zu einem Schutzort für Betroffene als auch zu keinem Tatort für Gewalt machen. Davon profitieren nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Mitarbeitende und andere Erwachsene durch ein erhöhtes Bewusstsein für das Thema und schützende Strukturen.
Essenziell für die erfolgreiche Umsetzung von institutionellen Schutzkonzepten ist allerdings der aktive Einbezug aller Akteur:innen einer Einrichtung, seien es Kinder, Erwachsene, Mitarbeitende oder die Leitungsebene in die Gestaltung und Umsetzung der Maßnahmen, um deren Bedürfnisse, Erfahrungen und Perspektiven einzubringen und so zu praxisnahen, alltagsrelevanten Lösungen beizutragen.
Ziel dieses Workshops ist es, alle Interessierten mit dem Thema Schutzkonzeptentwicklung in der eigenen Einrichtung vertraut zu machen und ihnen erste Handlungsschritte näherzubringen. Die Teilnehmenden sollen für die Bedeutung von institutionellen Schutzkonzepten sensibilisiert werden und durch Perspektivwechsel ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse und Herausforderungen aller beteiligten Akteur:innen erlangen. Zudem sollen praxisnahe Lösungsansätze zur Entwicklung von Schutzkonzepten erarbeitet und die Teilnehmenden zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema motiviert werden.
Dazu wird zu Beginn des Workshops das Thema Gewaltprävention, institutionelle Schutzkonzepte und die Bedeutung der unterschiedlichen Akteure in Institutionen und bei der Erstellung eines Schutzkonzeptes erläutert (ca. 30 Min.). In Gruppenarbeit werden die Teilnehmenden dann die verschiedenen Perspektiven der Akteur:innen einnehmen und deren Gefühle, Sorgen, Hoffnungen, Bedürfnisse und Wünsche im Hinblick auf die Entwicklung eines Schutzkonzeptes erörtern und festhalten. Anschließend werden die gesammelten Punkte betrachtet und mögliche Handlungsoptionen abgeleitet (ca. 30 Minuten).
In der abschließenden Diskussion soll überlegt werden, welche Möglichkeiten es bei der Entwicklung von institutionellen Schutzkonzepten gibt, die verschiedenen Perspektiven von allen Akteuren aktiv und nachhaltig einzubeziehen und welche Grenzen und Herausforderungen hier beachtet werden müssen (ca. 30 Minuten). Der Workshop endet mit einer kurzen Zusammenfassung sowie dem Verweis auf weitergehende Informations- und Schulungsmöglichkeiten zur Gewaltprävention in Institutionen.

Referenzen

[1] Maier A, Fegert JM, Marzian
L-M, König E, Hoffmann U. „Wir würden nur schlafende Hunde wecken!“. Kindheit und Entwicklung 2024;
33(1):46–56.
[2] Norman RE,
Byambaa M, De R, Butchart A, Scott J, Vos T. The long-term health consequences
of child physical abuse, emotional abuse, and neglect: a systematic review and
meta-analysis. PLoS Med 2012; 9(11):e1001349.
[3] Maier A, Fegert
JM, Hoffmann U. "An uncomfortable topic": Health professionals'
perspectives on child protection capacities, training offers and the potential
need for action in Germany. BMC
Health Serv Res 2022; 22(1):571.
Frau Dr. Anna Eberhardt
Uniklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Ulm
#Workshop 60 #Partizipation #Gewaltschutz #Institutionelle Schutzkonzepte #Kindesmisshandlung #Interdisziplinarität
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
SYM16
Sexuelle und reproduktive Gesundheit –Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigungen (J Gorkow)
Behinderung
Raum: Seminarraum 536 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1
Im Jahr 2006 wurde das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (UN-Behindertenrechtskonvention, UN-BRK) vereinbart und trat in Deutschland 2009 in Kraft.

Die UN-BRK stellt klar, dass die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ein Menschenrecht ist. Sie konkretisiert die allgemeinen Grundrechte für die jeweilige Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen und bezieht sich dabei auf alle Lebensbereiche wie Mobilität, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Rehabilitation, politische Teilhabe, Gleichberechtigung und Schutz vor Diskriminierung. Das zentrale Prinzip ist dabei grundsätzlich Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe. Nach Artikel 23 soll ihre gesellschaftliche Teilhabe auch in den Bereichen Partnerschaft, Sexualität und Elternschaft ermöglicht werden und die sexuelle Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung wurden als Grundrechte anerkannt. Das Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit einhergehende selbstbestimmte reproduktive Entscheidungen über Sexualität, Verhütung und Familienplanung ist jedoch ein Lebensbereich mit noch vielen offenen Bedarfen.

Vor diesem Hintergrund werden im Symposium zielgruppenspezifische Forschung und daraus resultierende partizipative Projekte und Maßnahmen vorgestellt, die sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen ausbauen und fördern. Entsprechend des UN-BRK-Grundsatzes „Nichts über uns ohne uns“ wird dabei auch auf die konkrete Teilhabe an Forschungsprojekten eingegangen. Ferner werden im Symposium interdisziplinäre Synergien angesprochen – hier bietet sich ein breites Feld an Austauschmöglichkeiten.
Frau Sara Scharmanski
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
#Symposium 60 #Sexualaufklärung #Beeinträchtigung #Teilhabe
2
Es werden Ergebnisse aus der Jugendsexualitätsstudie (JuSex) im Kontext Taubheit/Hörbehinderung vorgestellt. Als Adaption zur BIÖG-JuSex-Studie wurden zum ersten Mal detaillierte Daten zur sexuellen Aufklärung und ersten sexuellen Erfahrungen dieser hoch vulnerablen Zielgruppe erhoben.
Frau Katharina Urbann
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Berlin
#Präsentation
3
Als besonderes Teilhabe-Projekt wird das seit 2015 im Auftrag des BIÖGs laufende Projekt „ReWiKs“ vorgestellt. Das Projekt „Reflexion Wissen, Können“ (ReWiKs) befasst sich mit der Erweiterung der sexuellen Selbstbestimmung von erwachsenen Menschen mit Behinderung in Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe. Der Forschungszugang wurde partizipativ, über qualifiziertes Personal und die Bewohnerinnen und Bewohner selbst, gestaltet. An eine qualitätsgesicherte gemeinsame Medienentwicklung schloss sich eine partizipative Praxiserprobung und -evaluation der Materialien an. Zur Implementation, Distribution und vor allem der Anwendung der Ergebnisse finden weiterhin Fortbildungs- und Austauschformate statt – Formate, die sich für viele weitere Lebenswelten adaptieren lassen.
Frau Jana Gorkow
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
#Präsentation
4
herzfroh 2.0 ist ein Kooperationsprojekt des BIÖG und der Hochschule Luzern. Es richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene mit Lernschwierigkeiten. Gemeinsam wurden Materialien zu Liebe, Körper und Sexualität partizipativ unter Einbeziehung der Zielgruppe und eines Fachbeirats entwickelt. Die Materialien umfassen sechs Themenhefte, die Website https://herzfroh.loveline.de sowie ein digitales narratives Spiel. Zusätzlich unterstützt eine Pädagogische Handreichung Fachpersonen in Bildung und Betreuung beim Einsatz dieser Materialien. Junge Menschen mit Lernschwierigkeiten erhalten so Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Sexualaufklärung, unabhängig von Dritten oder mit selbst gewählter Assistenz.
Frau Dr. Laura Retznik
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
#Präsentation
5
Als eine Ursache für die hohe Betroffenheit sexualisierter Gewalt von (jungen) Menschen mit Behinderung wird das Wissens- und Informationsdefizit bei der sexuellen Bildung im schulischen und familiären Umfeld sowie die fehlende zielgruppenspezifische Aufbereitung von Bildungsmedien benannt. Im Transferprojekt „Bildungsmedien zur sexuellen Bildung und zur Prävention sexualisierter Gewalt für junge Menschen mit Behinderung“ der Ludwig-Maximilian-Universität München im Auftrag des BIÖGs wurden deshalb existierende Bildungsmedien zu Themen der sexuellen Bildung und Prävention sexualisierter Gewalt recherchiert sowie kriteriengeleitet und text- und bildbasiert zusammengefasst, um so deren Etablierung in der Praxis zu erhöhen. Daraus entstanden ist eine Arbeits- und Praxishilfe in Form einer digitalen Broschüre.
Frau Luise Dinger
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
#Präsentation
6
Die Website Zanzu.de, als Informationsmedium zu sexueller und reproduktiver Gesundheit wird vorgestellt. Konzipiert ist die Seite als Arbeitshilfe für Fachkräfte in Beratungssituationen mit Personen mit geringen Deutschkenntnissen, aber aufgrund des niedrigschwelligen Zugangs, der Text-Bild-Begleitung und der Möglichkeit einer Vorlesefunktion, ist die Praxishilfe vielseitig für weitere Zielgruppen anwendbar.
Frau Jana Gorkow
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
#Präsentation
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
WS12
Katastrophenresilienz in der Pflege – Umsetzung eines Weiterbildungskonzeptes zum regionalen Disaster Nursing im Rahmen des BMBF-Projektes LifeGRID
Disaster
Raum: Seminarraum 520 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beitrag:
1
Als Folge des anthropogenen Klimawandels nehmen Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse zu. Dies hat weltweit Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Für pflegebedürftige Menschen können diese, z.B. bei Hochwasserkatastrophen, lebensbedrohlich werden. Als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen kommt dem Pflegepersonal eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Katastrophen zu. Die Erfahrungen der Coronapandemie haben dies eindrucksvoll bewiesen. Auch im Rahmen der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 sah sich das Pflegepersonal teils extremen Bedingungen ausgesetzt und musste unvorbereitet sowie selbstorganisiert Lösungen finden, um Bewohner:innen aus überfluteten Pflegeeinrichtungen zu evakuieren. Pflegefachpersonen in Deutschland sind derzeit nicht ausreichend für das Risikomanagement in Katastrophenlagen vorbereitet [1]. Hier wurde auch durch die Bundespolitik ein dringender Handlungsbedarf erkannt: sie fordert den Ausbau von Katastrophenmanagement-Kompetenzen in der Pflegeausbildung [2]. Gemäß den Maßstäben und Grundsätzen für die Qualität, die Qualitätssicherung und -darstellung sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements nach § 113 SGB XI sind die Pflegeeinrichtungen seit 2022 aufgefordert, im Rahmen des einrichtungsinternen Qualitätsmanagements Krisenkonzepte zu entwickeln, um auf Krisensituationen reagieren zu können [3]. Ein zentraler Aspekt bei der Entwicklung von Krisenbewältigungsstrategien ist die Qualifizierung des Pflegepersonals. Doch im deutschsprachigen Raum existieren nur in Ansätzen spezifische Informations- und Weiterbildungsangebote zu inländischem Katastrophenmanagement in der pflegerischen (Langzeit-)Versorgung. Die Entwicklung und wissenschaftliche Evaluation für Angebote im Bereich Disaster Nursing stellen daher eine bislang vernachlässigte, aber dringend erforderliche Aufgabe dar [4].
Das Verbundprojekt „LifeGRID“ (www.lifegrid.de) setzt im Landkreis Wesermarsch eine Modellstrategie zur Rettung pflegebedürftiger Personen im Katastrophenfall bei Überschwemmung und länger andauerndem Stromausfall um. Projektpartner sind unter anderem die LVG & AFS (e.V.), die Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth und das DRK Wesermarsch (Förderer: BMBF, Förderlinie SifoLIFE). Neben Maßnahmen wie der Integration einer Fachberatung Pflege in den Katastrophenschutzstab und der Einrichtung eines Fachbeirats Pflege werden im Projekt Weiterbildungsmaßnahmen für Pflegefachpersonen im beruflichen und hochschulischen Kontext entwickelt, welche auf dem Kompetenzmodell „Disaster Nursing“ [5] basieren. Aktuell werden Erhebungen zu den Weiterbildungsbedarfen von Pflegefachkräften und Leitungspersonal in der Langzeitpflege durch Expert:inneninterviews durchgeführt. Im Rahmen eines Workshops sollen gemeinsam mit den Teilnehmenden Möglichkeiten erarbeitet werden, wie die ermittelten Bedarfe sinnvoll in Weiterbildungsmaßnahmen integriert werden können. Nach einer inhaltlichen Einführung in das Projekt LifeGRID werden ausgewählte Ergebnisse der Erhebungen präsentiert. Anschließend folgt ein Format, dass an die Methodik des World Cafés anlehnt. Dabei sollen Fragestellungen zur Umsetzung der ermittelten Bedarfe erörtert werden. Die Ergebnisse fließen in die praktische Umsetzung der Weiterbildungsmaßnahmen ein.

Referenzen

[1] Ewers M, Lehmann Y. Krisen, Notfälle und Katastrophen in der häuslichen und gemeindebasierten Pflege. Literatursynthese & Bibliografie. Working Paper N. 21-02 der Unit Gesundheitswissenschaften und ihre Didaktik. Berlin: Charité – Universitätsmedizin Berlin; 2021.
[2] Bundesministerium des Innern und für Heimat, Herausgeber. Deutsche Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen: Umsetzung des Sendai Rahmenwerks für Katastrophenvorsorge (2015–2030) – Der Beitrag Deutschlands 2022–2030 Berlin; 2022.
[3] Medizinischer Dienst Bund. Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität, die Qualitätssicherung und -darstellung sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements nach § 113 SGB XI. Essen; 2024: 15-16 [abgerufen am 25.03.2025] verfügbar unter: https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/SPV/Expertenstandards_113/Pflege_Qualitaet_MuG_vollstationaer_230530.pdf.
[4] Ewers M, Köhler M, Herausgeber. Organisatorische Maßnahmen zur Vorbereitung ambulanter Pflegedienste auf Notfälle, Krisen und Katastrophen. Working Paper No. 23-02 der Unit Gesundheitswissenschaften und ihre Didaktik. Berlin: Charité – Universitätsmedizin Berlin; 2023.
[5] International Council of Nurses. Kernkompetenzen in der Katastrophenpflege – Version 2.0. Deutschsprachige Ausgabe der englischen Originalversion von 2019, Charité, DBFK. ÖGKV, SBK-ASI, Herausgeber. Berlin: Charité – Universitätsmedizin Berlin; 2024.
Frau Laura-Helen Klein
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V., Hannover
Frau Doris Palm
Jade Hochschule Wilhelmshaven / Oldenburg / Elsfleth , Campus Oldenburg, Oldenburg
#Workshop 60 #Resilienz #Pflege #Weiterbildung #Katastrophen #Disaster Nursing
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
SYM18
Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS): Forschungsergebnisse zu Arbeitsbedingungen und arbeitsbedingten kardiometabolischen Risiken im 5- und 10-Jahres-Follow-up (S Jankowiak)
Arbeit/Einzelstudie
Raum: Seminarraum 521 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 34)
Beitrag:
1
Die Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS)* ist eine laufende populationsbasierte, monozentrische Kohortenstudie in der Region Mainz-Bingen mit dem primären Ziel, die Risikovorhersage für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) zu verbessern. Neben HKE werden z. B. auch metabolische und psychische Erkrankungen und subklinische Parameter untersucht. In der Baseline Untersuchung von 2007-2012 wurden 15.000 Teilnehmende zwischen 35-74 Jahren eingeschlossen, darunter 8.065 Berufstätige <65 Jahre.
Die Erhebung der gesamten Berufsbiografie inklusive der Arbeitszeit und psychosozialen Arbeitsbelastung ist ein Alleinstellungsmerkmal der GHS. Mittlerweile liegt ein Beobachtungszeitraum von mehr als 10 Jahren vor.
Neben einer kurzen Einführung in die GHS sollen ausgewählte Forschungsarbeiten zu Arbeitsbedingungen und arbeitsbedingten Erkrankungsrisiken der GHS vorgestellt und diskutiert werden.

Überlange Arbeitszeiten und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – 10-Jahres Follow-up der GHS
Karin Rossnagel
Die Ergebnisse, die den Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen analysieren, sind heterogen. Die 5-Jahres-Längsschnittanalyse der GHS konnte keinen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten und einer erhöhten Inzidenz feststellen. Allerdings zeigte sich eine Tendenz, dass Beschäftigte mit wöchentlichen Arbeitszeiten von ≥55 Stunden eine erhöhte arterielle Steifigkeit aufweisen. Im Rahmen dieser Studie wird im 10-Jahres-Längsschnitt untersucht, ob eine wöchentliche Arbeitszeit von 41-54 bzw. ≥55 Stunden mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert ist.

Auswirkungen von Mobbing am Arbeitsplatz auf die kardiovaskuläre Gesundheit: Ergebnisse des 5- und 10-Jahres Follow-ups der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS)
Alice Freiberg
Der Einfluss von Mobbing auf das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurde bisher nur in wenigen epidemiologischen Längsschnittstudien untersucht. Der prospektive Zusammenhang zwischen Mobbing zu Studienbeginn und inzidenten kardiovaskulären Ereignissen sowie der Veränderung subklinischer Parameter nach 5 und 10 Jahren wird untersucht. Die 5-Jahres-Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen Mobbing und nachfolgenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen; der längerfristige Einfluss wird anhand des 10-Jahres Follow-ups analysiert.

Der Einfluss kumulativer Nachtschichtarbeit auf das Risiko eines metabolischen Syndroms – 10-Jahres Follow-up der Gutenberg Gesundheitsstudie
Juliane Bauer
Der Zusammenhang von Nachtschichtarbeit und einem metabolischen Syndrom (Kombination aus Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Dyslipidämie und gestörter Glukosetoleranz) wurde bereits in zahlreichen Studien festgestellt. Die Ergebnisse basieren überwiegend auf Querschnittstudien, wenig ist über eine Dosis-Wirkungs-Beziehung bekannt.
Ziel dieser Studie ist es, den Zusammenhang zwischen kumulierten Nachtschichten und dem Auftreten des Metabolischen Syndroms anhand der 10-Jahres Längsschnittdaten der GHS zu untersuchen. Dabei wird der Einfluss potenzieller Mediatoren bewertet.

Validierung und psychometrische Prüfung des COPSOQ Version 3 in einer repräsentativen Bevölkerungsstudie (GHS)
Matthias Nübling
Die Daten der GHS im 10-Jahres Follow-up sind die Grundlage für die Validierung und psychometrische Prüfung des Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) Version 3 in einer repräsentativen Bevölkerungsstudie. Analysiert werden die Verteilungsparameter aller 84 Items und 31 Skalen, die Anteile der Antwortverweigerungen (Missingquoten), die Boden- und Deckeneffekte, die Reliabilität der Skalen sowie die Kriteriumsvalidität des COPSOQ-Modells.

Beitrag aus der GHS zum gesundheitsbedingten 'Return to work' und frühzeitigen Austritt aus der Erwerbstätigkeit
Merle Riechmann-Wolf
Im Rahmen des 10-Jahres Follow-ups der GHS wurde die 'Return to work'-Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Es werden Ergebnisse zur Nutzung und dem Nutzen von Unterstützungsverfahren im betrieblichen Setting vorgestellt (hier: Betriebliches Eingliederungsmanagement bzw. Stufenweise Wiedereingliederung). Zudem wird auf die mögliche Bedeutung schwerwiegender Herz-Kreislauf-Ereignisse für einen frühzeitigen Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit und dessen gesundheitliche Folgen eingegangen.

Referenzen

* GHS
Consortium: Stavros Konstantinides, Karl J. Lackner, Klaus Lieb, Philipp
Lurz, Norbert Pfeiffer, Konstantin Strauch, Jonas Tesarz, Julia Weinmann-Menke,
Philipp S. Wild
Frau Claudia Brendler
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin
Frau Sylvia Jankowiak
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin
Herr Dr. Matthias Nübling
Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften GmbH (FFAW), Freiburg
Frau Dr. Alice Freiberg MPH
TU Dresden, Dresden
Frau Juliane Bauer
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin
Frau Dr. Karin Rossnagel
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin
Frau Merle Riechmann-Wolf
Institute of Occupational, Social, and Environmental Medicine, University Medical Center of the Johannes Gutenberg University, Mainz
#Symposium 60 #Kohortenstudie #Herz-Kreislauf-Erkrankungen #Metabolische Syndrom #COPSOQ #Arbeitsfähigkeit
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
VS3-EN
Epidemiology and Prevention (in English)
This is an english session
Raum: Seminarraum 523 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beiträge:
1
The World Health Organization (WHO) Global Report on Health Equity for Persons with Disabilities [1] demonstrates that persons with disabilities experience health inequities due to health system barriers amongst other factors. A strategic entry point to disability inclusion in health systems is the capacity building of health professionals (HPs) through training to adopt a human rights-based approach when addressing the needs of people with disabilities [1, 2]. However, HPs frequently demonstrate a lack of awareness regarding the identification and contextualization of the needs of disabled individuals, which can result in a stigmatizing attitude that contributes to, rather than alleviates, health inequities [1-5]. The objective of this study is to address this gap in knowledge by developing Global Competency Standards to support a competency-based outcomes approach to education and training of health professionals on disability inclusion.

An international multi-stage study, incorporating a preparatory phase and a consensus process, is conducted. The preparatory phase of developing the Global Competency Standards contains three parts: first, a scoping review of academic and grey literature on competencies on disability-inclusion of health workers is performed. Secondly, key informant interviews with experts, who have published substantially on the topic are conducted. Thirdly, a technical expert working group has been established, which discusses and collects relevant themes on the topic. Subsequent to these preparatory studies, a first draft of the Competency Standards is formulated and presented to individuals living with disabilities for the purpose of eliciting their feedback. The results of their feedback are used for refining the standards. The revised draft of the Global Competency Standards on Disability Inclusion is then subject to an international consensus process, which includes a consensus survey and workshop with the technical expert working group.
The technical working group comprises individuals from all WHO world regions representing organizations for persons with disabilities, larger civil society, academia and health professionals working in the field of disability.

This study is ongoing; the preparatory studies have been completed, feedback from people with disabilities is being sought. The consensus process is expected to be initiated and completed in summer 2025. The presentation will emphasize a human-rights based training approach to strengthen disability inclusion in health care.

The availability of Global Competency Standards for health professionals on disability inclusion available will facilitate the implementation of actions and recommendations informed by the WHO Global Report on Health Equity for Persons with Disabilities.

Referenzen

[1] Global report on health equity for persons with disabilities. Geneva: World Health Organization; 2022. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO.
[2] Kuper  H, Azizatunnisa’  L, Gatta  DR, Rotenberg  S, Banks  LM, Smythe  T, et al. Building disability-inclusive health systems. The Lancet Public Health. 2024;9(5):e316-e25.
[3] Whiteley  AD, Kurtz  DL, Cash  PA. Stigma and Developmental Disabilities in Nursing Practice and Education. Issues Ment Health Nurs. 2016;37(1):26-33.
[4] Almhdawi KA. Influencing Medical Students' Knowledge and Attitudes Related to Disability: A Randomized Controlled Trial. Am J Phys Med Rehabil. 2022;101(2):113-8.
[5] Bowen  CN, Havercamp  SM, Karpiak Bowen  S, Nye  G. A call to action: Preparing a disability-competent health care workforce. Disabil Health J. 2020;13(4):100941.
Frau Antonia Scheffel
Inclusive health care, Faculty of Medicine, University of Augsburg, Augsburg
#Präsentation #disability-inclusion #health professionals #professional education #capacity building #competency framework
2
Introduction:
Recommendations on Early Childhood Allergy Prevention (ECAP) are found in Clinical Practice Guidelines (CPG) and Food-Based Dietary Guidelines (FBDG). This synthesis of guidelines aims to analyze and compare the content of recommendations on the supplementation with pre- or probiotics and the use of breastmilk substitutes to prevent allergic disease in CPGs and FBDGs.
Methods:
We searched MEDLINE, the FAO directory of FBDGs and other guideline databases, including the Association of the Scientific Medical Societies in Germany (AWMF), the WHO and the Guideline International Networks database on clinical guidelines (GIN) for CPGs and FBDGs on ECAP and child nutrition. Guidelines had to be published from 2010 onwards, target infants or pregnant/breastfeeding women and contain recommendations on primary preventative interventions to decrease the onset of IgE mediated allergies, including atopic eczema, food allergy or asthma.
We retrieved a sample of 36 guidelines (23 CPGs, 13 FBDGs) and extracted their recommendations on ECAP. On a subset of recommendations, namely the use of breastmilk substitutes and the supplementation with pre- or probiotics, we performed an in-depth analysis on direction and strength of the recommendation (SoR) and level of evidence (LoE). Descriptive analysis was conducted with SPSS 27.
Results:
The 36 guidelines contain 287 recommendations on ECAP, with 42 statements in 18 guidelines addressing the use of breastmilk substitutes for ECAP and 30 statements in 11 guidelines addressing the supplementation with pre- and probiotics for ECAP.
We identified only slight differences between those recommendations in CPGs and FBDGs. Regarding the use of formula, most guidelines agree on using hypoallergenic formula for children at high risk of allergy for at least the first four months of life, if breastfeeding is not possible. Most guidelines do not make recommendations on the supplementation with pre- and probiotics, as evidence on the topic is scarce, but two of the included guidelines do recommend the supplementation of pre- or probiotics for the prevention of atopic eczema for children at high risk of allergy.
The level of evidence and strength of recommendation were detailed for less than half of the recommendation statements regarding the use of formula (43%). In the case of pre- and probiotic supplementation, a scarcity of evidence was frequently noted, accompanied by even fewer specifications of LoE and SoR (30%).
Conclusion:
This synthesis highlights a general consensus among the guidelines recommending the use of hypoallergenic formula for infants at high risk of allergies as an ECAP measure when breastfeeding is not feasible. However, the lack of definitive recommendations and the limited evidence available especially regarding the supplementation of pre- and probiotics underscore the significant gaps in the current research. The few variations in the recommendations, together with the lack of high-quality evidence, highlight the need for further studies to explore efficacy and safety of these ECAP interventions. Strengthening the evidence base of these recommendations through well-designed research could enhance the consistency and reliability of future guidelines, and together with higher methodlogical rigour of the guideline development, could reduce uncertainty and ultimately improve outcomes in ECAP.
Frau Katharina Sieferle
Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg im Breisgau
#Präsentation #Handlungsempfehlungen #Leitlinien #Allergieprävention
3
Introduction
Numerous studies have identified negative health outcomes associated with daytime sleeping, including increased risks of all-cause mortality, cardiovascular and metabolic disease [1, 2]. However, these associations have only been observed for extended napping durations. A meta-analysis found negative health associations for naps of 30 minutes or more [1], while another reported higher risks for naps exceeding 60 minutes [2]. Kowall, Lehnich [3] found no association with diabetes, whereas Stang, Dragano [4] identified a link between long daily naps (> 60 min) and cardiac events. Cohort studies suggest that 50% of the population nap at least once a week [3, 4], but generally, research on napping in Germany is scarce, and no representative data are available. This study aims to provide a more comprehensive understanding of napping behavior in Germany.

Method
This study uses data from "Gesundheit in Deutschland aktuell" (GEDA23), collected between May 2023 and January 2024. The final sample includes 7,921 respondents with valid nap data. A dichotomous variable was created to indicate whether individuals nap at least once a week, allowing for group comparisons. Prevalence is stratified by gender, age, and education. A weighting factor is applied, and prevalence along with 95% confidence intervals (%, 95%-KI) are calculated. In a second step, nap frequency and duration are assessed across subgroups.

Results
Overall, 45.3% (43.5-47.0) of the population naps, i.e. sleep during daytime at least once a week. Preliminary results indicate no statistically significant difference between men and women. However, nap prevalence varies by age: individuals aged 30-44 nap the least (38.6%, 34.7-42.7), while rates are slightly higher among those aged 18-29 (42.7%, 37.5-48.1) and 45-64 (41.0%, 38.2-43.8). Among individuals aged 65+, more than half (57.7%, 55.0-60.4) nap at least once a week. Napping prevalence also differs by education level, with higher education linked to lower napping rates (41.3%, 39.0-43.7) in the highest group compared to 47.7% (43.7-51.7) in the lowest).
Initial findings regarding the frequency and duration of napping within the population indicate that 40.3% (37.7-42.8) of individuals who nap do so once to twice a week, 23.0% (20.9-25.2) report napping three to four times per week, 9.5% (8.1-10.9) nap five to six times per week, and 27.1% (24.9-29.4) report daily napping. The duration of naps also varies within the napping population. The most frequent nap duration is between 30 and 60 minutes (39.8%, 37.3-42.4), 34.7% (32.4-37.1) sleep less than 30 minutes and 25.4% (23.0-27.8) longer than 60 minutes.

Discussion
In Germany, nearly half of the population naps at least once a week, 27.1% even nap daily. These descriptive analyses provide a first step in exploring napping habits in Germany, contributing to understanding this previously underexplored research area. Additional exploratory analyses are planned to further investigate the determinants and health implications of napping, potentially by extending existing subgroup analyses and stratifying nap durations.

Referenzen

[1] Yang YB, Zheng YB, Sun J, Yang LL, Li J, Gong YM, et al. To nap or not? Evidence from a meta-analysis of cohort studies of habitual daytime napping and health outcomes. Sleep Med Rev. 2024;78:101989.
[2] Yamada T, Hara K, Shojima N, Yamauchi T, Kadowaki T. Daytime Napping and the Risk of Cardiovascular Disease and All-Cause Mortality: A Prospective Study and Dose-Response Meta-Analysis. Sleep. 2015;38(12):1945-53.
[3] Kowall B, Lehnich AT, Strucksberg KH, Fuhrer D,Erbel R, Jankovic N, et al. Associations among sleep disturbances, nocturnal sleep duration, daytime napping, and incident prediabetes and type 2 diabetes: the Heinz Nixdorf Recall Study. Sleep Med. 2016;21:35-41.
[4] Stang A, Dragano N, Moebus S, Möhlenkamp S, Schmermund A, Kälsch H, et al. Midday naps and the risk of coronary artery disease: results of the Heinz Nixdorf Recall Study. Sleep. 2012;35(12):1705-12.
Frau Janina Reinmuth
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Präsentation #Napping #Self-report #Health Monitoring #GEDA 2023
4
Background: The German National Cohort (NAKO) is the largest population-based cohort study in Germany and collects in-depth information on risk factors, functions and diseases, among them cardiovascular diseases, using extended biomedical examinations and questionnaires. Among its aims is the enhancement of early detection and prevention of major chronic diseases. In this context, electrocardiogram (ECG) recordings are particularly valuable, as they provide objective insights into a wide range of cardiac conditions and functional impairments. They also support the early detection of cardiovascular disease - often before the onset of overt symptoms or cardiac events. Standardized recording of ECGs and quality assurance to reduce observer bias is especially important in a multicenter-multiobserver study with repeat assessments such as NAKO. While at baseline, ECG recording was offered to a subgroup of about 51,000 level 2 participants only who received the in-depth examinations, at the second examination it was extended to all participants.

Methods: In NAKO, electrode application for the ECG recording is standardized using the DAL square electrode locator. The MEANS algorithm is used for computer-based ECG processing to detect and correct observer errors like electrode reversal, to report quality indicators (noise and mains interference), and to generate standard diagnostic interpretations and Minnesota coding of ECG findings. We here provide results for the baseline and the first follow-up ECG recording.

Results: In total, 51,588 baseline ECGs and 134,584 ECGs of the first follow-up examination were processed. ECG quality was high (defined as noise <=25 µV, no electrode reversal, processable ECG) in 98.8% of baseline and 96.4% of follow-up ECGs. While the majority of electrode reversals could be corrected (355 of 406 at baseline, 884 of 958 at follow-up), we observed an increase in noise > 25 µV between baseline and follow-up from 1.0 to 2.7%, indicating a need for increased quality assurance in the study centres during ECG recording.
Diagnostic interpretation at baseline and follow-up revealed an increase in most findings, e.g., for signs of prior myocardial infarctions from 2.7% (N=1,401) to 3.46% (N=4,655 ECGs), for left ventricular hypertrophy from 0.47 to 0.61% (N=242 and 816), for left bundle branch block from 0.37 to 0.61% (N=193 and 824), and for atrial fibrillation from 0.40 to 0.75 % (N=208 and 1,010).

Conclusion: ECG recording and computerized analysis provide important and reliable information on cardiac health conditions of the NAKO participants over time and help monitor and improve quality of collected data.
Further analyses will provide more detailed information on incident findings and changes in important ECG parameters.

Frau Dr. Karin Halina Greiser
Division of Cancer Epidemiology, German Cancer Research Center (DKFZ), Heidelberg
#Präsentation #cardiac health conditions, electrocardiogram, population-based cohort, data quality, cardiovascular epidemiology
5
Background:
Social inequality in Colombia is reflected in various social issues that worsen over time due to local and global socioeconomic challenges, including COVID-19. In 2022, the country's Gini coefficient (0-1 scale, higher values indicating greater inequality) was 0.72, one of the highest in Latin America. In 2021, 33.6% of the metropolitan population lived in poverty, facing social vulnerability (1). In recent years, over two million Venezuelans have migrated to Colombia, experiencing various forms of discrimination (2). Moreover, in 2020, 26,462 cases of intimate partner violence were reported, 86.62% against women (3). Adolescence is a stage characterised by significant social and emotional challenges. In this context, adolescents' lives are profoundly affected, reinforcing a cycle that impedes their overall development. (4). This study explores adolescents' experiences of social inequality and their emotional challenges.
Method:
Using a qualitative approach, data were collected through 79 hours of direct observation in schools and 16 hours in neighbourhoods. Additionally, 42 semi-structured interviews were conducted with adolescents, along with six semi-structured interviews with school counsellors from public schools in marginalised areas of Bogotá. Data collection took place between October 2022 and May 2023. A reflexive thematic analysis was performed to develop, analyse, and interpret patterns across the qualitative dataset (5).
Results:
The interviewed adolescents were between 12 and 18 years old, with the majority being female, heterosexual, and Colombian. The counsellors included five women, most of whom were psychologists. The findings from the thematic analysis illustrate how social inequality is intrinsically linked to various forms of oppression that intersect in adolescents' lived experiences, reinforcing their social marginalisation. Three overarching themes describe this. a) Experiencing inequality, wherein participants describe power dynamics related to socioeconomic status, including poverty and difficulties in accessing education, food, housing, and healthcare. In addition, this theme highlights experiences of different forms of oppression against women, diverse sexual and ethnic identities or with migrant status, as well as based on physical attractiveness and age. b) Feeling inequality, captures their emotional responses, including frustration towards social injustice, empathy for their families’ struggles, and personal distress manifesting in anxiety. c) Balancing inequality, shows how adolescents adopt critical and proactive stances, reflecting on their circumstances, questioning societal structures and seeking viable strategies to address the inequality they experience.
Conclusion:
Adolescents experience social inequality stemming from various power dynamics in society, characterised by interwoven dimensions. They are highly perceptive of these dynamics and often recognise themselves as occupying a lower status within these structures, affecting their well-being, as well as that of their families and communities. However, adolescents are not passive agents in response to social issues. Rather, they critically reflect on themselves and society, actively questioning existing structures. Moreover, they propose strategies to transform these conditions. Our study highlights the need to address the multifaceted nature of social inequality, particularly as it impacts vulnerable groups such as adolescents. Reducing social inequality is essential to create a healthier, more supportive environment. Public policies and social programmes should actively incorporate adolescent participation and co-creation.

Referenzen

[1] Restrepo-Sanin J. Colombia 2021:
between crisis and hope. Rev Cienc Política Santiago. 2022;42(2):255–80.
[2] Taborda Burgo JC, Acosta Ortiz AM,
Garcia MC, Taborda Burgo JC, Acosta Ortiz AM, Garcia MC. Discriminación en
silencio: percepciones de migrantes venezolanos sobre la discriminación en
Colombia. Desarro Soc. 2021 Dec;(89):143–86.
[3] Garzón-Segura
AM, Pinzón-Estrada SC, Roa-Parra S, Torres-Jiménez DR, Garzón-Segura AM,
Pinzón-Estrada SC, et al. “Tenía que ser mujer”: Perspectiva de Género y
Derechos en las violencias de pareja en Bogotá-Colombia. Prospectiva. 2023;(35).
[4] Sánchez-Castro
JC, Pilz González L, Arias-Murcia SE, Mahecha-Bermeo VA, Stock C, Heinrichs K.
Mental health among adolescents exposed to social inequality in Latin America
and the Caribbean: a scoping review. Front Public Health. 2024 Apr 10;12.
[5] Braun V, Clarke V. Thematic Analysis: A
Practical Guide. London: SAGE; 2022.
Frau Johanna Carolina Sánchez Castro
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institute of Health and Nursing Science, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin, Ge, Berlin
#Präsentation #adolescents #social inequality #mental health
6

Introduction

The rise in overweight and obesity among children and adolescents is a major public health concern. Ultra-processed food (UPF) consumption was identified as a contributing factor, yet evidence on its impact in younger populations remains inconsistent. Given the need to strengthen longitudinal research on this matter, this study analyzed the prospective association between UPF consumption and incidence of overweight and obesity among German children and adolescents.

Methods

Longitudinal data from The German Health Interview and Examination Survey for Children and Adolescents (KiGGS) was used for this study. Food consumption was assessed at baseline using a validated 45-item food frequency questionnaire (FFQ). FFQ items were classified, according to the NOVA classification system, into two groups: (i) unprocessed or minimally processed foods and beverages (including culinary ingredients and processed foods) and (ii) ultra-processed foods and beverages. To explore potential dose-response patterns, UPF consumption (% from total daily energy intake) was divided into quartiles. The outcomes were evaluated in the second follow-up (Wave 2), as dichotomous variables. Incidence of overweight was evaluated among those not overweight at baseline and incidence of obesity, among those not obese at baseline. [AnjaS1] Overweight and obesity in children and adolescents were defined using the Kromeyer-Hauschild percentile curves, with BMI >90th percentile indicating overweight and >97th indicating obesity. For adults, WHO criteria were applied. Within logistic regression models’ adjustments for age, sex, socioeconomic status, physical activity, and baseline BMI z-score were made.

Results

A total of 4,762 participants aged 3 to 17 years (at baseline) with valid food intake information and anthropometric measurements at baseline and Wave 2 were selected. After an average 11 years of follow-up, individuals in the highest quartile of UPF consumption (Q4) had 57% higher odds of becoming overweight (OR: 1.57, 95% CI: 1.11–2.23) compared to those in the lowest quartile (Q1), even after full adjustment. A significant dose-response trend was observed across quartiles (p-trend =0.005). Obesity incidence did not exhibit a uniformly graded increase across quartiles. However, individuals in the third and fourth quartiles of UPF consumption had significantly higher odds of obesity at follow-up, with ORs of 2.18 (95% CI: 1.32–3.58) and 1.74 (95% CI: 1.07–2.84), respectively.

Conclusion / Discussion

This study strengthens the evidence on the link between ultra-processed food consumption and the incidence of overweight and obesity in children and adolescents. As dietary habits and their health effects often persist into adulthood, early interventions are important to shaping healthier trajectories.

Referenzen

[1] Baker P, Machado P, Santos T, Sievert K, Backholer K, Hadjikakou M, et al. Ultra-processed foods and the nutrition transition: global, regional and national trends, food systems transformations and political economy drivers. Obes Rev. 2020;21(12):e13126. DOI: 10.1111/obr.13126.
[2] Jakobsen DD, Brader L, Bruun JM. Association between food, beverages and overweight/obesity in children and adolescents—a systematic review and meta-analysis of observational studies. Nutrients. 2023;15(3):764. DOI: 10.3390/nu15030764.
[3] Kromeyer-Hauschild K, Moss A, Wabitsch M. Referenzwerte für den Body-Mass-Index für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Deutschland. Adipositas. 2015;9(3):123–7. DOI: 10.1055/s-0037-1618928.
[4] Kurth BM, Kamtsiuris P, Hölling H, Schlaud M, Dölle R, Ellert U, et al. The challenge of comprehensively mapping children’s health in a nation-wide health survey: design of the German KiGGS-Study. BMC Public Health. 2008;8:196. DOI: 10.1186/1471-2458-8-196.
[5] Monteiro CA, Cannon G, Levy RB, Moubarac J-C, Louzada ML, Rauber F, et al. Ultra-processed foods: what they are and how to identify them. Public Health Nutr. 2019;22(5):936–41. DOI: 10.1017/S1368980018003762.
[6] Petridi E, Karatzi K, Magriplis E, Charidemou E, Philippou E, Zampelas A. The impact of ultra-processed foods on obesity and cardiometabolic comorbidities in children and adolescents: a systematic review. Nutr Rev. 2024;82(7):913–28. DOI: 10.1093/nutrit/nuad095.
[7] Popkin BM, Adair LS, Ng SW. Global nutrition transition and the pandemic of obesity in developing countries. Nutr Rev. 2012;70(1):3–21. DOI: 10.1111/j.1753-4887.2011.00456.x.
[8] Truthmann J, Mensink GBM, Richter A. Relative validation of the KiGGS Food Frequency Questionnaire among adolescents in Germany. Nutr J. 2011;10(1):133. DOI: 10.1186/1475-2891-10-133.
Frau Mayra Figueiredo Barata
Robert Koch-Institut, Berlin
University of Sao Paulo, Medical School, Preventive Medicine Department, Sao Paulo
#Präsentation #UPF #Overweight #Obesity #Child #Adolescent
7
Introduction
NAVIGATION is a care model for outpatient interprofessional care, offered by primary care centers and funded by the Innovation Fund. It is designed for people with complex bio-psycho-social needs who experience inadequate outpatient care. The model consists of:
  • Proactive outreach to identify and engage groups with limited access to medical care,
  • A standardized bio-psycho-social assessment, and
  • An interprofessional care pathway, characterized by the involvement of Community Health Nurses and formats for interprofessional collaboration.
Which methodological approaches are suitable for assessing the results of NAVIGATION and its effects on health and healthcare outcomes with regard to evaluating its permanent integration into the healthcare system based on a valid and reliable data foundation?

Methods
Due to the lack of opportunities for randomization, an alternative evaluation methodology was developed in collaboration with the participating primary care centers. This was based on the Medical Research Council's framework for evaluating complex interventions [1]. The consideration of the neighbourhood was an important requirement.

Results
The evaluation consists of four components:
A) Effectiveness at the individual level: A pragmatic, quasi-experimental controlled intervention study. Patients included in the intervention group are compared with a control group selected via propensity score matching from random samples of the population in districts with a similar social structure.
B) Effectiveness at the community level: A comparative study of representative samples in intervention and control neighbourhoods.
C) Health economic evaluation: A cost comparison analysis of healthcare costs (based on statutory health insurance data, pension fund data and self-reported data), as well as cost-effectiveness analyses.
D) Process evaluation: Analysis of process parameters, participant observations, and qualitative interviews with stakeholders (including patients).
The first patients for the intervention group were enrolled in April 2025.

Discussion
The challenge of the evaluation lies in the fact that recognized methods for reducing bias risks are not feasible. Additionally, the diversity of service-providing institutions and the involvement of various funding agencies (i.e. health insurance, pension fund) make systematic data collection within the evaluation process more difficult.
The evaluation of NAVIGATION is an example of the use of non-randomized study designs that can help provide a valid and reliable data and decision basis for transferring new care models into routine healthcare.

Referenzen

[1]: Skivington K, Matthews L, Simpson SA, et al (2021). "A new framework for developing and evaluating complex interventions: update of Medical Research Council guidance". BMJ. 30;374:n2061. DOI: 10.1136/bmj.n2061
Herr Dr. med. Hendrik Napierala
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin
#Präsentation #Primärversorgung #Evaluation #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #Studienbedingungen #Innovationsfonds
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
WS6
Gesundheit fördern im Quartier: Partizipative Ansätze zur bedarfsgerechten Gestaltung von Gesundheitsförderung
Kommune
Raum: Hörsaal 4, Forum 4 (Standort: Forum 4, Anzahl der Plätze: 96)
Beitrag:
1
Hinsichtlich der Lebenserwartung lassen sich regionale Unterschiede sowie eine ausgeprägte soziale Ungleichheit feststellen. Neben einer Vielzahl von Determinanten, die unsere Gesundheit beeinflussen, ist der sozioökonomische Status hier von besonderer Bedeutung. Settingbezogene Ansätze haben in der Gesundheitsförderung dadurch in den letzten Jahren an Einfluss gewonnen. So zählt das Lebens- und Wohnumfeld mittlerweile zu den wichtigsten Faktoren der Gesundheitsförderung und eine sozialraumbezogene Bedarfsanalyse von präventiven Gesundheitsleistungen in Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher sozialer Lage erscheint notwendig. An diesem Punkt setzt das durch den Innovationsfonds (Förderkennzeichen: 01VSF22038) geförderte Forschungsprojekt Gesunde Quartiere 2.0 an, das darauf abzielt, Hinweise für die relevanten Präventionsträger zur Konzeptionierung von zielgruppengerechten, kleinräumig und individuell angepassten gesundheitsförderlichen Maßnahmen zu entwickeln. Somit soll ein Beitrag geleistet werden, um die Inanspruchnahme gesundheitsförderlicher Maßnahmen in sozial benachteiligten Quartieren zu erhöhen und langfristig zur Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bewohner:innen beizutragen.
Im Forschungsprojekt wurde ein multiperspektivischer Mixed-Methods-Ansatz gewählt. Das für diesen Workshop relevante Teilprojekt nutzt einen partizipativen Forschungsansatz und zielt darauf ab, die auf Gesundheit bezogene Lebenssituation im Quartier zu bewerten. Dazu wurden in vier Quartieren mit Bewohner:innen Community Mappings sowie Fokusgruppen mit relevanten lokalen Stakeholdern durchgeführt.
Ziel unseres Workshops ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Potentialen und Herausforderungen der Methode des Community Mappings und der Reichweite der Übertragbarkeit der Ergebnisse in Maßnahmen für Gesundheitsförderung. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen wir die methodischen Erkenntnisse und inhaltlichen Ergebnisse der Community Mappings. Die Workshopteilnehmenden erhalten eine Einführung in die Methode des Community Mappings. Anschließend werden zentrale Ergebnisse unseres Community Mappings näher erläutert. Zur Diskussion des methodischen Vorgehens und den daraus resultierenden Chancen und Herausforderungen beziehen wir uns detaillierter auf ein Quartier. Anhand des erstellten Mappings und zusätzlichen Aussagen (Videostatements) von Teilnehmenden des Community Mappings wollen wir die Auswertung des Mappings vertieft diskutieren. Dazu beziehen wir auch Ergebnisse der Fokusgruppe mit ein, so dass die eingebrachten Inhalte der Bewohner:innen und der Stakeholder nebeneinander betrachtet werden können, um darauf aufbauend sowohl Gemeinsamkeiten als auch Divergenzen zwischen der Perspektive der Bewohner:innen und Stakeholder zu verdeutlichen.
Im Anschluss soll eine interaktive Gruppenarbeitsphase zur Reflexion der Chancen und Grenzen der Methodik folgen. Diese Phase wird durch medial aufbereitetes Arbeitsmaterial unterstützt, um damit die Kleingruppen für eine Reflektion anzuregen, und mit den Teilnehmenden direkt am Material zu arbeiten und dadurch eine hohe Praxisnähe zu schaffen. Bei der abschließenden Zusammenführung der Ergebnisse der Kleingruppenarbeit im Plenum soll diskutiert werden, welche Möglichkeiten diese partizipative Methode für die Übertragbarkeit auf potentielle Präventionsbedarfe im Quartier bietet.
Lernziele:
Soziale Verantwortung: Die Teilnehmenden erhalten ein tieferes Verständnis für die sozialen Herausforderungen in Quartieren mit niedrigem Sozialindex.
Reflexion von sozialräumlichen Ungleichheiten: Die Teilnehmenden sollen Ursachen und Auswirkungen von sozialräumlichen Ungleichheiten kritisch reflektieren.
Herausforderungen erkennen: Die Teilnehmende lernen ihre gewonnenen Erkenntnisse auf konkrete soziale Herausforderungen anzuwenden etwa in Form von Handlungsempfehlungen für Politik oder Stadtentwicklung.
Frau Juliane von Eitzen M.A.
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Competence Center Gesundheit und Fakultät Life Sciences, Hamburg
Frau Prof. Dr. Sabine Wöhlke
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Competence Center Gesundheit und Fakultät Life Sciences, Hamburg
Frau Natalie Krämer
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Compentence Center Gesundheit und Fakultät Life Sciences, Hamburg
#Workshop 60 #Gesundheitsförderung & Prävention #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #Versorgungsforschung
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
VS13
Planetare und globale Gesundheit
Planetare und globale Gesundheit
Raum: Hörsaal 6, Mittelallee 10 (Standort: Mittelallee 10, Anzahl der Plätze: 240)
Beiträge:
1

Hintergrund

Urbane Lebensräume sind mit Gesundheitsrisiken wie psychischen Belastungen, Umweltverschmutzung oder Hitzestress vergesellschaftet [1-3]. Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass biodiversitätsreiche Gemeinschaftsgärten zur Reduktion dieser Risiken beitragen können, indem sie gesundheitsrelevante Ökosystemleistungen erbringen (u.a. verbessertes Mikroklima, bessere Luftqualität, Kontakt zur Natur) [4]. Außerdem haben Gemeinschaftsgärten das Potential, den Zugang zu gesundheitsfördernden, naturnahen Räumen für sozioökonomisch schwächere Gruppen zu stärken [5]. Eingeschränkte Evidenz zu ihren kausalen Effekten und Herausforderungen, vorhandene Gartenkonzepte an lokale Rahmenbedingungen anzupassen, tragen jedoch dazu bei, dass biodiversitätsreiche Gemeinschaftsgärten häufig nur lokal begrenzt und v.a. in Pilotprojekten umgesetzt werden. Die HEBEDI Studie (1) analysiert daher die kausalen Effekte modularer, biodiversitätsreicher Gemeinschaftsgärten auf die Gesundheit Erwachsener und die biologische Vielfalt im Vergleich zu biodiversitätsärmeren Gärten und (2) evaluiert die Auswirkungen biodiversitätsreicher Gemeinschaftsgärten auf die gesundheitliche Ungleichheit (3). Darüber hinaus wird basierend auf einer Analyse von Barrieren und förderlichen Kontextfaktoren ein praxisnahes Konzept zur Integration biodiversitätsreicher Gemeinschaftsgärten in kommunale Planungsprozesse entwickelt.

Methode

Die interdisziplinäre HEBEDI Studie (Finanzierung: BMBF) umfasst ein zweiarmiges cluster-randomisiertes Längsschnittdesign mit drei Erhebungswellen (vor und nach der ersten Gartensaison, nach der zweiten Gartensaison). Im Rahmen des Projekts entstehen 20 biodiversitätsreiche Gärten, die eine hohe Dichte an biodiversitätsfördernden Elementen aufweisen (u.a. Wildblumenwiesen, bestäuberfreundliche Hecken, alte Obstsorten; angestrebte Stichprobe: n=400), und 20 biodiversitätsärmere konventionelle Gärten (n=400). Zentraler Bestandteil des Projekts ist die partizipative Entwicklung der Gemeinschaftsgärten in Co-Kreationsworkshops. Die Teilnehmenden der Workshops werden in Zusammenarbeit mit Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften in der Nachbarschaft der geplanten Gärten rekrutiert. In den Co-Kreationsworkshops planen die Teilnehmenden gemeinsam mit Expert:innen aus den Bereichen Ökologie und Landschaftsarchitektur individuelle Gartenkonzepte, die anschließend lokal umgesetzt werden. Das subjektiv wahrgenommene Stressniveau (primärer Endpunkt) und weitere Endpunkte zur psychischen (u.a. Depression), körperlichen (u.a. Ernährungsverhalten) und sozialen Gesundheit (u.a. soziale Kohäsion) werden subjektiv über Fragebögen erfasst. Ergänzend werden Stress und körperliche Aktivität objektiv mittels Haar-Cortisol-Analysen und Akzelerometrie erhoben. Die tatsächliche und die von den Gärtner:innen wahrgenommene Biodiversität wird mittels Multi-Taxon-Ansatz analysiert. Effekte biodiversitätsreicher Gemeinschaftsgärten auf die gesundheitliche Ungleichheit werden im Rahmen von Moderatoranalysen zu den Gesundheitsendpunkten abgeschätzt. Im Rahmen einer begleitenden Mixed-Methods-Prozessevaluation werden semistrukturierte Interviews mit Gärtner:innen sowie Vertreter:innen aus Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften zu Entstehungsprozessen, Barrieren und förderlichen Kontextfaktoren geführt. Im Anschluss an eine qualitative Inhaltsanalyse fließen die Ergebnisse systematisch aufbereitet in ein Konzept zur nachhaltigen Integration von biodiversitätsreichen Gemeinschaftsgärten in kommunale und wohnungswirtschaftliche Planungsprozesse ein.

Ergebnisse

Im Rahmen der DGSMP-Jahrestagung wird das Design der interdisziplinären HEBEDI Studie vorgestellt.

Diskussion

Die HEBEDI Studie liefert auf Basis des cluster-randomisierten Designs robuste Evidenz zu den kausalen Effekten von Biodiversität auf die psychische, körperliche und soziale Gesundheit sowie die biologische Vielfalt in urbanen Lebensräumen. Durch ihre Einbettung in eine Gemeinschaftsgarten-Intervention als settingbasierte Maßnahme wird die Studie zudem ein praxisnahes Instrumentarium zur Stärkung der gesundheitlichen Selbstbestimmung und Förderung von Biodiversität im urbanen Kontext bereitstellen. Der im Projekt etablierte Co-Kreationsprozess fördert die aktive Teilhabe der Gärtner:innen und ermöglicht es, lokale Gegebenheiten und Bedürfnisse gezielt in Gartenplanungen einzubringen. Das Konzept zur Integration biodiversitätsreicher Gemeinschaftsgärten in kommunale Planungsprozesse wird zentrale Projektergebnisse bündeln und soll den nachhaltigen Transfer biodiversitätsfördernder Maßnahmen in die kommunale Verwaltungspraxis unterstützen.

Referenzen

[1] European EA. EEA Report - Environmental noise in Europe 2020. Luxembourg: Publications Office of the European Union; 2020.
[2] Bakolis I, Hammoud R, Stewart R, Beevers S, Dajnak D, MacCrimmon S, et al. Mental health consequences of urban air pollution: prospective population-based longitudinal survey. Social Psychiatry Psychiatric Epidemiology. 2021;56(9):1587–99.
[3] Heaviside C, Macintyre H, Vardoulakis S. The urban heat island: Implications for health in a changing environment. Current Environmental Health Reports. 2017;4(3):296–305.
[4] Mohr-Stockinger S, Sanft SJ, Büttner F, Butenschön S, Rennert R, Säumel I. Awakening the sleeping giant of urban green in times of crisis-coverage, co-creation and practical guidelines for optimizing biodiversity-friendly and health-promoting residential greenery. Front Public Health. 2023;11:1175605.
[5] Marselle MR, Lindley SJ, Cook PA, Bonn A. Biodiversity and health in the urban environment. Current Environmental Health Reports. 2021;8(2):146–56.
Frau Tabea Thomas
Universität Heidelberg, Mannheim
Herr Dr. med. Michael Eichinger
Universität Heidelberg, Mannheim
Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz
#Präsentation #Gemeinschaftsgarten #Biodiversität #Gesundheit #Planetary Health #Gesundheitliche Ungleichheit
2

Hintergrund

Zunehmende Einsamkeit birgt gesundheitliche und gesellschaftliche Risiken. Städtische Grünflächen, auch als Ort sozialer Begegnung, könnten Einsamkeit entgegenwirken und damit die mentale Gesundheit fördern. Den Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit wohnortnaher Grünflächen und erlebter Einsamkeit haben wir bei der Dresdner Wohnbevölkerung untersucht.

Methode

Eine repräsentative Stichprobe von 2.399 Dresdner:innen ab 60 Jahren (LAB60+ Studie) bildete die Datengrundlage. Für alle Studienteilnehmenden wurden basierend auf Grünflächendaten des „mein Grün“-Projektes vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung die Entfernungen zwischen ihrer geokodierten Wohnadresse und der nächstgelegenen Grünfläche ermittelt. Einbezogen wurden alle Grünflächen größer einem Hektar mit Ausnahme von Landwirtschaftsflächen. Mit dem Statistikprogramm R wurden mithilfe von multivariaten Poisson-Regressionsanalysen Prävalenzratios (PR) für den Zusammenhang zwischen Wohnentfernung und nächstgelegener Grünanlage sowie Häufigkeit von Parkbesuchen und selbst berichteter Einsamkeit berechnet.

Ergebnisse

Zunehmende Distanz zwischen Wohnung und Grünanlage ist mit erhöhter Prävalenz von Einsamkeit verbunden (PR = 1,12; 95%-KI 1,01-1,24 bei Adjustierung für Alter, Geschlecht und sozioökonomischen Status). Seltene Parkbesuche hängen ebenfalls mit häufigerem Erleben von Einsamkeit zusammen (PR = 1,34; 95%-KI 1,04-1,74); dieser Zusammenhang verfehlt bei zusätzlicher Adjustierung für bestehende Erkrankungen knapp die statistische Signifikanz. Beide Zusammenhänge sind bei Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status stärker ausgeprägt.

Diskussion

Menschen ab 60 Jahren in Dresden sind weniger einsam, je näher sie an einer Grünfläche wohnen und je häufiger sie Parks besuchen. Ein dichteres Netz städtischer Grünanlagen könnte auf der Grundlage unserer Studienergebnisse Einsamkeit bei dieser Altersgruppe vorbeugen und damit die mentale Gesundheit fördern, insbesondere in benachteiligten Stadtvierteln. Zur weiteren Absicherung dieses Präventionsansatzes bedarf es längsschnittlicher Studien und bestenfalls Interventionsstudien.

Referenzen

[1] Astell-Burt T, Hartig T, Putra IGNE, Walsan R, Dendup T, Feng X. Green space and loneliness: A systematic review with theoretical and methodological guidance for future research. Science of The Total Environment. 2022;847:157521.
[2] Bücker S. Die gesundheitlichen, psychologischen und gesellschaftlichen Folgen von Einsamkeit [Internet]. Frankfurt a.M.: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. - Kompetenznetz Einsamkeit; 2022 [cited 2025 Apr 15]. Available from: https://kompetenznetz-einsamkeit.de/publikationen/kne-expertisen/kne-expertise-10.
[3] Starke KS, Hegewald J, Büter K, Uhlmann LM, Reißig D, Motzek T et al. Dresdner Lebenslagen 60+ : Bericht zur individuellen Lebens-, Gesundheits- und Pflegesituation von Dresdnerinnen und Dresdnern ab dem 60. Lebensjahr (LAB60+ Studie) [Internet]. Dresden: Landeshauptstadt Dresden - Geschäftsbereich Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wohnen; 2022 Jan [cited 2025 Apr 15]. Available from: https://tu-dresden.de/cdd/forschung/lab60.
[4] Zhang L, Tan PY, Diehl JA. A conceptual framework for studying urban green spaces effects on health. Journal of Urban Ecology. 2017;3(1):1-13.
Herr Christoph Thalheim
Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät, Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Dresden
#Präsentation #Grünflächen #Einsamkeit #Querschnittsstudie
3

Hintergrund

Der Einfluss der akustischen Umgebung auf die mentale Gesundheit gewinnt zunehmend an Bedeutung in Public Health. Mit der fortschreitenden Urbanisierung rücken dabei die Soundscapes (Klanglandschaften) urbaner Grünflächen in den Fokus. Das Ziel dieses Scoping Reviews ist es, die Evidenz für Effekte von Soundscapes urbaner Grünflächen auf die mentale Gesundheit zu erfassen, die verwendeten Methoden zu klassifizieren und die erforschten Soundscape-Elemente sowie deren Einfluss auf die mentale Gesundheit zu untersuchen.

Methode

Es wurde eine systematische Literatursuche in den Datenbanken MEDLINE, Embase, Web of Science, PsycINFO und LIVIVO durchgeführt, um alle relevanten, peer-reviewed Originalstudien zu identifizieren. Eingeschlossen wurden alle Studien in deutscher oder englischer Sprache, die den Einfluss der akustischen Umgebung auf die mentale Gesundheit untersuchten und in urbanen Grünflächen durchgeführt wurden.

Ergebnisse

Es wurden 22 Studien eingeschlossen und analysiert. Die Auswertung zeigte eine breite methodische Vielfalt, wobei der Schwerpunkt auf quantitativen, multi-methodischen Designs lag. Die untersuchten mentalen Gesundheitseffekte umfassten Stressabbau, Stimmungsverbesserung, wahrgenommene Erholungsfähigkeit und die Wiederherstellung kognitiver Ressourcen. Zur Messung wurden häufig standardisierte psychometrische Instrumente wie die Perceived Stress Scale (PSS-14), der Positive and Negative Affect Schedule (PANAS) und die Perceived Restorativeness Soundscape Scale (PRSS) verwendet. Natürliche Soundscape-Elemente wie Vogelgezwitscher, Wassergeräusche und das Rascheln von Blättern hatten in den untersuchten Studien einen positiven Einfluss auf die Entspannung und die wahrgenommene mentale Erholung, während mechanische Geräusche wie Verkehrslärm in den Studien mit negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit in Verbindung gebracht wurden.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass natürliche Soundscapes in städtischen Grünflächen die mentale Gesundheit positiv beeinflussen können und dabei Stress reduzieren sowie die Stimmung verbessern. Kleine Stichprobengrößen, künstlich erzeugte Geräusche und das Fehlen unterschiedlicher kultureller Kontexte schränken jedoch die Vergleichbarkeit der Ergebnisse ein. Zukünftige Forschung sollte multisensorische Erfahrungen erforschen und Soundscapes in verschiedenen städtischen Kontexten miteinbeziehen, um fundiertere Erkenntnisse über die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit zu gewinnen.
Frau Sophia Baierl
Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Pettenkofer School of Public Health, Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Medizinische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
Herr Elham Ahmadi
Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Pettenkofer School of Public Health, Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Medizinische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
Frau Dr. Michaela Coenen
Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, Pettenkofer School of Public Health, Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Medizinische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
#Präsentation #Urbane Klanglandschaften #Soundscapes #Mentale Gesundheit #Grünflächen #Stressabbau #Stadtplanung #Scoping Review
4

Hintergrund

Der Klimawandel hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Bevölkerungsgesundheit, darunter die Zunahme von Pollenallergien, hitzebedingter Morbidität und Mortalität sowie vektorübertragenen Infektionskrankheiten [1]. Gesundheitssysteme weltweit stehen vor der Herausforderung, sich einerseits an den Klimawandel anzupassen und diesen gleichzeitig nicht weiter zur verschärfen. Der Aufbau eines systematischen und kontinuierlichen Monitorings klima-relevanter Gesundheitsaspekte ist ein wesentlicher Baustein für klima-resiliente Gesundheitssysteme [2]. Im Rahmen des Projektes MOCCHA (Monitoring of Climate Change-related Health Aspects) wird auf Bundesebene ein Indikatorenset zum Monitoring klima-relevanter Gesundheitsaspekte in Deutschland entwickelt. Ziel ist die Identifikation bedarfsgerechter, umsetzbarer und für Praxis und Politik nutzbarer Indikatoren. Hierzu wird ein strukturiertes Konsensusverfahren unter Beteiligung von nationalen Stakeholdern aus Politik, Praxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft durchgeführt [3]. Auch in anderen Ländern haben Gesundheitsbehörden und wissenschaftliche Institutionen bereits vergleichbare Projekte umgesetzt oder befinden sich in der Planungsphase entsprechender Initiativen [4,5]. Die Analyse bestehender Ansätze und der Austausch mit internationalen Expertinnen und Experten sind daher von großem Wert für die methodische Weiterentwicklung und Validierung des MOCCHA-Projekts.

Methode

Um die verfügbaren internationalen Erfahrungen in die methodische Konzeption von MOCCHA zu integrieren, werden semistrukturierte, leitfadengestützte Interviews mit Expertinnen und Experten geführt. Hierzu werden internationale Vertreterinnen und Vertreter nationaler Public-Health-Institute sowie weiterer relevanter wissenschaftlicher Institutionen mit Erfahrung in der Entwicklung von Monitoringsystemen zu klima-relevanten Gesundheitsindikatoren kontaktiert. Das Ziel der Interviews mit den Expertinnen und Experten ist es, (i) bewährte Verfahren zur Auswahl geeigneter Indikatoren sowie erprobte Prozesse für die Beteiligung von Stakeholdern zu identifizieren; (ii) förderliche und hinderliche Faktoren bei der Umsetzung solcher Verfahren zu ermitteln; und (iii) praxisorientierte Erfahrungen und daraus gewonnene Lehren für die Entwicklung eines Indikatorensets zum Monitoring klima-relevanter Gesundheitsaspekte auszutauschen. Die erhobenen Daten werden anschließend mittels einer semi-systematischen qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Ergebnisse werden thematisch geclustert und in einem Ergebnisprotokoll zusammengefasst.

Ergebnisse

Bis September 2025 werden voraussichtlich bis zu acht Interviews mit Expertinnen und Experten aus sechs verschiedenen Ländern durchgeführt und analysiert. Erste Ergebnisse zeigen, dass der Aufbau eines Monitorings klima-relevanter Gesundheitsaspekte einen langfristigen Prozess erfordert, der insbesondere durch begrenzte Ressourcen, unklare Zuständigkeiten und Datenlücken erschwert wird. Zugleich beschreiben die bisher interviewten Expertinnen und Experten die Notwendigkeit eines iterativen Vorgehens, das fortlaufende Anpassungen und eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Die Identifikation potenzieller Indikatoren für das Monitoring erfolgte in allen Ländern wissenschaftlich fundiert, während die Auswahl und Integration der Indikatoren pragmatisch und unter Berücksichtigung der verfügbaren Daten vorgenommen wurden. Der Einbezug relevanter Stakeholder – insbesondere aus Wissenschaft, Politik und Praxis – wurde von den Expertinnen und Experten als essenziell für die Akzeptanz, Weiterentwicklung und Implementierung des Monitorings klima-relevanter Gesundheitsaspekte bewertet. Die verschiedenen Länder berichten über unterschiedliche methodische Ansätze zur Einbindung relevanter Stakeholder.

Diskussion

Die Erkenntnisse der Interviews liefern wertvolle Impulse für die Entwicklung eines anwendungsorientierten und wissenschaftlich fundierten Indikatorensets im Rahmen von MOCCHA. Sie verdeutlichen die Komplexität und Herausforderungen des Monitorings klima-relevanter Gesundheitsaspekte und unterstreichen die Notwendigkeit eines iterativen und integrativen Vorgehens. Der enge Einbezug nationaler Stakeholder aus Politik, Praxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft wird eine zentrale Rolle für die erfolgreiche Implementierung und nachhaltige Nutzung des Monitorings in Deutschland spielen. Zudem wurden neue Möglichkeiten für internationale Kooperationen identifiziert, die den Wissenstransfer fördern.

Referenzen

[1]    Hertig, E., Hunger, I., Kaspar-Ott, I., Matzarakis, A., Niemann, H., Schulte-Droesch, L., & Voss, M. (2023). Klimawandel und Public Health in Deutschland - Eine Einführung in den Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit 2023. Journal of Health Monitoring, 8(S3), 7-35. https://doi.org/10.25646/11391 [2] Weltgesundheitsorganisation (WHO) (2023). Operational framework for building climate resilient and low carbon health systems. https://www.who.int/publications/i/item/9789240081888 [3] Robert Koch-Institut (RKI). MOCCHA (Monitoring of Climate Change-related Health Aspects) – Entwicklung eines Indikatorensets zum Monitoring klimarelevanter Gesundheitsaspekte.  https://www.rki.de/DE/Themen/Gesundheit-und-Gesellschaft/Klimawandel/Projekte/Klimawandel-MOCCHA-Indikatorenset.html
[4]    Brugger, K., & Delcour, J. (2024). Integrierte Gesundheitsberichterstattung zu Klima und Gesundheit: Grundlagen für ein Indikatorenset. Grundlagenbericht. https://jasmin.goeg.at/id/eprint/3446/
[5]    Cheng, J. J., & Berry, P. (2013). Development of key indicators to quantify the health impacts of climate change on Canadians. International Journal of Public Health, 58(5), 765-775. https://doi.org/10.1007/s00038-013-0499-5
Frau Annkathrin von der Haar
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, FG24 Gesundheitsberichterstattung, Geschäftsstelle für Klimawandel und Gesundheit, Berlin
#Präsentation #Klimawandel #Gesundheitsmonitoring
5
Hintergrund: Da ein hoher Fleischkonsum sowohl der individuellen Gesundheit als auch dem Klima schadet, empfehlen viele internationale Organisationen eine Reduktion des Fleischkonsums [1, 2]. Ziel dieses Scoping Reviews war es, die Studienlage zu individuellen Einstellungen zur Reduktion des Fleischkonsums aus Klimaschutzgründen zusammenzufassen. Die drei Forschungsfragen konzentrieren sich auf die Evidenzlage zu (1) dem Bewusstsein von Individuen über den Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Klimawandel, (2) der individuellen Bereitschaft, den Fleischkonsum zu reduzieren, um den Klimawandel abzuschwächen, und (3) Individuen, die ihren Fleischkonsum aus diesem Grund bereits reduziert haben.

Methode: Dieser Scoping Review folgt den erweiterten PRISMA Richtlinien für Scoping Reviews [3]. Es wurde eine systematische Suche in mehreren Datenbanken (Medline, Scopus, Embase, Greenfile und PsynDex/CurrentContent/Agris via Livivo) durchgeführt. Es wurden nur peer-reviewed Originalstudien berücksichtigt, die seit 2015 in englischer, deutscher, dänischer oder niederländischer Sprache veröffentlicht wurden. Alle Screeningprozesse wurden von zwei Forschenden unabhängig voneinander durchgeführt. Die Daten der eingeschlossenen Studien wurden in einer narrativen und deskriptiven Evidenzsynthese, getrennt nach quantitativen und qualitativen Studien, zusammengefasst.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 93 Artikel in den Scoping Review eingeschlossen. Die meisten Studien wurden in Europa durchgeführt und verwendeten quantitative Querschnittsdesigns mit nicht repräsentativen Stichproben. Hinsichtlich des Bewusstseins zeigt der Scoping Review, dass sich zwar einige Menschen der Umweltauswirkungen des Fleischkonsums bewusst sind, das allgemeine Bewusstsein jedoch gering ist und viele die Rolle des Fleischkonsums für den Klimaschutz unterschätzen. Das Bewusstsein über die Umweltauswirkungen ist negativ mit dem aktuellen Fleischkonsum assoziiert. Für die Bereitschaft, den Fleischkonsum zu reduzieren, spielen das Geschlecht, das Klimabewusstsein und die wahrgenommene Wirksamkeit der Fleischreduktion eine wichtige Rolle. Andere Umweltverhaltensweisen, wie die Reduzierung der Autonutzung oder das Energiesparen, werden jedoch häufig gegenüber Ernährungsumstellungen priorisiert. Gesundheits- und Tierschutzaspekte stehen bei den meisten Personen, die ihren Fleischkonsum reduziert haben, oft im Vordergrund, während Umweltmotive zweitrangig sind. Einige neuere Studien deuten jedoch darauf hin, dass klimabezogene Motive für die Beibehaltung einer fleischreduzierten Ernährung wichtig sind. Die Methodik der Studien war sehr unterschiedlich und viele hatten kleine, nicht repräsentative Stichproben, was die Vergleichbarkeit und Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse auf nationaler und internationaler Ebene einschränkt.

Diskussion: Um die Vergleichbarkeit zwischen Studien zu verbessern, könnte zukünftige Forschung von einer Harmonisierung und Validierung der Fragebögen profitieren. Der Einsatz dieser standardisierten Instrumente in bevölkerungsweiten Studien würde die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse erhöhen. Um eine Reduktion des Fleischkonsums zu fördern, sollten Aufklärungskampagnen in verschiedenen Bereichen wie Schulen, am Arbeitsplatz und in Supermärkten durchgeführt werden. Die Aufklärung der Verbraucher über die gesundheitlichen, ökologischen und ethischen Vorteile einer Reduzierung des Fleischkonsums - bei gleichzeitiger Betonung, dass ein völliger Verzicht nicht notwendig ist - könnte helfen, Widerstände zu überwinden. Darüber hinaus sind strukturelle Veränderungen, wie die Verbesserung der Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit vegetarischer Alternativen, z.B. in Kantinen oder durch steuerliche Maßnahmen, entscheidend, um pflanzliche Ernährung einer breiteren Bevölkerung zugänglich zu machen.

Referenzen

[1] Willett W, Rockström J,
Loken B, Springmann M, Lang T, Vermeulen S, et al. Food in the Anthropocene:
the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems.
Lancet. 2019;393(10170):447-92.
[2] Food and Agriculture Organization of
the United Nations (FAO) and World Health Organization (WHO). 2019. Sustainable healthy diets - Guiding principles. Rome.
[3] Tricco
AC, Lillie E, Zarin W, O'Brien KK, Colquhoun H, Levac D, et al. PRISMA
extension for scoping reviews (PRISMA-ScR): checklist and explanation. Annals
of internal medicine. 2018;169(7):467-73.
Frau Ramona Moosburger
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Präsentation #Klimawandel #Ernährung #Scoping Review
6
Zielsetzungen: Verschiedene Gesundheitskonzepte befassen sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen des anthropogenen Umweltwandels, um weitere negative Folgen zu verhindern oder aufzuhalten. In dieser Studie werden One Health, Planetary Health, EcoHealth, Public Health, Urban Health und Global Health im Hinblick auf ihre Definition, Kernthemen, Anwendungsbereiche, Kernwerte, Akteure und Organisationen, Interdisziplinarität und geografische Ausrichtung verglichen. Durch die Klärung von Unterscheidungen wollen wir das Verständnis für künftige Forschung, Politik und Interventionen verbessern.
Methoden: Wir haben eine Übersichtsarbeit nach dem PCC-Schema durchgeführt. Eingeschlossen wurden Studien zu Gesundheitskonzepten an der Schnittstelle von Umweltveränderungen und menschlicher Gesundheit, die bis zum 2. April 2024 auf Englisch, Deutsch, Spanisch, Polnisch und Russisch veröffentlicht wurden. Wir durchsuchten MEDLINE, EMBASE und Web of Science, Websites relevanter Organisationen und Referenzlisten. Zwei Gutachter überprüften die Titel, Zusammenfassungen und Volltexte; die Datenextraktion wurde von einem Gutachter durchgeführt und von einem weiteren überprüft. Die Daten wurden deskriptiv, grafisch und in Tabellen zusammengefasst.
Ergebnisse: Wir haben 158 Studien einbezogen. Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte weisen alle Konzepte wichtige Gemeinsamkeiten auf, insbesondere die Schnittstelle zwischen Ökosystem und Mensch, Gesundheitsgerechtigkeit, Systemdenken und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Unterschiede in den Definitionen, Prioritäten und Themen erschweren jedoch direkte Vergleiche.
Schlussfolgerungen: Künftige Bemühungen sollten klare Rahmen für jedes Konzept entwickeln und gleichzeitig Synergien zwischen den Konzepten fördern. Anstatt diese Ansätze zu verschmelzen, bietet eine komplementäre Strategie, die ihre Stärken nutzt, eine effektivere Möglichkeit, komplexe sozioökologische Gesundheitsprobleme anzugehen - trotz der Gefahr der Fragmentierung.
Frau Verena Müller
TU Dresden Medizinische Fakultät "Carl Gustav Carus", Dresden
Frau Carolin Sonntag
#Präsentation
7
Hintergrund
Inmitten einer Polykrise, die gesundheitliche, gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen umfasst, spielen Gesundheitsfachkräfte, einschließlich Hebammen, eine zentrale Rolle für eine gerechte, gesunde und nachhaltige Gesellschaft. Klimawandel, Umweltverschmutzung und der Verlust der Biodiversität beeinträchtigen die Gesundheit von Müttern und Kindern, was zu einer Zunahme von Frühgeburten und Säuglingssterblichkeit führt [1]. Durch ihre Arbeit in sensiblen Lebensphasen können Hebammen als Change Agents für Planetary Health sowie für Transformation und Gesundheitsförderung bei jungen Familien wirken [2]. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, sind gezielte Bildungsmaßnahmen erforderlich, die Planetare Gesundheitskompetenz (PGK) in der Hebammenausbildung systematisch verankern [3].

Das HebPlanet-Projekt verfolgt das Ziel, Bildung für Planetare Gesundheit (BPG) und PGK in Hebammenstudiengänge zu integrieren. Dies geschieht durch einen co-kreativen Entwicklungsprozess, an dem BPG-Expert:innen, Studierende, Lehrende und Praktiker:innen beteiligt sind [4]. Angelehnt an den sechsstufigen Design-Based Educational Research-Ansatz (Fokus, Formulierung, Kontextualisierung, Definition, Implementierung, Evaluation) [5] wird ein Best-Practice-Leitfaden für die curriculare Entwicklung von Planetary Health entwickelt.

Methoden
Das Projekt umfasst vier zentrale Schritte. In einer Bedarfsanalyse wird eine Dokumentenanalyse von 56 Modulhandbüchern deutscher Hebammenstudiengänge zur Erfassung bestehender BPG-Inhalte durchgeführt und durch eine quantitative Online-Befragung von Studierenden zur aktuellen BPG-Lehre und ihren Bedürfnissen sowie qualitative Interviews mit Lehrenden und Praktiker:innen zur Einbindung in bestehende Curricula ergänzt. In einem Co-Design-Workshop entwickeln Stakeholder auf Basis der Ergebnisse der Bedarfsanalyse erste Konzepte für ein BPG-Curriculum. Basierend auf den vorherigen Schritten, wird das Curriculum in einem co-kreativen Prozess finalisiert, um nach einer Testphase evaluiert und implementiert zu werden.

Ergebnisse
Die Analyse von 56 Modulhandbüchern zeigt, dass BPG bislang nicht systematisch in die Hebammenausbildung integriert wurde. In nur sechs Studiengängen in Deutschland gibt es BPG-bezogene Inhalte, wobei kein Studiengang den Schwerpunkt auf PGK legt und nur wenige Studiengänge BPG-Kompetenzen vermitteln. Dies unterstreicht den Bedarf einer strukturierten curricularen Verankerung. Auf der DGSMP-Jahrestagung werden die Ergebnisse der Bedarfsanalyse (Schritt 1) und des Co-Design-Workshops (Schritt 2) präsentiert. Der Vortrag erläutert sowohl Potenziale als auch Herausforderungen des co-kreativen Ansatzes für die Entwicklung von BPG-Curricula von Gesundheitsfachkräften.

Schlussfolgerungen
Um PGK in der Ausbildung von Gesundheitsfachkräften und in der Hebammenbildung nachhaltig zu stärken, ist eine umfassende und strukturierte Implementierung erforderlich. Das HebPlanet-Projekt ist das erste umfassende co-kreative Vorhaben zur Integration von BPG und PGK in die Hebammenausbildung. Die Partizipation und Co-Kreation stellen die Grundlage dafür dar, dass sich das Curriculum an den Lebenswelten von Studierenden und Hebammen orientiert und es dabei praxisrelevant und transformativ wirksam bleibt. Das langfristige Ziel des HebPlanet-Projekts ist die Entwicklung eines Best-Practice-Leitfadens zur Curriculumsentwicklung, der eine breite Integration von BPG in verschiedene Studienprogramme von Gesundheitsfachkräften und Hebammen ermöglicht.

Referenzen

[1] Conway F, Portela A, Filippi
V, Chou D, Kovats S. Climate change, air pollution and maternal and newborn
health: An overview of reviews of health outcomes. J Glob Health
2024; 14:4128. DOI: 10.7189/jogh.14.04128 .
[2]    Dresen F. Reproduktive
Gesundheit und ihre Versorgung im Anthropozän: Auswirkung der Klimakatastrophe
auf die maternale, prä- und neonatale Gesundheit und Implikationen für die
Hebammenarbeit. Hebamme 2023; 36(04):59–66. DOI: 10.1055/a-2101-9628 .
[3]    WBGU. Gesund leben auf
einer gesunden Erde. Healthy living on a healthy planet.
Berlin: Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale
Umweltveränderungen; 2023.
[4]    HebPlanet DBU. Entwicklung,
Implementierung und Evaluation eines praxisorientierten Planetary
Health-Modell-Curriculums für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung durch
Hebammen: Deutsche Bundesstiftung Umwelt; 2024 [Stand: 18.03.2025]. Verfügbar
unter: https://www.dbu.de/projektdatenbank/39872-01/.
[5]    Lokmic-Tomkins Z, Barbour L,
LeClair J, Luebke J, McGuinness SL, Limaye VS et al. Integrating planetary health
education into tertiary curricula: a practical toolbox for implementation.
Front Med (Lausanne) 2024; 11:1437632. DOI: 10.3389/fmed.2024.1437632 .
Frau Lydia Reismann
Universität Bayreuth, Lehrstuhl Planetary & Public Health, Bayreuth
#Präsentation #Planetary Health #Curriculumsentwicklung #Gesundheitskompetenz #Bildung für Planetare Gesundheit #Hebammen
Do
18 Sep
15:00 - 15:30
PW9
Kommunale Gesundheitsförderung
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1
Hintergrund: Logische Modelle sind grafische Veranschaulichungen einer komplexen Maßnahme in Public Health. Sie können die Programmtheorie abbilden sowie das System, in dem die Maßnahme eingebettet ist. Praktische Erfahrungen mit der Entwicklung von logischen Modellen mit den damit verbundenen Vorteilen und Herausforderungen werden in der Literatur selten berichtet. Dieser Vortrag stellt Erkenntnisse vor, die bei der partizipativen Entwicklung von zwei logischen Modellen in Projekten der kommunalen Gesundheitsförderung gewonnen wurden.

Methodik: Für zwei Maßnahmen zur kommunalen Gesundheitsförderung in München wurde jeweils ein logisches Modell von einem externen universitären Evaluationsteam in Zusammenarbeit mit Schlüsselakteuren der Maßnahmen entwickelt. Für die „Präventionskette Freiham“ erfolgte die Erstellung des logischen Modells über den Verlauf der Evaluation hinweg in mehreren Schritten. Dabei flossen Erkenntnisse aus der laufenden Prozessevaluation sowie das Feedback von Schlüsselakteuren der Maßnahme mit ein. In einem Workshop wurden die Schlüsselakteure zudem zum Nutzen des logischen Modells befragt. Für „München – gesund vor Ort 2.0“ wurde ein logisches Modell vor Beginn der Evaluation vom Evaluationsteam gemeinsam mit Verantwortlichen für die Durchführung der Maßnahme in mehreren Workshops erarbeitet.

Ergebnisse: Für beide Maßnahmen wurde ein logisches Modell partizipativ entwickelt. Der Prozess bot sowohl dem Evaluationsteam als auch Schlüsselakteuren bei der Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen die Gelegenheit, ihr Verständnis der Maßnahme zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Im Workshop zur „Präventionskette Freiham“ gaben die Teilnehmenden an, dass das logische Modell eine hilfreiche Visualisierung sei, um die Komplexität der Maßnahme vereinfacht abzubilden. Zudem wurde der Nutzen für die interne und externe Kommunikation herausgestellt.

Diskussion: Die partizipative Erarbeitung logischer Modelle in der kommunalen Gesundheitsförderung scheint eine geeignete Methode zu sein, um einen Reflexionsprozess bei den beteiligten Akteurinnen und Akteuren anzustoßen, das Verständnis der Maßnahme zu verbessern und die Kommunikation über die Maßnahme zu erleichtern. Es hat sich dabei als hilfreich erwiesen, die verschiedenen Schlüsselakteure frühzeitig einzubeziehen.
Herr Stephan Voß
Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Medizinische Fakultät, LMU München, München
Pettenkofer School of Public Health, München
#Präsentation #kommunale Gesundheitsförderung #Evaluation #logische Modelle #Gesundheitsförderung #komplexe Interventionen
2

Hintergrund

Im Sinne der Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebenswelten kann die Gesundheitsförderung und Prävention seit ihren Anfängen nicht ohne den Erfahrungsaustausch zwischen Akteur*innen gedacht werden [2]. Besonders die in der Ottawa-Charta formulierte Aufforderung zur Vernetzung der Akteur*innen der Gesundheitsförderung zur Identifikation der unterschiedlichen Bedarfe führte in den letzten Jahrzehnten und ausdrücklich seit dem Präventionsgesetz (2015) zur Bildung zahlreicher Netzwerke zur Gesundheitsförderung im kommunalen Kontext [3]. Das Ziel der sich unter dem Dachsetting Kommune vernetzenden Akteur*innen ist es, gemeinsam auf gesunde Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen hinzuwirken, um die Gesundheit der Bevölkerung zu stärken [1]. Dabei können die Chancen und Herausforderungen in der Kommune nicht allein von den interdisziplinären und intersektoralen Akteur*innen einer Organisationen dekonstruiert, analysiert und bearbeitet werden. Somit werden in interorganisationalen (io.) und sektorenübergreifenden Netzwerken gemeinsame Wege der Implementierung von Gesundheitsförderung gefunden, geteilt und weiterentwickelt, um den Herausforderungen und Veränderungen in einer sich stets wandelnden Welt der Gesundheitsförderung entgegenzuwirken [1] [3].

Methode

Der Beitrag beschäftigt sich mit einer Evidenzsynthese in Form eines integrativen Reviews (IR) [5]. In Abgrenzung zu anderen Reviewformen beschäftigt sich der IR sowohl mit empirischer als auch methodologischer und theoretischer Literatur. Das Vorgehen dient im Detail der systematischen Darstellung, der Analyse und der Bewertung der multimethodischen Studien. Die Studien werden durch eine systematische Literaturrecherche in drei Datenbanken (PubMed, SCOPUS und Web of Science) identifiziert. Über diese deskriptive Ebene hinaus werden die Studien mit Hilfe erprobter Tools (z. B. Critical Appraisal) in ihrer Qualität, Evidenzstärke und Aussagekraft überprüft [4]. Neben allgemeinen Kriterien (Validität, Objektivität, Reliabilität) werden auch die Ausgestaltungsformen (qualitativ, quantitativ oder Mixed-Methods) der Studien betrachtet.
​​​​​

Ergebnisse

Im Zentrum der Vorstellung stehen der theoretische Hintergrund zur interoganisationalen Netzwerkarbeit in der kommunalen Gesundheitsförderung und die Aufbereitung der systematischen Recherche. Darüber hinaus werden neben den Charakteristika der Studien (z. B. Setting, Analysetyp, Typen von Knotenpunkten) erste Ergebnisse der Analyse berichtet. Eine Darstellung der Studien im Hinblick auf die quantitative Zentralitätsmaße (Dichte, Zwischenzentralität, Zentralisierung) oder qualitativen Aspekte (Art der Erfassung, Auswahl der Teilnehmenden, Triangulation) wird angestrebt.

Diskussion

Auf der Grundlage der vorgestellten Ergebnisse sollen methodische und inhaltliche Aspekte sowie theoretische und praktische Herausforderungen und Chancen der interorganisationalen Netzwerkarbeit im kommunalen Kontext gemeinsam mit den diskutiert werden.
Herr Niklas Brähler-Dieling
Hochschule Bochum, Bochum
#Präsentation #kommunale Gesundheitsförderung #Netzwerkarbeit #IntegrativerReview
3
Einleitung: Körperliche Inaktivität stellt eine anhaltende Herausforderung für die öffentliche Gesundheit dar. 52% der deutschen Erwachsenen geben an, dass ihre körperliche Aktivität (KA) unter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt. Interventionen zur Förderung von KA sind entscheidend, um nichtübertragbare Krankheiten und die damit verbundenen ökonomischen Belastungen zu reduzieren. Diese Studie untersuchte die Umsetzung, Nutzung und Akzeptanz von ‚10.000 Schritte Düsseldorf‘, einer gemeindebasierten Intervention, die sich an die Bewohner:innen Düsseldorfer Stadtteile richtet.
Methoden: Im Rahmen einer kontrollierten Interventionsstudie (Zeitraum: April 2022 bis Januar 2023) wurden zu Beginn der Studie 627 Teilnehmende (Interventionsgruppe: Düsseldorf, n=376; Kontrollgruppe: Wuppertal, n=251) und nach einem Jahr 553 Teilnehmende (Düsseldorf: n=330, Wuppertal: n= 223) untersucht. Die Intervention ‚10.000 Schritte Düsseldorf‘ kombinierte Gemeinschaftsveranstaltungen, digitale Tools, Printmaterialien und Social-Media-Kommunikation, um die KA in den Interventionsstadtteilen zu fördern. Eine Prozessevaluation wurde durchgeführt, um die Reichweite, Akzeptanz, Umsetzung und Aufrechterhaltung der Intervention anhand des RE-AIM-Frameworks durch Surveys und Telefoninterviews zu evaluieren.
Ergebnisse: Am Ende der einjährigen Intervention hatten sich 500 Teilnehmende auf der Programm-Website registriert und insgesamt fast 100 Millionen Schritte erzielt. Zehn externe Organisationen organisierten Schrittwettbewerbe, und die Teilnehmenden führten 20 Challenges durch. Die Social-Media-Plattformen wurden nur mäßig genutzt (337 Instagram-Follower; 35 Facebook-Mitglieder). Die Bekanntheit von Programmmaterialien und Veranstaltungen variierte: 62 % der Teilnehmenden kannten die Veranstaltungen, aber nur 2 % nahmen daran teil. Die Akzeptanz der Intervention durch die Organisationen war sehr gering. Insgesamt antworteten nur 13 % der kontaktierten Organisationen auf die Umfrage, von denen nur 27 % angaben, das Programm zu kennen.
Schlussfolgerung: Die Intervention ‚10.000 Schritte Düsseldorf‘ war erfolgreich bei der Partizipation der Teilnehmenden durch digitale Interventionskomponenten, hatte jedoch Schwierigkeiten bei der Partizipation von Organisationen in den Interventionsbezirken. Zukünftige Interventionen könnten sich auf Strategien für ein breiteres Engagement von Organisationen, eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung und eine bessere Zugänglichkeit der Interventionskomponenten konzentrieren.

Frau Dr. Paula Matos Fialho
Institut für Medizinische Soziologie, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Düsseldorf
#Poster #komplexe Interventionen #Umsetzung #Körperliche Aktivität #Prozessevaluation
4
Hintergrund
Gesundheitsförderung und Prävention auf Quartiersebene erfordern eine präzise Analyse der gesundheitlichen und sozialen Lage sowie struktureller und wahrgenommener Zugangsbarrieren. Kleinräumige Betrachtungen eröffnen neue Perspektiven auf räumliche Disparitäten, die auf aggregierter Ebene häufig verborgen bleiben. Im Innovationsfondsprojekt KAbAPräv_sozial - Gesunde Quartiere 2.0 werden auf Basis eines multimodalen Mixed-Methods-Ansatzes Routinedaten gesetzlicher Krankenkassen, qualitative und quantitative Erhebungen sowie kleinräumige Sozialindikatoren analysiert. Dieser datenbasierte Zugang ist nicht nur zentral für die gesundheitswissenschaftliche Forschung, sondern auch für eine nachhaltige, gesundheitsorientierte Stadtentwicklung.
Im nächsten Schritt sollen die erhobenen Daten in einem digitalen prototypischen Gesundheitsinformationssystem zusammengeführt werden. Ziel ist es, gesundheitsbezogene Ungleichheiten in Hamburger Quartieren sichtbar zu machen und eine zielgruppengerechte, wohnortnahe Kommunikation von Präventionsmaßnahmen zu ermöglichen. Gleichzeitig soll das System Sozialplaner:innen, Raumplaner:innen und Praktiker:innen bei der Maßnahmenkonzeption und Entscheidungsfindung unterstützen.

Methoden
Dieser Projektteil greift die Erkenntnisse des Mixed-Methods-Forschungsprozesses auf und entwickelt in einem iterativen Entwicklungszyklus ein prototypisches digitales Gesundheitsinformationssystem. Dabei werden interdisziplinäre Zugänge zum Themenfeld integriert. Unter anderem sind Wissenschaftler:innen aus dem Gesundheitsbereich, Data Science, Sozialforschung und Stadtplanung beteiligt. In der Planungsphase wurden mittels Literaturrecherche und auf Basis der bisherigen Projekterkenntnisse konzeptionelle Grundlagen und Entwicklungsmeilensteine erarbeitet und in kollaborativem Austausch festgelegt. Die Tool-Entwicklung erfolgt in Rückkoppelung mit dem Forschungsteam der anderen methodischen Zugänge und integriert zusätzlich Praktiker- und Quartiersperspektiven.

Ergebnisse
​​​​​Im Rahmen der bisherigen iterativen Entwicklung wurden drei zentrale Komponenten erarbeitet, um gesundheitsbezogene Ungleichheiten sichtbar zu machen, Präventionsmaßnahmen zielgruppengerecht zu kommunizieren und Maßnahmenkonzeption und Entscheidungsfindung zu unterstützen. Das prototypische digitale Gesundheitsinformationssystem soll folgende Komponenten umfassen:
  1. Web-GIS-Komponente: Ein cloudbasiertes Kartenmodul wird die interaktive Visualisierung gesundheitsrelevanter Daten pro Quartier ermöglichen – inklusive Layer-Steuerung, Filteroptionen und anpassbaren Kartenansichten.
  2. Geostories: Zur narrativen Vermittlung komplexer Zusammenhänge wird ein Storytelling-Format entwickelt, das interaktive Karten, Text und Multimedia-Inhalte verbindet. Beispielsweise könnte eine Geostory den Zusammenhang zwischen Luftqualität und Atemwegserkrankungen datenbasiert und eingängig veranschaulichen.
  3. Bürgerinformation und -partizipation: Die Plattform soll niedrigschwellige Informationsangebote zu lokalen Gesundheitsressourcen bieten und die Sichtbarkeit bestehender Präventionsmaßnahmen fördern. Die Integration von Rückmeldemöglichkeiten könnte als zusätzliches Element die Partizipation der Bevölkerung stärken.

Schlussfolgerungen
Mit dem prototypischen digitalen Gesundheitsinformationssystem soll ein innovativer Beitrag zur evidenzbasierten Gesundheitsplanung auf Quartiersebene geleistet werden. Die Verknüpfung wissenschaftlicher Erkenntnisse mit interaktiven, visuell verständlichen Formaten soll die Kommunikation gesundheitsrelevanter Informationen erleichtern und die zielgruppengerechte Maßnahmenplanung unterstützen. Gleichzeitig kann durch die Plattform ein barrierearmer Zugang zu Informationen für Einwohner:innen sozial benachteiligter Quartiere geschaffen werden. Perspektivisch bietet das System Potenzial zur Übertragbarkeit auf weitere urbane Räume und kann langfristig zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit beitragen. Die Reflexion des Forschungsprozesses zeigt die Dynamik und kontinuierliche Anpassungsbedarfe im Rahmen eines iterativen Entwicklungszyklus, Herausforderungen und Hürden für ähnliche Projekte und hebt zudem die die Bedeutung eines interdisziplinären Zugangs hervor.
Herr Dominic Behde
HafenCity Universität Hamburg, Hamburg
#Poster #Prävention #Mixed-Methods #Geostories #Gesundheitsförderung #Gesundheitsinformationssystem
Do
18 Sep
15:00 - 16:30
SYM17
3. BIöG-Symposium: Verstehen – kooperieren – beteiligen: Partizipation als Schlüssel einer innovativen Prävention und Gesundheitsförderung
Raum: Übungsraum 508 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 106)
Beiträge:
1
Partizipation kommt eine zentrale Bedeutung zu, weil sie maßgeblich zur Qualität in der Forschung und Praxis von Gesundheitsförderung und Prävention beitragen kann. Dadurch erweitert sich das klassische Verständnis von Evidenzbasierung in der Tradition standardisierter Verfahren und quantitativer Ansätze. Potenziale liegen darin die Sichtweisen, Erfahrungen und Lebenswelten von Zielgruppen, eingebunden in konkrete Kontextbedingungen, zu verstehen, also „lokale Evidenz“ [1] zu generieren und zu neuen Formen der Generalisierbarkeit und Gültigkeit zu gelangen. Dies ist gerade bei Zielgruppen relevant, die als vulnerabel und / oder schwer erreichbar gelten (z.B. Kinder und ältere Menschen, Menschen mit Migrationsbiographie, Menschen mit Beeinträchtigungen). Zielgruppen werden dadurch zu Co-Produzenten von Erkenntnissen und Praktiken, wobei die Beteiligungsformen in „Stufen“ [2, 3] beschrieben werden können. Dies ist umso wichtiger in einer offenen und vielfältigen Gesellschaft. Neben partizipativen Ansätzen sind aber auch weitere Formen der Zusammenarbeit bedeutsam, so etwa in der Forschungskooperation zwischen dem Öffentlichen Gesundheitsdienst und der Hochschulforschung, um den Wissenstransfer bidrektional zu stärken.
Für das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) ist Partizipation von Bedeutung, weil es um die Planung und Umsetzung von gemeinwohlorientierten Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention unter der Prämisse der gesundheitlichen Chancengleichheit geht.
Das BIÖG-Symposium führt die Symposiumsreihe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) fort. Es bietet Gelegenheit, methodische Überlegungen zu diskutieren, die Potenziale und Herausforderungen partizipativer Ansätze kritisch zu beleuchten sowie Theorie und Praxis der Prävention und Gesundheitsförderung in den Dialog miteinander zu bringen: Zwei Beiträge bieten Einblicke in die Arbeitsweise des BIÖG im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit: Jonas Blankenagel (BIÖG) präsentiert einen Ansatz aus dem Projekt “Frühe Hilfen qualitätvoll gestalten“, das Partizipation im Bereich der Frühen Hilfen umsetzt. Lydia Lamers und Ria Kortum (BIÖG) zeigen aktuelle Entwicklungen zur Verbesserung der Beteiligung Jugendlicher im BIÖG auf. Ergänzt werden diese durch zwei Beiträge aus dem Kooperationsnetzwerk des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit. Der Beitrag von Enno Swart und Doreen Wolff (Universität Magdeburg) wird Partizipation unter dem Gesichtspunkt der Kooperation zwischen dem Magdeburger Gesundheitsamt und der Versorgungsforschung diskutieren. Abschließend werden Anne Thier (Medizinische Hochschule Brandenburg) und Stefan Schaub (BIÖG) über ihre Forschungsprojekte mit Covid-19-Bezug sprechen, um über „Verstehen“ als Grundbedingung von Partizipation in der Förderung von Krankheitsbewältigung und Resilienz zu diskutieren.

Unter Beteiligung von:
Jonas Blankenagel (Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit): „Partizipation von Familien in den Frühen Hilfen – Wie können partizipative Prozesse in den Frühen Hilfen weiterentwickelt werden?“
Lydia Lamers und Ria Kortum (Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit): „Maßnahmen zur stärkeren Partizipation junger Menschen im Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit“
Enno Swart, Melina Niering, Alexander Brandsch, Isolde Celik, Abdukkadir Hag Rabee, Anja Renar, Ben Schulz und Doreen Wolff (Universität Magdeburg): „Gemeinsam für eine stärkere Verzahnung von Wissenschaft und Öffentlichem Gesundheitsdienst in Magdeburg“
Stefan Schaub (Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit), Anne Thier (Medizinische Hochschule Brandenburg), Lisa Korte (Medizinische Hochschule Brandenburg), Anke Spura (Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit) und Christine Holmberg (Medizinische Hochschule Brandenburg): „Patient*innen als Ko-Produzent*innen von Wissen in der Gesundheitsversorgung“

Moderation: Susanne Jordan (Robert Koch-Institut) und Anke Spura (Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit)

Referenzen

[1] Wright M, Allweiss T, Schwersensky N. Partizipative Gesundheitsforschung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), editor. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. 2021. Available from: https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i085-2.0 .
[2] Wright M. Partizipation: Mitentscheidung der Bürgerinnen und Bürger. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), editor. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. 2020. Available from: https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i084-2.0 .
[3] Trojan A. Bürgerbeteiligung – Die 12-stufige Leiter der Beteiligung von Bürgern an lokalen Entscheidungsprozessen. In GesundheitsAkademie, editor. Bürger aller Städte beteiligt Euch… „Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“? Themenband 2. Bremen: GesundheitsAkademie;1990. p 324.
Frau Anke Spura
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
#Symposium 60 #Partizipation #Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit #Prävention #Gesundheitsförderung #Öffentlicher Gesundheitsdienst #Kinder- und Jugendgesundheit
2
Frühe Hilfen setzen frühzeitig und präventiv an, Familien in ihren Fragestellungen und Lebenslagen zu unterstützen. Um Familien nachhaltig und bedarfsgerecht Angebote machen zu können, ist es sinnvoll die Angebote und Strukturen der Frühen Hilfen partizipativ auszurichten. So können familiäre Ressourcen und Kompetenzen gefördert und Familien direkt einbezogen werden. Die Frühen Hilfen zielen zudem darauf ab, gesundheitliche Chancengerechtigkeit zu fördern und damit langfristig soziale Ungleichheit zu reduzieren. Schon die Grundhaltung in den Frühen Hilfen, niederschwellig, freiwillig und empowernd zu arbeiten, entspricht partizipativem Handeln.
Das Projekt "Frühe Hilfen qualitätvoll gestalten – Prozessbegleitung kommunaler Netzwerke" unterstützt Kommunen bei der Weiterentwicklung kommunaler Netzwerkstrukturen u.a. bezogen auf das Thema Partizipation von Familien in den Frühen Hilfen. Das Projekt orientiert sich zum einen systematisch an den kommunalen Handlungsbedarfen und zum anderen ermöglicht es zu festgelegten Projektzeitpunkten verschiedene Austauschformate der projektbeteiligen Kommunen. So sollen die Akteure der Netzwerke Früher Hilfen bei der Weiterentwicklung einer familienfreundlichen Infrastruktur und im Themenfeld Partizipation unterstützt werden.
Im Vortrag werden Erfahrungen und Erkenntnisse des Begleitungsprozesses dargestellt und ein Mehr-Ebenen-Modell skizziert, was dabei helfen soll, partizipative Prozesse in kommunalen Netzwerken Früher Hilfen zu initiieren oder zu gestalten. Zudem werden im Prozess entwickelte Praxismaterialien für Netzwerke und Fachkräfte vorgestellt.
Herr Jonas Blankenagel
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
#Präsentation
3
In einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft gewinnen die gesundheitlichen Belange von Jugendlichen an ethischer und volkswirtschaftlicher Bedeutung. Aufgrund aktueller Krisen wie Krieg, Inflation und gesellschaftlicher Herausforderungen, ist ein selbstbestimmtes Handeln auf der Grundlage von Selbstwert, Achtung für andere, die Gesellschaft und die Umwelt schwerer zu erlernen. Ein stärkere Jugendbeteiligung fördert den Austausch zwischen und stärkt gleichzeitig persönliche Ressourcen und demokratische Kompetenzen. Die Perspektiven junger Menschen bereits früh in Entwicklungsprozesse für Maßnahmen der Gesundheitsförderung einzubeziehen führt zu lösungsstarken Ideen, innovativer und passgenauer Planung und Entscheidung.

Nach Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention haben alle Kinder und Jugendliche ein Recht auf Beteiligung bei Themen, die sie betreffen, im § 8 SGB VIII ist dies in Bezug auf die Jugendhilfe fest verankert. Umgesetzt wird dieses Recht bisher auf politischer Ebene jedoch nur wenig, auch wenn die Forderungen nach mehr Beteiligungen aktuell so laut sind wie nie zuvor. Der Nationale Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung (NAP) sowie das Bundeskompetenzzentrum für Kinder und Jugendbeteiligung (KomKJB) sollen die Beteiligung auf Bundesebene verbessern. Bereits existierende Strukturen wie Jugendbeiräte verschiedener Ministerien zeigen, dass Jugendbeteiligung vereinzelt verankert ist. Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) beteiligt junge Menschen bisher punktuell an der Entwicklung sowie Bewertung von Maßnahmen, etwa durch Fokusgruppen, Medienentwicklung, Befragungen und Feedback-Formate. Warum die Förderung der Jugendbeteiligung ein wesentlicher Schritt ist, um die Gesundheit und das demokratische Engagement junger Menschen nachhaltig zu stärken, wird in diesem Beitrag diskutiert.
Frau Lydia Lamers
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
Frau Ria Kortum
Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit, Köln
Romance Bassingha
Jugendbeirat des Bundeskompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung, Berlin
#Präsentation
4
Im Rahmen des Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst wurde eine stärkere Zusammenarbeit von Gesundheitsämtern mit Wissenschaft und Forschung angestrebt. Vor diesem Hintergrund wurde 2023 eine Kooperation zwischen dem Gesundheits- und Veterinäramt der Landeshauptstadt Magdeburg und dem Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg initiiert. Ein Ziel ist der Aufbau eines sogenannten Forschungsgesundheitsamtes. Gemeinsam werden unter anderem Routinedaten ausgewertet, neue Forschungsprojekte entwickelt und die amtsinterne Fortbildung unterstützt. Erste Projekte betreffen die Auswertung von Daten der Schuleingangsuntersuchungen, Analysen zur Bewältigung von Mpox und zu Angeboten von Public Mental Health.
Methodisch erfordert die Heterogenität kommunaler Daten eine Balance zwischen Standardisierung und Kontextsensitivität. Die Entwicklung von Auswertungslogiken erfolgt daher iterativ und in enger kontinuierlicher Abstimmung mit Gesundheits- und Veterinäramt. Ziel ist es, lokal nutzbare Evidenz für mehr Transparenz und zur Verbesserung der Leistungsangebote zu generieren. Die konkrete Umsetzung der gemeinsamen Forschungsvorhaben erfolgt durch zahlreiche Qualifizierungsarbeiten (Bachelor, Master, medizinische Dissertationen).
Um auch andere Kommunen einzubinden und landesweit vergleichbare Erkenntnisse zu gewinnen, wurde das für die Gesundheitsberichterstattung zuständige Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt als weiterer Kooperationspartner gewonnen. Als zentrale landesweite Schnittstelle ermöglicht das LAV eine strukturierte Beteiligung weiterer Gesundheitsämter und fungiert als Brücke zwischen Praxis und Forschung. Eine rechtliche Grundlage wurde mit einer Kooperationsvereinbarung geschaffen, die auch projektbezogene Partnerschaften mit anderen kommunalen Akteuren wie dem Jugend- oder Sozialamt zulässt. Hier erfolgt beispielsweise eine Evaluation der Frühen Hilfen.
Trotz struktureller Hürden zeigt sich: Partizipation in der Forschung durch Kooperation stärkt langfristig die Handlungsfähigkeit des ÖGD. Erste Ergebnisse belegen, dass durch gemeinsame Datennutzung und systematische Analysen Leistungstransparenz hergestellt, Versorgungslücken sichtbar gemacht und Maßnahmen gezielter gestaltet werden können. Damit wird die Grundlage gelegt, um Gesundheitsförderung in Sachsen-Anhalt systematisch weiterzuentwickeln, evidenzbasiert, vernetzt und praxisnah.
Herr Prof. Dr. Enno Swart
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg
Frau Doreen Wolff
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Medizinische FakultätInstitut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Magdeburg
#Präsentation
5
Die COVID-19-Pandemie hat zentrale Fragen zur Gesundheitskommunikation aufgeworfen. Dies betrifft u. a. die Kommunikation von Unsicherheiten bei neuartigen Erkrankungen und die Rolle unterschiedlicher Wissensformen. In Phasen begrenzter wissenschaftlicher Evidenz wurde deutlich, dass Erfahrungen von Patienten*innen selbst an Bedeutung gewinnen und als ergänzende Datenbasis zur Erweiterung evidenzbasierter Ansätze herangezogen werden sollten. Ziel dieses Beitrags ist es, die Spannungsfelder und Wechselwirkungen zwischen institutioneller Gesundheits- und Risikokommunikation sowie dem Erfahrungswissen von Patient*innen am Beispiel von COVID-19 sowie Long/Post-COVID zu untersuchen.

(1) Mit einem übergeordneten Blick auf eine wachsende Akteurslandschaft an Expert*innen in der Pandemie setzt das Projekt „Lessons learned from Covid-19. Effective health communication in crisis and beyond” an. Beschrieben werden Lernerfahrungen in der Informationsvermittlung von Expert*innen aus Public Health Instituten, der Politik und wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften. Die Vermittlung wissenschaftlicher Unsicherheit, häufig wechselnde Verordnungen und eine einsetzende Pandemiemüdigkeit sind Faktoren, die die Risikowahrnehmung der Bevölkerung und das Vertrauen in Institutionen messbar beeinflussten.

(2) Die qualitative Studie DIPExCoronaAktuell zeigt am Beispiel Long-/Post-COVID, wie Betroffene angesichts anhaltender Symptome und medizinischer Unsicherheit eigene Handlungsfähigkeit (Agency) entwickeln – etwa durch Wissensaneignung, Peer-Austausch und kreative Alltagsstrategien.

Beide Perspektiven verdeutlichen, dass Patient*innenwissen und -erfahrungen nicht nur berücksichtigt, sondern strukturell eingebunden werden sollten in Phasen großer Unsicherheit. Der Beitrag plädiert für eine partizipative Gesundheitskommunikation, die evidenzbasiertes Wissen mit gelebtem Erfahrungswissen verbindet, um Vertrauen, Teilhabe und Resilienz in aktuellen und zukünftigen Gesundheitskrisen zu stärken.
Herr Stefan Schaub
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln
Frau Anne Thier
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel
#Präsentation
Do
18 Sep
15:30 - 16:00
PW10
Stationäre Versorgung
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1

Hintergrund

Mindestmengen gelten seit 2004 für einige Eingriffe in Krankenhäusern. Ihr Ziel ist durch jährlich einzuhaltende Mindestfallzahlen die Versorgungsqualität bei Eingriffen mit nachgewiesenem Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Fallzahl zu verbessern. In den ersten 10 Jahren seit Einführen der Mindestmengenregelung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wurden die Mindestmengen insbesondere bei Ösophagus- und Pankreaseingriffen (jährlich 10 Eingriffe) von bis zur Hälfte der Krankenhäuser nicht erreicht [1]. Im mehrjährigen Fallzahlverlauf zeigt sich neben Krankenhäusern, die immer oder nie die Mindestmenge einhalten, eine Krankenhausgruppe mit über die Jahre wechselndem Einhalten, von denen im mehrjährigen Mittel ein Teil die nötige Fallzahl erreichte [2]. Seit 2023 sind bei Ösophaguseingriffen 26 und ab 2025 bei Pankreaseingriffen 20 Eingriffe einzuhalten.
Fragestellung: Halten Krankenhäuser nach 12 bis 15 Jahren die Mindestmenge von 10 Eingriffen für Ösophagus- und Pankreaseingriffe ein? Lassen sich weiterhin Krankenhäuser unterscheiden, die die Mindestmenge immer, nie und wechselnd einhalten und welche Krankenhausmerkmale stehen damit in Zusammenhang?

Methode

Längsschnittliche Sekundärdatenanalyse der Mindestmengenangaben der Krankenhausqualitätsberichte der Berichtsjahre 2016, 2017, 2018 und 2019. Die Jahresdatensätze der Qualitätsberichte wurden auf Standortebene verknüpft, validiert [3, 4] und deskriptiv sowie mit multinominalen logistischen Regressionsanalysen ausgewertet.

Ergebnisse

Von 531 Krankenhäusern mit mindestens einem Ösophaguseingriff in den Jahren 2016 bis 2019 halten 23% die Mindestmenge immer (jährlich durchschnittlich 26 Fälle), 21% wechselnd (9 Fälle) und 56% nie (1,3 Fälle) ein; bei Pankreaseingriffen sind dies von 751 Krankenhäusern 43% (33 Fälle), 19% (8,5 Fälle) und 38% (1,2 Fälle). Jeweils 38% der wechselnd einhaltenden Krankenhäuser erreichen im 4-Jahresmittel die Mindestmenge. Bei beiden Eingriffsarten erhöht eine zunehmende Bettenzahl des Krankenhauses die Chance, die Mindestmenge immer statt wechselnd (Ösophagus p<0,001; Odds-Ratio 0,997 95%-KI 0,996-0,998) (Pankreas p<0,001; Odds-Ratio 0,995 95%-KI 0,994-0,996) bzw. nie einzuhalten (Ösophagus p<0,001; Odds-Ratio 0,993 95%-KI 0,992-0,994) (Pankreas p<0,001; Odds-Ratio 0,990 95%-KI 0,989-0,992). Bei Ösophaguseingriffen steigt die Chance, die Mindestmenge nur wechselnd (p<0,013; Odds-Ratio 1,031 95%-KI 1,006-1,057) oder nie (p 0,001; Odds-Ratio 1,041 95%-KI 1,016-1,067) einzuhalten signifikant mit zunehmender Fahrtzeit zum nächsten durchführenden Krankenhaus. Die Trägerart zeigt keine Zusammenhänge mit den 3 untersuchten Krankenhausmerkmalen.

Diskussion

Das Einhalten der beiden Mindestmengen, samt den Anteilen an immer, nie und wechselnd einhaltenden Krankenhäusern, entspricht im Zeitverlauf 2016 bis 2019 den Ergebnissen der Jahre bis 2010 Um Covidpandemie bedingte Fallzahleinflüsse zu vermeiden, kamen die Daten der Jahre 2020 und 2021 nicht in die Auswertung. Für die 20 % wechselnd einhaltenden Krankenhäuser stellt sich die Frage sowohl nach Kooperation statt Konkurrenz mit benachbarten Krankenhäusern, aber auch einem flexibleren, jahresübergreifenden Zeitbezug für die Mindestmengenberechnung. Vor allem die Hälfte bzw. das Drittel zumeist kleinerer und weiter entfernt liegender Krankenhäuser, die die Mindestmenge, mit im mehrjährigen Mittel nur 1 bis 2 Eingriffe, nie erreichen, stoßen wichtige Versorgungsfragen an. In welchem Umfang sind dies Notfalleingriffe bzw. aus welchen anderen Gründen erfolgen diese vereinzelten Eingriffe? Können regionale Kooperationen dazu beitragen, die Eingriffe in weniger Krankenhäusern durchzuführen? Die Fragen zu diesen beiden Krankenhausgruppen werden mit nun deutlich erhöhten Mindestmengen für beide Eingriffsarten voraussichtlich an Bedeutung für die Versorgung zunehmen und damit die Bedeutung eines kooperativen Grundverständnisses als versorgungsorganisierendes Prinzip.

Referenzen

[1] de Cruppé W, Malik M, Geraedts M. Achieving Minimum Caseload Requirements: an Analysis of Hospital Quality Control Reports From 2004-2010. Dtsch Arztebl Int 2014;111:549–55.
[2] de Cruppé W, Geraedts M. Wie konstant halten Krankenhäuser die Mindestmengenvorgaben ein? Eine retrospektive, längsschnittliche Datenanalyse der Jahre 2006, 2008 und 2010. Zentralbl Chir 2016;141:425–32.
[3] Ji L, Geraedts M, de Cruppé W. Internal validation of self-reported case numbers in hospital quality reports: preparing secondary data for health services research. BMC Medical Research Methodology 2024;24.
[4] Ji L, Geraedts M, de Cruppé W. A theoretical framework for linking hospitals longitudinally: demonstrated using German Hospital Quality Reports 2016–2020. BMC Med Res Methodol 2024;24:212.
Herr Dr. Werner de Cruppé
Philipps-Universität Marburg, Institut für Gesundheitsversorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
#Poster #Mindestmengen #Krankenhaus #Versorgungsforschung #Längsschnittstudie #Sekundärdatenanalyse
2

Hintergrund

Die Qualität der stationären Notfallversorgung für Kinder und Jugendliche in Deutschland ist von entscheidender Bedeutung, wobei bislang valide Daten zur Versorgungsrealität aus Patientenperspektive fehlen. Der aktuelle Forschungsstand in Deutschland zeigt eine Lücke bei der Entwicklung eines spezifisch auf Kinder und Eltern zugeschnittenen Patient-Reported Experience Measure (PREM) Instrumentes für den Bereich der Notaufnahmen (1). Diese Forschungslücke verhindert eine evidenzbasierte Weiterentwicklung der Versorgung aus Sicht der Betroffenen.
Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt EDCareKids (Innovationsfonds, Förderkennzeichen 01VSF23042) das Ziel, die Versorgungserfahrungen von akut erkrankten Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern in Notaufnahmen umfassend zu erforschen. Dabei sollen sowohl die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen als auch die zugrundeliegenden Motive für die Nutzung von Notaufnahmen systematisch untersucht werden.

Methode

Der gewählte Forschungsansatz kombiniert qualitative und quantitative Methoden. Zentrale Elemente sind eine umfassende systematische Literaturrecherche, leitfadengestützte Interviews mit Patient:innen (2) und Angehörigen sowie eine quantitative Erhebung in 15 klinischen Notfalleinrichtungen auf der Basis selbst entwickelter zielgruppenspezifischer Fragebögen.

Ergebnisse

Die systematische Literaturrecherche ermöglichte die Identifikation eines evidenzbasierten Patient-Reported Experience Measure (PREM) Erhebungsinstrumentes, das vom Royal College of Paediatrics and Child Health (RCPCH) in Kooperation mit dem Picker Institute Europe entwickelt wurde. Grundprinzip ist der partizipative Ansatz, der explizit ein Instrument "von Kindern für Kinder" schafft und die Perspektiven pädiatrischer Patient:innen von Anfang an in den Entwicklungsprozess integrierte (3).
Auf Basis der Literaturanalyse und der Interviews wurden zwei zielgruppenspezifische Fragebögen u.a. in Anlehnung an Picker und RCPCH entwickelt und ins Deutsche übersetzt: ein Instrument für Kinder und Jugendliche im Alter von 8–17 Jahren sowie ein Fragebogen für Eltern von Kindern im Alter von 0–7 Jahren. Diese Instrumente adressieren die zentralen Forschungsfragen und fokussieren sich auf die Optimierung der Versorgung aus Patientenperspektive sowie die Motive der Notaufnahmeinanspruchnahme. Um eine breite Partizipation zu gewährleisten, wurden ddie Fragebögen für Patient:innen mit Migrationshintergrund in mehrere Muttersprachen übersetzt

Diskussion

Die im Projektverlauf entwickelten Fragebögen ermöglichen erstmals eine differenzierte Erfassung der Patientenerfahrungen in der Kindernotfallversorgung in Deutschland. Die gewonnenen Daten liefern außerdem Ursachenmuster der Inanspruchnahme, die als Grundlage für die bedarfsgerechte Ausgestaltung von Notfallstrukturen – insbesondere unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen an Kinderkliniken– dienen können.
Damit leistet das Projekt einen Beitrag zur Weiterentwicklung einer patientenzentrierten und bedarfsgerechten Notfallversorgung für Kinder und Jugendliche in Deutschland.

Referenzen

[1.]    Mihaljevic AL, Michalski C,
Kaisers U, Strunk G. Patientenorientierung. Chirurgie (Heidelb) 2022;
93(9):861–9. DOI: 10.1007/s00104-022-01629-4 . [2.]    Angela Ulrich, Enno Swart,
Denis Schewe, Jacqueline Bauer, Susanne Drynda, Annemarie Feißel. Erfahrungen
mit der Notfallversorgung von Kindern und Jugendlichen aus der Perspektive der
Angehörigen: eine qualitative Erhebung im Rahmen der EDCareKids-Studie. In:
Abstractbuch 24. Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für
Intensiv- und Notfallmedizin e.V. Kompetenz im Team: Innovation trifft
Erfahrung. S. 71 [Stand: 26.03.2025]. Verfügbar unter:
https://www.divi24.de/images/2024/Dokumente/DIVI_Abstractbuch_2024_web.pdf. [3.]     Patient Reported Experience
Measure (PREM) for urgent and emergency care [Stand: 05.03.2025]. Verfügbar unter:
https://www.rcpch.ac.uk/resources/patient-reported-experience-measure-prem-urgent-emergency-care.
Frau Angela Ulrich
Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung (ISMG) Med. Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg
#Poster #Kindernotaufnahme #Patientenperspektive #Befragung #Versorgungsqualität
3
Hintergrund: Sepsis ist eine komplexe und lebensbedrohliche Erkrankung, die zumeist nicht mit der Entlassung aus der stationären Akutversorgung endet, sondern mit langfristigen physischen, psychischen und kognitiven Defiziten einhergeht [1]. Folglich ist eine an die Akutversorgung anschließende, ganzheitliche Rehabilitation und Nachsorge von essenzieller Bedeutung. Die Realisierung einer ganzheitlichen (Weiter-)Behandlung erfordert einen effektiven und nahtlosen Übergang zwischen den beteiligten Versorgungssektoren. Die vorliegende Studie beleuchtet strukturelle Herausforderungen an der Schnittstelle von Akutversorgung, Rehabilitation und Nachsorge nach überlebter Sepsis sowie mögliche Lösungsansätze.

Methode: Zwischen Februar und Juni 2024 wurden fünf Online-Fokusgruppendiskussionen mit 28 Versorgungsakteur:innen verschiedener Sektoren und Fachdisziplinen geführt (u.a. Intensiv-, Rehabilitationsmediziner:innen, Hausärzt:innen). Im ersten Schritt jeder Fokusgruppe identifizierten die Teilnehmenden Herausforderungen für einen optimalen Sektorenübergang zwischen der akuten und post-akuten Versorgung von Sepsis-Patient:innen. Um realisierbare Optimierungsansätze aufzuzeigen, bewerteten sie im zweiten Schritt die benannten Herausforderungen im Hinblick auf ihre Wichtigkeit sowie Lösbarkeit. Für drei Herausforderungen, deren Relevanz und gleichzeitig Lösbarkeit von den Behandler:innen als hoch eingestuft wurden, erfolgte anschließend eine Diskussion möglicher Optimierungspotentiale.
Die Fokusgruppen wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse [2] sowie thematischer Analyse [3] ausgewertet.

Ergebnisse: Im Rahmen der Analyse konnten insgesamt neun Kategorien an Herausforderungen bei der Schnittstelle von Akutversorgung, Rehabilitation und Nachsorge identifiziert werden (u.a. Komplexität der Sepsis-Behandlung, überlastete Ressourcen im ambulanten Sektor, Orientierung auf Wirtschaftlichkeit). Die sektorenübergreifende Kommunikation und Kollaboration wurde in allen Fokusgruppen als wichtigste sowie lösbarste Herausforderung bewertet (Unterkategorien z.B.: ineffiziente Kommunikationskanäle; mangelnde Aktualität der Patient:inneninformationen). Als Optimierungsvorschläge wurden hier z.B. der Ausbau gemeinsamer digitaler Kommunikationsstrukturen/-kanäle und die Einführung interdisziplinärer/-sektoraler Sepsis-Fallkonferenzen konform zu bereits etablierten Tumorkonferenzen diskutiert. Großes Potential sahen die Teilnehmenden auch bei dem zukünftig breiteren Einsatz der elektronischen Patient:innenakte, welche eine kohärentere und informiertere Versorgung ermöglichen könnte.
In drei Fokusgruppen bewerteten die Behandler:innen zudem die Herausforderung, den Sepsis-Patient:innen eine bedarfsorientierte Rehabilitation zu ermöglichen, als wichtig und gleichzeitig lösbar (Unterkategorien z.B.: Unter-/Fehlversorgung von Sepsis-Patient:innen in bestimmten Rehabilitationsformen; fehlende Möglichkeit, die Rehabilitationsanmeldung/-therapie an den Krankheitsverlauf anzupassen). Um bedarfsorientiert auf die individuellen Behandlungsverläufe der Sepsis-Patient:innen reagieren zu können, wäre aus Versorgendenperspektive z.B. die Einführung eines zentralen Anmeldeportals sowie ein flexiblerer Rehabilitationsbeginn wertvoll.
Die Teilnehmenden resümierten, dass Sepsisüberlebende einen hohen (Weiter-)Betreuungsbedarf aufweisen und somit faktisch alle eine Rehabilitationsmaßnahme benötigen würden. Dies erfordert ein an den individuellen Versorgungsbedarf adaptiertes Entlassmanagement. Eine bedarfsorientierte (Weiter-)Versorgung würde allerdings durch das Fehlen einer spezialisierten Sepsis-Rehabilitation bzw. einer entsprechenden Sepsis-Rehabilitationsdiagnose erschwert.

Diskussion: Zur Vermeidung von Unter-/Fehlversorgung von Sepsisüberlebenden nach stationärem (Akut-)Aufenthalt sollten insbesondere die Kommunikation gestärkt und das gegenwärtige Rehabilitationskonzept an die Bedürfnisse von Sepsis-Patient:innen angepasst werden.
Grundlegend ist für einen erfolgreichen (post-akuten) Behandlungs- und Genesungsverlauf eine interdisziplinäre, sektorenübergreifende und bedarfsorientierte Zusammenarbeit essenziell. Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit eines holistischen, flexibleren Versorgungssystems, das die identifizierten Schnittstellenprobleme adressiert und damit die Versorgungsqualität für Sepsisüberlebende nachhaltig verbessert.

Referenzen

[1] Fleischmann-Struzek C, Rose N, Freytag A, et al. Epidemiology and Costs of Postsepsis Morbidity, Nursing Care Dependency, and Mortality in Germany, 2013 to 2017. JAMA Netw Open 2021; 4(11): e2134290.
[2] Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2012.
[3] Braun V, Clarke V. Using thematic analysis in psychology. Qualitative Research in Psychology 2006; 3(2):77–101.
Frau Lena Kannengießer
Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg
#Poster #Sepsisversorgung #Sektorenübergang #Rehabilitation #Optimierungsbedarfe #Fokusgruppen
4

Hintergrund

Sepsis ist ein lebensbedrohlicher Notfall, der eine frühzeitige Diagnose und Therapie erfordert. Dem Rettungsdienst (RD) kommt dabei eine zentrale Rolle zu. In der Versorgung ist neben der Detektion eines möglichen Infektionsherds auch die Berücksichtigung möglicher prädisponierender Faktoren in der Patient:innen-Vorgeschichte von entscheidender Bedeutung [1]. Im Rahmen der Innovationsfonds-geförderten AVENIR-Studie (Fkz. 01VSF21031) werden Versorgungspfade von Sepsispatient:innen und mögliche Verbesserungsansätze analysiert [2].

Methode

Es soll untersucht werden, welche ambulanten und stationären medizinischen Leistungen einer RD-Notfallversorgung von Sepsispatient:innen vorausgingen. Ausgangspunkt stellen hierfür u. a. Informationen zu RD-Kontakten (komplette Einsatzprotokolle oder Zusammenstellung einsatztaktischer Informationen) von drei RD-Organisationen der bayerischen und baden-württembergischen Boden- (75 Kreisverbände) und Luftrettung (9 Standorte) der Jahre 2017 - 2021 dar. Um die vorangegangene (und nachfolgende) Versorgung abbilden zu können, werden Informationen zu RD-Kontakten mit GKV-Routinedaten der AOK Bayern und AOK Baden-Württemberg sektorenübergreifend (u. a. stationäre Krankenhausbehandlung gemäß §301 SGB V, vertragsärztliche Versorgung gemäß §295 SGB V) personenbezogen verknüpft. Sepsisfälle werden in den GKV-Routinedaten über Diagnosen und OPS-Codes der sich an einen RD-Kontakt anschließenden stationären Behandlungen identifiziert. Die GKV-Routinedaten umfassen die Jahre 2016 - 2022. Somit kann die RD-Notfallversorgung um jeweils mindestens ein Jahr vor- und nachbetrachtet werden.

Ergebnisse

Insgesamt konnten für 881.172 RD-Kontakte GKV-Routinedaten aus verschiedenen Versorgungssektoren von 582.187 versicherten Personen verknüpft werden. Für 537.502 (92,3 %) dieser Versicherten mit einem oder mehreren RD-Kontakten bei den berücksichtigten RD-Organisationen konnte im Gesamtzeitraum mindestens eine Krankenhausbehandlung in den stationären Leistungsdaten identifiziert werden (ambulante vertragsärztliche Leistungen: 581.329, 99,9 %). Darüber hinaus liegen für 37,8 % (n=219.999) dieser GKV-Versicherten Informationen über eine Form der Pflegebedürftigkeit nach SGB XI vor und 32,5 % (n=189.148) der Personen erhielten innerhalb des Beobachtungszeitraums mindestens eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung. Bei den genannten Anteilen ist das Einschlusskriterium mindestens eines RD-Kontakts im Zeitraum 2017 bis 2021 zu beachten.

Diskussion

Die Datenbasis ist geeignet, um Versorgungsereignisse im Vorfeld eines RD-Kontaktes abzubilden. Mit ihr sollen vorausgegangene Diagnosen und Behandlungen (z.B. Leistungen gem. EBM) von im Anschluss im Rettungsdienst versorgten Patient:innen mit und ohne eine Sepsiserkrankung vergleichend betrachtet werden. Ausgehend von bisherigen Studien [3], kann erwartet werden, dass bei etwa 2% der RD-Kontakte im Anschluss an den RD-Einsatz stationär eine Sepsis dokumentiert wird.
Die Erkenntnisse der Untersuchung können für eine Bewertung frühzeitiger Hinweise und prädisponierender Faktoren auf eine Sepsis in der ambulanten und klinischen Vorgeschichte (z. B. in der Anamnese im Rettungsdienst) herangezogen werden und somit zu einer frühzeitigen Identifikation und initialen Therapieeinleitung in der RD-Notfallversorgung und zu einem verbesserten Outcome von akut Sepsiserkrankten beitragen.

Referenzen

[1] Uhle F, Lichtenstern C, Brenner T, Weigand MA. Sepsis und Multiorganversagen - Pathophysiologie der Sepsis. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50(2):114–22. DOI: 10.1055/s-0041-100391 .
[2] Fleischmann-Struzek C, Rose N, Ditscheid B, Draeger L, Dröge P, Freytag A et al. Understanding health care pathways of patients with sepsis: protocol of a mixed-methods analysis of health care utilization, experiences, and needs of patients with and after sepsis. BMC Health Serv Res 2024; 24(1):40. DOI: 10.1186/s12913-023-10509-4 .
[3] Piedmont S, Goldhahn L, Swart E, Somasundaram R, Bauer W. Sepsis im Rettungsdienst: Ihre Relevanz und Früherkennung; 2021. Verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.13140/RG.2.2.12413.28645 .
Herr Ruben Ulbrich
Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Magdeburg
#Poster #Sepsisversorgung #Rettungsdienst #Versorgungspfad #Routinedaten
Do
18 Sep
16:00 - 16:30
PW11
Familien, Kinder & Jugendliche
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1
Einleitung
Im Übergang zur Elternschaft erleben viele Eltern psychische Belastungen (Forster, 2021), die in manchen Familien mit zusätzlichen Faktoren wie Armut, sozialer Isolation oder migrationsspezifischen Herausforderungen einhergehen. Dies kann sich unter anderem negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung und die Kindesentwicklung auswirken. Ein chancengleicher Zugang zu angemessenen Unterstützungsangeboten ist unerlässlich. Im Raum Winterthur existieren verschiedene Unterstützungsangebote für Eltern in der peripartalen Lebensphase. Ein chancengleicher, niederschwelliger Zugang, insbesondere für Personen mit psychischen Belastungen, ist jedoch bisher nicht gewährleistet, hauptsächlich aufgrund von Kapazitätsbeschränkungen und unzureichender Koordination (Goldberger, 2022).
Ziele
Das Projekt zielt auf eine nachhaltige Transformation im Bereich der Unterstützung von psychisch belasteten Familien in der peripartalen Lebensphase. Durch die Entwicklung eines bedürfnisorientierten Angebots unter Einbindung von betroffenen Familien, Fachpersonen und bestehenden Netzwerken aus der Community wird eine umfassende Vernetzung angestrebt, um Synergien zu nutzen und somit langfristige Veränderungen in der Unterstützungslandschaft zu bewirken.
​​​​​
Methodik
Im Projekt wurde mit einem partizipativen Ansatz, dem Design-Thinking, ein Konzept für eine Angebotsstruktur entwickelt, die Eltern mit psychischen Belastungen in der peripartalen Phase niederschwellige, bedarfsorientierte Unterstützung ermöglicht. Das Vorgehen gliederte sich in drei Phasen:
Phase: Bedarfsanalyse und Identifizierung von Angeboten
Phase: Konzeptentwicklung eines Angebots unter Einbezug von betroffenen Familien, Stakeholdern und Peers in der Community
Phase: Konzept-Testing mit betroffenen Familien, Fachpersonen aus der Community

Ergebnisse

Im Round Table wurden Erfahrungen und Bedürfnisse erfasst, sowie bestehende Services und Angebote diskutiert. Diese Informationen bildeten die Grundlage für die projektbezogenen Personas (fiktive Charaktere, die verschiedene Nutzertypen repräsentieren) und Journeys (detaillierte Beschreibungen der Nutzerinteraktionen mit Angeboten über einen bestimmten Zeitraum) und halfen uns, die Zielgruppe besser zu verstehen. Basierend darauf wurden in einem Co-Creation Workshop mit der Community Konzepte erarbeitet, aus denen drei finale Angebotsprototypen erstellt wurden. Die Prototypen wurden als Angebot ausgearbeitet und in einem weiteren Workshop betroffenen Familien und spezifische Fachpersonen vorgestellt und so auf ihre Anwendbarkeit getestet. Nach dieser Testphase erfolgte die Evaluation anhand der gewonnenen Rückmeldungen und weiteren nutzer:innenzentrierte Anpassungen der Prototypen konnten vorgenommen werden. Somit können wir drei finale Konzeptprototypen vorstellen:

Der erste Prototyp dient der Stärkung des Bewusstseins für die Problematik während der Ausbildung und ermöglicht die Auseinandersetzung mit der Community und der Thematik in einem Wahlmodul an der ZHAW.
Der zweite Prototyp unterstützt durch die Implementation von Lots:innen in die Praxis das Screening auf Belastungsfaktoren und die bedarfsgerechte Vermittlung von Unterstützungsangeboten. Hier wird eine Zusammenarbeit mit dem Angebot beni (https://www.peribass.ch/projekt-perma) angestrebt.
Der dritte Prototyp unterstützt die Ausarbeitung, Präzisierung und Bekanntmachung einer Netzwerklandkarte durch die Erstellung einer entsprechenden Marketingstrategie im Rahmen einer Bachelorarbeit.
​​​​​
Schlussfolgerung
Durch den aktiven Einbezug der betroffenen Familien, Fachpersonen und bestehenden Netzwerken aus der Community konnte ein Bewusstsein für die Bedürfnisse der Stakeholder geschaffen und eine Vernetzung zwischen ihnen etabliert werden. Mit diesem Projekt wurde ein Grundstein gelegt: Das Projekt konnte Lücken bzw. Schwachstellen im System identifizieren und gleist erste Lösungswege auf. Sobald eine weiterführende Finanzierung sichergestellt ist, gilt es als nächsten Schritt, die angepassten Prototypen in der Praxis einzubinden und ihren Nutzen in einer Pilotphase wissenschaftlich zu evaluieren.

Referenzen

[1] Forster F. Psychische Störungen bei Frauen im Kontext der Elternschaft. Psychatrie+Neurologie 2023(4):12-16.
[2] Goldberger S. Was tun, wenn Mama nicht mehr kann. Eine Situationsanalyse von bestehenden Präventionsmassnahmen zu postpartaler Depression sowie Handlungsbedarf im Kanton Zürich. ZHAW 2022. Available from: https://digitalcollection.zhaw.ch/items/e8be0e7f-ff05-4879-80de-ad350dfefa9e.
[3] beni.swiss (Internet). Winterthur: Verein peribass; (cited 2025, March 20). Available from: https://www.beni.swiss/
Frau Anja Pfister
ZHAW Gesundhiet, Winterthur
Frau Dipl.-Psych. Katrin Oberndörfer
ZHAW Gesundhiet, Winterthur
#Poster #psychische Gesundheit
2
Hintergrund: Um eine effiziente, leitliniengerechte und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, können Anpassungen von Prozess- und Arbeitsabläufen sowie die Integration digitaler Technologien in Arbeitsprozesse erforderlich werden. Dies kann im Setting der Behandlung von Kindern und Jugendlichen in der Notaufnahme zu besonderen Herausforderungen führen, die neben Mitarbeitenden und Patient*innen auch die Gruppe der Eltern betreffen.Zielsetzung war eine systematische Recherche zu Faktoren, die einen förderlichen oder hemmenden Einfluss haben, auf die Akzeptanz der Eltern bzw. des Krankenhauspersonals bei der Prozessimplementierung bzw. Neustrukturierung von Arbeitsabläufen für Kinder und Jugendliche in der Notaufnahme.

Methodik: Im Januar 2025 fand eine systematische Literaturrecherche in der Datenbank Medline über die Oberfläche Pubmed statt. Eingeschlossen wurden Studien, die die Einführung von strukturierten Prozessabläufen in der Notaufnahme von Kindern und/oder Jugendlichen untersuchen und sich mit Akzeptanz, Barrieren und/oder förderlichen Faktoren auf Seiten von Mitarbeitenden, Kindern und Jugendlichen oder Eltern beschäftigen und in den Sprachen Deutsch oder Englisch veröffentlicht wurden. Die Studienselektion erfolgte gestuft anhand von Titel und Abstract und im Volltext. Die eingeschlossenen Studien wurden anhand der untersuchten Outcomes gruppiert und kategorisiert.

Ergebnisse: Die Recherche ergab 286 Treffer, davon erfüllten 10 Studien die Einschlusskriterien, darunter eine systematische Übersichtsarbeit zu kommunikativen Abläufen im Entlassmanagement. Die Studien untersuchen die Einführung neuer Arbeitsprozesse in Form von klinischen Behandlungspfaden (n=3), digitaler Entscheidungsunterstützung (n=2), Integration telemedizinischer Aspekte (n=2) sowie sonstige Formen (=2). Die Studien verwendeten qualitative (n=3) oder quantitative Verfahren (n=6) zur Datenerhebung. Allgemeine und interventionsspezifische Umsetzungsbarrieren wurden vor allem aus Perspektive der Ärzte und seltener aus Perspektive der Pflegekräfte oder Angehörigen erhoben. Ärzteseitige Barriere war beispielsweise die Befürchtung, dass die neuen Versorgungsprozesse zu Fehlern führen könnten. Eine Barriere auf Seiten der Pflegekräfte war die Befürchtung zunehmender Arbeitsbelastung. Eine angehörigenseitige Barriere war der Wunsch nach bestimmten Behandlungsformen.

Diskussion: Die Evidenzlage ist in Bezug auf die Art der neu eingeführten Prozesse und die verwendeten Methoden heterogen. Mehrheitlich fokussieren sich die Studien auf die Perspektive der Ärzte, während andere Berufsgruppen oder die Patient*innen und deren Angehörige eine untergeordnete Rolle einnehmen. Zukünftige Analysen zur Prozessimplementierung in der Notaufnahme von Kindern und Jugendlichen sollten die Patient*innen- bzw. Angehörigenperspektive einbeziehen. Zudem sollte bei der Prozessimplementierung auch die Perspektive des nichtärztlichen Personals einbeziehen.
Frau Dr. Silke Neusser Dipl.-Soz.
Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
#Poster #Systematic Review #Prozessevaluation #craniocerebral trauma #emergeny room #Children #adolescents
3
Die Kommunikation mit Eltern spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung der sexuellen Gesundheit von Jugendlichen. Dennoch ist diese Kommunikation häufig durch eine Vielzahl individueller und kontextueller Barrieren eingeschränkt. Diese systematische Übersicht fasst berichtete Hemmnisse und förderliche Faktoren in der Eltern-Jugendlichen-Kommunikation über sexuelle Gesundheit zusammen.

Im Rahmen einer umfassenderen systematischen Übersicht zur Beteiligung von Eltern an Studien zur sexuellen Gesundheit Jugendlicher wurde eine Literaturrecherche in neun Datenbanken durchgeführt. Insgesamt wurden 1849 Studien gescreent, 41 Studien wurden eingeschlossen. Berücksichtigt wurden peer-reviewte Artikel, die zwischen 2000 und 2023 veröffentlicht wurden. Eingeschlossen wurden Studien, die sich auf Eltern von Jugendlichen (im Alter von 10–19 Jahren) konzentrierten und explizit kommunikationsbezogene Herausforderungen oder unterstützende Faktoren thematisierten. Die Qualität der Studien wurde mithilfe der QualSyst-Checkliste bewertet. Für die vorliegende Synthese wurde ein thematischer Teildatensatz aus den eingeschlossenen Studien analysiert, der sich gezielt mit Kommunikationsbarrieren und -förderern befasst.

Barrieren der Kommunikation zwischen Eltern und Jugendlichen bezogen sich auf: (a) elterliche Sichtweisen (z. B. traditionelle Geschlechterrollen, Unbehagen bei sexuellen Themen), (b) elterliche Merkmale (z. B. fehlendes Wissen, emotionale Unsicherheit) und (c) Merkmale der Jugendlichen selbst (z. B. von den Eltern wahrgenommene Unreife oder Desinteresse). Förderliche Faktoren umfassten unter anderem das Bewusstsein der Eltern für ihre kommunikative Rolle sowie die Entwicklung einer offeneren und positiveren Haltung gegenüber der sexuellen Gesundheit von Jugendlichen. Insgesamt wurden Barrieren deutlich häufiger berichtet als förderliche Faktoren.

Die Ergebnisse zeigen eine Vielzahl struktureller, interpersoneller und individueller Faktoren die offene Kommunikation zwischen Eltern und Jugendlichen zur sexuellen Gesundheit erschweren kann. Förderliche Bedingungen werden vergleichsweise selten thematisiert und meist nur knapp beschrieben. Die Erkenntnisse können zu einem differenzierteren Verständnis bestehender Kommunikationsdynamiken beitragen und Impulse für passgenaue Unterstützungsstrategien liefern. Weitere Forschung ist erforderlich, um Wege aufzuzeigen, wie förderliche Faktoren gezielt gestärkt und praktisch umgesetzt werden können.
Frau Marlene Mühlmann
Lehrstuhl Gesundheit und Prävention, Institut für Psychologie, Universität Greifswald, Greifswald
Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit, Greifswald
#Poster #Sexuelle Gesundheit #Eltern-Kind-Kommunikation #Systematic Review #Kinder und Jugendliche
4

Hintergrund

Die Frühen Hilfen sind ein deutschlandweit etabliertes Netzwerk, das werdenden und jungen Familien einen niedrigschwelligen Zugang zu freiwilligen Unterstützungsangeboten bieten soll [1]. Studien haben gezeigt, dass sie trotz aller Wirksamkeit ihr Potential nicht ausschöpfen und viele Familien, die von einer Unterstützung profitieren würden, nicht erreicht werden [2]. In Magdeburg werden im Rahmen der Frühen Hilfen Angebote vom Jugendamt koordiniert [3]. In der vorliegenden Untersuchung wird erstmalig die Standarddokumentation aus Magdeburg zur Analyse häufiger Beratungsanlässe und Charakteristika der Hilfesuchenden sowie Verlauf und Ergebnis der Beratungen genutzt, um daraus Ansatzpunkte für die Verbesserung des Angebots abzuleiten.

Methode

Das Jugendamt Magdeburg stellte im Rahmen eines Kooperationsvertrags zwischen der Stadt und der Universitätsmedizin Magdeburg die von Fachkräften standardisiert erhobenen Daten in pseudonymisierter Form für die Jahre 2022 und 2023 zur Verfügung. Insgesamt 146 abgeschlossene Betreuungsfälle wurden bezüglich soziodemografischer/-ökonomischer Aspekte, Zugangsweg, Betreuungsdauer, Problemlagen und Umständen der Fallbeendigung kategorisiert und analysiert. 
Der Einfluss von u.a. Problemlagen auf Betreuungsdauer und Erfolg wurde untersucht, ebenso der Einfluss von Belastungsfaktoren (z.B. Alleinerziehung, junge Mütter) auf die Unterstützungsumstände, um Determinanten des Betreuungserfolgs herauszuarbeiten.
​​​​​

Ergebnisse

Die meisten Fälle gehen auf Eigeninitiative der Familien zurück (38%), gefolgt von Familienhebammen (18%) und dem Jugendamt (11%). Auffallend wenig Betreuungsfälle kommen über Kliniken (6%) und Kinderärzte (3%) zustande. 51% der Hilfesuchenden sind maximal 25 Jahre alt , ein knappes Viertel (23%) sogar unter 20 Jahre. Familien mit mindestens drei Kindern sind häufig vertreten (25%). Bildungsferne und sozioökonomisch schwache Bevölkerungsteile (73% maximal Hauptschulabschluss, 69% ohne Berufsabschluss, 78% erwerbslos) machen den Hauptteil der Fälle aus. In nahezu allen Familien wurden Erziehungsschwierigkeiten berichtet (90%), gefolgt von sozial niedrigen Bedingungen (75%) und psychischen Problemen und Suchtproblematiken (53%). Die durchschnittliche Betreuungsdauer beträgt 11 Monate und ist erhöht bei psychischen Problemen und Suchterkrankungen, jungen und älteren Eltern. Über 70% der Fallbeendigungen erfolgen regelhaft. In 61% der Fälle bewerten die Fachkräfte die Situation als verbessert, in 15% wird eine Verschlechterung berichtet.
Indikatoren für eine verbesserte familiäre Situation sind Migration, psychische Erkrankungen kombiniert mit Suchtproblematiken, minderjährige und alleinerziehende Mütter; eine Verschlechterung ist häufig bei psychischer Problematik und Sucht zu beobachten, wenn diese getrennt voneinander auftreten.

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Diskussion

Eine Verbesserungsquote von über 60% spricht für eine Wirksamkeit der Frühen Hilfen in Magdeburg. Es ist davon auszugehen, dass durch dieses Angebot in vielen Fällen ein härteres Eingreifen des Jugendamtes abzuwenden ist.
Gleichwohl scheint auch in Magdeburg das Potential der Frühen Hilfen noch nicht ausgeschöpft. Damit bleibt die Frage, wie mehr Familien erreicht werden können. Auf diese Arbeit aufbauende derzeit laufende Interviews von Fachkräften, zuweisenden Netzwerkpartnern und Familien werden das Bild vervollständigen und weitere Verbesserungspotentiale aufdecken.
Für eine vertiefende Analyse werden vom Jugendamt zusätzliche Daten für das Jahr 2024 zur Verfügung gestellt. Mit dem Abschluss der Analysen ist zum Sommer 2025 zu rechnen.

Referenzen

[1] elternsein.info [Internet]. Nationales Zentrum Frühe Hilfen. Was sind Frühe Hilfen? [cited 2025 Mar 16]. Available from: https://www.elternsein.info/fruehe-hilfen/was-sind-fruehe-hilfen/
[2] Schmid R. Frühe Hilfen wirken, können ihr Potenzial aber nicht voll entfalten. Pädiatrie 33, 60–61 (2021). https://doi.org/10.1007/s15014-021-3919-7.
[3] kinder-in-magdeburg.de [Internet]. Online-Präsenz der Landeshauptstadt Magdeburg. Frühe Hilfen Magdeburg  [cited 2025 Mar 16]. Available from: https://www.kinder-in-magdeburg.de/
Herr Alexander Brandsch
Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Magdeburg
#Poster #Frühe Hilfen #Magdeburg #Evaluation
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
Panel1
Public Health zwischen Frieden und Krieg – ein Spannungsfeld
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Beitrag:
1
Ausgerichtet vom Zukunftsforum Public Health (ZfPH) und ASPHER

Zunehmende geopolitische Spannungen lassen bewaffnete Konflikte unter Einbezug Deutschlands wieder denkbar erscheinen.
Damit stellt sich für die Public-Health-Community eine neue Herausforderung: Wie können Gesundheitssysteme und -strukturen unter veränderten sicherheitspolitischen Bedingungen widerstandsfähig bleiben, ohne dass Public Health selbst zum sicherheitspolitischen Instrument wird?
Public Health steht somit vor einem Dilemma: Aus idealistischer Sicht ist Public Health den Zielen der Ottawa-Charta verbunden – und damit dem Frieden verpflichtet. Die aktuell verbreitete Forderung nach umfassender Aufrüstung erscheint aus dieser Perspektive als problematische Umlenkung von Ressourcen zulasten sozialer Gerechtigkeit, Bildung und Teilhabe. Aus realpolitischer Perspektive hingegen kann der Schutz der Bevölkerung auch hohe Investitionen in militärische Kapazitäten und kriegsfeste zivile Strukturen erfordern, um Gewalt zu verhindern und internationale Rechtsnormen zu sichern.
Die Public-Health-Community muss konstruktiv diskutieren, wie sie ihre ethischen Grundsätze wahren und dennoch unterschiedliche Positionen integrieren kann. Wichtige Schritte dazu können sein, Begriffe wie Schutz, Sicherheit und Resilienz aus der eigenen fachlichen Logik heraus zu definieren, aber auch die eigene Rolle und Aufgaben kritisch an den Realitäten zu messen.
Leitfragen, die wir adressieren möchten:
  • Angesichts der aktuellen Entwicklungen, etwa wachsender Aufrüstung und geopolitischer Spannungen: Müssen Prioritäten im Bereich Public Health neu gesetzt werden?
  • Welche kurz- und langfristigen Folgen hat eine Verschiebung von Ressourcen – etwa zugunsten militärischer Ausgaben – für Public Health, national wie global?
  • Wie lassen sich Public-Health-Ziele mit Sicherheits- und Verteidigungspolitik vereinbaren – oder stehen sie (unlösbar) im Widerspruch?
  • Wie lässt sich ein möglicher Widerspruch aushalten – und wie bleiben wir darüber auch mit unterschiedlichen Positionen im Gespräch?
Input: Prof. Dr. Oliver Razum, Universität Bielefeld

Podium: Prof. Dr. Lars Schaade, Präsident des Robert Koch-Instituts
Dr. Katalyn Roßmann, Sanitätsakademie der Bundeswehr
N.N.

Moderation: Prof. Dr. Susanne Moebus, Universitätsmedizin Essen
Herr Prof. Dr. Oliver Razum
Universität BielefeldFakultät f. Gesundheitswissenschaften, Bielefeld
Frau Susanne Moebus
Institut für Urban Public Health, Universitätsmedizin Essen, Universität Duisburg-Essen, Essen
#Panel
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
VS14
Digitale Transformation im Gesundheitswesen
Digitale Transformation im Gesundheitswesen
Raum: Hörsaal 3 (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 210)
Beiträge:
1

Hintergrund

Die Implementierung digitaler Lösungen im Gesundheitswesen bietet erhebliche Potenziale zur Steigerung der Effizienz sowie Qualität von Versorgungsprozessen, insbesondere in Hinblick auf knapper werdende Ressourcen und einen gleichzeitig steigenden Bedarf an Gesundheitsleistungen. Doch Deutschland liegt in der Implementierung digitaler Lösungen im internationalen Vergleich trotz zahlreicher gesetzgeberischer Initiativen und ausreichender finanzieller Mittel weit zurück. Die Integration digitaler Innovationen in bestehende, häufig veraltete Strukturen sowie die Fragmentierung und unterschiedliche Interessenlagen relevanter Akteure im Gesundheitswesen stellen hierbei zentrale Herausforderungen dar. Andere Länder - in Europa und weltweit – zeigen wie digitale Transformation im Gesundheitswesen erfolgreich gestaltet werden kann. Somit kann ein systematischer Blick auf internationale Erfahrungen wertvolle Impulse für die Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem liefern.
Ziel der Studie ist es, anhand internationaler Fallstudien Tipping Points und Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation im Gesundheitswesen zu identifizieren, diese hinsichtlich ihres Transferpotenzials für das deutsche Gesundheitssystem zu analysieren und darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger:innen zu entwickeln.

Methode

Im Rahmen eines Mixed-Methods-Designs werden neun internationale Fallstudien durchgeführt. Die Fallauswahl erfolgte anhand eines dreistufigen, kriteriengeleiteten Verfahrens und umfasst vier europäische (Estland, Dänemark, Polen, Portugal) sowie fünf außereuropäische Länder (Israel, Japan, Saudi-Arabien, Südafrika, USA). Die Datenerhebung beinhaltet eine umfassende Literaturrecherche sowie acht bis zwölf leitfadengestützte Expert:inneninterviews pro Fallstudie im Zeitraum von November 2024 bis Mai 2025. Die Interviews werden mit Expert:innen unterschiedlicher Stakeholdergruppen durchgeführt, darunter ambulante sowie stationäre Leistungserbringende, Wissenschaftler:innen, Kostenträger, Gesundheitspolitik, Patientenvertretung und IT bzw. Industrie. Anschließend erfolgt eine qualitative Inhaltsanalyse der Daten nach Kuckartz & Rädiker [1]. Um die Übertragbarkeit der zentralen Ergebnisse auf das deutsche Gesundheitssystem zu analysieren, findet ergänzend eine quantitative Online-Befragung relevanter Stakeholdergruppen in Deutschland statt.

Ergebnisse

Nach Abschluss der Inhaltsanalyse können im September 2025 Ergebnisse der qualitativen Erhebung präsentiert werden. Anhand der internationalen Fallstudien werden Tipping Points und Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation detailliert beleuchtet sowie deren Übertragungspotenzial für das deutsche Gesundheitssystem diskutiert.

Diskussion

Die Studie generiert fundierte und aktuelle Erkenntnisse zu Tipping Points und Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation von internationalen Gesundheitssystemen im Kontext diverser Rahmenbedingungen. Basierend auf den Ergebnissen der internationalen Fallstudien sowie einer nachfolgenden Fragebogenerhebung werden konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt, die einen Beitrag zur zielgerichteten Weiterentwicklung der Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem leisten können.

Referenzen

Kuckartz U, Rädiker S. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Umsetzung mit Software und künstlicher Intelligenz. 6. Auflage. Weinheim Basel: Beltz Juventa; 2024.
Frau Anna-Lena Brecher
Medizinische Hochschule Hannover - Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Digitale Transformation #Qualitative Forschung #Fallstudien #International
2
Hintergrund
Mit der für 2025 geplanten Umstellung auf ein Opt-out-Modell für die elektronische Patientenakte (ePA) steht das deutsche Gesundheitswesen vor einem tiefgreifenden Wandel. Die ePA gilt als Instrument zur Förderung sektorenübergreifender Versorgungsprozesse, zur Stärkung der Eigenverantwortung von Patient:innen und zur Beschleunigung der digitalen Transformation im Gesundheistsystem. Trotz hoher Erwartungen bleibt offen, welche konkreten Hürden auf struktureller, technischer und individueller Ebene einer umfassenden Akzeptanz und langfristigen Nutzung entgegenstehen. Um die Einführung der ePA nachhaltig und nutzerzentriert zu gestalten, ist ein fundiertes Verständnis der relevanten Einflussfaktoren erforderlich. Im Fokus des Forschungsprojekts ePA4all steht die systematische Analyse der Nutzungsvoraussetzungen und Akzeptanzfaktoren der ePA aus Sicht zentraler Zielgruppen. Untersucht werden sowohl gesetzlich Versicherte mit und ohne ePA-Erfahrung als auch Versorgende aus den ambulanten sowie stationären Sektoren. Ziel ist es, soziodemografische, erfahrungsbezogene und kontextuelle Einflussgrößen zu identifizieren, die das Nutzungserleben sowie das wahrgenommene Potenzial der ePA im Versorgungskontext prägen.
Methoden
Die explorative Mixed-Methods-Studie ist in vier Module aufgebaut: (1) qualitative Interviews und standardisierte Befragungen von gesetzlich Versicherten mit unterschiedlichen Nutzungsprofilen (aktive Nutzer:innen, Nicht-Nutzer:innen, Opt-out-Personen), (2) Sekundäranalyse aggregierter gematik-Daten, (3) qualitative und quantitative Erhebungen bei ambulant und stationär tätigen Leistungserbringenden sowie (4) Fokusgruppen mit Schlüsselakteur:innen zur kommunikativen Validierung der erhobenen Ergebnisse. Die Auswertung erfolgt qualitativ mittels strukturierender Inhaltsanalyse und quantitativ anhand deskirptiver sowie multivariater Verfahren.
Ergebnisse
Es werden erste Ergebnisse zur aktuellen Nutzung und Wahrnehmung der ePA durch Stakeholderbvorgestellt und wesentliche Meilensteine der Implementierung präsentiert. Die zukünftigen Ergebnisse sollen ein differenziertes Bild der Nutzungsmuster, Akzeptanzbarrieren und förderlichen Bedingungen für die Nutzung der ePA in Deutschland liefern. Insbesondere sollen Unterschiede in der Wahrnehmung und Nutzung zwischen verschiedenen Nutzergruppen sowie in Abhängigkeit von individuellen und strukturellen Rahmenbedingungen aufgezeigt werden.
Schlussfolgerung
Die gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen die Ableitung zielgerichteter Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Usability und Nutzerfreundlichkeit der ePA. Darüber hinaus liefern sie eine fundierte Grundlage für die Entwicklung geeigneter Strategien, die den Abbau bestehender Barrieren´unterstützen. Die Studie leistet damit einen zentralen Beitrag zur erfolgreichen Implementierung der ePA und zur weiteren Förderung der digitalen Transformation im deutschen Gesundheitswesen.
Herr Felix Mühlensiepen
Zentrum für Versorgungsforschung Brandenburg, Medizinische Hochschule Brandenburg, Rüdersdorf bei Berlin
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin
#Präsentation #elektronische Patientenakte #Digitalisierung #Mixed Methods #Patient Empowerment
3
Einleitung: Zur Vermeidung digitaler Ungleichheiten sollte im Forschungs- und Entwicklungsprozess (FuE) von Gesundheitstechnologien (GT) die Diversität älterer Personen ausreichend abgebildet werden. In Forschungsvorhaben zu GT ist die Heterogenität dieser Personengruppe hingegen häufig unterrepräsentiert [1]. Das TIBaR-Modell [2] definiert mögliche Maßnahmen im Zugang zu schwer erreichbaren älteren Personengruppen und umfasst vier Schritte, die aufeinander aufbauen: 1. Vertrauen aufbauen, 2. Anreize bieten, 3. individuelle Barrieren identifizieren, 4. reaktionsfähig sein. Allerdings fehlen bislang in diesem Modell spezifische Strategien zu Forschungsvorhaben im Bereich von GT. Ziel war es daher, die wichtigsten Erkenntnisse zu den Vorstellungen und Erfahrungen älterer Personen, von Multiplikator*innen aus der Gemeinwesen- und Senior*innenarbeit und von Forschenden in das Modell zu integrieren.
Methoden: Es wurden Daten aus verschiedenen qualitativen und quantitativen Studien des AEQUIPA-Präventionsforschungsnetzwerks herangezogen, in denen die Vorstellungen und Erfahrungen zu unterschiedlichen Themen (Beteiligung, Barrieren, Motivation, Strategien) mit verschiedenen Methoden untersucht wurden: 1. ältere Personen (n=103; Telefoninterviews, Fokusgruppen, Fragebögen) [3], 2. Multiplikator*innen aus der Gemeinwesen- und Senior*innenarbeit (n=17; Fokusgruppen, Telefoninterviews) [4], 3. Forschende (n=92, Online-Befragung) [5]. Die qualitativen Daten wurden anhand einer inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse mit MAXQDA ausgewertet; die Analyse der quantitativen Daten erfolgte deskriptiv mit SPSS. In einem weiteren Schritt wurden die zentralen Erkenntnisse aus den verschiedenen Studien dann den vier Stufen des TIBaR-Modells [2] zugeordnet.
Ergebnisse: Insgesamt nahmen 211 Personen (102 weiblich) im Alter zwischen 33 und 90 Jahren an den verschiedenen Studien teil. Neben der Beteiligung vertrauter Personen und Strukturen ist für die erste Stufe (Vertrauen aufbauen) auch die Barrierefreiheit (u. a. einfache/andere Sprache) für den Zugang zu und die Beteiligung von älteren Personen von Bedeutung. In der zweiten Stufe (Anreize bieten) sollten sowohl altruistische (z. B. Unterstützung der Forschung) als auch extrinsische Motive (u. a. finanzielle/materielle Belohnung) von älteren Personen beachtet werden. Während der dritten Stufe (Individuelle Barrieren identifizieren) spielen neben der Beachtung gebietsspezifischer Strukturen (z. B. in ländlichen Gebieten) auch die Qualifizierung der beteiligten Personen zu unterschiedlichen Themen (u. a. Zugangsstrategien) eine Rolle. Die vierte Stufe (Reaktionsfähig sein) umfasst Maßnahmen, die darauf abzielen, eine Überforderung bei älteren Personen zu vermeiden und den FuE-Prozess mit angemessenen Methoden flexibel zu gestalten.
Schlussfolgerung: Die unterschiedlichen Perspektiven, die sowohl mit qualitativen als auch mit quantitativen Methoden erhoben wurden, konnten erstmalig anhand des TIBaR-Modells [2] dargestellt werden. Diese Ergebnisse ergänzen somit das bestehende Konzept und können Forschenden zukünftig eine Unterstützung im Zugang zu und bei der Beteiligung von älteren Personen im FuE-Prozess von GT bieten. Die Nutzung entsprechender Modelle kann einen Beitrag dazu leisten, die Diversität älterer Personen mehr zu berücksichtigen und gleichzeitig die Chancengleichheit sowie die Teilhabe zu stärken.

Referenzen

[1]  Kokorelias KM, La Nelson M, Tang T
et al. Inclusion of Older Adults in Digital
Health Technologies to Support Hospital-to-Home Transitions: Secondary Analysis
of a Rapid Review and Equity-Informed Recommendations. JMIR Aging. 2022;5(2):e35925.
DOI: 10.2196/35925
[2]  Kammerer K, Falk L, Herzog A, Fuchs
J. How to reach ‘hard-to-reach’ older people for research: The TIBaR model of
recruitment. Survey Methods: Insights from the Field. 2019. DOI:
10.13094/SMIF-2019-00012
[3]  Pauls A, Bauer JM, Diekmann R et al.
Motivationsgründe und Vorstellungen über eine zukünftige Beteiligung älterer
Menschen im Forschungs- und Entwicklungsprozess von Gesundheitstechnologien –
eine Mixed Methods-Studie. Gesundheitswesen. 2023;85(10):895-903. DOI: 10.1055/a-2042-9629
[4]  Pauls A, Koppelin F, Zeeb H. The
participation of hard-to-reach older people in the research and development
process of health technologies from the perspective of multipliers - A
qualitative analysis. Front Public Health. 2024;12:1334180. DOI:
10.3389/fpubh.2024.1334180
[5]  Pauls A, Koppelin F, Beteiligung älterer
Menschen im Forschungs‑ und Entwicklungsprozess von Gesundheitstechnologien.
Präv Gesundheitsf. 2024. DOI: 10.1007/s11553-024-01145-9
Herr Alexander Pauls
Jade Hochschule Wilhelmshaven / Oldenburg / Elsfleth , Campus Oldenburg, Oldenburg
#Präsentation #ältere Bevölkerung #Digitale Technologien #Zugang #Partizipation
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
VS15
Gesundheitskompetenz
Gesundheitskompetenz
Raum: Seminarraum 505 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 28)
Beiträge:
1

Hintergrund

Pflegende An- und Zugehörige sind von zentraler Bedeutung zur Sicherstellung der häuslichen Pflege. Etwa vier von fünf unterstützungs- und pflegebedürftigen Personen werden zu Hause durch An- oder Zugehörige versorgt. Dabei sind pflegende An- und Zugehörige vielfach vulnerabel: Die Hauptpflegepersonen haben häufig selbst ein höheres Alter, sind zumeist weiblich und sind vielfach auch gesundheitlich eingeschränkt.
Da insbesondere der Beginn einer Pflegebedürftigkeit mit einem hohen Bedarf an gesundheits- und pflegebezogenen Informationen einhergeht, hat die Gesundheitskompetenz für pflegende An- und Zugehörige eine hohe Bedeutung. Die Suche nach entsprechenden Informationen ist dabei nicht nur für die pflegenden An- und Zugehörigen relevant, sondern auch deshalb, da diese als ‚Vermittler*innen‘ von Gesundheitskompetenz für die pflegebedürftige Person agieren. Da zumeist über das Internet nach Informationen gesucht wird, ist digitale Gesundheitskompetenz somit eine Voraussetzung, um Lebensqualität der Pflegebedürftigen sowie pflegenden An- und Zugehörigen zu erhalten bzw. zu fördern und dadurch soziale Teilhabe (wieder) zu ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund wurde ein Scoping Review durchgeführt, um einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zur digitalen Gesundheitskompetenz von pflegenden An- und Zugehörigen zu geben.

Methode

Der Scoping Review umfasste jegliche in den Jahren 2014-2024 in deutscher oder englischer Sprache veröffentlichte Publikation, welche über die Datenbanken PubMed (MEDLINE), CINAHL und Web of Science sowie Studienregister und Google Scholar identifiziert werden konnte und sich mit der digitalen Gesundheitskompetenz pflegender An- und Zugehöriger beschäftigte. Zunächst wurden 3.814 Publikationen identifiziert. Nach Sichtung von Titel und Abstract durch zwei voneinander unabhängige Reviewerinnen wurde die Trefferzahl auf 26 in die Synthese eingeschlossene Volltexte reduziert. Die Extraktion der Daten erfolgte anhand eines a priori festgelegten Schemas, um neben Metadaten der Publikation insbesondere den Studientyp, die Population (Charakteristika der pflegenden Angehörigen; insbesondere Alter und Geschlecht sowie geografische Einordnung der Studienpopulation), das Konzept (Definition und Operationalisierung der ‚digitalen Gesundheitskompetenz‘), die zentrale Zielsetzung sowie Ergebnisse der Studie zu beschreiben.

Ergebnisse

Die überwiegende Mehrheit der identifizierten Studien waren Querschnittserhebungen, die der Beschreibung der Gesundheitskompetenz pflegender An- und Zugehöriger dienten. In fünf Interventionsstudien wurde die digitale Gesundheitskompetenz pflegender An- und Zugehöriger als Outcomeparameter betrachtet.
Darüber hinaus beschäftigten sich fünf qualitative Studien insbesondere mit dem Zugang zu und der Nutzung von Informationen im Kontext der häuslichen Pflege. In diesen Studien wurde aufgezeigt, dass das Internet die zentrale Informationsquelle für pflegende An- und Zugehörige darstellt. Zugleich wurde hervorgehoben, dass die Menge an Informationen als unübersichtlich und überfordernd wahrgenommen wird und die Vertrauenswürdigkeit nur schwer einschätzbar ist.

Diskussion

Es zeigen sich erste Studien, die sich explizit mit der digitalen Gesundheitskompetenz pflegender An- und Zugehöriger auseinandersetzen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die bisherigen Studien nur begrenzt die Heterogenität der pflegenden An- und Zugehörigen in Bezug auf persönliche Charakteristika, soziale Determinanten, Gesundheitsverhalten und die konkrete Pflegesituation abbilden. Insbesondere die Ergebnisse zu dem schwierigen Umgang mit Informationen im Kontext der Pflegebedürftigkeit bedürfen weiterer Aufmerksamkeit, um niedrigschwellig Unterstützung zur Verfügung zu stellen, welche die Teilhabe der pflegenden An- und Zugehörigen sowie der Pflegebedürftigen selbst fördern kann.
Herr Dr. Florian Fischer
Bayerisches Zentrum Pflege Digital, Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, Kempten
#Präsentation #Informelle Pflege #Digitale Gesundheitskompetenz #Evidenzsynthese
2
Hintergrund: Die COVID-19-Pandemie erforderte eine schnelle Umsetzung von Präventionsmaßnahmen
und -verhaltensweisen auf individueller Ebene, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen [1]. In diesem Kontext gewann die Gesundheitskompetenz (GK) als Fähigkeit, COVID-19-bezogene Informationen zu finden, sie zu verstehen, kritisch zu bewerten und im Alltag anzuwenden zunehmend an Bedeutung [2]. Während zahlreiche bevölkerungsbezogene Studien zur Beschreibung der Ausprägung der GK vorliegen, fehlt Evidenz zur Wirksamkeit von gezielten Maßnahmen zur Verbesserung der COVID-19-bezogenen-GK (CoV-GK) [3]. In unserem Beitrag synthetisieren und bewerten wir Evidenz zur Wirksamkeit von Interventionen, welche zum Ziel haben, die CoV-GK der allgemeinen Bevölkerung zu fördern.

Methodik: Die Literatursuche erfolgte in fünf Datenbanken (z. B. PubMed, EMBASE) und sechs klinischen Studienregistern (z. B. ANZCTR, ISRCTN registry). Zwei unabhängige Gutachter:innen prüfen basierend auf den vordefinierten Auswahlkriterien Titel, Abstracts sowie Volltexte und führen die Datenextraktion durch. Weiterhin bewerten wir das Verzerrungsrisiko mit Hilfe des Cochrane Risk of Bias 2 Tools [4]. Wir betrachten die Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien (RCTs), die GK-bezogene Interventionen hinsichtlich primärer Outcomes in der allgemeinen Bevölkerung mit Kontrollgruppen vergleichen. Zu den primären Outcomes gehören die CoV-GK, deren vier Facetten (Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwendung von Gesundheitsinformationen) und Indikatoren wie z. B. COVID-19-bezogenes Wissen und COVID-19-bezogene Fähigkeiten. Das Studienprotokoll ist bei PROSPERO registriert (CRD42022301810).

Ergebnisse: Wir schlossen 22 RCT-Studien mit insgesamt 67.349 Teilnehmenden (Spanne: 89 bis 20.460 Personen) in die Übersichtsarbeit ein. Die Interventionen richteten sich an verschiedene Altersgruppen, darunter Erwachsene ab 18 Jahren (k=16) sowie ältere Menschen ab 60 Jahren (k=2). Am häufigsten wurden edukative Inhalte in Form von onlinebasierten Videos vermittelt (k=14). Fünf Studien kombinierten verschiedene Lernmethoden (z. B. Training und Lesematerial). Eine Studie untersuchte ein praktisches Trainingsprogramm zur Förderung der Handhygiene als Infektionsschutzmaßnahme.
In 70 % der RCT-Studien (k=16) wurden Gruppenunterschiede hinsichtlich des COVID-19-bezogenen Wissens der Teilnehmenden zum Zeitpunkt nach der Intervention erfasst. Weitere Studien (k=4) untersuchten die Fähigkeit, Infektionsschutzmaßnahmen korrekt anzuwenden, wie z. B. Handhygiene oder das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Weitere Ergebnisse werden vor Ort präsentiert.

Diskussion: Die Mehrheit der Studien untersucht als primäres Outcome das COVID-19-bezogene Wissen. Es gibt eine breite Vielfalt an GK-Interventionen, zu den häufigsten zählen Fern- und Selbstlernmethoden (z. B. Ansehen von onlinebasierten Videos, Lesen von Broschüren), was auf die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie zurückzuführen sein könnte. Diese Übersichtsarbeit trägt dazu bei, die Wirksamkeit von Interventionen zur Verbesserung der CoV-GK in der Allgemeinbevölkerung zu verstehen, und bietet eine Grundlage für die zukünftige Anwendung und (Weiter-)Entwicklung von Interventionen in diesem und ggf. verwandten gesundheitsbezogenen Bereichen.

Referenzen

[1] West R, Michie S, Rubin GJ,
Amlôt R. Applying principles of behaviour change to reduce SARS-CoV-2
transmission. Nat Hum Behav 2020; 4(5):451–9.
[2] Paakkari L, Okan O.
COVID-19: health literacy is an underestimated problem. The Lancet Public
Health 2020; 5(5):e249-e250.
[3] Matterne U, Egger N, Tempes J, Tischer C, Lander J, Dierks ML et al. Health literacy in the general
population in the context of epidemic or pandemic coronavirus outbreak
situations: Rapid scoping review. Patient Educ Couns 2021; 104(2):223–34.
[4] Sterne JAC, Savović J, Page
MJ, Elbers RG, Blencowe NS, Boutron I et al. RoB 2: a revised tool for
assessing risk of bias in randomised trials. BMJ 2019; 366:l4898.
Frau Claudia Hasenpusch
Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Magdeburg
#Präsentation #COVID-19-Pandemie #Gesundheitskompetenz
3
Einleitung
Gesundheitskompetenz wird mit einem besseren Gesundheitsverhalten und intensiverer Nutzung von Präventionsmaßnahmen assoziiert (1, 2). Studien zeigen allerdings, dass ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland eine geringe Gesundheitskompetenz aufweist (3). Das gilt insbesondere für Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status, allerdings ist der dabei häufig eingesetzte Fragebogen HLS-EU-Q zumindest im deutschsprachigen Raum bislang noch nicht auf seine Verständlichkeit bei dieser Personengruppe überprüft worden.

Methodik
Der vorliegende Artikel untersucht erstmals explorativ die Verständlichkeit des HLS-EU-Q16 bei von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Personen. Dazu wurde die „Think-Aloud“ Methode eingesetzt (4), bei der Teilnehmenden ihr Verständnis und ihre Gedanken beim Beantworten ausgewählter Fragen des HLS-EU-Q16 verbalisieren. Die Daten wurden mittels einer themenorientierten Inhaltsanalyse ausgewertet. Einbezogen wurden 12 Studienteilnehmende.

Ergebnisse
Es ergaben sich Verständnisschwierigkeiten auf mehreren Ebenen, die darauf hinweisen, dass die Anforderungen des HLS-EU-Q16 Fragebogens an das Abstraktionsvermögen für die untersuchten Personen zu hoch sind. Sprachliche Barrieren erschweren zusätzlich die Interpretation der Antworten von Personen mit Deutsch als Zweitsprache. Zudem wurden Verständnisschwierigkeiten bei der Differenzierung der Antwortskala deutlich.

Diskussion
Die Verständnisschwierigkeiten legen nahe, dass Personen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status wie Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit von GK-Messinstrumenten profitieren könnten, die geringe Komplexität aufweisen, leicht verständliche Sprache verwenden und besser auf die Lebenswelt und für die Zielgruppe typische kognitive Muster zugeschnitten sind.

Referenzen

[1] Cho YI, Lee SYD, Arozullah AM,
Crittenden KS. Effects of health literacy on health status and health service
utilization amongst the elderly. Soc Sci Med 2008; 66(8):1809–16. doi:
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[2] Bennett IM, Chen J, Soroui JS,
White S. The contribution of health literacy to disparities in self-rated
health status and preventive health behaviors in older adults. Ann Fam Med 2009;
7(3):204–11. DOI: 10.1370/afm.940.
[3] Schaeffer D, Berens EM, Vogt
D, Gille S, Griese L, Klinger J et al. Gesundheitskompetenz in Deutschland.
Dtsch Arztebl International 2021; 118(43):723–9. doi:
10.3238/arztebl.m2021.0310
[4] Pottier P, Hardouin JB, Hodges
BD, Pistorius MA, Connault J, Durant C et al. Exploring how students think: a new method combining think-aloud and concept
mapping protocols. Medical Education 2010; 44(9):926–35. doi:
10.1111/j.1365-2923.2010.03748.x .
Herr Himal Singh
Universität Bremen, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Bremen
Universität Bielefeld, Bielefeld
#Präsentation #Gesundheitskompetenz #Think-Aloud #Langezeitarbeitslose #HLS-EU-Q
4
Hintergrund: Die Arbeit von Hebammen findet im häuslichen Umfeld von Familien statt. Somit könnten Strategien zur Förderung von Gesundheitskompetenz (GK), entsprechend dem Modell von Sørensen et al. [1], direkt in die Praxis transferiert werden. Im Rahmen der Entwicklung einer komplexen Intervention zur Verbesserung der GK-orientierten Beratung am Beispiel der frühkindlichen Allergieprävention (FKAP) soll die Zielgruppe der Hebammen eingebunden werden. Interventionen können so effektiver gestaltet und umgesetzt werden, da sie auf realen Bedürfnissen und Bedingungen der Zielgruppe basieren [2]. Ziel des Pilotworkshops war es, die Eignung der Design Thinking Methode für das partizipative Entwickeln von Ideen hinsichtlich der Intervention zu prüfen.

Methoden:​​ Im Rahmen eines fünfstündigen Pilotworkshops wurde Design Thinking als agile Methode eingesetzt. Drei Forscherinnen moderierten, beobachteten und protokollierten den Prozess. Die Erweiterung der GK-Orientierung von Hebammen war die definierte Problemstellung. In Phase 1 (Empathize) sollen Eigenschaften und Bedürfnisse von Hebammen analysiert und individuelle sowie kontextuelle die Beratung beeinflussende Faktoren bestimmt werden. In Phase 2 (Define) wird die Zielgruppe stereotyp dargestellt. Anhand der Fragestellung dienen Techniken in Phase 3 (Ideate) der Entwicklung, Bewertung und Priorisierung diverser Lösungsideen. Materialboxen werden in Phase 4 (Prototyping) genutzt, eine priorisierte Idee pro Gruppe kreativ zu gestalten und in Phase 5 (Test) einer Testperson vorzustellen. Beobachtungsprotokolle, Audio- und Fotoaufnahmen ergaben das Datenmaterial für die inhaltsanalytische Auswertung. Rückmeldung zu Inhalten, Methode und Strukturelementen des Workshops wurde mit einer strukturierten mündlichen Feedbackrunde am Ende des Workshops, anonym mittels Mentimeter sowie in Einzelgesprächen der Forscherinnen mit Teilnehmenden eingeholt. Die interne Evaluation erfolgte protokollgeleitet.

Ergebnisse: Die Teilnehmerinnen (N=12, u. a. Hebammen, Psycholog:innen, Studierende) arbeiteten nach einer thematischen Einführung in drei Gruppen mit ausführlichen Aufgabenbooklets, Templates und Materialkisten. Durch die Interdisziplinarität und Heterogenität der Gruppen flossen in Phase 1 und 2 diverse Sichtweisen problemdefiniert ein. In Phase 3 wurden mittels divergentem Denken Lösungsideen generiert, die in verschiedenen Settings (praktische Hebammenarbeit, Lehre, Praxisanleitung u.a.) angesiedelt waren. Ein entwickelter Prototyp zielte auf die Implementierung von GK als Konzept in die akademische Ausbildung von Hebammen ab, ergänzt durch den Erwerb praxisorientierter GK-Beratungsskills. Außerdem wurde ein Prototyp für ein Fortbildungs- und Selbstreflexionskonzept zu GK-sensibler Beratung innerhalb der Fortbildungspflicht praktizierender Hebammen entwickelt. Auch wurden kontextuelle Einflussfaktoren aufgedeckt, die hinderlich bzw. förderlich auf die Beratungsqualität von Hebammen wirken. Die Gruppen arbeiteten konstruktiv an Problemerfassung und Ideenentwicklung zur Vermittlung und Etablierung des Konzeptes GK an Hebammen. Die Studierenden schätzten ihre Berufserfahrung niedrig ein und beteiligten sich zurückhaltend. Die Instruktionsbooklets wurden als wenig hebammenspezifisch und zu umfangreich empfunden. Die Erstellung von Prototypen beschrieben alle Beteiligten als kurzweilig und erfreulich. Sie schilderten ein Gefühl des Erfolgs durch die anschauliche oder haptische Umsetzung der Ideen.

Ausblick: Der Workshop mit Design Thinking ermöglichte strukturiert durch die definierten Phasen ein Verständnis über Beratungs- und Sichtweisen der Zielgruppe der Hebammen zu erlangen und partizipativ an Lösungsansätzen zu arbeiten. Nach der Analyse der erhobenen Daten und der Auswertung des Feedbacks werden die Templates an den Hebammenkontext adaptiert, die Booklets deutlich gekürzt, präzisiert und praktikabler aufbereitet. Weitere Workshops zur Ideengenerierung werden an zwei universitären Standorten für Hebammenwissenschaft durchgeführt. Die Ergebnisse fließen in die Interventionsentwicklung ein.

Referenzen

Literatur
[1] Sørensen K, van den Broucke S, Fullam J, Doyle G, Pelikan JM, Slonska Z et al. Health literacy and public health: a systematic review and integration of definitions and models. BMC Public Health 2012; 12:80. DOI: 10.1186/1471-2458-12-80.
[2] Skivington K, Matthews L, Simpson SA, Craig P, Baird J, Blazeby JM et al. A new framework for developing and evaluating complex interventions: update of Medical Research Council guidance. BMJ 2021; 374:n2061. Verfügbar unter: https://www.bmj.com/content/374/bmj.n2061.
Frau Julia Steinmann
Hebammenwissenschaft, Universitätsmedizin Mainz, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz
#Präsentation #Design Thinking #Gesundheitskompetenz #Interventionsentwicklung #Hebammen
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
VS16
Gesundheitsförderung und Prävention - Lebenswelten Schule und Arbeit
Gesundheitsförderung und Prävention - Lebenswelten Schule und Arbeit
Raum: Seminarraum 507 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1

Hintergrund

In den vergangenen Jahren hat die bewegungsförderliche Gestaltung der Umwelt in der Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen zunehmend an Bedeutung gewonnen [1,2]. Hierbei beeinflusst die unmittelbare Wohn- und Schulumgebung das Aktivitätsverhalten, indem Möglichkeitsräume für körperliche Aktivität geschaffen werden [3]. Um umweltbezogene Merkmale im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität von Kindern und Jugendlichen zu erfassen, werden zuverlässige und kontextuell angepasste Instrumente benötigt. Eine vielversprechende Methode stellen Audit-Tools dar, mit deren Hilfe das Vorhandensein, die Quantität und die Qualität physischer Merkmale mittels direkter Beobachtung festgehalten werden können [4]. Ziel dieses Projekts ist es, das bestehende Spielplatzmodul der Audit-Toolbox KomBus (Kommunale Bewegungsverhältnisse untersuchen) [5] aus dem „Impulsgeber Bewegungsförderung“ des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) zu aktualisieren, für den spezifischen Umweltkontext Schulhof zu erweitern und ein digitales Auswertungssystem zu entwickeln. Das Projekt wird gefördert vom BIÖG im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit.

Methode

Es wurde zunächst eine systematische Literaturrecherche in vier Datenbanken (Pubmed, LIVIVO, Web of Science, ERIC) durchgeführt, um verfügbare Instrumente zur Erfassung der Bewegungsfreundlichkeit von Spielplätzen und Schulhöfen zu ermitteln. Die Suchstrategie umfasste diverse Varianten zu den Schlüsselbegriffen der folgenden Konzepte: „körperliche Aktivität“, „Audit-Instrument“, „Umwelt“ und „Spielplatz/Schulhof“. Eingeschlossen wurden Studien, die Instrumente zur kriteriengeleiteten Beurteilung der natürlichen, baulichen oder sozialen Umwelt von Spielplätzen und Schulhöfen enthielten und auf Englisch oder Deutsch verfasst waren. Das Titel-, Abstract- und Volltext-Screening erfolgte jeweils unabhängig durch zwei Personen. Zudem wurden weitere Instrumente mittels Handsuche identifiziert. In die Itemextraktion wurden ausschließlich reliable und/oder validierte Instrumente einbezogen, um die Qualität des entwickelten Audit-Tools zu erhöhen.
Anschließend wurden die Items der identifizierten Instrumente anhand definierter Kriterien (u.a. Übertragbarkeit, Verständlichkeit) extrahiert und den vordefinierten Dimensionen des bereits vorliegenden Tools zugeordnet. Zudem wurde auf Basis der Items eine weitere Dimension gebildet. In Anlehnung an internationale Audit-Instrumente wurde ein Auswertungssystem entwickelt, mit dem Punktwerte für die einzelnen Dimensionen sowie eine Gesamtpunktzahl berechnet werden können.

Ergebnisse

In der Literaturrecherche konnten insgesamt 28 Audit-Instrumente identifiziert und in das KomBus2.0-Audit-Tool für Schulhöfe und Spielplätze einbezogen werden. Das finale Tool umfasst 29 Items, die den folgenden 5 Dimensionen zuzuordnen sind: Zugang und Umgebung; Gestaltung, Ausstattung und Aktivitäten; Zustand und Sauberkeit; Sicherheit und Inklusion. Die Auswertung erfolgt über ein binäres Antwortformat (Ja/Nein). Sowohl ein höherer Gesamtscore als auch ein höherer dimensionsspezifischer Punktwert deuten dabei auf eine höhere Bewegungsfreundlichkeit hin. Eine Pilotierung des Tools sowie die Ermittlung der Interrater-Reliabilität (Cohen’s Kappa) sind geplant und erste Ergebnisse werden für den Spätsommer 2025 erwartet.

Diskussion

Das erweiterte und aktualisierte KomBus2.0-Audit-Tool für Spielplätze und Schulhöfe steht für die Nutzung durch verschiedene Stakeholder der Kommune zur Verfügung. Es kann eingesetzt werden, um bewegungsanregende und -hemmende Eigenschaften kommunaler Umwelten von Kindern und Jugendlichen zu identifizieren und Ansatzpunkte für eine bewegungsförderliche Gestaltung aufzuzeigen. Ein Manual mit Hinweisen zur Durchführung und Ergebnisinterpretation steht zusätzlich zur Verfügung. Als Teil des digitalen Planungstools „Impulsgeber Bewegungsförderung“ des BIÖG kann das Tool einen systematischen Planungsprozess zur Schaffung einer bewegungsfreundlichen Kommune unterstützen.

Referenzen

[1] Rütten A, Pfeifer K. Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung; 2017.
[2] Prince SA, Lancione S, Lang JJ, Amankwah N, Groh M de, Jaramillo Garcia A, et al. Examining the state, quality and strength of the evidence in the research on built environments and physical activity among children and youth: An overview of reviews from high income countries. Health Place. 2022;76:102828. DOI: 10.1016/j.healthplace.2022.102828.
[3] Kärmeniemi M, Lankila T, Ikäheimo T, Koivumaa-Honkanen H, Korpelainen R. The Built Environment as a Determinant of Physical Activity: A Systematic Review of Longitudinal Studies and Natural Experiments. Ann Behav Med. 2018;52(3):239–51. DOI: 10.1093/abm/kax043.
[4] Brownson RC, Hoehner CM, Day K, Forsyth A, Sallis JF. Measuring the built environment for physical activity: state of the science. Am J Prev Med. 2009;36(4 Suppl):99-123. DOI: 10.1016/j.amepre.2009.01.005.
[5] Müller C, Domokos B, Amersbach T, Hausmayer E-M, Roßmann C, Wallmann-Sperlich B et al. Development and reliability testing of an audit toolbox for the assessment of the physical activity friendliness of urban and rural environments in Germany. Front Public Health. 2023;11:1153088. DOI: 10.3389/fpubh.2023.1153088.
Frau Anna Lehmann
Pädagogische Hochschule Heidelberg, Fakultät für Natur- und Gesellschaftswissenschaften, Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung, Heidelberg
#Präsentation #Bewegungsförderung #Bewegungsumwelt #Kinder und Jugendliche #Kommune
2

Hintergrund

Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD), kommunal vertreten durch die Gesundheitsämter, kennt die Bewohner:innen u.a. von den Schuleingangsuntersuchungen (SEU), die den physischen und kognitiven Entwicklungsstand der Vorschulkinder erfassen. In Zusammenarbeit mit den Behörden und Verwaltungen für Soziales sowie Kinder und Jugend kann der ÖGD die sozialen Determinanten der Gesundheit im Sozialmonitoring erfassen [1] und die gemeinschaftlichen Ressourcen kleinräumig herausstellen.
Im Land Bremen werden nach diesen Erkenntnissen Gesundheitsfachkräfte an Schulen mit hohen Bedarfen eingesetzt. Die Evaluation der Modellprojekte ergab, dass die Kinder und Familien die etablierten Gesundheitsfachkräfte mit Interesse wertschätzen und die Gesundheitsfachkräfte mit Lehrkräften kooperieren und schulintern mitentscheiden [2]. Dabei können sie die Angebote entsprechend der tatsächlichen Bedürfnisse der Zielgruppe anpassen [3], indem sie die Erkenntnisse zum Gesundheitszustand der Kinder berücksichtigen.

Methode

Die Sekundäranalysen beruhen auf Daten der SEU in Bremen und Bremerhaven, ergänzt durch die Versichertendaten der AOK Gesundheitskasse Bremen/Bremerhaven jeweils 2018 bis 2022 von Schulanfänger:innen und Grundschüler:innen in den Schulen, die durch Gesundheitsfachkräfte betreut werden.
Unter den Schulanfänger:innen werden die Anteile übergewichtiger Kinder nach dem BMI sowie exemplarisch für das sozialpädiatrische Entwicklungsscreening die Ergebnisse des Tests zur Körperkoordination gezeigt. In Annäherung an die weitere Entwicklung wird die Inanspruchnahme von Heilmitteltherapien (Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie) im Grundschulalter angegeben. Zum Gesundheitszustand der Grundschüler:innen werden zudem deren Facharztkontakte und häufige Diagnosen sowie die Inanspruchnahme der U-Untersuchungen und der empfohlenen Schutzimpfungen analysiert.
Die Ergebnisse werden jeweils aggregiert für alle Schulanfänger:innen und alle Grundschüler:innen präsentiert und zudem im Zeitverlauf der Schuljahre und in Subgruppen nach dem Geschlecht und der Staatsangehörigkeit dargestellt.

Ergebnisse

Im Vorschulalter wurden 5.673 Kinder berücksichtigt, die Stichprobe der AOK-Versicherten umfasst 20.029 Grundschüler:innen.
Insgesamt waren etwa 20% der Schulanfänger:innen übergewichtig oder adipös. Der Anteil der übergewichtigen Kinder stieg zum Schulbeginn 2021 auf 26% an, aber sank im Folgejahr fast wieder auf das vorherige Niveau. Die Körperkoordination nach dem sozialpädiatrischen Entwicklungsscreening war bei Dreiviertel der Kinder unauffällig, etwa 21% wiesen einen grenzwertigen und 5 % einen auffälligen Befund auf. Dabei fallen Jungen doppelt so häufig wie Mädchen auf. Im Einschulungsjahr 2021 waren mehr Kinder, nämlich 10%, auffällig. Im Folgejahr ging der Anteil wieder auf das vorherige Niveau zurück. An Heilmitteltherapien wurden deutlich häufiger Logopädie im Zeitverlauf in Anspruch genommen, ebenso Ergotherapien und insbesondere häufiger von Jungen als von Mädchen. Die häufigsten ambulanten Diagnosen der Grundschüler:innen sind Infektionen der oberen Atemwege, Entwicklungsstörungen und Verhaltens- und emotionale Störungen. Im Zeitverlauf gab es zunächst weniger akute Infektionen der oberen Atemwege, aber 2021/22 wieder häufiger. Die Diagnosen von Entwicklungsstörungen und Zahnkaries sind über die Jahre stetig gesunken. Die Teilnahme an den U-Untersuchungen ist gleichbleibend hoch, ebenso werden die empfohlenen Schutzimpfungen grundsätzlich gut angenommen.

Diskussion

Die Gesundheitsfachkräfte adressieren u.a. die Themen Bewegung und Ernährung und können so auf die Bedarfe reagieren, die sich etwa aus den Entwicklungen zum Übergewicht ableiten. So bereiten sie z.B. mit den Kindern ein gemeinsames Frühstück vor. Die Ergebnisse im Zeitverlauf der Corona-Pandemie zeigen die Relevanz der Schulen für das Gesundheitsverhalten, insbesondere für Kinder aus sozial schlechteren Stadtteilen. Weiterhin bedarf es der wissenschaftlichen Begleitung, um die Wirksamkeit der niedrigschwelligen und aufsuchenden Angebote herauszustellen.

Referenzen

[1] Szagun B, Kuhn J, Starke D. Kommunale Gesundheitsförderungspolitik und
das Präventionsgesetz. Prävention und
Gesundheitsförderung. 2016;11(4):265-70.
[2] Bogishvili
D, Küppers K, Lewy M, Püschner F, Amelung VE. Evaluation des Projekts
„Gesundheitsfachkräfte an Schulen – GefaS“. Berlin; 2022.
[3] Kaba-Schönstein
L, Kilian H. Gesundheitsförderung und soziale
Benachteiligung/Gesundheitsförderung und gesundheitliche Chancengleichheit.
Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention Glossar zu Konzepten,
Strategien und Methoden. 2023.
Frau Lisa Kühne
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Universität Bremen, Bremen
#Präsentation #Gesundheitsförderung & Prävention #Schule #Gesundheitskompetenz #Soziale Determinanten
3

Hintergrund

Steigende Anforderungen und Arbeitsbelastungen gefährden die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten. Die Pilotierung des Präventionsangebots BeBePrä (Bedarfs- und Bedürfnisorientierung in der Prävention) von „RV Fit“ der Deutschen Rentenversicherung bietet erwerbstätigen Personen mit ersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine Intervention zur Unterstützung von Selbstmanagement und Gesundheitsverhalten. Während eines siebentägigen stationären Aufenthalts im Rehazentrum Bad Eilsen und eines Boosters nach ca. sechs Monaten erhalten Versicherte verhaltenspräventive Leistungen zu den Handlungsfeldern Stressbewältigung, Bewegungsförderung, gesundheitsbewusste Ernährung und Suchtprävention. Hierbei wird das Präventionskonzept „RV Fit“ um einen Präventionscoach, ein Präventionsbudget für die Eigenaktivitätsphase nach der Startwoche sowie ein digitales (Begleit-)Angebot (App) ergänzt. Zudem wird eine berufsgruppenspezifische Maßnahme für Pflegekräfte angeboten.
Zentrale Projektziele sind die Inanspruchnahme des Präventionsangebots und die Implementierung gesundheitsförderndem Verhalten in den Alltag. Die Intervention soll gesundheitsbewusstes Verhalten in Bezug auf Stressbewältigung, Bewegung und Ernährung fördern sowie den Erwerb von Strategien im Umgang mit körperlichen und psychischen Belastungen unterstützen, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten.

Methode

Die Evaluation des Projektes wird von der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt. Bei der prospektiven Längsschnittstudie im Mixed-Methods-Design wird zur Datenerhebung (jeweils in der Startwoche, nach dem Booster und ein Jahr nach der Startphase) ein Online-Tool genutzt, mit dem die Teilnehmenden zu körperlichen und psychischen Belastungen, zur beruflichen Leistungsfähigkeit und zur Motivation und Umsetzung gesundheitsfördernder Verhaltensweisen befragt werden. Zu den späteren Messzeitpunkten wird die Implementierung gesundheitsfördernder Maßnahmen im Alltag zudem qualitativ mittels leitfadengestützter Interviews und Fokusgruppen erhoben.

Ergebnisse

Die Inanspruchnahme des Präventionsangebots BeBePrä ist hoch. Die Charakteristik der Teilnehmenden (basierend auf ca. 300 Fragebögen, bei Beginn der Startwoche, Stand: Dezember 2024). Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden liegt bei 51 Jahren (22-67 Jahre), ca. 50% der Teilnehmenden haben einen hohen Bildungsabschluss und ca. 55% sind weiblich. Zweidrittel der Teilnehmenden bewerten Ihren Gesundheitszustand als „zufriedenstellend“ oder schlechter. Ihre psychische Arbeitsfähigkeit sehen die Hälfte als eingeschränkt, wobei ca. 20% ihre Arbeitsfähigkeit als gefährdet ansehen (Frauen zu 21,4%, Männer zu 17,8%).
22,8% der Befragten erleben ihre Arbeitssituation als stark belastend, 35,9% stufen ihren Gesundheitszustand als gut/sehr gut ein, 52% als zufriedenstellend und 11,9% als schlecht.
Ein Großteil der Teilnehmenden hat den Wunsch nach mehr Bewegung, Entspannungsmöglichkeiten und eine gesündere Ernährung. Hierbei werden Unterschiede zwischen Frauen und Männern erkennbar.

Diskussion

Die Zielgruppe wird in Bezug auf Alter, Geschlecht, Erwerbsprognose und gesundheitliche Beeinträchtigungen durch das Präventionskonzept erreicht. Zwei Drittel der Teilnehmenden haben gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Die Bewertungen der Arbeitsbelastungen und des Gesundheitszustandes deuten auf die Wichtigkeit bedürfnisorientierter Präventionsmaßnahmen hin, um die Arbeitsfähigkeit langfristig zu erhalten und zu stabilisieren.
Das Präventionsangebot BeBePrä der RV Braunschweig-Hannover mit individueller und finanzieller Unterstützung zur Implementierung gesundheitsförderndem Verhalten in den Alltag erfüllt die Bedarfe Berufstätiger mit ersten gesundheitsbezogenen Beeinträchtigungen.

Referenzen

[1] Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Meyer M. Fehlzeitenreport 2020; https://doi.org/10.1007/978-3-662-61524-9.
[2] Lohmann-Haislah  A, Burr H. Psychische Belastung und mentale Gesundheit bei körperlichen
Tätigkeiten. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2023). baua: Fakten.
[3] Tetzlaff J, Epping J. Länger gesund im Beruf? Trends in den Lebensjahren frei
von Herz-Kreislauf-
und Muskel-Skelett-Erkrankungen in GKV-Daten für die Erwerbstätigen- und
Allgemeinbevölkerung. Bundesgesundheitsbl 2024; 67:555–563 https://doi.org/10.1007/s00103-024-03868-8.
Frau Dr. Andrea Dehn-Hindenberg
Medizinische Hochschule Hannover - Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Gesundheitsförderung & Prävention #physische und psychische Belastungen #Arbeitsfähigkeit
4
Hintergrund: Trotz der zunehmenden Akzeptanz hybrider Arbeitsmodelle gibt es noch immer kaum evidenzbasierte Ansätze zur Gesundheitsförderung im Homeoffice. Ziel der Studie ist es daher, eine digitale komplexe Intervention basierend auf den Bedürfnissen von Führungskräften und Beschäftigten, in verschiedenen Unternehmen zu implementieren und deren Akzeptanz und Umsetzung zu evaluieren.

Methode: Basierend auf dem Framework von Skivington et al. [1] wurde eine aus drei Modulen bestehende komplexe Intervention (folgend „Intervention“) entwickelt. Sie umfasste 1) Führung auf Distanz (in der zweiten Interventionsphase B), 2) Effektiv arbeiten im Homeoffice und 3) Ergonomie und aktive Pausen. Module 1) und 2) bestehen aus unterschiedlichen Komponenten: meheren Workshops, einem Workbook und einem Informationsvideo. Modul 3) setzt sich aus einem individuellen Beratungsgespräch und professionell begleiteten Bewegungspausen zusammen. Die Implementierung der Intervention erfolgte mittels explorativ cluster-randomisiertem, kontrolliertem Design in fünf mittelständischen Unternehmen (KMU). Die erste Interventionsgruppe (IG-A) erhält die Intervention von Februar bis April 2025, die zweite Interventionsgruppe (IG-B) von Juni bis August 2025. Im Rahmen der Prozessevaluation werden acht Implementierungsendpunkte nach Proctor et al. [2] bewertet (z. B. Übernahme, Reichweite, Durchdringung, Akzeptanz). Daten werden zu drei Befragungszeitpunkten (2025: Januar T1, Mai T2, September T3) erhoben, die Prozessevaluation findet zu T2 und T3 statt.

Ergebnisse: Die durchschnittliche Abteilungs- bzw. Betriebsgröße der KMU in der IG-A lag bei 123 potenziellen Teilnehmenden. Übernahme: Aus IG-A (n=308), haben sich 105 Personen zur Teilnahme an der Intervention angemeldet, zum Modul 2) waren es 93 Personen und zum Modul 3) 12 Personen. Alle angemeldeten Personen haben aktiv teilgenommen. Die Durchdringungsrate für die jeweiligen Unternehmen liegt zwischen 10 % und 54 %. Reichweite: Die Intervention erreichte vor allem Personen, die zu T1 vorwiegend zwei Tage im Homeoffice arbeiteten (31,4 %) und mit ihrer Arbeit (72,5 %) und ihrer Ausstattung (62,8 %) im Homeoffice sehr zufrieden waren. Ergebnisse zu den restlichen Implementierungsendpunkten werden im Mai 2025 erhoben und auf der Konferenz präsentiert.

Diskussion und Schlussfolgerung: Die Prozessevaluation im Rahmen der PROHOME-Studie ermöglicht eine strukturierte Bewertung, wie die Intervention in der Praxis wahrgenommen, genutzt und von den Teilnehmenden in tägliche Homeoffice Routinen integriert wird. Die vorläufigen Ergebnisse deuten auf eine gute Annahme und Durchdringung innerhalb der Unternehmen hin. Die Ergebnisse werden auf lange Sicht zur Entwicklung einer nachhaltigen und evidenzbasierten Gesundheitsförderdung in der heutigen hybriden Arbeitswelt beitragen. Die praxisorientierte Durchführung der Studie stellt sicher, dass die Ergebnisse für verschiedene organisatorische Kontexte bedeutungsvoll und anwendbar sind.

Referenzen

[1] Skivington,
K., Matthews, L., Simpson, S. A., Craig, P., Baird, J., Blazeby, J. M., Boyd,
K. A., Craig, N., French, D. P., McIntosh, E., Petticrew, M., Rycroft-Malone,
J., White, M., & Moore, L. (2021). A new framework for developing and
evaluating complex interventions: update of Medical Research Council guidance.
BMJ, 2061. https://doi.org/10.1136/bmj.n2061
[2] Proctor,
E., Silmere, H., Raghavan, R., Hovmand, P., Aarons, G., Bunger, A., Griffey,
R., & Hensley, M. (2011). Outcomes for implementation research: conceptual
distinctions, measurement challenges, and research agenda. Administration and
policy in mental health, 38(2), 65–76.
https://doi.org/10.1007/s10488-010-0319-7
Frau Louisa Scheepers
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Düsseldorf
#Präsentation #Homeoffice #Prävention #Gesundheitsförderung #komplexe Interventionen
5
Hintergrund: Das gleichzeitige Auftreten von verhaltensbezogenen Risikofaktoren ist aufgrund der hohen Prävalenz und Krankheitsrelevanz für die Sozialmedizin und Prävention von großer Bedeutung. Eine Limitation der bisherigen Forschung besteht darin, dass der Zusammenhang zwischen diesen Risikofaktoren häufig nicht im zeitlichen Kontext betrachtet wurde. Zudem wurde die Heterogenität im Verlauf bisher nicht ausreichend berücksichtigt. Ziel dieser Studie war es, unbeobachtete Subpopulationen mit homogenen Verläufen von gleichzeitig auftretenden verhaltensbezogenen Risikofaktoren über einen Zeitraum von 4 Jahren in einer Allgemeinbevölkerungsstichprobe zu identifizieren und den Zusammenhang mit der Schulbildung zu untersuchen.
Methode: Daten von 831 Teilnehmenden (55% Frauen, mittleres Alter = 31 Jahre, 67% Personen mit ≥ 12 Jahren Schulbildung) der Kontrollgruppe einer randomisierten Kontrollgruppenstudie wurden analysiert. Teilnehmende im Alter von 18 bis 64 Jahren, die in den letzten 12 Monaten Alkohol konsumiert hatten, wurden proaktiv im Wartebereich eines Einwohnermeldeamtes rekrutiert (Teilnahmerate: 67%). Alkoholkonsum, Tabakrauchen, Body-Mass-Index und körperliche Inaktivität wurden zu Studienbeginn sowie nach 1, 3 und 4 Jahren mittels Selbstbericht in standardisierten Befragungen erhoben. Mittels Latent-Class-Growth-Analyse wurde untersucht, ob und welche unterschiedlichen Verläufe von gleichzeitig auftretenden verhaltensbezogenen Risikofaktoren über einen Zeitraum von 4 Jahren zu beobachten sind. Der Zusammenhang mit Schulbildung wurde mittels multinomialer logistischer Regression untersucht, adjustiert für Geschlecht, Alter, Familienstand und selbstberichtete Gesundheit.
Ergebnisse: Acht verschiedene Subgruppen mit homogenen Verläufen von verhaltensbezogenen Risikofaktoren wurden identifiziert, wobei die größte Gruppe (31%) durch einen gesunden Lebensstil gekennzeichnet war, abgesehen von einem geringen bis moderaten Alkoholkonsum. Dieses Verhaltensmuster blieb über die Zeit stabil. Teilnehmende mit höherer Schulbildung waren im Vergleich zu jenen mit niedrigerer Schulbildung eher in dieser Gruppe als in anderen Gruppen vertreten, einschließlich einer Gruppe mit gemeinsam auftretendem Alkoholkonsum, täglichem Tabakrauchen und Übergewicht oder Adipositas (Odds Ratio, OR = 7.41, p < 0.001) und einer Gruppe, die keinen der vier untersuchten Risikofaktoren aufwies (OR = 3.89, p < 0.001).
Schlussfolgerung: Die Studie zeigt eine substantielle Heterogenität im Verlauf von gleichzeitig auftretenden verhaltensbezogenen Risikofaktoren. Obwohl Personen mit höherer Schulbildung eher Subgruppen mit weniger Risikofaktoren angehörten, war Alkoholkonsum ein häufiger Risikofaktor in der Mehrheit der identifizierten Subgruppen. Verläufe mit mehreren gleichzeitig auftretenden Risikofaktoren, insbesondere solche, die Tabakrauchen beinhalten, betreffen überproportional Personen mit niedriger Schulbildung. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Interventionen, die auf Bevölkerungswirksamkeit und Chancengerechtigkeit abzielen, mehrere Risikofaktoren gleichzeitig und deren sozioökonomische Determinanten adressieren sollten, anstatt sich auf einzelne Risikofaktoren isoliert zu konzentrieren. Darüber hinaus unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung der Motivierung zur Reduktion von Alkoholkonsum bei Interventionen zur Verhaltensänderung.
Frau Prof. Dr. Sophie Baumann
Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abt. Methoden der Community Medicine, Greifswald
#Präsentation #Alkoholkonsum #Tabakrauchen #Übergewicht #körperliche Inaktivität #Bildung #Latent Class Growth Analysis
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
VS17
Kinder und Jugendliche mit chronischer Erkrankung
Kinder und Jugendliche mit chronischer Erkrankung
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Beiträge:
1
Einleitung: Das Post-COVID-Syndrom (PCS) betrifft als Langzeitfolge von COVID-19 auch Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Vorhandene Versorgungsangebote sind häufig unbekannt oder mit langen Wartezeiten verbunden [1-3]. Für eine frühzeitige Erkennung und passgenaue Versorgung sind eine enge, multiprofessionelle Zusammenarbeit sowie koordinierte Weiterleitungen im Versorgungssystem notwendig [4, 5]. Ein besseres Verständnis der beteiligten Akteure, ihrer Funktionen, Rollen und Versorgungsangebote kann die Versorgung optimieren, indem diese bedarfsgerecht geplant sowie durch bekannte und gegebenenfalls fehlende Akteure ergänzt wird. Ziel dieses Projekts war es daher, die Versorgungslandschaft aus Akteuren und Angeboten/Leistungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit PCS in zwei Modellregionen in Bayern über verschiedene Sektoren hinweg (Gesundheit, Bildung, Soziales) zu erfassen.

Methoden: Mittels eines „Desk Research“ wurden (potentiell) an der Versorgung beteiligte Akteure und Einrichtungen in den Modellregionen identifiziert und in einer Matrix gesammelt, die in die Bereiche Gesundheit, Bildung und Soziales strukturiert war. Zusätzlich wurden Kontaktdaten und Zugangswege recherchiert und eingetragen. In einer quantitativen Online-Befragung der identifizierten Fachkräfte von August 2024 bis Januar 2025 wurden Versorgungsangebote/-leistungen und ihre Charakteristika erhoben. Die Auswertung erfolgte mittels R.

Ergebnisse: Es wurden mehr als 220 potentiell an der Versorgung beteiligte Akteure auf einer übergeordneten Ebene als sogenannte „Key Informants“ mittels „Desk Research“ identifiziert, wobei (Fach-)Ärzt:innen sowie Vertreter:innen aus Heilberufen, Schulen und Kindertagesstätten in übergeordneten Kategorien und Strukturen erfasst wurden. Von 452 versendeten Online-Fragebögen wurden 41 Fragebögen vollständig ausgefüllt (≙ 9%), davon waren n=16 aus dem Gesundheits-, n=7 aus dem Bildungs- und n=18 aus dem Sozialbereich. In Bezug auf Versorgungsangebote und -leistungen ergab sich folgendes Bild: Es konnten verschiedene Versorgungsangebote zur Behandlung, Diagnostik und Vermittlung identifiziert werden. Zudem wurden Beratungs- und Unterstützungsangebote für Betroffene und Angehörige erfasst, die den Umgang mit der Erkrankung verbessern und das Selbstmanagement der Betroffenen und ihren Familien stärken sollten. Sie boten außerdem Unterstützung in sozialrechtlichen Fragen zu Pflegegrad, Grad der Behinderung oder Nachteilsausgleich in der Schule, oder in der Betreuung pflegebedürftiger Kinder. Insgesamt hatten 51% (n=21) der Fachkräfte aus der Online-Befragung in ihrer Einrichtung bereits Kontakt zu Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen mit PCS. 48% (n=20) der Fachkräfte sahen sich jedoch nicht in der Versorgung dieser Zielgruppe zuständig (n=5 aus dem Gesundheits-, n=3 aus dem Bildungs- und n=12 aus dem Sozialbereich). Von den Fachkräften, die bereits Kontakt zu PCS-Betroffenen hatten, sahen sich 28% (n=6) nicht als zuständig in der Versorgung dieser Zielgruppe (n=3 aus dem Gesundheits-, n=1 aus dem Bildungs- und n=2 aus dem Sozialbereich).

Diskussion: Es konnten bereits bestehende Angebote und Leistungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit PCS identifiziert werden, die unter anderem diagnostische und therapeutische Maßnahmen umfassten. Obwohl mehr als die Hälfte der Fachkräfte bereits Kontakt zu Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen mit PCS hatte, sah sich von diesen fast ein Drittel nicht zuständig für die Versorgung. Insgesamt sah sich fast die Hälfte der von den Autor:innen als relevant eingestuften Fachkräfte nicht für die Versorgung zuständig. Das Mapping veranschaulicht, dass das System der Versorgung für PCS-Betroffene nicht aufgebaut ist und es ungeklärte Rollen gibt. Die dadurch sichtbar gemachten Defizite im Versorgungssystem können Impulse für zukünftige Verbesserungen geben.

Referenzen

[1] Renz-Polster H, Behrends U. Das Post-COVID-Syndrom bei Kindern und Jugendlichen. Kinderärztl Praxis. 2023;94(5):310-6.
[2] Scheibenbogen C, Renz-Polster H, Hohberger B, Behrends U, Schieffer E, Schieffer B. Post COVID und Post-Vakzin-Syndrom: Die Pandemie nach der Pandemie. Deutsches Ärzteblatt. 2023.
[3] Rathgeb C, Pawellek M, Behrends U, Alberer M, Kabesch M, Gerling S, et al. The Evaluation of Health Care Services for Children and Adolescents With Post-COVID-19 Condition: Protocol for a Prospective Longitudinal Study. JMIR Res Protoc. 2023;12:e41010.
[4] Töpfner N. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.  V, Alberer M, Ankermann T, Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie e.  V, Bender S, et al. [Recommendation for standardized medical care for children and adolescents with long COVID]. Monatsschr Kinderheilkd. 2022;170(6):539-47.
[5] Koczulla AR, Ankermann T, Behrends U, Berlit P, Berner R, Boing S, et al. [German S1 Guideline Long-/Post-COVID]. Pneumologie. 2022;76(12):855-907.
Frau Anika Reinhart
Frau Anika Reinhart
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Germany, Berlin
Bereich Versorgungsforschung im Kindes- und Jugendalter, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Deutschland, Düsseldorf
Frau Chiara Rathgeb
Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE), Medizinische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
Pettenkofer School of Public Health, München, Deutschland, München
#Präsentation #Kinder und Jugendliche #Long COVID #Versorgungsforschung #Versorgung #Post COVID #Multisektorale Zusammenarbeit #regionales Mapping
2
Einleitung: Das Post-COVID-Syndrom (PCS) gewinnt als Langzeitfolge von COVID-19 auch bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen immer mehr an Bedeutung. Die Versorgungsangebote sind häufig unzureichend oder fehlen teilweise. [1-3]. Eine enge multiprofessionelle Zusammenarbeit und eine koordinierte Weiterleitung im Versorgungssystem sind für die Früherkennung und eine bedarfsgerechte Versorgung unerlässlich [4, 5]. Das Projekt Post-COVID Kids Bavaria 2.0 zielte darauf ab, Versorgungslücken in der bestehenden Versorgungslandschaft für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit PCS in zwei Modellregionen in Bayern zu identifizieren und mögliche Verbesserungen in der Versorgung unter anderem durch genannte Bedürfnisse in den Sektoren Gesundheit, Bildung und Soziales herauszuarbeiten.

Methoden: Durch ein „Desk Research“ zu den (potentiell) an der Versorgung beteiligten Akteuren und Einrichtungen in den Modellregionen und durch qualitative Fachkräfteinterviews wurden die intersektorale Zusammenarbeit, bestehende Versorgungslücken und Optimierungsmöglichkeiten herausgearbeitet. Die identifizierten Akteure wurden in einer Matrix gesammelt und in die drei Bereiche Gesundheit, Bildung und Soziales eingruppiert. Daraus wurden einzelne sogenannte „Key Informants“ ermittelt. Von März bis November 2024 wurden die Fachkräfteinterviews durchgeführt. Die Auswertung erfolgt mittels MAXQDA. Die Erfassung der intersektoralen Zusammenarbeit erfolgte über die Netzwerkkartensoftware Vennmaker.

Ergebnisse: 220 potentiell an der Versorgung beteiligte Akteure wurden auf übergeordneter Ebene mittels „Desk Research“ identifiziert. Dabei wurden Ärzt:innen und Fachärzt:innen sowie Vertreter:innen aus Heilberufen, Schulen und Kindertagesstätten in übergeordneten Kategorien erfasst. Insgesamt konnten 28 Interviewpartner:innen gewonnen werden, wovon n=13 dem Gesundheits-, n=7 dem Bildungs- und n=8 dem Sozialbereich zuzuordnen waren. Der Desk Research und die Interviews haben gezeigt, dass intersektorale Zusammenarbeit, Netzwerke und Versorgungsstrukturen vereinzelt vorhanden sind, diese jedoch oft nicht für Fachkräfte und Betroffene klar ersichtlich oder zugänglich sind. Lücken und deren Optimierungspotential konnte vor allem in den Bereichen Infrastruktur, den Rahmenbedingungen aber auch in der Zusammenarbeit und Vernetzung identifiziert werden. Strukturen der Zusammenarbeit entstehen häufig durch individuelle Kontakte der einzelnen Akteure und sind noch nicht strukturell verankert. Vor allem die lange Wartezeit bis zur Diagnosestellung sowie in den einzelnen Behandlungszentren wurde als Problem genannt. Auch fehlende Informationsbereitstellung über das Krankheitsbild PCS für Fachkräfte sowie noch fehlende Leitlinien für das ärztliche Personal wurden als Lücken definiert. Als optimale Versorgung wird die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen genannt sowie ein Lotse für die Optimierung des Patientenmanagement und die klare Darstellung der Versorgungsstruktur.

Schlussfolgerung: Die erfassten Netzwerke, Strukturen sowie die Lücken und Optimierungspotentiale der Versorgungslandschaft für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit PCS bilden die Grundlage für einen bedarfsgerechten und zeitnahen Zugang zur Versorgung und deren Weiterentwicklung. Die identifizierten Lücken sind ein wichtiger Informationsgewinn für Betroffene und Fachkräfte und dienen zur Optimierung der Versorgung.

Referenzen

[1] Renz-Polster H, Behrends U. Das Post-COVID-Syndrom bei Kindern und Jugendlichen. Kinderärztl Praxis. 2023;94(5):310-6.
[2] Scheibenbogen C, Renz-Polster H, Hohberger B, Behrends U, Schieffer E, Schieffer B. Post COVID und Post-Vakzin-Syndrom: Die Pandemie nach der Pandemie. Deutsches Ärzteblatt. 2023.
[3] Rathgeb C, Pawellek M, Behrends U, Alberer M, Kabesch M, Gerling S, et al. The Evaluation of Health Care Services for Children and Adolescents With Post-COVID-19 Condition: Protocol for a Prospective Longitudinal Study. JMIR Res Protoc. 2023;12:e41010.
[4] Töpfner N. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.  V, Alberer M, Ankermann T, Gesellschaft fur Pädiatrische Pneumologie e.  V, Bender S, et al. [Recommendation for standardized medical care for children and adolescents with long COVID]. Monatsschr Kinderheilkd. 2022;170(6):539-47.
[5] Koczulla AR, Ankermann T, Behrends U, Berlit P, Berner R, Boing S, et al. [German S1 Guideline Long-/Post-COVID]. Pneumologie. 2022;76(12):855-907.
Frau Anika Reinhart
Frau Chiara Rathgeb
Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE), Medizinische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
Pettenkofer School of Public Health, München, Deutschland, München
Frau Anika Reinhart
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Germany, Berlin
Bereich Versorgungsforschung im Kindes- und Jugendalter, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Deutschland, Düsseldorf
#Präsentation #Kinder und Jugendliche #Long COVID #Post COVID #Versorgung #Versorgungsforschung #Multisektorale Zusammenarbeit #Interprofessionelle Zusammenarbeit #regionales Mapping
3

Hintergrund

Die medizinisch-pflegerische Versorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen ist ein wichtiges Tätigkeitsfeld von Schulgesundheitsfachkräften (SGF) an Grundschulen. Eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen SGF, Schulgemeinschaft (u.a. Schulleitung, Lehrkräften, Eltern) und Öffentlichem Gesundheitsdienst (ÖGD) im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung und des schulärztlichen Dienstes könnte den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule und die koordinierte Versorgung während der Schulzeit verbessern. Wir untersuchten daher, (1) wie sich die Zusammenarbeit zwischen SGF, Schulgemeinschaft und ÖGD bei der Versorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen derzeit gestaltet und (2) wie die sektorenübergreifende Kooperation ausgebaut werden könnte.

Methode

Wir führten Fokusgruppeninterviews mit SGF, Schulleitungen und Schulärzt*innen durch. Die Rekrutierung fand an 26 Grundschulen mit SGF in Rheinland-Pfalz und den jeweils zuständigen Gesundheitsämtern statt. Die Interviewleitfäden deckten (1) den Status quo der Zusammenarbeit zwischen SGF, Schulgemeinschaft und ÖGD, (2) Kontextfaktoren und (3) Weiterentwicklungsbedarfe ab. Darüber hinaus organisierten wir einen Workshop mit SGF aus Rheinland-Pfalz, in dem wir gemeinsam einen differenzierten Überblick über (1) die aktuelle sektorenübergreifende Zusammenarbeit an den Grundschulen und (2) maßgebliche Kontextfaktoren erarbeiteten. Die Auswertung erfolgte jeweils mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker. Die Ergebnisse der Fokusgruppen und des Workshops wurden anschließend integriert interpretiert.

Ergebnisse

An den Fokusgruppeninterviews nahmen 6 SGF, 6 Schulleitungen und 4 Schulärzt*innen und am Workshop 21 SGF teil. Die Zusammenarbeit an den Grundschulen gestaltete sich sehr heterogen. Die Schuleingangsuntersuchung war oftmals der einzige Kontaktpunkt der SGF, der Schulleitungen und der Eltern von Kindern mit chronischen Erkrankungen zum ÖGD. Die Schuleingangsuntersuchung wurde vor allem zur Weitergabe von Untersuchungsergebnissen an die Grundschulen und zur Information der Eltern über das Angebot der SGF und Kontaktmöglichkeiten genutzt. Darüber hinaus fanden in Einzelfällen anonyme Fallbesprechungen und beim Vorliegen einer gesonderten Schweigepflichtsentbindung ein direkter Informationsaustausch zwischen SGF und ÖGD statt. Insgesamt wurde der ÖGD vor allem in einer Vermittlerfunktion gesehen. Weiterführende Vernetzungsbedarfe sahen die Teilnehmenden nicht. Vielmehr wurden die behandelnden Kinderärzt*innen und involvierten Subspezialitäten (z.B. Diabetologie, Pulmologie) als wichtige Ansprechpersonen genannt, um versorgungsrelevante Aspekte während der Schulzeit (z.B. Behandlungs-, Notfallpläne) abzusprechen. Im Vergleich zum ÖGD hätten diese einen umfassenderen Überblick über die Versorgung der Kinder. Kontextfaktoren, die die Zusammenarbeit der SGF mit dem ÖGD und den behandelnden Arztpraxen beeinflussten, waren Zeit- und Personalmangel, datenschutzrechtliche Einschränkungen der Informationsweitergabe, der Wille und das Engagement aller Beteiligten sowie eingeschränkte Informationen zur Schulgesundheitspflege und dem Angebot der SGF.

Diskussion

Dem ÖGD dürfte an der Schnittstelle zwischen Kindergarten und Schule eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Familien mit Versorgungsbedarfen an die SGF zukommen. Das Vernetzungspotenzial im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung sollte beim Ausbau der Schulgesundheitspflege verstärkt in den Blick genommen werden. Maßnahmen zur Stärkung der datenschutzkonformen sektorenübergreifenden Versorgung (z.B. rechtliche Prüfung und Anpassung des Informationsaustauschs) und Informationsmaterial zur SGF könnten hierzu einen Beitrag leisten. Darüber hinaus erscheint die Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit zwischen SGF, behandelnden Kinderärzt*innen, Subspezialitäten und weiteren außerschulischen Leistungserbringenden vielversprechend, um inner- und außerschulische Versorgungpfade besser miteinander zu verzahnen.
Herr Michael Eichinger
Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz
Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim
#Präsentation
4
Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) zählen zu den neuromentalen Entwicklungsstörungen, die frühkindlich auftreten. Weltweit wird über eine zunehmende Prävalenz berichtet, wenngleich die zugrundeliegenden Ursachen (etwa veränderte Diagnosekriterien oder Umweltfaktoren) noch unzureichend erforscht sind. ASS zeichnet sich durch ein komplexes Zusammenspiel neurologischer Besonderheiten und psychischer Belastungen aus. Deshalb bedarf es spezifischer Unterstützungsangebote in den verschiedenen Lebensbereichen (Familie, Kita, Schule, Freizeit). Aktuell liegen kaum belastbare Daten zur Versorgungs- und Belastungssituation der Familien in Deutschland vor – ein Problem insbesondere für Kommunen, die im Rahmen der Daseinsvorsorge ein gesundes Aufwachsen von Kindern sicherstellen sollen. Vor diesem Hintergrund wurde die Pilotstudie „Kindergesundheit in Gelsenkirchen“ (KiGG) entwickelt, um die Anzahl von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten (VA) und diagnostizierten psychischen Störungen (pS) zu erfassen sowie erste Einblicke in die Lebensverhältnisse und Herausforderungen der betroffenen Familien zu gewinnen.

Untersuchungsraum ist Gelsenkirchen, eine Kommune mit überdurchschnittlichem Migrations- (40 %) und Arbeitslosenanteil (11 %) [1]. Im Kita-Jahr 2023/24 erfolgte eine fragebogenbasierte Vollerhebung in allen 78 kommunalen Kitas (GeKita). Die Fragebögen umfassten strukturelle Informationen zu den Einrichtungen und detaillierte Angaben zu betroffenen Kindern, basierend auf den vorhandenen Verlaufsberichten der Kitas. Diagnostizierte psychische Störungen wurden gemäß ICD-10-F-Diagnosen (F84, F90–F95, F98) erfasst. Die Auswertung erfolgte mittels deskriptiver Statistik (SPSS). Zusätzlich wurden sechs leitfadengestützte Interviews mit Eltern von Kindern mit ASS im Einschulungsalter geführt. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring).

Von 6.713 betreuten GeKita-Kindern wurden 6,7 % (n= 441) als verhaltensauffällig eingestuft; davon erhielten 154 Kinder (35 %) eine F-Diagnose, wobei der größte Anteil (50,6 %, n= 78) eine ASS-Diagnose aufwies. Die geschätzte Prävalenz von Kindern mit F-Diagnosen liegt somit bei 2,3 %, die ASS-Prävalenz bei 1,2 %. Obwohl die meisten Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, ist Deutsch nur in 44 % der Fälle die Familiensprache. Auffällig ist, dass sowohl bei den deutschsprachigen als auch bei den nicht-deutschsprachigen Familien jeweils 17 % der Kinder eine F-Diagnose erhalten, während bei letzteren der Anteil der Kinder mit der Einstufung einer Verhaltensauffälligkeit deutlich höher liegt (37 % vs. 27 %). Die Interviews verdeutlichen die Herausforderungen, denen Familien gegenüberstehen: fehlende (mehrsprachige) Informationen, komplexe Diagnosewege, lange Wartezeiten, viele Arzttermine und Therapiemaßnahmen. Wie gut Familien diese Herausforderungen bewältigen können, hängt maßgeblich von der Verfügbarkeit persönlicher Ressourcen wie deutsche Sprachkenntnisse, Bildung und sozialer Unterstützung ab.

Die Ergebnisse der KiGG-Pilotstudie ermöglichen eine erste Einschätzung des Umfangs psychischer Störungen im F-Diagnosebereich und machen dringenden Handlungsbedarf sichtbar. Die vergleichsweise hohe Prävalenz von über 2% – im Vergleich zu geschätzten 1 % bundesweit – zeigt, dass eine erhebliche Zahl von Kindern betroffen ist. Frühzeitige und niedrigschwellige Hilfen sind essenziell. Erforderlich sind leicht zugängliche (mehrsprachige) Informationen zu Diagnose- und Therapiewegen sowie Unterstützungsangeboten. Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie [2] sollte der Unterstützungsprozess partizipativ gestaltet und an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Sorgeberechtigten ausgerichtet sein. Hierfür fehlen derzeit aber belastbare Daten – eine zentrale Voraussetzung für die Entwicklung bedarfsgerechter Angebote. Die KiGG-Studie zeigt zudem, dass insbesondere eine Kommune mit hoher sozialer Belastung und Migrationsanteil vor besonderen strukturellen und finanziellen Herausforderungen steht. Um Versorgungsgerechtigkeit herzustellen, braucht es gezielte politische Maßnahmen, den Abbau von Barrieren und eine verlässliche finanzielle Ausstattung dieser Kommunen im Rahmen ihrer gesundheitlichen Daseinsvorsorge.

Referenzen

[1] Stadt Gelsenkirchen.
Einwohnerdaten GE 2023. 2024 [cited 2025 Apr 10]. Available from: https://www.gelsenkirchen.de/de/_funktionsnavigation/impressum.aspx.
[2] AWMF. Autismus-Spektrum-Störungen im
Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter, Teil 2: Therapie. Interdisziplinäre
S3-Leitlinie der DGKJP und DGPPN sowie der beteiligten Fachgesell­schaften, Berufsverbände
und Patientenorganisationen; Konsensuskonferenz 22./23.11.18,
Onlineabstimmungen: 2019/20, Stand Text Leitlinie: 02.05.21. AWMF-Register­nummer:
028-047. 2021 [cited 2025 Apr 14].
Available from: https://register.awmf.org/assets/guidelines/028-047l_S3_Autismus-Spektrum-Stoerungen-Kindes-Jugend-Erwachsenenalter-Therapie_2021-04_1.pdf.
Frau Mara Hinse
Institut für Urban Public Health, Universitätsmedizin Essen, Universität Duisburg-Essen, Essen
#Präsentation
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
VS18
Gesundheitsförderung in Lebenswelten
Gesundheitsförderung in Lebenswelten
Raum: Seminarraum 536 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1
Die Kommune ist von besonderer Relevanz für die Umsetzung der „Health in All Policies“ (HiaP) Strategie, da sie auf vielfältige Weise gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen schaffen und somit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit leisten kann. Ein Kernelement der HiaP-Strategie ist die sektorübergreifende Zusammenarbeit [1]. Netzwerke stellen eine Form dieser Zusammenarbeit dar, bei der verschiedene Akteure und/oder Institutionen langfristig auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Somit bieten Netzwerke einen Raum für Teilhabe und ermöglichen durch ihre kollaborative Struktur die gemeinschaftliche Gestaltung gesundheitsförderlicher Strukturen. Insbesondere in städtischen Gebieten sind aufgrund von Ressourcenknappheit, der pluralistischen Struktur der Akteure und verteilten Zuständigkeiten kommunale Netzwerke zur Gesundheitsförderung entstanden [2, 3]. Bisher gibt es jedoch nur begrenzte empirische Erkenntnisse über die strukturellen Merkmale solcher Netzwerke, die Zusammensetzung der Akteurslandschaft und mögliche Muster der Kooperation. Ein Verständnis für die Netzwerkarbeit ist entscheidend, um die Effizienz und Nachhaltigkeit der Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene zu verbessern.

Diese Studie untersucht Netzwerke von Gesundheitsfachkräften an Grundschulen und in Quartieren im Land Bremen mithilfe einer qualitativen Netzwerkanalyse. Im Fokus steht die Frage, inwiefern sich Netzwerkstrategien in Merkmalen der Netzwerkstruktur, wie zentrale Akteure und Subgruppen, widerspiegeln.

Die Datenerhebung basiert auf der Methode der egozentrierten Netzwerkanalyse in Kombination mit Leitfadeninterviews. Die Gesundheitsfachkräfte wurden dabei zu ihren Kooperationsbeziehungen und der Qualität ihrer Zusammenarbeit im beruflichen Kontext befragt. Die qualitative Inhaltsanalyse der Interviews erfolgte durch eine Kombination aus deduktiver und induktiver Kategorienbildung mittels MaxQDA 2020. Ausgangspunkt waren theoretisch fundierte Kategorien auf Basis des „Bergen-Modells of Collaborative Functioning“ (BMCF) [4], die anschließend um induktive Kategorien ergänzt wurden. Die Erhebung des Netzwerkes erfolgte mit der Software Vennmaker, die anschließende Analyse mit Gephi.

In den qualitativen Interviews wurde deutlich, dass die übergeordnete Zielsetzung, die Stärkung der Gesundheitskompetenz, zwar einen gemeinsamen Orientierungsrahmen bietet, jedoch aufgrund der heterogenen Dialoggruppen und ihrer unterschiedlichen Bedarfe den Gesundheitsfachkräften einen großen Handlungsspielraum lässt. Vorläufige Analysen der Netzwerkstruktur spiegeln dieses Ergebnis wider. Sie zeigen eine große Diversität in der Akteurslandschaft und weisen auf unterschiedliche Netzwerkstrukturen hin, bei denen teilweise bestimmte Akteure eine Brückenfunktion zwischen Subgruppen einnehmen. Die Forschung trägt dazu bei, bestehende Wissenslücken über Netzwerkstrukturen in der kommunalen Gesundheitsförderung zu schließen, und bietet Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Netzwerkgestaltung, indem praxisrelevante Implikationen für das Management und die Steuerung aufgezeigt werden.

Referenzen

[1] World Health Organization (2014, January). Health in all policies framework (HiAP) for country action; c2014 [cited 2025 Jan 14] Available from: https://www.afro.who.int/publications/health-all-policies-framework-country-action
[2] Quilling E, Kruse
S, Kuchler M, Leimann J, Walter, U. Models of intersectoral cooperation
in municipal health promotion and prevention: findings from a scoping review. Sustainability. 2020;12(16):6544.
[3] Wiggins B, Anastasiou K, Cox DN. A systematic review of key factors in the effectiveness of multisector
alliances in the public health domain. Am J Health Promot. 2021;35(1):93-105.
[4] Corbin JH, Mittelmark MB. Partnership lessons from
the global programme for health promotion effectiveness: a case study. Health Promot. Int. 2008;23(4):365-371.
Frau Hanna Richter
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, Universität Bremen, Bremen
#Präsentation
2
Hintergrund: Energydrinks sind koffeinhaltige Getränke, die zusätzlich eine oder mehrere Zutaten wie Taurin oder Inosit enthalten. Der Koffeingehalt liegt bei rund 32 mg/100 ml und häufig sind große Mengen an Zucker enthalten. Sowohl bei Erwachsenen, als auch bei Kindern ist der Konsum weit verbreitet.

Methoden: Der Beitrag verfolgt das Ziel einen Überblick über den Forschungsstand zu Häufigkeiten und Wirkung von sowie Folgen durch einen häufigen Energydrink-Konsum bei Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen zu geben. Es werden Befragungsergebnisse und Interventionen zur Reduktion des Energydrinks-Konsums bei Menschen mit Unterstützungs-/Förderbedarf vorgestellt. Der Beitrag schließt mit einem Überblick über Angebote und (Informations-)Materialien zur Prävention sowie Empfehlungen und Möglichkeiten zur Regulierung auf politischer Ebene.
Ergebnisse: Die Lebenszeitprävalenz liegt bei Erwachsenen bei 68,2 % und bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 9 bis 17 Jahren bei 61,7 %. Die Konsumhäufigkeit bei Bevölkerungsgruppen in vulnerablen Lebenslagen ist besonders hoch: 15-30 % der Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und der Menschen mit sog. geistiger Behinderung konsumieren mindestens wöchentlich Energydrinks. Erste Konsumerfahrungen können bereits im Alter von sechs Jahren auftreten. Die Nebenwirkungen sind vielfältig, meist kardiologische Beschwerden. Trotz der Gesundheitsrisiken und möglichen Abhängigkeit existieren bislang nur wenige regulierende Maßnahmen und Präventionsangebote. Immerhin stehen zunehmend Lehr- und Informationsmaterialien zur Verfügung, die sich vorrangig an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene richten, teils auch in leichter Sprache. Diese beinhalten Angebote der Prävention für Lebenswelten, wie (Förder-)Schule und Eingliederungshilfe [1, 2], teils mit digitalen und audiovisuellen Bestandteilen (Video, App). Es werden zwei partizipative Interventionen für die Eingliederungshilfe und (Förder-)Schule sowie deren erste Evaluationsergebnisse und positiven Wirksamkeitsnachweise zur Reduktion des Energydrink-Konsums vorgestellt (Projekt "SKoL", Projekt "Gesundheitschamps") [2-4].

Schlussfolgerung: Angesichts der hohen Konsumraten und gesundheitlichen Risiken erscheint eine umfassende Prävention, insbesondere bei besonders gefährdeten Gruppen, dringend erforderlich. Wissenschaftler*innen, Verbraucherschützer*innen und politische Akteure fordern u. a. ein Mindestabgabealter von 16 bzw. 18 Jahren, Werbeeinschränkungen und eine Kennzeichnung der Produkte mit Warnhinweisen. Derartige verhältnispräventive Maßnahmen und Regulierungen werden noch nicht umgesetzt, versprechen aber ähnliche Erfolge wie bei der Tabakkontrollpolitik der letzten Jahrzehnte.

Referenzen

[1] Lutz J, Rathmann K. Gesundheitskompetenz von Schulkindern mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung: Bedarfe und Herausforderungen in der Förder- und inklusiven Grundschule. In: Rathmann K, Dadaczynski K, Okan O, Messer M, Hrsg. Gesundheitskompetenz. Berlin, Heidelberg: Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit. Springer; 2023. S. 1–15.
[2] Rathmann K, Sendatzki S, Landwehr C. Das Projekt „Gesundheitschamps – wir wissen um unsere Gesundheit Bescheid“. Präv Gesundheitsf. 2024. DOI: https://doi.org/10.1007/s11553-024-01164-6
[3] SKoL – Substanzmittel Kompetenz TOOLBOX [Internet]. [zitiert 2025 Feb 14]. Verfügbar unter: https://skol-substanzbox.de/
[4] Rathmann K, Karg S, László E, Schneider C. Bericht zur wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation des Projekts „Toolbox zur Stärkung der Gesundheitskompetenz im Bereich Substanzmittelkonsum von und für Menschen mit geistiger Behinderung (SKoL)“. Ein Kooperationsprojekt des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Recklinghausen gGmbH und der Hochschule Fulda. 2024 [zitiert 2025 Apr 6].
Frau Prof. Dr. Katharina Rathmann
Fachbereich Gesundheitswissenschaften, Hochschule Fulda, Hochschule Fulda
Public Health Zentrum Fulda (PHZF), Fulda
#Präsentation #Gesundheitsförderung #Gesundheitskompetenz #Förderbedarf, Behinderung, #Behinderung #Eingliederungshilfe #Schule
3
Hintergrund: Vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft wird die Frage, wie ältere Menschen in städtischen und ländlichen Gebieten altersgerecht und gesund leben können, zunehmend dringlich. Das Praxisforschungsprojekt "Altersgerecht und gesund leben im Quartier", das in Zusammenarbeit mit der Diakonie Bayern und der Diakonie Hasenbergl durchgeführt und vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert wird, zielt darauf ab, diese Thematik aus der Perspektive der Teilhabe und Ko-Kreation zu beleuchten. Im Zentrum stehen hierbei die Analyse spezifischer Barrieren sowie die Ermittlung von Bedürfnissen älterer Menschen, insbesondere jener aus sozial benachteiligten Gruppen. Die Schaffung von Potenzialen für altersgerechte Gemeinwesenarbeit stellt einen weiteren Forschungsschwerpunkt dar.
Methode: Das Projekt besteht aus mehreren Phasen. Aktuell befinden wir uns in der zweiten Erhebungsphase. In der ersten Erhebungsphase wurden mit Beteiligten aus Politik, Praxis und Forschung Expert:inneninterviews durchgeführt und mit der Grounded Theory ausgewertet. In der aktuellen zweiten Projektphase wird in einem Pilotprojekt in einem Münchner Stadtteil mittels innovativer Forschungsmethoden wie Nadelmethode, Netzwerkkarten mit Interviews sowie Stadtteilbegehungen mit teilnehmenden Beobachtungen gearbeitet. Studierende werden im Rahmen von Lehrforschungsseminaren in diesen Prozess integriert, was eine praxisnahe Einbindung und Ausbildung junger Akademiker:innen sicherstellt.
Ergebnisse: Die Analyse der bisher erhobenen Daten hat erste Ergebnisse geliefert, etwa zur Bedeutung von Fußläufigkeit im Alltag älterer Menschen und den besonderen Herausforderungen, denen Frauen und ältere Migrant:innen begegnen. Besondere Aufmerksamkeit gilt u.a. auch dem Thema Altersarmut, die in ihrer vielschichtigen Ausprägung erhebliche Auswirkungen auf die Möglichkeiten eines gesunden Alterns hat. Im geplanten weiteren Verlauf des Sommers 2025 ist eine umfassende Auswertung der Erhebung des Pilotprojektes vorgesehen, die Aufschluss über spezifische Kontexte und Bedürfnisse geben wird und die im Rahmen der Präsentation vorgestellt werden.
Diskussion: Anhand ersten Ergebnisse wird diskutiert, wie bedeutend Teilhabe und Ko-Kreation in der Gemeinwesenarbeit für die Förderung eines gesunden und altersgerechten Lebensumfelds sind. Besonders hervorzuheben ist die Notwendigkeit, die Barrieren zu adressieren, denen sozial benachteiligte Gruppen ausgesetzt sind. Die Methodenkombination in der Erhebung ermöglicht eine vielschichtige Betrachtung der individuellen und strukturellen Voraussetzungen, die für ein gelingendes Altern erforderlich sind. Allerdings zeigen sich auch Herausforderungen, insbesondere bei der nachhaltigen Implementierung und Verstetigung von Maßnahmen in städtischen und ländlichen Kontexten. Durch die Einbindung von Expert:innen und die Integration studentischen Engagements werden Perspektiven erweitert und Lösungen partizipativ entwickelt. Zukünftige Auswertungsschritte werden vertiefende Einblicke liefern und spezifische Handlungsempfehlungen zur Förderung altersgerechter Strukturen bereitstellen. Diese praxisnahe Forschung unterstreicht die Bedeutung ko-kreativer Ansätze in Gesundheitsförderung und Prävention für eine zukunftsfähige alternde Gesellschaft.

Frau Prof. Dr. Sigrid Mairhofer
Hochschule München, München
Frau Isabelle Riedlinger
Hochschule München, München
#Präsentation #Gesundes Altern, Gemeinwesen
4

Hintergrund

MigrantInnen der ersten Zuwanderungsgeneration sind in der Gesundheitsforschung oft unterrepräsentiert, da soziale und sprachliche Zugangsbarrieren ihre Beteiligung einschränken [1]. Partizipative Gesundheitsforschung (PGF) setzt hier an, indem sie Mitglieder betroffener Communities aktiv in den Forschungsprozess einbindet [2,3].
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Methode

In einem aktuellen Forschungsprojekt zu kultursensiblen Gesundheitsinformationen zu Krebsvorsorge arbeite ich mit drei Community-ForscherInnen aus Ländern des Mittleren und Nahen Ostens zusammen, die in den gesamten Forschungsprozess eingebunden sind, d.h. von der Entwicklung der Interviewleitfäden über die Durchführung von Interviews bis hin zur Interpretation und Dissemination der Ergebnisse. Die Forschung findet nicht in institutionellen Räumen, sondern im häuslichen Umfeld der Community-ForscherInnen statt – an Esstischen, auf Sofas, inmitten familiärer Routinen.

Ergebnisse

Diese räumliche und soziale Nähe eröffnet tiefere Einblicke in Gesundheitspraktiken und strukturelle Zugangsbarrieren in der Gesundheitsversorgung. Sie ermöglicht es, zu erfahren, wie gesundheitsbezogene Themen im Alltag bestimmter migrantischer Communities verhandelt werden – welche Ängste, Wissenslücken oder informellen Strukturen eine Rolle spielen. Gleichzeitig verändert diese Nähe die Rollen im Forschungsprozess und eröffnet neue Spannungsfelder: Als Gästin trete ich in private Räume ein, erhalte Zugang zu sensiblen Gesprächen, oft unerwartet und wenn kein Aufnahmegerät eingeschaltet ist. Ich profitiere von Vertrauen, welches die Forschung mit mir nicht zugänglichen Gruppen erst ermöglicht. Gleichzeitig bin ich Gastgeberin, vertrete eine prestigeträchtige Institution und setze Rahmenbedingungen, werde aber auch Teil informeller Verhandlungen über Machtverhältnisse und Geschlechternormen, bei denen mir ungewollte Autorität zugesprochen wird.
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Diskussion

Die Forschung „zwischen den Stühlen“ – zwischen wissenschaftlichen Anforderungen und der gelebten Realität von MigrantInnen, zwischen institutioneller Distanz und der Nähe partizipativer Zusammenarbeit – wirft zentrale methodische und ethische Fragen auf. Es stellt sich unter anderem die Frage nach der Verantwortung der Forschenden, wenn die Forschung aktiv in soziale Gefüge eingreift und ein Empowerment der Co-Forschenden diese verändert [4]. Dies zeigt sich besonders in Konstellationen, in denen Community-ForscherInnen durch ihre Forschungsrolle neue soziale Positionen einnehmen, die über etablierte Geschlechter- oder Familiennormen hinausgehen und sie möglicherwiese Risiken aussetzen. Empowerment sollte somit hinsichtlich seiner Konsequenzen für individuelle und kollektive Handlungsspielräume in ihren jeweiligen Kontexten kritisch reflektiert werden. Zudem sind Community-ForscherInnen nicht nur Mitforschende, sondern auch soziale Akteure mit eigenen Agenden, die sich nicht immer mit den wissenschaftlichen Zielen decken. Inwieweit kann die PGF eine Begleiterin von Veränderungsprozessen sein, ohne ihre analytische Funktion zu verlieren? In welchen Momenten sollte sie bewusst Distanz herstellen, um nicht als strategische Ressource, z.B. in innergemeinschaftlichen Aushandlungen instrumentalisiert zu werden? Dies erfordert die stetige Reflexion von Interessen aller am Forschungsprozess Beteiligten [3] und eine Differenzierung zwischen wissenschaftlichen und aktivistischen Perspektiven.
Die PGF eröffnet somit Chancen für eine kultursensible Gesundheitsforschung, indem sie sichtbar macht, dass Gesundheitsentscheidungen stets in soziale, kulturelle und strukturelle Kontexte eingebettet sind [1]. Indem sie diese Aushandlungsprozesse erforscht, leistet sie einen Beitrag zur Wissensproduktion, eröffnet zudem Handlungsspielräume für eine nachhaltige, kontextsensible Gesundheitsförderung und trägt zum Empowerment der Beteiligten bei. Um ihre Potenziale auszuschöpfen, erfordert die PGF eine kontinuierliche, multiperspektivistische Reflexion über Rollen, Machtverschiebungen und mögliche Risiken für Beteiligte [3,5].

Referenzen

[1] MacFarlane A, Huschke S, Marques MJ. Normalising participatory health research approaches in the WHO European region for refugee and migrant health: a paradigm shift. Lancet Reg Health Eur. 2024;24:100837. DOI: 10.1016/j.lanepe.2024.100837
[2] Jagosh J, Macaulay AC, Pluye P, Salsberg J, Bush PL, Henderson J, et al. Uncovering the benefits of participatory research: Implications of a realist review for health research and practice. Milbank Q. 2012;90(2):311-46. DOI: 10.1111/j.1468-0009.2012.00665.x
[3] Roura M, Dias S, LeMaster JW. Participatory health research with migrants: opportunities, challenges, and way forwards. Health Expect. 2021;24(6):2006-15. DOI: 10.1111/hex.13201
[4] Rivas C. Participatory research for person-centered care: involving undocumented and recent migrants. Int J Pers Cent Med. 2023;13(1):1-19. DOI: 10.5750/ijpcm.v13i1.1119
[5] Rustage K, Crawshaw A, Majeed-Hajaj S, Deal A. Participatory approaches in the development of health interventions for migrants: A systematic review. BMJ Open. 2021;11(10):e053678. DOI: 10.1136/bmjopen-2021-053678
Frau Dr. Hanna Lütke Lanfer
Universität Bielefeld, Bielefeld
#Präsentation #Partizipative Gesundheitsforschung #Empowerment #Kultursensbilität
5

Hintergrund

Die Community Coalition Action Theory [1] und weitere Theorien beschreiben die Faktoren und Mechanismen, über die kommunale Präventionsnetzwerke (engl. Community Coalitions) ihre Wirkung auf die Bevölkerungsgesundheit entfalten. Bislang mangelt es an Studien zu den Effektstärken dieser Faktoren und Mechanismen. Der Beitrag untersucht diese erstmals für deutsche Kommunen.

Methode

Die Daten stammen aus der CTC-EFF-Studie, einem Cluster-Non-Randomized Controlled Trial zur Evaluation des kommunalen Präventionssystems Communities That Care (CTC) [2]. (i) In 2023/24 nahmen 22 Mitglieder von 7 lokalen CTC-Coaltions an einer Befragung teil, in der u.a. 22 Gelingensbedingungen für die Implementation von CTC erhoben wurden [3]; (ii) In 12/2023 wurden Daten aus einem Monitoring-Tool beschafft, mit dem in den Kommunen die Qualität (n = 12) und der Fortschritt (n = 13) der CTC-Implementation dokumentiert wird. (iii) Von 17 CTC- und 16 Kontrollkommunen nahmen 330 Community Key Informants in 2021/22 und 2023/24 an einer Befragung teil, in der u.a. die fünf von CTC intendierten System-Chance-Outcomes (z.B. intersektorale Kooperation) erhoben wurden [4]; (iv) Für 16 CTC- und 15 Kontrollkommunen konnten durch eine Befragung von Präventionsakteuren in 2021/22 und 2023/24 für jede Kommune die Anzahl der implementierten evidenzbasierten Präventionsprogramme (EBP) sowie die Anzahl der damit erreichten Personen ermittelt werden. Vor den Analysen wurden fehlende Werte imputiert und die Befragungsdaten auf das Kommunen-Level aggregiert. Es wurden bivariate lineare Regressionsmodelle gerechnet.

Ergebnisse

Folgende Gelingensbedingungen sind mit der Implementationsqualität assoziiert: lokale Umsetzungshindernisse (β = -,928), Konflikte in der Coalition (β = -,712), Kommunikationsqualität in der Coalition (β = ,928), Teamgeist in der Coalition (β = ,844), Zielorientiertheit der Coalition (β = ,798), Effektivität der Coalition-Meetings (β = ,833), Einfluss der Coalition (β = ,849), von den Mitgliedern wahrgenommene persönliche Kosten (β = -,803) und Nutzen (β = ,763) ihrer Mitarbeit an der Coalition. Die Implementationsqualität hängt mit dem System-Change-Outcome integrierte kommunale Gesamtstrategie (β =,637) zusammen und der Implementationsfortschritt mit der Übernahme eines wissenschaftsbasierten Präventionsvorgehens (β =,565). Eine Zunahme an EBP ist mit einer Zunahme in der Übernahme eines wissenschaftsbasierten Präventionsvorgehens (β =,368) sowie im finanziellen Rückhalt der Kommune für Prävention (β =,500) assoziiert. Eine Zunahme der Anzahl der mit EBP erreichten Personen hängt mit einer Zunahme des Rückhalts der Bevölkerung für Prävention (β =,393) zusammen.

Diskussion

Da die statistische Power der Studie für derartige Community-Level-Analysen sehr gering ist, konnten nur hohe Effektstärken als statistisch signifikant detektiert werden. Die gefundenen Zusammenhangsrichtungen sind theoriekonform. Die Ergebnisse liefern erstmals für Deutschland Erkenntnisse zur relativen Relevanz der Faktoren und Mechanismen, über die laut Theorie kommunale Präventionsnetzwerke ihre Wirkung auf die Bevölkerungsgesundheit entfalten. Aus unseren Befunden haben wir Handlungsempfehlungen für die Präventionspraxis abgeleitet und diese veröffentlicht [5].

Referenzen

[1] Butterfoss F, Kegler MC. Toward a comprehensive understanding of community coalitions. In: DiClemente RJ, Crosby R, Kegler MC, editors. Emerging theories in health promotion practice and research. San Francisco: Jossey Bass; 2002. p. 157-193.
[2] Röding et al. Study protocol: a non-randomised community trial to evaluate the effectiveness of the communities that care prevention system in Germany. BMC public health. 2002(21): 1-9.
[3] Röding et al. Einflussfaktoren der Implementation von Präventionsstrategien–Validierung eines Messinstruments für den Schulkontext. Prävention und Gesundheitsförderung. 2025(e-first).
[4] Röding et al. Validation of an instrument to measure community capacity building for prevention. J Public Health. 2024;32(8):1319-1335.
[5] Walter et al. 2025. Handlungsempfehlungen für die Implementation von Communities That Care. https://www.researchgate.net/publication/390421467_Handlungsempfehlungen_fur_die_Implementation_von_Communities_That_Care.
Herr Dr. Dominik Röding
Medizinische Hochschule Hannover - Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Implementierung #Kommune #Kinder und Jugendliche #Capacity Building #Pfadmodell #Innovation #Partizipative Ansätze
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
VS19
Partizipation in der Lebenswelt Hochschule
Partizipation in der Lebenswelt Hochschule
Raum: Seminarraum 520 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beiträge:
1
Hintergrund: Angesichts zunehmender Belastungen und eines schlechter werdenden Gesundheitszustands der Studierenden, insbesondere der psychischen Gesundheit, ist die Gestaltung gesunder Hochschulen (HS) eine wichtige Maßnahme [1]. Das Gesundheitsmonitoring der HS Bochum zeigt Auffälligkeiten im Bereich der psychischen Gesundheit Studierender sowie den Bedarf nach niederschwelligen Unterstützungsangeboten und die Kenntnis über diese auf. Die Partizipation von Studierenden stellt einen wichtigen Aspekt von Gesundheitsförderung und die Entwicklung einer Gesundheitsförderungskultur in Hochschulen dar [2] [3]. Die Studierenden profitieren vor allem vom damit verbundenen Empowermentprozess. In den Projekten DORIS w/Nebolus und StudiCoach werden in ko-Kreation mit Studierenden seit September 2023 verschiedene Angebote zur Orientierung und zur Sichtbarmachung gesundheitsförderlicher Angebote sowie zur Beratung auf Peer-Ebene entwickelt und evaluiert. Der Beitrag fokussiert die studentische Partizipation bei der Planung und Umsetzung.

Methode: Mittels peergeleiteter Gruppendiskussionen [4] wurde den Fragen nachgegangen, wie die studentische Partizipation erlebt wurde und welche zukünftigen Partizipationsräume identifiziert werden können. Dabei wurde sowohl die Perspektive von Studierenden, die an der Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen beteiligt waren als auch die der Teilnehmenden einbezogen. Die Transkripte wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker [5] ausgewertet.

Ergebnisse: Die Gestaltung einer gesundheitsfördernden Hochschule erfordert die aktive Einbindung Studierender und den Abbau institutioneller Barrieren. Studentische Partizipation ermöglicht nicht nur eine bedarfsorientierte Entwicklung von Maßnahmen, sondern auch eine adressatinnengerechte Ansprache – beispielsweise über Social Media. Der Einbezug von Peers in die Umsetzung der Maßnahmen erwies sich dabei als förderlich für Motivation und Akzeptanz unter den Teilnehmenden. Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass die begrenzten zeitlichen und organisatorischen Ressourcen Studierender eine zentrale Herausforderung darstellen. Um dem zu begegnen, gilt es, geeignete Räume zur Partizipation zu schaffen – etwa im Rahmen von Lehrveranstaltungen oder in Leerzeiten zwischen den Seminaren. Die Sensibilisierung Studierender für die Relevanz von Gesundheit in allen Lebensbereichen ist dabei ein zentraler Bestandteil einer zukunftsfähigen Gesundheitsförderungskultur an Hochschulen. Partizipative Ansätze machen die Perspektiven und Bedürfnisse der Studierenden sichtbar und ermöglichen deren aktive Mitgestaltung des Hochschulalltags.

Diskussionsbeitrag: Partizipatives Vorgehen in Form unterschiedlicher und niederschwelliger Beteiligungsmöglichkeiten ermöglicht es, Maßnahmen zu entwickeln, die Studierende erreichen und gesundheitsförderliche Strukturen zu implementieren, die langfristig zu nachhaltigem gesundheitsförderlichen Handeln motivieren. In der Diskussion soll es darum gehen, wie es im Hochschulalltag möglich sein kann, partizipativ vorzugehen.

Referenzen

[1] Techniker Krankenkasse. Gesundheitsreport 2023 – Wie geht’s Deutschlands Studierenden? Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2023. Verfügbar unter: https://www.tk.de/resource/blob/2149886/e5bb2564c786aedb3979588fe64a8f39/2023-tk-gesundheitsreport-data.pdf [zitiert am 14.04.2025].
[2] Timmann M, Paeck T, Fischer J, Steinke B, Dold C, Preuß M, et al. Handbuch Studentisches Gesundheitsmanagement – Perspektiven, Impulse und Praxiseinblicke. Berlin, Heidelberg: Springer; 2022.
[3] Josupeit J, Schäfer P, Tollmann P, Leimann J, Kaczmarczyk D, Kausemann C, et al. Gesundheitsförderung mit Kindern und Jugendlichen: Der Ansatz der Gesundheitsförderungskultur. Prävention und Gesundheitsförderung. 2024;19(1):22–7.[4] Kühn T, Koschel K-V. Gruppendiskussionen: Ein Praxis-Handbuch. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 2011.
[5] Kuckartz U, Rädicker S. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 5. Auflage. In: Beltz Juventa. 2022.
Frau Maja Kuchler
Hochschule Bochum, Bochum
Frau Janna Leimann
Hochschule Bochum, Bochum
#Präsentation #Hochschule #Gesundheitsförderung bei Studierenden #Partizipation #Empowerment
2
Hintergrund: Deutsche Hochschulen stehen vor wachsenden gesellschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Herausforderungen: Die Anzahl an Studierenden sinkt, Abbruchquoten steigen und die psychische Gesundheit Studierender ist seit Jahren beeinträchtigt. Um diesen Trends entgegenzuwirken und wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich die Hochschulen um nachhaltige und gesundheitsförderliche Bedingungen und Strukturen bemühen. Eine fundierte Datengrundlage ist notwendig, um gezielte Maßnahmen zu entwickeln. Gesundheitsrelevante Kontextfaktoren können zum Beispiel mit dem Bielefelder Fragebogen für Studienbedingungen erfasst werden. Das Projekt Roadmap4StudiBiFra dient der Untersuchung der Herausforderungen und erfolgskritischen Faktoren rund um die Befragung mit diesem Instrument. Ziel ist es, diese Aspekte in eine Roadmap – eine Sammlung von Handlungsempfehlungen und Best-Practice-Beispielen – für Hochschulen zu integrieren. Somit können Hochschulen nachhaltig in ihren Prozessen unterstützt werden und Studierende in hochschulpolitischen Debatten mehr Beachtung finden.

Methode: Zwischen Mai und Oktober 2024 wurden 23 leitfadengestützte, problemzentrierte Interviews mit 28 Personen aus 16 unterschiedlichen Hochschulen in acht Bundesländern geführt. Die Teilnehmenden umfassten Hochschulakteur*innen verschiedener Ebenen (z. B. Gesundheitsmanager*innen, Referent*innen unterschiedlicher hochschulischer Abteilungen) sowie Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen, die an einer Befragung mit dem Bielefelder Fragebogen und/oder an der Ableitung und Umsetzung nachgelagerter Prozesse beteiligt waren. Die Interviews wurden transkribiert, pseudonymisiert und mit Hilfe der Template Analysis nach Brooks et al. (2015) ausgewertet.

Ergebnisse: Unter den Teilnehmenden waren fünf Studierende aus vier unterschiedlichen Studiengängen. Zudem nahmen 23 weitere Akteur*innen der Hochschulen teil, deren Berufserfahrungen von einem bis 32 Jahre und Anstellungsdauer im aktuellen Job von einem bis 13 Jahre variierte.
Es wurden vier zentrale Themenkomplexe identifiziert: (a) die Hochschule als Setting, (b) das eingesetzte Befragungsinstrument, (c) der Befragungsprozess und (d) Studierende.
Das Setting umfasste insbesondere strukturelle und organisatorische Faktoren, wie Ressourcen (v. a. personelle und zeitliche), Unterstützung durch die Hochschulleitung und die hochschulinterne Zusammenarbeit. Begrenzte finanzielle und personelle Mittel sowie fehlende Unterstützung erschwerten den Projekterfolg, weshalb eine stärkere institutionelle Verankerung des studentischen Gesundheitsmanagements gefordert wird.
Das eingesetzte Befragungsinstrument der Bielefelder Fragebogen zu Studienbedingungen wurde für die Erfassung struktureller Aspekte positiv bewertet, jedoch wurden Anpassungen hinsichtlich der Länge, thematischer Aspekte und offener Antwortfelder gewünscht.
Wichtige Erfolgsfaktoren im Befragungsprozess waren unter anderem die Auswahl des richtigen Erhebungszeitpunktes und die Vorerfahrungen (bspw. mit anderen Befragungen) der Durchführenden sowie der Informationsaustausch mit Expert*innen für das Instrument. Außerdem wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, von Beginn an Akzeptanz für die Befragung zu schaffen und sich rechtzeitig mit der Kommunikation der Ergebnisse auseinanderzusetzen, z. B. an Entscheidungstragende an der Hochschule.
Eine zentrale Rolle spielten die Studierenden. Betont wurde die Bedeutung aktiver und langfristiger Studierendenpartizipation in Vorbereitung und nachgelagerter Nutzung der Befragung, die durch hohe Fluktuation und fehlende Kapazitäten erschwert wurden. Zudem sollten die spezifischen Bedarfe vulnerabler Gruppen, wie Studierende mit Care-Aufgaben, stärker berücksichtigt werden.

Diskussion: Die vorläufigen Ergebnisse verdeutlichen, dass partizipative Ansätze und die institutionelle Verankerung von einem studentischen Gesundheitsmanagement wesentliche Erfolgsfaktoren für die erfolgreiche Durchführung einer Bedarfserhebung darstellen können. Eine stärkere Einbindung von Studierenden, insbesondere vulnerabler Gruppen, sowie eine enge Zusammenarbeit innerhalb der Hochschulen sind entscheidend. Für die Zukunft sollten Hochschulen mehr Ressourcen in die Förderung von Teilhabe investieren, um nachhaltige und inklusive Lösungen zur Förderung gesundheitsförderlicher Studienbedingungen zu schaffen.

Referenzen

[1] Statistisches Bundesamt. Statistik der Studenten. 2025. Verfügbar unter: https://www-genesis.destatis.de/datenbank/online/statistic/21311/table/21311-0001/search/s/U3R1ZGllcmVuZGU= (Zugriff am: 11.03.2025).
[2] Heublein U, Hutzsch C, Schmelzer R. Die Entwicklung der Studienabbruchquoten in Deutschland. Hannover: Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW); 2022. Brief 05/2022.
[3] Meyer B, Grobe T, Bessel S. Gesundheitsreport 2023 – Wie geht‘s Deutschlands Studierenden? Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2023.
[4] Brooks J, McCluskey S, Turley E, Kind N. The utility of template analysis in qualitative psychology research. Qual Res Psychol. 2015;12:202-222.
[5] Burian J, Lehnchen J, Heumann E, Helmer SM, Stock C. Bielefelder Fragebogen zu Studienbedingungen und Gesundheit als Basis für die Gestaltung von SGM an Hochschulen. In: Timmann M, Paeck T, Fischer J, Steinke B, Dold C, Preuß M, Sprenger M, Herausgeber. Handbuch Studentisches Gesundheitsmanagement - Perspektiven, Impulse und Praxiseinblicke. Berlin, Heidelberg: Springer; 2022. S. 77-87.
Frau Jennifer Lehnchen
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Berlin
#Präsentation #psychische Gesundheit #Studienbedingungen #Hochschule #Studierendenpartizipation
3
Hintergrund: Studierende sind eine wichtige Zielgruppe für Prävention und Gesundheitsförderung: Sie weisen ein hohes Ausmaß an verhaltensbasierten Risikofaktoren auf, berichten über hohe Prävalenzen von Gesundheitsproblemen und sind – als Fachkräfte von morgen – wichtige Multipli­kator*innen für die Gesundheit in Lebenswelten (z. B. Schulen, Betriebe, Familien). Für ein strukturiertes studentisches Gesundheitsmanagement (SGM) ist Partizipation ein Schlüsselelement, um eine hohe Akzeptanz und Reichweite von Maßnahmen zu erreichen und sicherzustellen, dass Angebote bedarfs- und zielgruppengerecht entwickelt und implementiert werden können. Dieser Beitrag stellt die Arbeiten im SGM der Universität Greifswald vor, die partizipativ ein modulares Gesundheitsmonitoring erarbeitet hat.

Methode: In mehrwelligen Workshops und Austausch einer Steuerungsgruppe wurde mittels community-based participatory research [1] gemeinsam mit Vertretungen von Studierendenschaft, Universität (Qualitätssicherung, Zentrale Studienbe­ratung), Hochschulsport sowie lokalen Beratungsangeboten und Freizeiteinrichtungen und unter Einbindung fachwissenschaftlicher Expertise sowie systematischer Literaturrecherche [2] ein Konzept für ein modularisiertes Gesundheits­monitoring erarbeitet, um nachhaltig Einblicke in die Studierendengesundheit zu erhalten und Angebote im SGM steuern zu können. Die Zielgruppen sind dabei mit Entscheidungsbefugnis in den gesamten Prozess eingebunden, von der Entwicklung der Fragestellung, der Auswahl von Schwerpunkten und Instrumentarien, der Gestaltung der Ansprache und Umsetzung bis hin zur Auswertung und Interpretation der Erhebungen und der Ableitung von Maßnahmen. Der Prozess wurde durch ethnographische Beobachtung sowie Reflexionsprotokolle kritisch evaluiert.

Ergebnisse: Der Partizipationsprozess hat ergeben, dass eine wiederkehrende Befragung am Standort Greifswald initiiert wurde, die etwa alle 2 Jahre wiederholt werden soll. Neben individuellen Einstellungen und Verhalten in Bezug auf die Gesundheit werden auch wahrgenommene Bedingungen und Einflussfaktoren auf Seiten der Universität und Studienbedingungen erhoben werden, die einen ganzheitlichen Ansatz fördern. Die Erhebung ist zudem modularisiert, da je Erhebung Schwerpunkte (z. B. psychische Gesundheit, Mediennutzung) vertieft exploriert werden und zu jeder Befragung ergänzend qualitative Fokusgruppen sowie ambulante, mobilbasierte Assessments in Subgruppen durchgeführt werden, um Bedarfe besonders vulnerabler Gruppen oder Gesundheitsprozesse besser verstehen und angemessen handeln zu können. Das Vorhaben besitzt eine hohe Bekanntheit und Akzeptanz vor Ort und wird durch die beteiligten Akteure breit gestützt.

Diskussion: Die Ergebnisse verdeutlichen das Potenzial der Partizipation von Studierenden in der Gestaltung von Maßnahmen im SGM, insbesondere mit Blick auf die Akzeptanz und die Modula­risierung von Gesundheitsmonitoring. Das Projekt ergänzt damit die nationale und internationale Forschung um moderne Methoden (z. B. ambulantes Assessment) sowie flexibles Design. Dabei ist wichtig, eine gute Balance aus Forschungs-, Erfahrungs- und Kontext-Evidenz zu schaffen, sodass alle Perspektiven angemessen berücksichtigt werden können [3]. Zudem müssen frühzeitig Strukturen und Regeln für die Zusammenarbeit gestaltet werden, die eine nachhaltige Umsetzung ermöglichen. In den nächsten Schritten sollen an der Universität Greifswald auf Basis des Monitorings Maßnahmen abgeleitet und implementiert werden.

Referenzen

[1]   Wallerstein NB, Duran B. Using community-based participatory research to address health disparities. Health  Promotion Practice. 2006 Jun 7;7(3):312-23.
[2]   Burian J, Lehnchen J, Heumann E, Helmer SM, Stock C. Bielefelder Fragebogen zu Studienbedingungen und Gesundheit als Basis für die Gestaltung von SGM an Hochschulen. In: Timmann M, Paeck T, Fischer J, Steinke B, Dold C, Preuß M, Sprenger M, editors. Handbuch Studentisches Gesundheitsmanagement-Perspektiven, Impulse und Praxiseinblicke. Berlin: Springer; 2023. p. 77–87.
[3]    Trojan A, Kolip P. Evidenzbasierung in der Prävention und Gesundheitsförderung. In: Tiemann M, Mohokum M, editors. Prävention und Gesundheitsförderung. Berlin: Springer; 2021. p. 1119-1141.
Frau Christin Schwiebert
Universität Greifswald, Gesunde Universität, Greifswald
Lehrstuhl Gesundheit und Prävention, Institut für Psychologie, Universität Greifswald, Greifswald
#Präsentation
4
Sexuelle Übergriffe auf Medizinstudierende in allen Phasen des Studiums werden berichtet. Diese können gravierende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben, darunter ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Burnout und Substanzmissbrauch. Zudem zeigen Studien, dass sich sexuelle Übergriffe auf die Patientensicherheit auswirken können, da betroffene Studierende anfälliger für medizinische Fehler sein können. Im Seminar Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Bonn wird das Thema sexueller Übergriffe durch Personal und Lehrende bereits seit mehreren Semestern thematisiert und Handlungsoptionen aufgezeigt. Nach der Veranstaltung im Wintersemester 2024/25 äußerten Studierende zusätzlich Besorgnis über Übergriffe durch Patient*innen – ein Aspekt, der bisher in keiner weiteren Veranstaltung thematisiert wurde. Daraufhin haben wir das Thema noch in dem selben Semester mit den Studierenden explorativ untersucht. Ziel dieses Beitrags ist es, die Ergebnisse dieser Untersuchung darzustellen.

Im Wintersemester 2024/25 wurde im Seminar Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Bonn eine pseudonyme Umfrage unter Medizinstudierenden durchgeführt. Ziel war es, das Ausmaß sexueller Übergriffe durch Patient*innen im Medizinstudium zu erfassen. Neben quantitativen Angaben zu Übergriffserfahrungen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, in Freitextfeldern ihre Erlebnisse zu detaillieren. Die Erhebung wurde über die DSGVO-konforme Online-Plattform Unipark durchgeführt. Die erhobenen Daten wurden deskriptiv ausgewertet.

An der Umfrage nahmen n = 42 Studierende von 142 angesprochenen Personen teil (Rücklaufquote: 30,28%). Die Mehrheit (83,3%) war weiblich, das Durchschnittsalter betrug 23,1 Jahre (SD = 3,5 Jahre). Insgesamt berichteten 85,4% der Teilnehmenden von mindestens einem sexuellen Übergriff durch Patient*innen. Am häufigsten wurden unangemessene Kommentare zum eigenen Äußeren genannt (74%). Die Übergriffe ereigneten sich hauptsächlich während des verpflichtenden Pflegepraktikums oder früheren medizinischen Tätigkeiten, etwa im Rettungsdienst. Einige Teilnehmenden suchten sich Hilfe durch Gespräche mit Teammitgliedern im jeweiligen Kontext sowie Familie und Freunde. Die Reaktionen auf sexuelle Übergriffe innerhalb der medizinischen Teams fielen unterschiedlich aus: Positive Reaktionen umfassten Anpassungen in der Zusammensetzung des Behandlungsteams oder die frühzeitige Krankenhausentlassung von Patient*innen, um betroffene Studierende zu schützen. Negative Reaktionen beinhalteten hingegen Verharmlosung der Vorfälle oder Ko-Täterschaften durch Kolleg*innen. Wenige Teilnehmende haben keine Hilfe gesucht, da sie „keine Szene“ machen wollten oder sich in einem gefühlten Abhängigkeitsverhältnis befanden. Zwei Teilnehmende äußerten ihre Enttäuschung über das medizinische System. Der Schutz von Mitarbeitenden werde zwar betont, aber kaum durch strukturierte Maßnahmen umgesetzt.

Die Ergebnisse zeigen eine hohe Prävalenz sexueller Übergriffe durch Patient*innen vor und während des vorklinischen Abschnitts des Medizinstudiums. Neben den individuellen Übergriffserfahrungen, rücken bei den Berichten strukturelle Probleme in den Fokus. Die medizinische Arbeitskultur mit ihren Hierarchien kann dazu beitragen, dass Betroffene sich nicht ausreichend geschützt fühlen und auf mögliche Übergriffe unzureichend vorbereitet sind. Es ist erforderlich, Maßnahmen zu entwickeln, die nicht nur individuelle Schutzmechanismen stärken, sondern auch systemische Veränderungen in der medizinischen Ausbildung und Praxis anstoßen. Als erster Schritt wurden den Teilnehmenden im Seminar Allgemeinmedizin erste Handlungsempfehlungen mitgegeben.
Frau Rieka von der Warth
Universitätsklinikum Bonn, Bonn
#Präsentation #Medizinstudium #Sexuelle Übergriffe
5

Hintergrund

Der demografische Wandel, die Zunahme chronischer Erkrankungen, steigende Gesundheitsausgaben sowie strukturelle Ungleichheiten im Zugang zu Versorgung stellen das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. Für angehende Ärztinnen und Ärzte bedeutet dies, dass über medizinische Fachkompetenz hinaus ein fundiertes Verständnis für gesundheitsökonomische und sozialmedizinische Zusammenhänge notwendig ist. Diese Themenfelder sind im Medizinstudium jedoch bislang nur unzureichend verankert. Ihre mangelnde Präsenz führt nicht selten zu Unsicherheiten im ärztlichen Handeln, zu Frustration im Berufsalltag und in manchen Fällen sogar zu einem frühzeitigen Ausstieg aus dem ärztlichen Beruf.

Methode

Zur Erhebung relevanter Perspektiven und Erfahrungen wurde eine Befragung von Berufsanfängerinnen sowie Lehrverantwortlichen an medizinischen Fakultäten durchgeführt. Ziel war es, sowohl die Bedürfnisse und Herausforderungen junger Mediziner*innen im Berufsalltag als auch die Einschätzungen von Lehrenden hinsichtlich bestehender Curricula in den Bereichen Gesundheitsökonomie und Sozialmedizin zu erfassen.

Ergebnisse

Derzeit liegen noch keine abschließenden Ergebnisse vor, da die Erhebung aktuell noch läuft.

Diskussion

Vor diesem Hintergrund zeigen wir, wie partizipative Lehransätze – insbesondere unter Einbezug von Ko-Kreation – in der medizinischen Ausbildung systematisch verankert und weiterentwickelt werden können. Im Zentrum steht dabei die aktive Beteiligung von Studierenden und Berufsanfängerinnen an der Entwicklung und Umsetzung von Lehrinhalten in den Bereichen Gesundheitsökonomie und Sozialmedizin.
Anhand aktueller Praxisbeispiele wird gezeigt, wie ko-kreative Prozesse in der Lehre zu einer zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung beitragen. Sie stärken die Orientierung an realen Versorgungsbedingungen, fördern interprofessionelles Lernen, gesellschaftliche Verantwortung und ein erweitertes Rollenverständnis ärztlichen Handelns
Frau Dr. med. Annina Althaus
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg, Brandenburg
#Präsentation #Gesundheitsökonomie #Sozialmedizin #Partizipative Ansätze #Curriculumsentwicklung
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
VS20
Gesundheitsförderung für vulnerable Gruppen
Gesundheitsförderung für vulnerable Gruppen
Raum: Seminarraum 521 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 34)
Beiträge:
1
Introduction
Coproduction is increasingly promoted in adolescent mental health research as a way to ensure meaningful youth participation. However, concerns persist regarding the depth and quality of such involvement, particularly when coproduction risks becoming procedural or tokenistic [1]. Drawing on a Responsible Research and Innovation (RRI) perspective, this study explores how young people reflect on and experience coproduction within a UK-based mental health research programme. Specifically, it examines how care, relationality, and dialogue are enacted in participatory processes and what these elements mean for responsible engagement with young people.
Methods
This study draws on two datasets. First, survey data were collected from five young people (three females, two males; M = 21 years, SD = 2.74), most of whom had previously taken part in youth mental health projects. Second, a focus group was held with the programme’s Young People’s Advisory Group (YPAG), which included eight participants (seven females and one male; M = 26.4 years, SD = 2.58). As the focus group was originally conducted to reflect on survey findings, we employed a Qualitative Secondary Analysis (QSA) approach to explore new questions within pre-existing data [2–4]. All qualitative material was analysed using Reflexive Thematic Analysis (RTA) as proposed by Braun and Clarke [5, 6], allowing for an iterative and interpretive engagement with meaning across the dataset.
Results
Two main themes were developed. The first, We just want to be cared about”: Coproduction is caring, emphasises young people’s views of coproduction as a relational and emotionally sensitive process. Participants highlighted the need for care to be embedded into the way researchers interact with young collaborators, particularly through attentiveness to their ongoing lived experiences, mental health, and vulnerability. Coproduction was seen as meaningful when it created safe, inclusive, and responsive spaces that allowed young people to feel heard, respected, and valued.
The second theme, Please, show up as a person, not as a ‘researcher’”: Coproduction as a dialogic process, captures young people’s call for more authentic and reciprocal engagement. Participants valued opportunities for informal dialogue, humour, disagreement, and openness. They stressed that productive collaboration requires researchers to show up as people first, and to move beyond rigid role distinctions. Structures such as co-leadership roles, check-ins, and space for small talk were described as essential in breaking down hierarchies and supporting meaningful relational dynamics.
Discussion/Conclusion
The results underscore the importance of relational ethics in coproduction. Rather than viewing coproduction as a fixed model or technical method, young people framed it as an ongoing, dialogic, and emotionally engaged process. These insights reinforce the need for researchers to adopt flexible, caring, and reflexive approaches, especially when working with young people in mental health contexts. Coproduction that centres care and dialogue offers not only a more responsible form of participation but also richer and more humanising forms of knowledge production.

Referenzen

[1] Mendes JAA, Lucassen M, Adams A, Martin L, Aicardi C, Woodcock R, et al. Patient and Public Involvement (PPI) and Responsible Research and Innovation (RRI) approaches in mental health projects involving young people: a scoping review protocol. Res Involv Engagem . 2024;10(1):60.
[2] Heaton J. Secondary Analysis of Qualitative Data . London: SAGE; 2024.
[3] Long-Sutehall T, Sque M, Addington-Hall J. Secondary analysis of qualitative data: a valuable method for exploring sensitive issues with an elusive population? J Res Nurs . 2011;16(4):335–44.
[4] Tripathy JP. Secondary analysis of data. Indian J Community Med . 2013;38(3):133–4.
[5] Braun V, Clarke V. Thematic Analysis: A Practical Guide . London: SAGE; 2022.
[6] Braun V, Clarke V. One size fits all? What counts as quality practice in (reflexive) thematic analysis? Qual Res Psychol . 2022;19(3):336–52.
Herr Dr Josimar de Alcântara Mendes
University of Oxford, Oxford
#Präsentation #Co-production #Young People #Mental Health #Responsible Research and Innovation
2

Hintergrund

Das Modellprojekt „Post-COVID Kids Bavaria“ zielte darauf ab, flächendeckende und sektorenübergreifende Versorgung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Post-COVID zu bieten. Zur multimethodischen Evaluation des Modellprojekts gehörten auch Stakeholder-Workshops, deren Ziel die gemeinsame Ko-Evaluation sowie das Identifizieren von Potenzialen für eine Optimierung der Versorgung war.

Methode

An drei Workshops nahmen insgesamt 26 Personen teil (3 betroffene Jugendliche/junge Erwachsene, 10 Eltern von Betroffenen, 13 Behandelnde). Die Workshops wurden online durchgeführt, dauerten je zwei Stunden und orientierten sich an der Methode der Zukunftswerkstatt mit Kritik-, Visions- und Realisierungsphase. Beiträge der Teilnehmenden wurden in Padlets sowie detaillierten Protokollen dokumentiert und im Anschluss inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse

Die Workshops waren von überwiegend konstruktiver Atmosphäre geprägt, mit ähnlich großen Redeanteilen in der Gruppe der Eltern bzw. Betroffenen und der der Behandelnden. Betroffene und Behandelnde äußerten sich zu Umfang der Diagnostik, Notwendigkeit wirksamer Therapien, Wissen von Versorgenden, Informationen für und Kommunikation mit Betroffenen, Versorgungskontinuität und Zugang zur Versorgung, Teilhabe und Bildung sowie zu finanziellen, gesetzlichen oder strukturellen Rahmenbedingungen. Die Betroffenen gingen zusätzlich auf eine zentrierte Versorgungskoordination ein, während die Behandelnden Verbesserungspotenziale auch in digitalen Lösungen sowie verstärkter Zusammenarbeit zwischen dem ambulanten und stationären Sektor sowie Akteur:innen aus Bildung und Medizin thematisierten. Lösungsvorschläge wurden vor allem in den Bereichen Zugang zur Versorgung und Versorgungskontinuität, Versorgungsqualität sowie Aufklärung für Betroffene und Gesellschaft entwickelt.

Diskussion

Betroffene und Behandelnde brachten verschiedene, sich teilweise ergänzende Kritikpunkte ein. Für manche davon konnten in den Workshops erste Lösungsansätze entwickelt werden, die bei der Gestaltung der zukünftigen Versorgung von Kindern und Jugendelichen mit Post-COVID berücksichtigt werden sollten. Der Einbezug mehrerer Akteur:innen und Sektoren wurde dabei stets als zentral angesehen, gleichzeitig erschwert dies die Möglichkeit einer schnellen Umsetzung.
Frau PD Dr. Susanne Brandstetter
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg (KUNO-Kliniken), Regensburg
#Präsentation
3
Hintergrund: Das Soziale Rezept (Social Prescribing, SP) gilt als ein neuartiger Ansatz, der soziale Probleme von Patient:innen in der hausärztlichen Versorgung adressiert, indem er den Zugang zu lokalen Unterstützungs- und Beratungsangeboten vereinfacht. Während Studien auf mögliche positive gesundheitliche Effekte des Sozialen Rezepts in der Allgemeinbevölkerung hinweisen [1], fehlt es an spezifischen Daten für Personengruppen in potenziell vulnerablen Situationen. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter und queere (LGBTIQ)-Personen sehen sich häufiger sozialen Belastungen ausgesetzt als cis-heterosexuelle Menschen, was mit Einschränkungen in der Inanspruchnahme von Gesundheitsversorgung einhergehen kann [2]. Um diese spezifischen Barrieren und die Bedarfe von LGBTIQ-Personen zu adressieren, wird das Soziale Rezept im Rahmen des Forschungsprojekts SP-EU unter Einbeziehung von (außerwissenschaftlichen) Vertreter:innen der Community angepasst, bevor es in einer multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie auf seine Wirksamkeit überprüft wird.
Methode: Auf Basis des Frameworks von Hawkins et al. [3] wurde ein Konzept für einen mehrstufigen „Co-Creation-Prozess“ entwickelt: in einem Workshop wurden von Vertreter:innen der LGBTIQ-Community zunächst exemplarische Fallvignetten erarbeitet, die eine oder mehrere soziale Problemstellungen beinhalten. Parallel dazu wurde ein Rapid Review bestehender SP-Manuale, -Protokolle und -Schulungsmaterialien durchgeführt. In zwei weiteren Workshops werden unter Berücksichtigung des gesichteten Materials des Rapid Reviews Lösungsansätze für die in den Fallvignetten beschriebenen sozialen Probleme sowie Strategien zur Rekrutierung von Patient:innen entwickelt.
Ergebnisse: An der Fallvignetten-Erstellung waren 26 LGBTIQ-Personen zwischen 18 und 65 Jahren beteiligt. Sieben davon waren selbst in der Gesundheitsversorgung tätig. Insgesamt konnten sechs verschiedene Fallvignetten erstellt werden, die soziale Probleme u.a. aufgrund einer chronischen Erkrankung, aufgrund der Wohnsituation, oder aufgrund von Problemen auf der Arbeit thematisierten. Zusätzlich wurden weitere, fallübergreifende Themenfelder benannt, die bei der Anpassung des Sozialen Rezepts Berücksichtigung finden sollten.
Diskussion: Die Einbindung von außerwissenschaftlichen Vertreter:innen beforschter Gruppen ist machbar und stößt bei Beteiligten auf großes Interesse. Der ko-kreative Ansatz liefert wichtige Erkenntnisse für den Anpassungsbedarf des Sozialen Rezepts im Rahmen des Projekts SP-EU und darüber hinaus.

Referenzen

[1] Napierala H, Krüger K, Kuschick D, Heintze C, Herrmann WJ, Holzinger F. Social Prescribing: Systematic Review of the Effectiveness of Psychosocial Community Referral Interventions in Primary Care. International Journal of Integrated Care. 2022 Aug 19;22(3):11.
[2] De Vries L, Fischer M, Kasprowski D, Kroh M, Kühne S, Richter D, et al. LGBTQI*-Menschen am Arbeitsmarkt: hoch gebildet und oftmals diskriminiert. DIW Wochenbericht, 87(36/2020), 619-627.
[3] Hawkins J, Madden K, Fletcher A, Midgley L, Grant A, Cox G, et al. Development of a framework for the co-production and prototyping of public health interventions. BMC Public Health. 2017 Sep 4;17(1).
Herr Dr. med. Philip Oeser
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin
#Präsentation #Soziales Rezept #Social Prescribing #LGBTQI related health #Partizipative Gesundheitsforschung
4

Hintergrund

Bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsförderungs- und Präventionsmaßnahmen zeigt sich in Deutschland ein deutlicher sozialer Gradient. Je niedriger der sozioökonomische Status, desto geringer die Teilnahme an Präventionsangeboten [1]. Das Forschungsprojekt „Gesunde Quartiere 2.0“ (gefördert durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses, Förderkennzeichen: 01VSF22038) identifiziert mit Blick auf das Präventionsdilemma Ansatzpunkte, wie Aktivitäten der Gesundheitsförderung und Prävention soziallagenspezifisch und damit adressat:innengerechter konzipiert werden können. So soll ein Beitrag zur Verminderung der gesundheitlichen Ungleichheit in Deutschland ermöglicht werden. Dafür werden unterschiedliche Datenquellen nach dem Sozialindikator des jeweiligen Wohnquartiers - im Hamburger Sozialmonitoring definierte statistische Gebiete (Quartiere) - als Proxy für die individuelle Soziallage kleinräumig aufgelöst und in einem iterativen Prozess mit der Zielgruppe diskutiert und zusammengeführt.

Methode

Im Rahmen eines Mixed-Methods-Designs (Routinedaten, qualitative und quantitative Erhebungen) wurde eine standardisierte Online-Befragung in 4 zufällig ausgewählten Hamburger Quartieren mit einem niedrigen bzw. sehr niedrigen Sozialindikator durchgeführt (11/12 2024). Zu einem späteren Zeitpunkt (03/04 2025) wurde die standardisierte Online-Befragung außerdem in einer Zufallsstichprobe aus 32.0000 GKV-Versicherten, je 8.000 zufällig ausgewählte Versicherte aus den 4 Statusindexgruppen (sehr niedrig bis hoch), der am Projekt beteiligten gesetzlichen Krankenversicherungen in Hamburg eingesetzt. Das Erhebungsinstrument mit insgesamt 104 Items erhebt mittels validierter Instrumente theoretische Konstrukte der Gesundheitsförderung (u.a. Kohärenzgefühl, Gesundheitskompetenz) und erfragt Gesundheitsverhalten sowie Einstellung, Wahrnehmung und Inanspruchnahme von Angeboten der Gesundheitsförderung und Prävention. Die Daten der Quartiersbefragung von n=705 wurden (Stand 04/2025) zunächst deskriptiv ausgewertet (Software R), ein Strukturgleichungsmodell befindet sich in der Entwicklung.

Ergebnisse

Dem Thema Gesundheitsförderung und Prävention wird insgesamt eine wichtige Rolle zugesprochen. 76% der Befragten geben an, dass die eigene Gesundheit stark durch das eigene Verhalten beeinflussbar sei. Angebote zu Satzungsleistungen der GKV im Kontext Gesundheitsförderung und Prävention sind 61 % der Befragten bekannt, 39% haben sie bisher in Anspruch genommen. Dabei zeigen sich soziallagenabhängige Unterschiede. Quartiere mit einem sehr niedrigen Sozialindikator weisen geringere Zahlen auf. Die Daten zeigen auch, dass eine höhere Gesundheitskompetenz mit einer höheren Kenntnis über Angebote im Rahmen der Satzungsleistungen einhergeht. Weitere Ergebnisse u.a. hinsichtlich potenziellen Einflussfaktoren werden im Rahmen des Kongresses vorgestellt.

Diskussion

Die ersten Ergebnisse belegen die Bedeutung einer soziallagenspezifischen Analyse der Inanspruchnahme von Angeboten der Gesundheitsförderung und Prävention. Es wird deutlich, dass es nicht nur darum geht, das Angebot von Maßnahmen zu erhöhen, sondern auch darum, einen differenzierten Blick auf soziallagenspezifische Bedarfe der Gesundheitsförderung zu richten. Mit dem vorliegenden Projekt werden umfassende Befragungs- und Routinedatensätze mit explizitem Proxy für den Soziallagenbezug vorliegen. Die Integration der kleinräumig aufgelösten Erkenntnisse aus allen drei methodischen Ansätzen wird die Vielschichtigkeit der Bedürfnisse und Herausforderungen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen im Kontext von Gesundheitsförderung und Prävention differenziert abbilden können.

Referenzen

[1]  Hoebel J, Müters S. Sozioökonomischer Status
und Gesundheit. WSI. 2024;77(3):172–9.
Frau Linda Völtzer
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Competence Center Gesundheit und Fakultät Wirtschaft und Soziales, Hamburg
#Präsentation #Gesundheitsförderung & Prävention #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #Mixed-Methods-Studie
5

Hintergrund

Therapeutische Beziehungen, die von Wertschätzung und Respekt gekennzeichnet sind, gelten als Voraussetzung, damit Patient*innen ihren Versorgungsprozess mitgestalten und versorgungsbezogene Entscheidungen fällen [1]. Menschen mit chronischen Erkrankungen erleben jedoch häufig, dass Krank­heits­symp­tome durch Versorgungsanbieten­de ignoriert und abgewertet (invalidiert, vgl. [2]) werden. Dies kann dazu führen, dass die Erkrankten das Vertrauen ver­lie­ren und keine Unterstützungsleistungen mehr nachfragen. Studien zu Krankheits­in­validation beziehen sich meist auf Erwachsene im mittleren und höheren Lebensalter [3]. Junge chronisch kranke Erwachsene sind jedoch auf supportive Beziehungen zu Gesundheitsfachkräften besonders angewiesen [3]. Welche Invalidationserfahrungen machen die jungen Erwachsenen, wie deuten sie diese? Wie gehen sie mit erlebter Invalidation um? Solchen Fragen wird im Beitrag anhand einer laufenden Studie nachgegangen.

Methode

Episodische Interviews wurden mit N=23 jungen Erwachsenen geführt (3 Männer; 20 Frauen; Altersspanne: 20-29 Jahre), die von einer der folgenden, schweren und komplexen Multisystemerkrankungen betroffen sind: a) Long-Covid und ME/CFS (N=10); b) Ehlers-Danlos-Syndrom (N=13). Die Interviews werden thematisch kodierend [4] ausgewertet. Die Interviews mit den jungen Erwachsenen laufen noch, daher ist die Datenauswertung noch nicht abgeschlossen.

Ergebnisse

Die bisher befragten jungen Erwachsenen beschreiben mehrere Situationen, in denen sie von (Haus- oder Fach-)Ärzt*innen, Pflegenden, Physio- oder Psychotherapeut*innen invalidiert wurden – vor oder nach Erhalt einer Krankheitsdiagnose. Die erlebten Invalidationen deuten die jungen Erwachsenen als a) Verletzung der persönlichen Integrität – das Verhalten von Gesundheitsfachkräften wird als entwürdigend wahrgenommen, auch psychische Gewalt wird beschrieben; b) Mang­el an fachlicher Kompetenz – junge Erwachsene verweisen auf zahlreiche Fehleinschätzungen und -behandlungen durch Gesundheitsfachkräfte, die offenbar weder Zeit noch Interesse haben, sich mit der Erkrankung auseinanderzusetzen; c) Stigmatisierung – junge Erwachsene sehen sich durch Gesundheits­fachkräfte auf bestimmte negative Diagnosen (z.B. Hypochondrie) festgelegt; d) Gaslighting – Erfahrungen, nicht ernst genommen zu werden. Junge Erwachsene beschreiben z.B., dass Gesundheitsfachkräfte den Krankheitsverlauf verharmlosen oder auf psychische Beeinträchtigungen zurückführen.
Folgende Umgangsformen mit den erlebten Invalidationen werden deutlich:
Expertisieren: Die Interviewten versuchen, invalidierendes Verhalten rational nach­zuvollziehen, sie eignen sich Wissen über ihre Erkrankung an und wollen Gesundheitsfachkräfte aufklären.
Resignieren: Die Befragten gehen nicht mehr davon aus, Gesundheitsfachkräfte zu finden, denen sie fachlich und menschlich vertrauen können. Sie neigen dazu, sich fatalistisch in den weiteren Krankheitsverlauf zu fügen.
Selbstbeschuldigen: Die Interviewten sehen sich selbst in der Verantwortung dafür, von Gesundheitsfachkräften nicht ernst genommen zu werden. Sie identifizieren sich mit deren Sicht auf die Erkrankung.

Diskussion

Die Ergebnisse unserer bisherigen Datenauswertung zeigen, dass die befragten chronisch kranken jungen Erwachsenen im Versorgungsprozess wiederholt Invalidationen erleben. Wir fanden bislang nur eine Ausnahme, die angab, von Gesundheitsfachkräften noch nie invalidiert worden zu sein. Invalidationen werden nicht nur erlebt, solange keine ‚objektive‘ Diagnose vorliegt, sondern auch, wenn die Diagnose bereits feststeht, Gesundheitsfachkräfte z.B. aber die Existenz der Krankheit bezweifeln. Um das Risiko von invalidierenden Verhaltensweisen zu verringern und die therapeutische Bezie­hung zwischen jungen Erwachsenen und Gesundheitsfachkräften zu fördern, sollten letztere stärker für die Charakteristika von (ggf. seltenen) komplexen Multisystemerkrankungen sowie für die Verbreitung von chronischen Erkrankungen im jungen Erwachsenenalter sensibilisiert werden. Zudem sollte das erworbene Krankheitswissen der jungen Erwachsenen als Ressource anerkannt werden, die sie als Koproduzent*innen von Gesundheit in den Versorgungsprozess einbringen.

Referenzen

[1] Deniz S, Akbolat M, Çimen M, Ünal Ö. The Mediating Role of Shared Decision-Making in the Effect of the Patient-Physician Relationship on Compliance With Treatment. J Patient Exp 2021; 8:23743735211018066.
[2] Bontempo AC. Conceptualizing Symptom Invalidation as Experienced by Patients With Endometriosis. Qual Health Res 2025; 35(2):248–63.
[3] Sebring JCH, Kelly C, McPhail D, Woodgate RL. Medical invalidation in the clinical encounter: a qualitative study of the health care experiences of young women and nonbinary people living with chronic illnesses. CMAJ Open 2023; 11(5):E915-E921.
[4] Flick U. Doing interview research: The essential how to guide. Los Angeles, London, New Delhi, Singapore, Washington DC, Melbourne: SAGE; 2022.
Frau Dr. Gundula Roehnsch
Freie Universität BerlinFachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie Arbeitsbereich Qualitative Sozial- und Bildungsforschung, Berlin
#Präsentation #chronische Erkrankungen #Krankheitsinvalidationen #junge Erwachsene #qualitative Studie
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
SYM19
The German National Cohort (NAKO): A valuable resource for health-related research from various disciplines (N Großkinsky) (in English)
This is an English session
Raum: Seminarraum 523 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beitrag:
1
This symposium aims to give an overview of design, methods and selected results of the largest cohort study in Germany: the German National Cohort (NAKO). The central aims of NAKO are: 1) to elucidate pathways to major chronic diseases such as diabetes, cancer, cardiovascular, pulmonary, neuro-psychiatric, and infectious diseases, focusing on determinants and exposures (e.g., socioeconomic, psychosocial, behavioural, occupational, and environmental factors); 2) to assess regional differences; and to improve prevention and early detection of disease.

Between 2014 and 2019, more than 205,000 men and women aged 20-74 years were recruited and examined at 18 study centres across Germany. During their visit to the study centre, they participated in a broad examination program including a face-to-face interview, completed self-administered, computer-based questionnaires, several biomedical examinations, and various bio-samples. Information on environmental exposures (e.g., air pollution, traffic noise, climatic conditions) was also assessed and linked to residential addresses of the participants to elucidate associations of environmental stressors on health and disease. In addition, whole-body Magnet Resonance Imaging (MRI) was performed on 30,861 participants at 5 study centres.

In 4-5 year intervals, all participants are re-invited for examination at the study centres. The first re-examination started in October 2018 and was completed in July 2024 by more than 138,00 participants including >18,000 with a second MRI examination. The second re-examination started in June 2024 and aims to re-invite 85,000 participants until March 2028. The programme for both re-examinations (including MRI scans) is similar to the baseline programme.
The symposium consists of information on study design, methods, and selected results of five research projects to demonstrate the broad research scope of NAKO. The presentations will focus on the following topics: 1) Social and occupational influences and migration in the NAKO; 2) Smoking and sleep quality; 3) A regional health index for Berlin neighborhoods based on NAKO data; 4) Magnesium depletion as a marker of impaired metabolism, and its association with cardiac function and morphology assessed via MRI; and 5) White Matter Lesions according to Brain MRI and association with air pollutants.

Due to its large sample size, the in-depth examinations, and the longitudinal design, NAKO provides a valuable resource to scientists from different research disciplines and interdisciplinary collaborations. Application of research data and biosamples is possible via NAKO TransferHub (https://transfer.nako.de/transfer/index).
Herr Prof. Dr. Nico Dragano
Institute of Medical Sociology, Centre for Health and Society, Medical Faculty, University of Düsseldorf, Düsseldorf, Düsseldorf
Herr Dan Brief
Institute of Social Medicine, Epidemiology and Health Economics, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Berlin
Frau PD Dr. Lilian Krist MPH
Institute of Social Medicine, Epidemiology and Health Economics, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Berlin
2006 Approbation Humanmedizin 2009 Master of Public Health 2020 Habilitation in Sozialmedizin und Epidemiologie
Frau Dr Susanne Rospleszcz
Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Medical Center, Faculty of Medicine, University of Freiburg, Freiburg, Freiburg
Herr Maximilian Schwarz
Institute of Epidemiology, Helmholtz Zentrum München, German Research Center for Environmental Health, Neuherberg, München
Institute for Medical Information Processing, Biometry and Epidemiology (IBE), Faculty of Medicine, LMU Munich, Pettenkofer School of Public Health, Munich, München
#Symposium 60
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
WS13
Multisektorale Zusammenarbeit für resiliente Kommunen
Kommune
Raum: Hörsaal 4, Forum 4 (Standort: Forum 4, Anzahl der Plätze: 96)
Beitrag:
1
Krisen und sich stetig verändernde politische Rahmenbedingungen stellen unsere Gesellschaft aktuell mehr denn je vor vielfältige Herausforderungen. Daraus ergeben sich neue gesundheitliche und soziale Handlungsbedarfe insbesondere auf kommunaler Ebene, die (kurzfristig) flexible Lösungen erfordern.

Prozesse zur schnellen Verarbeitung und Bewertung neuer Informationen und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung, effizientere Arbeitsprozesse sowie multiprofessionelle Zusammenarbeit gelten als Gelingensfaktoren für das bedarfsgerechte und zugleich ressourcenorientierte soziale und gesundheitliche Handeln von Kommunen. Die konkreten Anforderungen und Strukturen für gut vernetzte, kooperative Systeme auf kommunaler Ebene sind aktuell jedoch noch nicht ausreichend bekannt. Ziel dieses Workshops ist es Anforderungen und Erfolgsfaktoren für die multisektorale Vernetzung auf kommunaler Ebene anhand von zwei Forschungsprojekten vorzustellen und die Ergebnisse dieser Projekte mit aktuellen politischen Empfehlungen für bevölkerungsbezogene soziale und gesundheitliche Resilienz abzugleichen.
Gemeinsam mit den Workshop-Teilnehmenden möchten wir erarbeiten, welche konkreten Maßnahmen es für resiliente Kommunen braucht, wie digitale Daten und Surveillance- Systeme so vernetzt werden können, dass sie die gesundheitliche Chancengleichheit in Krisenzeiten fördern und wie vorhandene Handlungsempfehlungen ggf. anzupassen sind.

Der Workshop gliedert sich in vier Teile:
Input I: Vorstellung der Ergebnisse der Forschungsprojekt Co-Gesund
Input II: Vorstellung der Ergebnisse des Forschungsprojekts OneSupport
Input III: Abgleich mit aktuellen Empfehlungen für bevölkerungsbezogene Resilienz
Was braucht es für vernetzte Systeme resilienter Kommunen? Nach den Inputs erfolgt eine strukturierte Exploration der jeweiligen Themen mittels moderierter Diskussion und Brainwriting, Priorisierungen und Standpunktbestimmung durch Zustimmungsabfragen. Die Ergebnisse werden abschließend vorgestellt und im Plenum diskutiert.
Frau Helena Grüter
Fachbereich Versorgungsforschung im Kindes - und Jugendalter, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
Frau Maja Kuchler
HS Gesundheit Bochum, Bochum
Herr MR Daniel Dröschel MR
OptiMedis Hamburg, Hamburg
Frau Dr. Adrienne Alayli
Fachbereich Versorgungsforschung im Kindes - und Jugendalter, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
#Workshop 60 #Multisektorale Zusammenarbeit #Kommune #Gesundheitliche Chancengleichheit
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
VS21
Sozialepidemiologie und Versorgung
Sozialepidemiologie und Versorgung
Raum: Hörsaal 6, Mittelallee 10 (Standort: Mittelallee 10, Anzahl der Plätze: 240)
Beiträge:
1

Hintergrund

Diskriminierung weist vielfache Assoziationen mit mentalen als auch körperlichen Gesundheitsproblemen auf (1, 2). Die Datenlage in Deutschland ist jedoch noch lückenhaft; erste Studien bestätigen die aus der internationalen Literatur bekannten Zusammenhänge auch hierzulande. Doch welche Bevölkerungsgruppen sind besonders von alltäglicher Diskriminierung betroffen und unterscheidet sich die selbsteingeschätzte psychische Gesundheit nach Diskriminierungserfahrungen? Diesen Fragen nachzugehen ist Ziel dieses Beitrags.

Methode

Verwendet wurden Daten der ersten Welle des Panels „Gesundheit in Deutschland“ 2024 des Robert Koch-Instituts (3). Diskriminierung wurde anhand einer adaptierten Version der Everyday Discrimination Scale mittels fünf Items erhoben, die nach der Häufigkeit schlechterer Behandlung bis hin zu Gewalterfahrungen in alltäglichen Situationen fragen (4, 5). Für die Analysen wurden Antworten auf alle Items zusammengefasst (mindestens einmal „manchmal“, „oft“, „sehr oft“ vs. „selten“, „nie“ auf alle Items). Unterschiede in der Häufigkeit selbstberichteter Diskriminierung wurden mittels Chi-Quadrat-Test für soziodemographische (Alter, Geschlechtsidentität), sozioökonomische (Bildung, Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeitserfahrung) und migrationsbezogene (Geburtsland, Staatsangehörigkeit, Muttersprache) Merkmale analysiert. Zudem wurden Prevalence Ratios (PR) mittels Poisson-Regression, kontrolliert für Alter, Geschlechtsidentität und Bildung, berechnet, um Assoziationen zwischen selbstberichteter Diskriminierung und der selbsteingeschätzten psychischen Gesundheit zu identifizieren.

Ergebnisse

25.703 Teilnehmende machten Angaben zu Diskriminierungserfahrungen im Alltag. Vorläufigen Ergebnissen zufolge berichteten 40,0%, dass sie solche Erfahrungen manchmal, oft oder sehr oft machen würden. Mit zunehmendem Alter nahmen die Anteile derjenigen, die über Diskriminierungserfahrungen berichteten, ab (18 – 29 Jahre: 58,1% vs. 65 Jahre und älter: 23,1%; p<0,001). Trans* sowie gender-diverse Personen berichteten häufiger von Diskriminierung im Alltag (55,4%) im Vergleich zu cis-geschlechtlichen Personen (39,9%; p=0,028). Verglichen mit Personen mit hoher Bildung (34,3%) gaben jene mit mittlerer (41,2%) und niedriger Bildung (41,8%) häufiger Diskriminierungserfahrungen im Alltag an (p<0,001). Erwerbstätige in Voll- oder Teilzeit berichteten seltener von Diskriminierungserfahrungen im Alltag (45,0%) als Personen, die arbeitslos oder aus anderen Gründen nicht erwerbstätig waren (50,8%; p<0,001). Korrespondierend damit gingen auch Arbeitslosigkeitserfahrungen in den letzten fünf Jahren mit dem häufigeren Bericht von Diskriminierung einher (56,4% vs. 37,6%, p<0,001). Auch hinsichtlich der migrationsbezogenen Merkmale zeigten sich Unterschiede: Sowohl Personen, die außerhalb Deutschlands geboren worden waren (45,0% vs. 38,4%; p<0,001) als auch diejenigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (45,6% vs. 38,5%; p=0,001) gaben häufiger an, Diskriminierung im Alltag zu erleben. Ähnliches zeigte sich zudem für diejenigen, die Deutsch nicht als Muttersprache angaben (48,6% vs. 38,0%; p<0,001). In der Poisson-Regression waren Diskriminierungserfahrungen mit einer selteneren Angabe einer als ausgezeichnet oder sehr gut selbsteingeschätzten psychischen Gesundheit assoziiert (PR=0,54; 95%-Konfidenzintervall: 0,51-0,57). Im Beitrag soll zudem der Einfluss von Interaktionseffekten der betrachteten soziodemographischen, sozioökonomischen und migrationsbezogenen Charakteristika auf diese Assoziation näher analysiert werden.

Diskussion

Diskriminierung stellt eine wichtige, aber bisher nur unzureichend betrachtete soziale Determinante der mentalen Gesundheit dar. Personen und Bevölkerungsgruppen machen vielfache, sich überschneidende sowie spezifische Erfahrungen von Diskriminierung. Dies geht mit langfristigen Verflechtungen mit unterschiedlichen Dimensionen gesundheitlicher Ungleichheit einher. Ein effektiver und gezielter Diskriminierungsschutz für betroffene Bevölkerungsgruppen dient damit auch der Verbesserung der gesundheitlichen Lage und schließt Empowerment-, Bildungs- und Beratungsnetzwerke ein sowie die Sicherung langfristig angelegter Programme zum Abbau alltäglicher, aber auch institutioneller und struktureller Diskriminierung.

Referenzen

[1] Pascoe EA, Smart Richman L. (2009). Perceived discrimination and health: A meta-analytic review. Psychological Bulletin, 135(4), 531-554. DOI: https://doi.org/10.1037%2Fa0016059.
[2] Kajikhina K, Koschollek C, Sarma N, Bozorgmehr K, Hövener C. (2023). Rassismus und Diskriminierung im Kontext gesundheitlicher Ungleichheit – ein narratives Review. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 66, 1099-1108. DOI: https://doi.org/10.1007/s00103-023-03764-7.
[3] Lemcke J, Loss J, Allen J, Öztürk I, Hintze M, Damerow S, et al. (2024). Gesundheit in Deutschland: Etablierung eines bevölkerungsbezogenen Gesundheitspanels. Journal of Health Monitoring, 9(S2), 2-21. DOI: https://doi.org/10.25646/11913.2.
[4] Sternthal MJ, Slopen N, Williams DR. (2011). Racial Disparities in Health: How much does stress really matter? Du Bois Review, 8(1), 95-113. DOI: https://doi.org/10.1017/S1742058X11000087.
[5] Schumann M, Kajikhina K, Polizzi A, Sarma N, Hoebel J, Bug M, et al. (2019). Konzepte für ein migrationssensibles Gesundheitsmonitoring. Journal of Health Monitoring, 4(3), 51-67. DOI: https://doi.org/10.25646/6071.
Frau Dr. Carmen Koschollek
Robert Koch-Institut, Berlin
#Präsentation #Diskriminierung #psychische Gesundheit
2

Hintergrund

Soziale Unterstützung (sU) umfasst emotionale, instrumentelle und informationelle Ressourcen, die einer Person über zwischenmenschliche Beziehungen zur Verfügung stehen. Sie kann als psychosoziale Ressource direkt oder als Puffer auf die Gesundheit wirken.
Der Beitrag beschreibt die Verteilung von sU in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Zudem wird analysiert, wie sU und Gesundheit zusammenhängen und ob sich hinsichtlich der Zusammenhänge Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zeigen.

Methode

Datenbasis stellt die Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) 2023 dar (Datenerhebung: 01/2023-02/2024). Die Stichprobe umfasst 28.959 Teilnehmende ab 18 Jahren. SU wurde mittels der Oslo-3 Social Support Scale erhoben und in drei Gruppen (gering, mittel, stark) eingeteilt. Es wurden gewichtete Prävalenzen für die selbsteingeschätzte allgemeine Gesundheit und eine depressive Symptomatik (PHQ-2) stratifiziert nach sU berechnet. In Poisson-Regressionen wurde für Alter, Geschlecht und Bildung adjustiert (Prevalence Ratios (PR)). Des Weiteren wurden Interaktionen aus sU und (a) Einkommen bzw. (b) familiärer Lebensform in die Modellierung aufgenommen und vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten (Predictive Margins) berechnet.

Ergebnisse

Im Jahr 2023 geben 16,0 % der Erwachsenen eine geringe, 46,7 % eine mittlere und 37,3 % eine starke sU an. Eine geringe sU zeigt sich insbesondere bei Männern, älteren Menschen, Personen mit niedrigem Einkommen, Alleinlebenden und Alleinerziehenden.
Eine geringe sU ist mit einer schlechteren selbsteingeschätzten allgemeinen Gesundheit sowie einer depressiven Symptomatik assoziiert. Die Prävalenz für eine mittelmäßige bis sehr schlechte selbst eingeschätzte Gesundheit beträgt bei starker sU 25,2 % und bei geringer sU 53,6 % (PR=1,88). Eine depressive Symptomatik zeigt sich bei 10,9 % der Personen mit starker gegenüber 41,0 % mit geringer sU (PR=3,42).
Die Moderationsanalysen unter Einbezug der Interaktionsterme zeigen, dass die Zusammenhänge zwischen sU und Gesundheit mit dem Einkommen und der familiären Lebensform variieren. Bei der selbsteingeschätzten Gesundheit fällt auf, dass Alleinerziehende auch bei einer mittleren und starken sU häufiger eine schlechtere selbsteingeschätzte Gesundheit berichten als Personen in anderen familiären Lebensformen. Eine depressive Symptomatik lässt sich insbesondere für Menschen mit geringer sU und niedrigem Einkommen (vorhergesagte Wahrscheinlichkeit (adjustiert)=47,0 %) und sowie für Alleinlebende mit geringer sU (43,2 %) beobachten.

Diskussion

SU variiert erheblich in der Bevölkerung und ist stark mit Gesundheit assoziiert. Da es sich bei der GEDA-Studie um eine Querschnittstudie handelt, sind keine Aussagen zur Wirkrichtung zwischen sU und Gesundheit möglich. Deutlich wird jedoch, dass die Zusammenhänge zwischen sU und Gesundheit zwischen den Bevölkerungsgruppen variieren. Da sU gut beeinflussbar ist, ist sie ein wichtiger Ansatzpunkt der Gesundheitsförderung. Wichtige Zielgruppen sind armutsgefährdete Personen sowie Alleinlebende und Alleinerziehende. Im Rahmen von settingbasierten Maßnahmen in Kommunen, Stadtteilen, Ausbildungs- und Arbeitsstätten, Begegnungsstätten sowie Krankenhäusern und Pflegeheimen können soziale Kontakte sowie der Auf- und Ausbau von Unterstützungsnetzwerken gefördert werden.
Frau Petra Rattay
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Präsentation #Soziale Unterstützung #Gesundheit #Gesundheitliche Ungleichheit #Soziale Determinanten #Einkommen #Familie
3
Die Verständnisse von Gesundheit und Krankheit von Migrant*innen und Personen mit Migrationshintergrund (im Folgenden: „Migrant*innen“) weichen häufig von den in den Ankunftsgesellschaften vorherrschenden „modern szientistischen“ Paradigmen ab. Geprägt durch diverse kulturelle Hintergründe beeinflussen diese Verständnisse das Gesundheitsverhalten von Migrant*innen sowie ihren Zugang zum formellen Gesundheitssystem.

Ziel der hier vorgestellten Studie war es, die vielfältigen Verständnisse von Gesundheit und Krankheit unter Migrant*innen in zwei sozio-kulturell diversen Stadtteilen – Bonn-Tannenbusch und Köln-Mülheim – zu untersuchen. Auf Grundlage eines praxistheoretischen Ansatzes wurde eine quantitative Querschnittserhebung mit einem standardisierten Online-Fragebogen durchgeführt. Dieser wurde auf Basis der Ergebnisse der vorangegangenen qualitativen Phase des MiGeQua-Projekts entwickelt. Insgesamt nahmen 179 Personen mit Migrationshintergrund an der Studie teil.

Auf Grundlage der erhobenen Daten wurde eine Typologie von Personen mit ähnlichen Gesundheits- und Krankheitsverständnissen erstellt. Diese Verständnisse prägen maßgeblich die konkreten Gesundheitspraktiken der Befragten. Es wurden acht unterschiedliche Typen erkannt, die sich mit unterschiedlichen Kombinationen von Erklärungskonzepten identifiziert, die in drei Kategorien unterteilt wurden: modern szientistische, alternativmedizinische und übernatürliche Konzepte. Diese Erklärungskonzepte wurden entweder aus den Herkunftsgesellschaften der Migrant*innen importiert oder nach der Migration angenommen. Darüber hinaus wurde untersucht, inwieweit die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe diese Verständnisse und inhärenten Erklärungskonzepte beeinflusst. Untersucht wurde der Einfluss von vier Gruppen: (a) lokale Gemeinschaften mit gemeinsamem Migrationshintergrund, (b) andere lokale Gemeinschaften, (c) translokale Gemeinschaften und (d) Institutionen, insbesondere im Gesundheitssystem.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass medizinische Diversität kein Randphänomen, sondern ein zentrales Merkmal der untersuchten migrantischen Bevölkerungsgruppen ist. Dieses Ergebnis ist für das Verständnis von Gesundheits- und Krankheitsvorstellungen von Migrant*innen in Deutschland von hoher Bedeutung. Es erlaubt besser zu verstehen, welche Faktoren die Annahme oder Ablehnung bestimmter Gesundheitspraktiken beeinflussen.
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Herr Kevin Becker
Universität Bonn, Bonn
#Präsentation #Migration #Gesundheit #Gesundheitsverständnis #Medical Diversity #Urbane Gesundheit #Deutschland
4
Hintergrund
Der Übergang zur Elternschaft stellt eine bedeutende Lebensveränderung dar, die für Mütter und Väter gleichermaßen mit Herausforderungen verbunden ist. Während sich die peripartale Gesundheitsversorgung vorrangig auf Mütter konzentriert, bleibt die psychische Gesundheit von Vätern häufig unberücksichtigt (1,2). Dabei zeigen Studien, dass 5–14 % der Väter peripartale Depressionen leiden (3–5) oder andere psychische Belastungen entwickeln (6–9). Diese können nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern auch die familiäre Dynamik und die frühkindliche Entwicklung negativ beeinflussen (10–13). Um eine bedarfsgerechte und familienzentrierte Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, bedarf es eines systematischen Ansatzes, der die Perspektiven und Bedürfnisse von Vätern gezielt einbezieht. Das Projekt VIP-GUIDE verfolgt daher einen partizipativen Forschungsansatz, um gemeinsam mit Vätern und Fachpersonen Handlungsempfehlungen für eine ganzheitliche, gendersensible Betreuung in der Peripartalzeit zu entwickeln.

Methode
Das Forschungsprojekt setzt auf eine Co-Creation-Methodik mit mehreren partizipativen Phasen:

Erste Phase: Es werden qualitative leitfadengestützte Einzel- und Fokusgruppeninterviews mit Männern durchgeführt, die in den letzten drei Jahren Vater geworden sind. Ergänzend erfolgen Expert:inneninterviews mit Fachpersonen aus unterschiedlichen Bereichen wie Hebammenarbeit, Psychologie, Sozialarbeit und Familienberatung. Ziel ist es, ein tiefgehendes Verständnis für die individuellen Erfahrungen von Vätern sowie die Wahrnehmung der Fachpersonen hinsichtlich bestehender Versorgungsangebote und -lücken zu gewinnen.

Zweite Phase: Mithilfe der Methode des Journey Mapping werden die, in der ersten Phase gewonnenen Erkenntnisse, visualisiert. Dieser partizipative Ansatz ermöglicht es, die Erfahrungen von Vätern im Gesundheitssystem strukturiert darzustellen und zentrale Herausforderungen, Barrieren und Chancen zu identifizieren. In einem Co-Design-Workshop arbeiten Väter und Fachpersonen gemeinsam an der Entwicklung erster Lösungsansätze zur Verbesserung der peripartalen Versorgung. Diese Ideen werden iterativ weiterentwickelt und im Rahmen eines Deliver-Workshops mit Expert:innen konkretisiert. Ziel ist es, praxisnahe Handlungsempfehlungen zu formulieren, die in der Versorgung von Vätern und Familien wirksam umgesetzt werden können.

Dritte Phase: Die erarbeiteten Ergebnisse werden über interprofessionelle Netzwerke, Publikationen und Fachkonferenzen verbreitet, um eine evidenzbasierte Implementierung und Weiterentwicklung familienzentrierter Versorgungsmodelle in der Peripartalzeit zu fördern.

Ergebnisse
Das Projekt befindet sich derzeit in der aktiven Forschungsphase. Erste Auswertungen zeigen bereits zentrale Versorgungserfahrungen von Vätern in der Peripartalzeit sowie Schlüsselmomente („Touchpoints“), an denen gezielte Interventionen ansetzen können. Der partizipative Ansatz ermöglicht die Entwicklung praxisnaher Handlungsempfehlungen, die dazu beitragen sollen, Väter besser in die peripartale Betreuung zu integrieren. Die finalen Ergebnisse, einschließlich konkreter Handlungsempfehlungen und Versorgungsmodelle, werden im Laufe der kommenden Monate weiter ausgearbeitet und bis September vorliegen.

Diskussion
Das Projekt VIP-GUIDE demonstriert, wie Co-Creation in der Gesundheitsversorgung genutzt werden kann, um bedarfsgerechte und gendersensible Versorgungsmodelle zu entwickeln. Die aktive Beteiligung von Vätern und Fachpersonen gewährleistet, dass die erarbeiteten Empfehlungen nicht nur theoretisch fundiert, sondern auch praktisch umsetzbar sind. Langfristig kann dieser Ansatz dazu beitragen, die psychische Gesundheit von Vätern in der Peripartalzeit zu stärken und damit das Wohlbefinden der gesamten Familie zu verbessern.

Referenzen

[1]      Watkins
AE, ElZerbi C, McGovern R, Rankin J. Exploration of fathers’ mental health and
well-being concerns during the transition to fatherhood, and paternal perinatal
support: scoping review. BMJ Open. 12. November 2024;14(11):e078386.
[2]      Sarantaki A, Metallinou D, Dagla M,
Dragioti E, Vounatsou E, Harizopoulou VC, et al.. Breaking the Silence:
Exploring Fathers’ Perspectives on Perinatal Mental Health and Navigating
Fatherhood [Internet]. Preprints; 2024 [cited 19. March 2025]. Available from:
https://www.preprints.org/manuscript/202411.0997/v1
[3]      Cameron EE, Sedov ID, Tomfohr-Madsen LM. Prevalence of paternal depression in
pregnancy and the postpartum: An updated meta-analysis. J Affect Disord.
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[4]      Goldstein Z, Rosen B, Howlett A, Anderson
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[5]      Rao WW, Zhu XM, Zong QQ, Zhang Q, Hall BJ,
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fathers: A comprehensive meta-analysis of observational surveys. J Affect
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[6]      Paulson JF, Bazemore SD. Prenatal and
Postpartum Depression in Fathers and Its Association With Maternal Depression:
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[8]      Philpott LF, Leahy-Warren P, FitzGerald S,
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depression symptoms in the early postnatal period. Glob Ment Health Camb Engl.
2022;9:306–21.
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Stressed, Is Dad Just as Stressed? Predictors of Paternal Stress in the First
Six Months of Having a Baby. Infant Ment Health J Infancy Early Child.
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first-time fathers: results from an Australian Longitudinal Study of Men’s
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illnesses and their coping strategies: a qualitative urban based study in Dar
es Salaam, Tanzania. BMC Psychiatry. 14. Mai 2016;16:146.
[12] Senn
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the effects of parental risk factors on dysfunctional parenting in first-time
parents: A dyadic longitudinal study. J Soc Pers Relatsh. Dezember
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[13] Xiao
X, Loke AY. Experiences of intergenerational co-parenting during the postpartum
period in modern China: A qualitative exploratory study. Nurs
Inq. Juli 2021;28(3):e12403.
Frau Heike Edmaier
ZHAW Gesundhiet, Winterthur
#Präsentation #Väter
5

Einleitung

Nichtübertragbare Krankheiten (NCDs) verursachen zwei Drittel der vorzeitigen Todesfälle in Europa und sogar 91 % in Deutschland. Die europäische „Joint Action (JA) Prevent NCD“ hat das Ziel, umfassende und wirksame Strategien zur Reduzierung von Krebs und weiteren NCDs zu entwickeln und umzusetzen. Ein zentrales Element dieser EU-Initiative ist die Zusammenarbeit von Institutionen aus 25 europäischen Ländern, die die stark fragmentierte Public Health-Landschaft in der NCD-Prävention enger zusammenzuführen soll. Die Notwendigkeit intensiverer europäischer Kooperation ergibt sich aus der Herausforderung, NCDs flächendeckend einzudämmen und dem erheblichen Potenzial gemeinsame Strategien und Synergien. Diese Studie untersucht im Rahmen der Evaluation der JA, ob eine effektive Zusammenarbeit in den Arbeitspaketen der JA stattfindet.

Theoretischer Hintergrund

Für die Analyse der Kooperation innerhalb der JA orientieren wir uns an vier etablierten Konzeptualisierungen von Zusammenarbeit [1, 2, 3, 4]. Durch die systematische Gegenüberstellung dieser Konzepte synthetisieren wir vier Dimensionen (Collaboration Culture, Structure and Coordination, Knowledge Exchange, Shared Goals), die als analytischer Rahmen für die Bewertung der Zusammenarbeit innerhalb der JA dienen. Die Integration verschiedener Konzepte aus unterschiedlichen Disziplinen ermöglicht es uns, ein umfassenderes Verständnis der notwendigen Voraussetzungen für eine effiziente Kooperation zu gewinnen und dieses für die JA zu prüfen.

Methode

Die Indikatoren der Zusammenarbeit werden in Form einer standardisierten Online-Befragung erhoben. Jede der vier Dimensionen wird auf Grundlage von validierten Items erfasst. Die Einzelitems stammen aus vier Itembatterien und sind so ausgewählt sowie sprachlich angepasst, dass ihre Relevanz und Aussagekraft im Kontext der JA sichergestellt sind. Sie sind als Aussagen formuliert, deren Antwortmöglichkeiten den Grad der Zustimmung bzw. Ablehnung auf einer fünfstufigen Likert-Skala abbilden.
Die vier Dimensionen werden durch insgesamt 19 Items abgebildet, die jeweils verschiedene Aspekte dieser Dimensionen ansprechen. Ein Beispiel für einen Aspekt effizienter „Collaboration Culture“ ist die Gegenseitigkeit von Arbeitsbeziehungen, operationalisiert durch die Aussage: „Members can count on each other to meet obligations and follow through on commitments“. Ein weiteres Beispiel ist die transparente Kommunikation als Teilaspekt eines effektiven „Knowledge Exchange“, operationalisiert durch: „Members openly share resources, knowledge, and expertise to strengthen collective work“. Befragt werden Leiter:innen bereits laufender oder abgeschlossener Projekte mit einer Vollerhebung (N = 144) im April 2025. Zur Kontextualisierung werden die Befragungsdaten mit Informationen aus einer Dokumentenanalyse (z. B. Anzahl beteiligter Länder) verknüpft. Es werden deskriptive und inferenzstatistische Auswertungen durchgeführt, die bis Juni 2025 abgeschlossen sind.

Ausblick

Die Zusammenarbeit von Institutionen aus 25 europäischen Ländern zur Prävention von NCDs erfordert einen erheblichen koordinativen und zeitlichen Aufwand. Während die Berichterstattung über finanzielle und personelle Aufwendungen Standard wissenschaftlicher Evaluierung internationaler Public-Health-Projekte ist, bleibt unklar, inwieweit dieser Aufwand tatsächlich eine effiziente und nachhaltige internationale Zusammenarbeit unterstützt und damit die Qualität der entwickelten Präventionsmaßnahmen erhöht. Wir untersuchen daher Zusammenhänge zwischen spezifischen Kontextfaktoren der Projekte und den Indikatoren für effiziente Zusammenarbeit (z.B. der Einfluss der Anzahl beteiligter Länder auf die Qualität und Effizienz des Wissensaustauschs in einem Projekt). Auf diese Weise sollen evidenzbasierte Empfehlungen zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit in Public-Health-Initiativen entwickelt werden.

Referenzen

[1]  Marek LI, Brock DJP, Savla J. Evaluating Collaboration for Effectiveness. American Journal of Evaluation. 2014;36(1):67–85.
[2]  Martín-Alcázar F, Ruiz-Martínez M, Sánchez-Gardey G. Assessing social capital in academic research teams: a measurement instrument proposal. Scientometrics. 2019;121(2):917–35.
[3]  Salignac F, Marjolin A, Noone J, Carey G. Measuring dynamic collaborations: Collaborative health assessment tool. Australian Journal of Public Administration. 2019;78(2):227–49.
[4]  Thomson AM, Perry JL, Miller TK. Conceptualizing and Measuring Collaboration. Journal of Public Administration Research and Theory. 2007;19(1):23–56.
Herr Simon Löbl
Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin
Frau Meg Yates
Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin
#Präsentation #Nichtübertragbare Erkrankungen #Prävention #Evaluation #Befragung
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Hintergrund

Trotz bekannter Geschlechtsunterschiede im Krankheitsgeschehen und dem Rehabilitationserfolg werden die besonderen Bedürfnisse von Frauen im Rahmen der Rehabilitation bislang nicht zielgerichtet berücksichtigt. Geschlechtsunterschiede beruhen dabei zum Teil auf der hormonellen Umstellung in der Lebensmitte einer Frau, die mit vielfältigen Symptomen wie Knochen- und Gelenkschmerzen, verminderter Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit sowie Depressivität einhergehen kann. Frauen, die unter menopausalen Beschwerden leiden, weisen einen erhöhten therapeutisch-medizinischen Unterstützungsbedarf auf. In der orthopädischen Rehabilitation stellen Frauen im menopausalen Alter (ca. 45-55 Jahre) die größte Patientinnengruppe dar.
Ziel der Studie ist es, die Prävalenz von Frauen mit menopausalen Beschwerden in der orthopädischen Rehabilitation zu eruieren und den spezifischen Behandlungsbedarf hinsichtlich der bedarfsgerechten Ausgestaltung des Rehabilitationsprogrammes für Frauen abzuleiten.

Methode

Das Pilot-Projekt umfasst eine Querschnitterhebung anhand einer Online-Befragung einerseits von Patientinnen in der orthopädischen Rehabilitation (allgemeines Antragsverfahren/Heilverfahren/verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation, i. e. Frauen ≥ 18 Jahre, n=300) und andererseits von Mitarbeitenden mit Patientinnenkontakt (≥ 18 Jahre, n=30) in fünf kooperierenden Rehabilitationskliniken. In einem Zeitraum von drei Monaten (planmäßig 04-07/2025) werden diese im Rahmen ihres Rehabilitationsaufenthaltes (idealerweise nach einer Woche) bzw. ihrer Tätigkeit über die Studie informiert und zur Teilnahme eingeladen.
Der Fragebogen für die Rehabilitandinnen enthält Fragen zu soziodemografischen Basisdaten, Angaben zur allgemeinen und frauenspezifischen Gesundheit, Wechseljahresbeschwerden, Erfahrungen mit und Wünsche zu Rehabilitationsangeboten. Um hier den spezifischen vom generischen Bedarf abgrenzen zu können, werden erwachsene Frauen aller Altersstufen rekrutiert.
Der Fragebogen zur Erfassung der Behandelndenperspektive wird Fragen zur beruflichen Ausbildung, zur wahrgenommenen Bedeutsamkeit des Themas im Rahmen der orthopädischen Rehabilitation, dem Behandlungsbedarf, den subjektiv notwendigen/vorhandenen spezifischen Kompetenzen und geeigneten Angebotsformen enthalten.
In beide Fragebögen wird neben geschlossenen deduktiven Fragen auch eine offene induktiv erzählgenerierende Frage implementiert. Die Auswertung erfolgt entsprechend quantitativ-deskriptiv bzw. qualitativ inhaltsanalytisch. Die Ergebnisse beider Fragebögen werden zu einem mehrdimensionalen Gesamtergebnis trianguliert.

Ergebnisse

Die Studienergebnisse liegen voraussichtlich im August 2025 vor. Wir erwarten eine hohe Prävalenz von Frauen mit menopausalen Beschwerden (60 % der Frauen in der Altersgruppe 45-55 Jahre) und einen entsprechend hohen Behandlungsbedarf in der orthopädischen Rehabilitation. Darüber hinaus gehen wir davon aus, den Bedarf von Frauen hinsichtlich der Ausgestaltung von Rehabilitationsangeboten (z. B. Frauengruppen) differenziert über die verschiedenen Altersgruppen ableiten zu können. Die Befragung der Reha-Mitarbeitenden soll Aufschluss darüber geben, inwieweit spezifisches Wissen und Kompetenzen vorhanden sind und die ermittelten Bedarfe von Rehabilitandinnen somit theoretisch und praktisch gedeckt werden können. Aus der qualitativen Analyse der Freitextangaben erhoffen wir, Rückschlüsse auf nicht explizit abgefragte Aspekte ziehen und Ergänzungen zu frauenspezifischen Rehabilitationsbedarfen und zur Umsetzbarkeit von Maßnahmen genieren zu können.

Diskussion

Muskuloskelettale Erkrankungen stellen den größten somatischen Indikationsbereich im Rahmen der durch die Deutschen Rentenversicherungen getragenen Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation dar. Aus den Untersuchungsergebnissen wollen wir Anhaltspunkte ableiten, mit denen Rehabilitationsmaßnahmen für die beschriebenen geschlechtsspezifischen Besonderheiten adaptiert und damit der Rehabilitationserfolg für Frauen maximiert werden können. Die Umsetzung und Wirksamkeit spezifischer Maßnahmen (denkbar wären z. B. themenrelevante Schulungen sowohl für das Reha-Team als auch für Patientinnen) sind bei nachgewiesenem Bedarf in entsprechenden Studien zu ermitteln.
Frau PD Dr. Annett Salzwedel
Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Universität Potsdam, Potsdam
#Präsentation #Frauengesundheit, Genderforschung, orthopädische Rehabilitation, Menopause, menopausale Beschwerden, Wechseljahresbeschwerden, subjektive Behandlungsbedarfe
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Hintergrund

Betroffene eines Myokardinfarkts (MI) profitieren von Anschlussrehabilitationen (AR) in Form einer verbesserten Genesung, Reduktion von Funktionsbeeinträchtigungen sowie geringerer Mortalität [1,2,3]. Mit einem Anteil von ca. 50% AR-Antritt geeigneter MI-Patient*innen [4], scheint der AR-Zugang durch Faktoren beeinflusst, die nicht medizinisch begründet sind. Diese Sekundärdatenanalyse soll mögliche Muster in den, die AR-Veranlassung beeinflussenden Patient*innencharakteristika identifizieren.
​​​​​

Methode

8.980 (N) anonymisierte Datensätze stationärer Patient*innen mit MI-Diagnosen aus den Krankenhausinformationssystemen der Universitätskliniken Düsseldorf und Essen (2017 – 2022), wurden zur vergleichenden statistischen Analyse (SPSS v29.0.2) verwendet. Mittels logistischer Regression wurde der Zusammenhang klinischer Parameter und Patient*innen-Charakteristika mit den binären Endpunkten „AR-Veranlassung vorhanden“, sowie „SD-Konsil“ untersucht. Die Vitalstatusanalysen sind noch nicht abgeschlossen.

Ergebnisse

Der Datensatz enthält 70,5% Männer (n=6.332), unter den STEMI-Fällen sind es 74,2%. Das mittlere Alter liegt bei insgesamt 67,6 (±13,3), für Frauen bei durchschnittlich 71,2 (±13,5) Jahren. 63% sind 65 Jahre oder älter (n=5654). Für 12,3% (n=1.105) ist eine Pflegestufe dokumentiert oder beantragt. Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 11,72 Tagen (±13,3; Median 8,0). 60,3% (n=5.418) wurden als Notfall behandelt und 52,1% (n=4.677) intensiv betreut.
28,7% (n=2.581) aller Patient*innen erhielten eine AR-Veranlassung, von diesen lag für alle ein SD-Konsil vor. Insgesamt ist für 40,9% (n=3.672) der Patient*innen ein SD-Konsil dokumentiert. Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen SD-Konsil und einer AR-Veranlassung (p<0,001). Die Wahrscheinlichkeit einer AR-Veranlassung sinkt mit steigendem Pflegegrad (OR=0,82, p=0,002). Bei Personen ab 65 Jahren, erhalten Frauen seltener ein SD-Konsil als Männer (OR=1,17; p=0,007).
Diagnosen eines Vorderwand- (I21.0, n=889) oder Hinterwandinfarktes (I21.1, n=816) erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer AR-Veranlassung (ORV=3,4; pV<0,001, bzw. ORH=4,3; pH=0,001), wohingegen das Vorliegen der I21.4-Diagnose (NSTEMI) die Wahrscheinlichkeit reduziert (OR=0,24, p=0,001). Der Altersdurchschnitt der I21.4-Fälle (n=7.157) liegt bei 68,6 (±13,3, 67% ü65) und unterschiedet sich damit signifikant von den anderen Fällen (n=1.823, MW=63,4±12,6; p<0,001), für 13,9% ist eine Pflegestufe dokumentiert oder beantragt.
Als Notfall eingelieferte Personen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit einer AR-Veranlassung (OR=1,76 p<0.001). Ein Intensivaufenthalt erhöht die Wahrscheinlichkeit einer AR-Veranlassung (OR=2,9, p>0,001). Unabhängig von einer Diabetes-Diagnose erhöht ein Blutzuckerwert oberhalb des Normbereichs (Messzeitpunkt bei Aufnahme) die Wahrscheinlichkeit einer AR-Veranlassung (OR=1,26, p<0,001). Bluthochdruck hat keinen Effekt auf die AR-Veranlassung (p=0,138).
Ein multiples binär logistisches Regressionsmodell zur Betrachtung einer veränderten Wahrscheinlich der AR-Veranlassung, welches Notfall- und Intensiv-Behandlung wie Pflegegrad berücksichtigt (p<0,001) verändert die Werte wie folgt: Intensivbetreuung (OR=3,47), Notfallbehandlung (OR= 2,37), Pflegegrad (OR=0,63). Betrachtet man die Interaktion von Geschlecht, Alter und Beziehungsstatus (p=0,008), ergibt sich folgendes Modell: Frausein (OR=0,94), vorhandene Partnerschaft (OR=0,83), ab 65 Jahren (OR=0,61).

Diskussion

Der vorliegende Anteil an AR-Veranlassungen wird, entsprechend der Literatur, als gering bewertet. Die Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang der AR-Veranlassung mit der Beratung durch den Sozialdienst, sowie geschlechts- und altersspezifische Unterschiede. Das mögliche Wirken von Geschlechterrollen oder unterschiedliche Wahrnehmung in Unterstützungsbedarfen von Seiten des ärztlichen Personals oder der Patient*innen sollte in weiteren Untersuchung berücksichtigt werden. Um eine nachhaltige Teilhabe der Patient*innen zu gewährleisten, müssen Reha-Indikationen durchgesetzt werden. Standardisierte und niederschwellige Prozesse der AR-Veranlassung müssen in die Routinebehandlung integriert werden, um ärztliches Personal in der Zusammenarbeit mit Sozialdienststellen zu unterstützen.

Referenzen

[1] Schwaab B. Kardiologische Rehabilitation. Phys Med Rehab Kuror. 2024;34:288-200.
[2] van Halewijn G, Deckers J, Tay HY, van Domburg R, Kotseva K, Wood D. Lessons from contemporary trials of cardiovascular prevention and rehabilitation: A systematic review and meta-analysis. Int J Cardiol. 2017;232:294-303.
[3] Rauch B, Davos CH, Doherty P, Saure D, Metzendorf MI, Salzwedel A, et al. The prognostic effect of cardiac rehabilitation in the era of acute revascularisation and statin therapy: A systematic review and meta-analysis of randomized and non-randomized studies—The Cardiac Rehabilitation Outcome Study (CROS). Eur J Prev Cardiol. 2016;23(18):1914-1939.
[4] Deutsche Herzstiftung. Jahresbericht 2021. 2022. Available from: herzstiftung.de/ueber-uns/jahresbericht-und-satzung.
Frau Melanie Lausen
Universitätsklinikum Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen
#Präsentation #Anschlussrehabilitation #Sekundärdatenanalyse #Kardiologische Reha
8
Hintergrund:
Schwere Unfälle bringen nicht nur körperliche Einschränkungen mit sich, sondern erfordern tiefgreifende Anpassungen der Lebensführung. Aus sozialmedizinischer Perspektive ist besonders relevant, wie Betroffene psychosoziale Ressourcen aktivieren und Resilienz entwickeln. Neurobiologische Modelle des Wohlbefindens postulieren, dass sogenannte „Life Shocks“ auch zu einem intensiveren Erleben von Glück und Lebenszufriedenheit führen können – ein Phänomen, das als Posttraumatisches Wachstum (PTG) bezeichnet wird. Die systematische Untersuchung dieses Potenzials bietet wichtige Ansatzpunkte für Prävention und Rehabilitationsprozesse.
Ziel des Projekts ist es, PTG als individuellen wie auch gesellschaftlich relevanten Bewältigungsprozess besser zu verstehen. Es wird untersucht, wie sich das Erleben von Glück und Zufriedenheit nach einem einschneidenden Lebensereignis – konkret einer erworbenen Querschnittslähmung – verändert, und Strategien und Kontextbedingungen diesen Wandel fördern.
Methode:
Zur Erhebung wurde das ABC-Modell nach Esch (2022) [1] herangezogen, das sowohl die Entwicklung eines Erhebungsinstruments zur Erfassung von Veränderungen im Glücks- und Zufriedenheitserleben als auch die Modellierung eines schematischen Entwicklungsprozesses von PTG im Kontext von erworbener Querschnittslähmung unterstützte. In zwei Interviewrunden wurden Teilnehmende mit erworbener Querschnittslähmung zu ihrem Erleben dieses lebensverändernden Ereignisses befragt. Der Fokus der semistrukturierten, leitfadengestützten Interviews (n=28) lag auf den Erfahrungen vor und nach dem Unfall, der Verfügbarkeit hilfreicher Ressourcen sowie den Veränderungen in der Wahrnehmung von Glück und Zufriedenheit. Die Daten wurden nach dem Ansatz der Grounded Theory mit offenem, axialem und selektivem Codieren ausgewertet.
Ergebnisse:
Die Teilnehmenden beschrieben eine „erzwungene“ Entschleunigung sowie verstärkte Achtsamkeit und Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse. Zu identifizieren sind Einstellungsveränderungen wie eine stärkere Wertschätzung der gegebenen Ressourcen sowie eine kongruentere Stressverarbeitung. Glück entwickelt sich über die Zeit und wird nach Verunfallung durch kleine Momente, Qualitäten und intrinsische Ziele erlebt statt durch Leistung, Quantität und Erreichung extrinsischer Ziele definiert. Trotz physischer Einschränkungen und Herausforderungen berichteten die Interviewteilnehmer:innen über eine vertiefte Beziehung zu sich selbst und zu anderen sowie eine geringere Relevanz alltäglicher Irritationen. Medizinische Versorgung, gute Rehabilitationsmöglichkeiten und Alltagshelfer:innen wurden als wichtige Ressourcen genannt. PTG zeigte sich als individueller Prozess, unabhängig von soziodemografischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht oder Bildung.
Diskussion:
PTG stellt kein einheitliches Konzept, sondern ein dynamisches Spektrum dar – geprägt durch ein Wechselspiel neurobiologischer, psychologischer, sozialer, spiritueller und kultureller Faktoren. Die Erkenntnisse deuten auf zentrale Stellschrauben hin, an denen psychosoziale Prävention und Rehabilitation ansetzen können: insbesondere durch Stärkung von Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit und sozialer Eingebundenheit. Eine gezielte Integration von PTG-orientierten Ansätzen in Rehabilitations- und Versorgungsstrukturen kann die Lebensqualität nach traumatischen Ereignissen nachhaltig verbessern.

Referenzen

[1] Esch T (2022). The ABC Model of Happiness—Neurobiological Aspects of Motivation and
Positive Mood, and Their Dynamic Changes through Practice, the Course of
Life. Biology, 11(6), 843.
https://doi.org/10.3390/biology11060843
Frau Dr. rer. oec. Dr. rer. medic. Maren Michaelsen
Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung (IGVF), Universität Witten/Herdecke, Witten
#Präsentation #Posttraumatisches Wachstum #Inhibitionstheorie #qualitative Analyse #Glück und Lebenszufriedenheit #Gesundheitsförderung bei Querschnittlähmung #Rehabilitation
Do
18 Sep
16:45 - 17:15
PW12
BMFTR-Forschungsverbünde zu Gesundheitsförderung und Klimaschutz (FIGENA): Interventionsstudien für gesunde und nachhaltige Lebensbedingungen und Lebensweisen
6x FiGeNa (3+2)
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1
Einleitung: Bislang existieren kaum Interventionen, die Lebensweisen und Lebensbedingungen nicht nur hinsichtlich Gesundheit, sondern gleichzeitig auch bezüglich sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit verbessern möchten. Die Intervention FREI DAY ist ein Whole School Approach, der dieses Ziel verfolgt [1]. Der FREI DAY ist theoriebasiert und an die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN [2] orientiert. Obwohl seit 2021 zunehmend mehr Schulen den FREI DAY teils pilothaft erproben, teils implementieren, ist seine Wirksamkeit bislang nicht evaluiert worden. Der Beitrag stellt den quantitativen Forschungsstrang der Mixed-Methods-Studie #FREI DAY FOR FUTURE hierzu vor (BMBF-Förderkennzeichen: 01EL2408A). Die Studie geht nicht nur der Frage nach der Wirksamkeit und den Wirkmechanismen des FREI DAY nach, sondern auch der Frage nach möglichen Faktoren, die die Implementationsqualität hemmen oder fördern.

Methoden: Die Studie nutzt die aktuelle Situation der zunehmenden Verbreitung des FREI DAY als natürliches Experiment und kann als Non-Randomized Stepped-Wedge Design beschrieben werden: Einbezogen werden 30 Grundschulen sowie 60 weiterführende (inkl. beruflich bildende) Schulen aus Niedersachsen. Ein Teil dieser Schulen hat den FREI DAY bereits implementiert, ein anderer Teil dieser Schulen hat sich über den FREI DAY informiert und möchte ihn in den nächsten 12 bis 36 Monaten einführen oder plant bislang nicht diesen einzuführen. In all diesen Schulen führen wir für zunächst drei Jahre einmal pro Jahr folgende Erhebungen durch: Die insgesamt 90 Schulleitungen geben mittels Online-Survey Auskunft über strukturelle Merkmale ihrer Schule ; pro Schulen werden 5-12 School Key Informants (Schulpersonal, Eltern) bezüglich weiterer Merkmale der Schule (z.B. Schulklima, integrierte Gesamtstrategie der Schule zur Verfolgung der SDGs) im offenen Kohortendesign telefonisch (alternativ online) interviewt; pro Schule wird ein von den Schulen festgelegtes Sample von ca. 20 Schüler:innen zu Gestaltungs- und Lebenskompetenzen, Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein sowie -verhalten und Wohlbefinden sowie Klima-/Zukunftsangst im offenen Kohortendesign online im Rahmen einer Unterrichtsstunde befragt. Zudem werden weitere Daten zu kommunalen Merkmalen (z.B. Deprivationsindex) der Schulstandorte aus amtlichen Statistiken einbezogen. Von den Schulen, die den FREI DAY umsetzen oder umgesetzt haben, werden einmal pro Jahr über die Schule im Aufbruch gGmbH Daten über Implementationsfortschritt und -qualität beschafft. Zusätzlich nehmen in diesen Schulen jeweils 3-12 Personen, die für die Implementation, Umsetzung, Verstetigung und/oder Qualitätssicherung des FREI DAY verantwortlich sind, an einer Online-Erhebung teil. Inhalt dieser sind neben Faktoren, die Fortschritt und Qualität der Implementation des FREI DAY fördern oder hemmen könnten (z.B. lokale Barrieren und Teamfunktionalität), Fragen zum personalen und finanziellen Aufwand für den FREI DAY. Die Datenauswertungsstrategie basiert wesentlich auf Mixed Models, die die komplexe hierarchische Struktur dieser Daten berücksichtigen. Ökonometrische Analysen zu (Kosten-)Aufwand und Kosteneffektivität des FREI DAY sind geplant/werden durchgeführt.

Ergebnisse: Es wird erwartet, dass der FREI DAY die Transformationsfähigkeit und Nachhaltigkeitskultur der Schulen stärkt und bei Schüler:innen Umweltbewusstsein, Gestaltungs- und Lebenskompetenzen sowie Wohlbefinden und gesundheitliche Chancengleichheit steigert. Die Studie liefert Erkenntnisse darüber, welche lokalen und schulspezifischen Rahmenbedingungen die Qualität der Implementation des FREI DAY fördern oder hemmen und wie die Implementationsqualität gefördert werden kann.

Diskussion: Die Ergebnisse sollen in eine praxisorientierte Transferstrategie münden, die eine nachhaltige strukturelle Verankerung des FREI DAY im deutschen Schulsystem ermöglicht.

Referenzen

[1] Rasfeld M. Der FREI DAY - eine Brücke in die Transformation der Schule. Lehren & Lernen. 2024;50(1):25–30. DOI: 10.25656/01:32075 .
[2] United Nations [Internet]. The 17 Goals. Sustainable Development Goals; 2015 [cited 2025 Apr 15]. Available from: https://sdgs.un.org/goals.
Herr Dr. Dominik Röding
Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Niedersachsen, Deutschland, Hannover
#Poster #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMBF Verbund Figena
2
Einleitung: Der FREI DAY ist ein Whole School Approach, der zur Verwirklichung der Sustainable Development Goals (SDGs) und damit zu Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) beitragen soll [1]. Ein wesentliches Ziel des FREI DAY ist, dass junge Menschen interessengeleitet über die selbstbestimmte Planung und Durchführung eigener SDG-Projekte Selbstwirksamkeit und Sinn als Faktoren für die psychische Resilienz und Gesundheit erfahren [2]. Im Rahmen des von 2025-2028 vom BMBF geförderten Verbundprojekts „#FREI DAY FOR FUTURE – Lebenswelten gemeinsam gesund und nachhaltig gestalten“ (Förderkennzeichen: 01EL2408B) wird die Wirksamkeit und Implementierung der Intervention FREI DAY systematisch erforscht. In der qualitativen Begleitforschung stehen vor diesem Hintergrund folgende Fragestellungen im Fokus: Anhand welcher Wirkmechanismen verbessert der FREI DAY die Nachhaltigkeitskultur, Gestaltungskompetenzen und Resilienz der Schulgemeinschaften? Welchen Herausforderungen haben sich die Schulgemeinschaften bei der Umsetzung des FREI DAY zu stellen? Welche Veränderungen, insbesondere im Zusammenhang mit Gesundheit und Nachhaltigkeit, bewerten die Schulgemeinschaften als besonders bedeutsam?

Methoden: In zehn bis 15 Schulen, die den FREI DAY bereits implementiert haben, werden Fokusgruppen [3] mit Schüler:innen durchgeführt und mit der partizipativen Methode Photovoice [4] kombiniert. Zusätzlich ermöglicht die Methode Most Significant Change (MSC) [5] die Identifikation besonders bedeutsamer und wirkmächtiger Veränderungen im Schulalltag, wie sie von Lernenden, Lehrkräften und weiteren Akteur:innen wahrgenommen werden. Diese wird an drei bis fünf Schulen durchgeführt. Die qualitativen Erhebungen starten im Sommer 2025 und werden über den Projektzeitraum in mehreren Phasen stattfinden.

Ergebnisse: Die Ergebnisse der qualitativen Forschung liefern vertiefte Einblicke in Wirkmechanismen und Gelingensbedingungen des FREI DAY und tragen zugleich zur Weiterentwicklung und seiner nachhaltigen Verankerung im schulischen Kontext bei. Die Fokusgruppen liefern Ergebnisse u.a. über das Lernklima und die Lernbegleitung sowie die Entwicklung transformativer Handlungskompetenzen und resilienter Haltungen bei Schüler:innen. Abgesehen von den Chancen und Potenzialen können auch mögliche Hürden der Implementierung des FREI DAY exploriert werden. Die Methode MSC ermöglicht eine Analyse darüber, welche Veränderungen durch den FREI DAY als besonders wichtig von verschiedenen Akteur:innen angesehen werden und stoßen eine Diskussion der schulbezogenen Werte an.

Diskussion: Alle Erkenntnisse fließen in eine praxisorientierte Transferstrategie ein, die bundesweit unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteur:innen verbreitet wird, sodass sie langfristig zu einer strukturellen Verankerung nachhaltigkeitsorientierter Bildungsformate im deutschen Schulsystem beiträgt.

Referenzen

[1] Rasfeld M. Der FREI DAY - eine Brücke in die Transformation der Schule. Lehren Lernen. 2024;50(1):25–30. DOI: 10.25656/01:32075.
[2] Rasfeld M. Was wirklich zählt: Wertschätzung, Beziehung, Partizipation, Verantwortung, Sinn. Pädagogische Führung. 2023;34(2):70–3.
[3] Schulz M, Mack B, Renn O. Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissenschaft. Wiesbaden: Springer VS; 2012. DOI: 10.1007/978-3-531-19397-7.
[4] Wihofszky P, Hartung S, Wright M. Photovoice als partizipative Methode: Wirkungen auf individueller, gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene. In: Partizipative Forschung. Wiesbaden: Springer VS; 2020. p. 85–141. DOI: 10.1007/978-3-658-30361-7_4.
[5] Davies R, Dart J. The “Most Significant Change” (MSC) Technique: A Guide to Its Use. 2005. DOI: 10.13140/RG.2.1.4305.3606.
Frau Alicia Strauß
Leibniz Universität Hannover, Institut für Didaktik der Naturwissenschaften, Hannover, Niedersachsen, Deutschland, Hannover
#Poster #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMBF Verbund Figena
3
Hintergrund: Der Ausbau von Radinfrastruktur leistet einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der Radmobilität und zur Verbesserung der Gesundheit. Allerdings gibt es Hinweise, dass Anwohner:innen je nach Bevölkerungsgruppe in unterschiedlichem Maße von diesen Veränderungen profitieren. So zeigen sich Unterschiede abhängig von der Wohnortnähe zur optimierten Radstrecke, sowie in Bezug auf Geschlecht, Bildungsstand und anfängliches Aktivitätsniveau. Unterschiede nach individuellem sozioökonomischem Status oder unterschiedlicher sozialräumlicher Belastung von Stadtteilen sind hingegen weniger gut untersucht. Derzeit weist die Studienlage darauf hin, dass eher sozioökonomisch besser gestellte Gruppen von infrastrukturellen Änderungen profitieren. In Düsseldorf werden im Rahmen des Mobilitätsplans D verschiedene Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs umgesetzt. Diese Maßnahmen werden in Bezirken mit unterschiedlicher sozialräumlicher Belastung durchgeführt und umfassen den kontinuierlichen Ausbau von Radwegen, die Errichtung von Mobilitätsstationen sowie die Verstärkung medialer Aktivitäten zum Thema Radmobilität.

Vorhabensziele: Im Rahmen des Verbundprojekts UNITY werden zwei sich ergänzende Teilprojekte durchgeführt. In Teilprojekt 1 (TP1), welches hier präsentiert wird, werden die Auswirkungen einer multistrategischen Intervention auf die Radnutzung und die Determinanten der Radnutzung in unterschiedlichen Sozialräumen untersucht.

Methode: Die Auswirkungen der multistrategischen Intervention auf die Infrastrukturnutzung werden anhand verschiedener Radzählstellen in Düsseldorf zu Baseline, 12 und 24 Monate später erhoben. Dabei wird die Anzahl der Radfahrenden auf einer Strecke, die infrastrukturell verändert wurde (Intervention), mit der Anzahl der Radfahrenden auf vergleichbaren unveränderten Strecken (Kontrolle) verglichen. Zur Erhebung der Determinanten der Radnutzung werden Anwohner:innen aus zwei Stadtbezirken mit unterschiedlicher sozialräumlicher Belastung entlang der infrastrukturell ausgebauten Strecke mittels eines Online-Surveys zu Baseline und 12 Monate später befragt. Zusätzlich werden Anwohner:innen eines sozialräumlich belasteten Stadtbezirks in Düsseldorf mittels Interviews und Fokusgruppen befragt.

Diskussion: In TP1 des Verbundprojekts UNITY werden wissenschaftliche Erkenntnisse zur Nutzung ausgebauter Infrastruktur sowie zu den Determinanten des Radfahrens in Bezirken mit unterschiedlicher sozialräumlicher Belastung untersucht.

Frau Lisa Stähler
Institut für Medizinische Soziologie, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Düsseldorf
#Poster #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMBF Verbund Figena
4
Hintergrund: Luftverschmutzung ist eine der Hauptursachen für globale Morbidität und Mortalität (1). Eine Vielzahl epidemiologischer Studien hat die Verbindung von Luftverschmutzung mit kardiovaskulären, metabolischen und respiratorischen Gesundheitsauswirkungen und Mortalität bestätigt (2). Verkehrsbezogene Luftverschmutzung, durch Kfz-betriebenen Individualverkehr, ist eine komplexe Mischung von partikulären und gasförmigen Substanzen, die sowohl aus dem Auspuff (Verbrennung) als auch aus Abriebvorgängen (Bremsen, Reifen, Asphalt) stammen (3). Radfahrer:innen sind aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zur Emission auf oder direkt neben der Straße und ihr erhöhtes Atemminutenvolumen stark exponiert (4). Obwohl die gesundheitlichen Vorteile von körperlicher Aktivität (KA) durch Radfahren gesichert sind, fehlen Studien zu den direkten gesundheitlichen Effekten von Radfahren in unterschiedlich stark belasteten Verkehrssituationen (5).

Vorhabensziele: Im Rahmen des Verbundprojekts UNITY werden zwei sich ergänzende Teilprojekte durchgeführt. Teilprojekt 2 (TP2), welches hier präsentiert wird, analysiert die Luftschadstoffbelastung auf verkehrsberuhigten und konventionellen Radwegen sowie die daraus resultierenden gesundheitsbezogenen Effekte des Radfahrens unter diesen Bedingungen.

Methode: Die Studie im Rahmen von TP2 ist eine (semi-)kontrollierte randomisierte Expositionsstudie mit einem Cross-Over-Design. 60 Teilnehmer:innen im Alter von 18-65 Jahren absolvieren insgesamt vier Radfahrten auf zwei vordefinierten Radstrecken durch die Stadt Düsseldorf. Bei einer vorgegebenen Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 15 km/h werden die Fahrradtouren ca. 90 Minuten dauern. Entsprechend der Maßnahmen zu Verbesserung der Radinfrastruktur in Düsseldorf liegt eine Radstrecke auf verkehrsberuhigten Radwegen abseits der Hauptstraßen, während die andere Strecke auf konventionellen Radwegen in der Innenstadt entlang Hauptverkehrsstraßen liegt. Während der Radfahrten werden mit Hilfe eines mobilen Messfahrrads Luftschadstoffkonzentrationen kontinuierlich gemessen. Jeweils vor und nach den Radfahrten werden medizinische Untersuchungen an den Teilnehmer:innen zur Erfassung kardiorespiratorischer und inflammatorischer Endpunkte durchgeführt.
Zur Erfassung gesundheitlicher Auswirkungen der Exposition wird eine Differenz-in-Differenz-Analyse mit gemischten linearen Regressionsmodellen durchgeführt. Zunächst wird der Einfluss der Streckenart (verkehrsberuhigt vs. konventionell) untersucht, anschließend die individuelle Belastung durch verkehrsbedingte Luftschadstoffe. Adjustierungsvariablen, abgeleitet durch gerichtete azyklische Graphen (DAGs), berücksichtigen meteorologische Faktoren und Lärmexposition.

Diskussion: In TP2 des Verbundprojekts UNITY werden wissenschaftliche Erkenntnisse über die gesundheitliche Relevanz von Radfahren auf verkehrsberuhigten Radwegen vs. konventionellen Radwegen gewonnen. Diese bilden die Grundlage zu innerstädtischen infrastrukturellen Änderungen und damit zur Verlagerung des Verkehrs vom Kfz auf das Fahrrad und somit zur Förderung der Gesundheit der Bevölkerung durch körperliche Aktivität in besserer Luftqualität.

Referenzen

[1] GBD 2019 Risk Factors Collaborators. Global burden of 87 risk factors in 204 countries and territories, 1990–2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019. Lancet. 2020;396(10258):1223-49.
[2] World Health Organization. WHO global air quality guidelines: particulate matter (PM2.5 and PM10), ozone, nitrogen dioxide, sulfur dioxide and carbon monoxide. Geneva: WHO; 2021.
[3] Health Effects Institute. Traffic-related air pollution: a critical review of the literature on emissions, exposure, and health effects. Special Report 17. Boston: HEI; 2010.
[4] de Nazelle A, Bode O, Orjuela JP. Comparison of air pollution exposures in active vs. passive travel modes in European cities: A quantitative review. Environ Int. 2017;99:151-60.
[5] de Hartog JJ, Boogaard H, Nijland H, Hoek G. Do the health benefits of cycling outweigh the risks? Environ Health Perspect. 2010;118(8):1109-16.
Frau Dr. Vanessa Soppa
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Germany, Düsseldorf
#Poster #Radmobilität #Luftqualität #Public Health #Nachhaltige Stadtentwicklung #Multistrategische Intervention
5
Einleitung
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​Der Durchgangsverkehr im Nebenstraßennetz stellt in vielen Städten ein Gesundheitsrisiko dar, da die Verkehrssicherheit und die aktive Mobilität beeinträchtigt werden und die Lärmbelastung steigt. Darüber hinaus sind aufgrund des hohen Versiegelungsgrads die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels in Städten besonders stark ausgeprägt (z.B. durch urbane Hitzeinseln, Tropennächte). Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status sind dabei überproportional von den Auswirkungen des Durchgangsverkehrs und des Klimawandels betroffen, da sie häufig in prekären Wohnverhältnissen, an viel befahrenen Straßen oder in dicht bebauten Stadtteilen mit eingeschränktem Grünflächenzugang leben. Beobachtungsstudien legen nahe, dass sich städtebauliche Maßnahmen zur Reduktion des Durchgangsverkehrs und Entsiegelung (z.B. Superblocks in Barcelona) u.a. durch die Reduktion von Luftverschmutzung, Einsamkeit und Stress sowie die Förderung aktiver Mobilität positiv auf die Gesundheit auswirken könnten. Trotz ihres Potenzials gestaltet sich die Umsetzung derartiger Maßnahmen schwierig, da bisher wenig über ihre Effektivität bekannt ist. Weitgehend unklar ist darüber hinaus, inwiefern Maßnahmen zur Reduktion des Durchgangsverkehrs und Entsiegelung zu einer Verringerung bestehender gesundheitlicher Ungleichheiten beitragen können.
Das gegenständliche Teilprojekt der quasiexperimentellen KiezTransform Studie untersucht daher die kausalen Effekte von Kiezblocks (KB) auf (1) die Gesundheit und (2) die gesundheitliche Ungleichheit.

Methoden
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​Die quasiexperimentelle Studie basiert auf einem Difference-in-Differences-Design. Die Datenerhebung beginnt voraussichtlich im Juni 2025 und umfasst 3 Erhebungswellen (vor, 6 und 18 Monate nach Umsetzung von KB-Maßnahmen) und wird in 5 Interventionskiezen mit geplanten KB-Maßnahmen sowie 5 Kontrollkiezen ohne KB-Maßnahmen in Berlin durchgeführt. Die Zuordnung der Kontrollkieze zu den Interventionskiezen erfolgt auf Basis vergleichbarer Belastungsprofile (u.a. Lärmbelastung, Luftverschmutzung). KB-Maßnahmen beinhalten als modulare städtebauliche Interventionen (1) die Unterbindung des ortsfremden Kfz-Durchgangsverkehrs in Wohnvierteln, (2) die alternative Nutzung freiwerdender Verkehrsflächen und (3) die Entsiegelung und Ausweitung von Grünflächen. Gesundheitliche Effekte: Die volljährigen Studienteilnehmenden in den Interventions- und Kontrollkiezen werden über eine Zufallsstichprobe aus dem Einwohnermeldeamt rekrutiert (angestrebte Stichprobengröße: 2.616). Die körperliche Aktivität (primärer Endpunkt) wird objektiv mittels Akzelerometrie erfasst (Actigraph wGT3X-BT). Sekundäre Endpunkte zur körperlichen (u.a. Alltagsmobilität), psychischen (u.a. subjektiv empfundener Stress, Depression, Einsamkeit) und sozialen Gesundheit (u.a. soziale Kohäsion) werden subjektiv über Onlineumfragen und validierte Instrumente erhoben. Zudem wird Stress in einer Teilstichprobe objektiv über die Bestimmung der Cortisolkonzentration im Haar bestimmt. Die Analyse erfolgt mittels generalisiert linear gemischter Modelle. Effekte auf die gesundheitliche Ungleichheit werden über Moderatoranalysen abgeschätzt, in die Teilnehmende mit unterschiedlichen Vulnerabilitätsprofilen einbezogen werden.

Ergebnisse
Im Rahmen der DGSMP-Jahrestagung wird das Design des gegenständlichen Teilprojekts der KiezTransform Studie vorgestellt.

Schlussfolgerung
Die robuste Evaluation von KB-Maßnahmen hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Effekte trägt zur gesundheitsorientierten Weiterentwicklung städtebaulicher Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung und Entsiegelung bei. Die aus den Ergebnissen abgeleiteten Empfehlungen an der Schnittfläche zwischen Gesundheitsförderung, Klimaschutz und Klimaanpassung sind auf Grund ihrer sektorenübergreifenden Ausrichtung für unterschiedliche Fachgebiete innerhalb der Kommunalverwaltung relevant und leisten damit einen direkten Beitrag zur Stärkung des Health-in-all-Policies-Ansatzes auf kommunaler Ebene. Die detaillierte Evaluation der Effekte von KB-Maßnahmen auf die gesundheitliche Ungleichheit kann darüber hinaus die sozialverträgliche Ausgestaltung von Klimaschutzmaßnahmen in Städten stärken und zugleich ungünstige Verteilungswirkungen minimieren.

Herr Dr. med. Michael Eichinger
Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim
Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz
#Poster #BMBF Verbund Figena
6
Hintergrund und Ziel: Umfangreichen Stadtentwicklungsprogrammen werden international und national eine zunehmende Bedeutung für die große Transformation, sozial-ökologische Nachhaltigkeit und gesundheitliche Chancengerechtigkeit beigemessen. In Deutschland spielen Integrierte Stadtentwicklungskonzepte (ISEK) als informelle integrierende Instrumente der Stadtentwicklung einer Kommune vor allem im urbanen Kontext eine besondere Rolle. Auf der Grundlage von vorbereitenden Analysen identifizieren Kommunen zunächst Teilräume, die städtebaulich, wirtschaftlich und sozial benachteiligt sind – somit überproportional häufig Wohnort von vulnerablen Bevölkerungsgruppen – und leiten daraus thematische Schwerpunkte ab, die gesundheitsrelevante Determinanten wie Zugänge zu Grün- und Freiräumen, Barrierefreiheit oder gesundheitliche Versorgungsstrukturen umfassen. Bisher sind vor allem die Verfahren zur Entwicklung und die Umsetzung von ISEK evaluiert worden. Mit dem Verbundprojekt SalusTransform wird erstmals in Deutschland die Wirksamkeit von ISEK in Bezug auf eine Verbesserung der Gesundheit, eine Verringerung sozialer Ungleichheiten und einer Stärkung ökologischer Nachhaltigkeit evaluiert.

Interventionen: ISEK als komplexe Intervention werden in einem mehrjährigen Prozess entwickelt, von kommunalen politischen Gremien beschlossen und dann schrittweise über mehrere Jahre weiter ausgestaltet und umgesetzt. Aufgrund der mehrjährigen Entwicklungs- und Implementationsphase wurden für das Verbundprojekt SalusTransform drei ISEK-Gebiete ausgewählt, die sich hinsichtlich des Stadiums der ISEK-Umsetzung unterscheiden. In Wuppertal-Mirke wurde bereits 2006 damit begonnen, ISEK-Maßnahmen umzusetzen. In Bochum-Wattenscheid startete die Umsetzung von ISEK-Maßnahmen im Jahr 2015. In Bremen-Blumenthal wurde das ISEK im April 2023 beschlossen und erste vorbereitende Maßnahmen begannen im Herbst 2023. In der Gesamtbetrachtung bieten die verschiedenen Stadien der ISEK-Umsetzung in den drei Städten die Möglichkeit, mehrjährige Interventionen in einer verhältnismäßig kurzen Projektlaufzeit hinsichtlich der kurz- und mittelfristigen Wirksamkeit zu evaluieren. In der Konzeptentwicklungsphase für SalusTransform wurden logische Modelle für die drei genannten ISEK zusammen mit kommunalen Vertreter*innen erarbeitet, um eine gemeinsame Evaluationsmethodik entwickeln zu können.

Methodik: Die Evaluation erfolgt im quasi-experimentellen Design einer kontrollierten nicht-randomisierten Interventionsstudie. Interventionsregionen sind die drei oben genannten ISEK-Programmgebiete. Als Kontrollregionen wurde pro Stadt ein Gebiet ohne ISEK mit möglichst vergleichbarer Soziodemographie der Wohnbevölkerung und ähnlichen sozialen und baulich-räumlichen Herausforderungen ausgewählt. Die Studienpopulation ist die Wohnbevölkerung (gemeldeter Erstwohnsitz) in den Stadtgebieten. Um vergleichbare Rahmenbedingungen hinsichtlich der Akteurskonstellation und kommunaler Selbstverwaltung zu gewährleisten, liegen ISEK- und Kontrollgebiet jeweils in derselben Stadt. Die Evaluation beinhaltet einen Mixed-Methods-Ansatz zur Evaluation komplexer Interventionen basierend auf den logischen Modellen. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf in relativer Armut lebenden Menschen als vulnerable Bevölkerungsgruppe. Sowohl in der Prozessevaluation, die auf die einzelnen Elemente des ISEKs fokussiert, als auch in der Ergebnisevaluation werden quantitative und qualitative Primär- und Sekundärdaten bezogen auf Gesundheit, ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit analysiert.

Erwartete Ergebnisse: SalusTransform soll Erkenntnisse darüber bieten, ob ISEK zu einer Verbesserung gesundheitsförderlicher sowie ökologisch nachhaltiger und sozial gerechter Lebensbedingungen und Lebensweisen beitragen können und wie ISEK als komplexe und dynamische Interventionen in einer Kommune evaluiert werden können. Letztlich sollen die Ergebnisse zu evidenzbasiertem Handeln im Rahmen einer Health-Equity-in-All-Policies-Strategie beitragen.

Das Verbundprojekt SalusTransform wird durch das BMBF gefördert (Förderkennzeichen: 01EL2420).

Herr Justus Tönnies
Universität Bremen, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Bremen
#Poster #Gesundheitsförderung & Prävention #Klimawandel #Nachhaltigkeit #Soziale Ungleichheit und Gesundheit #BMBF Verbund Figena
Do
18 Sep
16:45 - 17:45
VS22
Resilienz fördern
Resilienz fördern
Raum: Übungsraum 508 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 106)
Beiträge:
1
Jährlich erkranken weltweit etwa 2,3 Millionen Menschen an Brustkrebs. Jede achte Frau erkrankt mindestens einmal im Leben daran und immer mehr überleben den Krebs beziehungsweise leben mit ihm. Jedoch sind Spät- oder Langzeitfolgen und die Angst vor Rezidiven ständige Begleiter. Sportliche Aktivität gilt als wichtiges Mittel für eine langerhaltende Gesundheit – gerade in der Prävention und Nachsorge. Zielgruppenspezifische Maßnahmen und Interventionen sind nötig, um die sportliche Aktivität in dieser Gruppe von Personen sinnvoll zu fördern und dafür zu sorgen, dass sie auch langfristig beim Sport bleiben. Insbesondere der Drachenbootsport bietet das Potenzial, an Brustkrebs erkrankte Personen während der Behandlung und in der Nachsorge zu unterstützen (1). Als sogenannte Pink Paddler trainieren sie in sechzehn- bis zwanzigköpfigen Teams in regelmäßigen Trainingseinheiten in der Natur, was sich sowohl körperlich (2, 3, 4) als auch psychisch (2, 5) positiv auf die Teilnehmenden auswirken kann. Bislang ist jedoch wenig erforscht, welche Beweggründe Brustkrebsüberlebende haben, am Drachenbootsport teilzunehmen und welche Rolle der gesundheitliche Zustand für die Motive einer Teilnahme am pinken Drachenbootsport spielt. Die vorliegende Studie adressiert diese Forschungslücke mit dem Ziel, die Gründe einer Partizipation am Drachenbootsport bei Brustkrebserkrankung insbesondere im Hinblick auf Zusammenhänge zwischen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und den Motiven quantitativ zu untersuchen.

Insgesamt nahmen 156 Drachenbootsportler*innen der Pink-Paddler-Community Deutschlands im Alter von 37 bis 73 Jahren an der Studie teil. Im Rahmen eines korrelativen Querschnittsdesigns wurden standardisierte Fragebögen verwendet, wobei die gesundheitsbezogene Lebensqualität anhand des SF-36 gemessen wurde und die Motive, Drachenbootsport zu betreiben, anhand des Berner Motiv- und Zielinventars (BMZI). Multiple lineare Regressionsanalysen wurden durchgeführt, um zu überprüfen, inwieweit die Aspekte der gesundheitsbezogenen Lebensqualität die Motive vorhersagten.

Das Regressionsmodell in Bezug auf das Motiv Ablenkung und Katharsis war statistisch signifikant, F(8, 135) = 4.93, p < .001, R2 = .23. Hierbei waren drei Prädiktoren signifikant, indem ein niedrigeres psychisches Wohlbefinden (β = –0.31, p = .013) sowie eine niedrigere körperliche (β = –0.24, p = .035) und soziale Funktionsfähigkeit (β = –0.23, p = .046) dazu beitrugen, den Drachenbootsport verstärkt zur Ablenkung von Problemen und zum Stressabbau zu nutzen. Ferner ergab sich ein signifikantes Gesamtmodell in Bezug auf das Motiv Ästhetik, F(2, 141) = 5.54, p = .005, R2 = .07. Hierbei erwies sich als einzig signifikanter Prädiktor, dass das Erleben von stärkeren und häufigeren Schmerzen ein umso ausgeprägteres Motiv nach Ästhetik zur Folge hatte (β = –0.25, p = .011). Hinsichtlich des Kontaktmotivs wurden keine signifikanten Ergebnisse festgestellt, F(6, 136) = 1.30, p = .263, R2 = .05.

Schlussfolgernd weisen die Befunde darauf hin, dass die pinken Paddler*innen den Drachenbootsport vor allem als emotionsorientierte Copingstrategie nutzen, indem sie sich dadurch von Stress und gesundheitlichen Problemen ablenken. Ferner verfolgen sie durch das Motiv der Ästhetik verstärkt die Strategie des sinnbasierten Copings, je mehr Schmerzen sie empfinden. Aus den Ergebnissen lassen sich wertvolle Implikationen (z.B. spezifische Train-the-Trainer-Programme) für die Praxis ableiten zur langfristigen Gewinnung von pinken Paddler*innen. Die Studie liefert damit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Drachenbootsports als möglichen Rehabilitationssport bei Brustkrebserkrankung und bietet interessante Impulse für künftige Forschung.

Referenzen

[1] Blanzola C, O’Sullivan P, Smith K, Nelson R. The benefits of Dragon Boat participation for breast cancer survivors. Therapeutic Recreation Journal. 2016 Jan 1;50(3).
[2] Denieffe S, Castineira C, Denny M. The Impact of Dragon Boating for Fatigue in Cancer Survivors. The Journal for Nurse Practitioners. 2021 Sep;17(8):1019–22.
[3] Iacorossi L, Gambalunga F, Molinaro S, De Domenico R, Giannarelli D, Fabi A. The Effectiveness of the Sport “Dragon Boat Racing” in Reducing the Risk of Lymphedema Incidence. Cancer Nursing. 2018 Jun 22;42(4):323–31.
[4] Melchiorri G, Viero V, Triossi T, Sorge R, Tancredi V, Cafaro D, et al. New approach to evaluate late arm impairment and effects of dragon boat activity in breast cancer survivors. Medicine. 2017 Nov;96(44):e8400.
[5] Sabiston CM, McDonough MH, Crocker PRE. Psychosocial Experiences of Breast Cancer Survivors Involved in a Dragon Boat Program: Exploring Links to Positive Psychological Growth. Journal of Sport and Exercise Psychology. 2007 Aug;29(4):419–38.
Frau Simone Spangler
Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport Berlin, München
#Präsentation #Brustkrebs #Drachenbootsport #Gesundheitsbezogene Lebensqualität #Partizipation #Coping
2

Hintergrund

Eine Krebserkrankung stellt nicht nur für die Patient*innen eine Veränderung der bisherigen Lebenssituation dar, sondern tangiert das gesamte Familiensystem („We-Disease“). Mit Blick auf die vorliegenden Interventionsstudien und die komplexen Bedarfe der Familien scheinen insbesondere solche Unterstützungsangebote für (minderjährige) Kinder von Krebsbetroffenen hilfreich zu sein, die aus einem Mehrkomponentensystem bestehen und das gesamte Familiensystem mit Fokus auf Kommunikation, Zusammenhalt und Bewältigungsstrategien unterstützen. Die Hinwendung zum gesamten Familiensystem und zur familiären Resilienz zielt dabei auf ein erweitertes Verständnis von primär individuumsorientierten Unterstützungsleistungen und hat die Stärkung der Familie als funktionale Einheit zum Ziel. Mit dem expliziten Fokus auf Stärken, Ressourcen und Bewältigungspotenziale von Familien ist somit ein Paradigmenwechsel verbunden. Um im Sinne einer systemisch orientierten Psychoonkologie die gesamte Familie psychosozial unterstützen zu können, werden Erkenntnisse darüber benötigt, wie genau Familienresilienz im Kontext einer Krebserkrankung konzeptualisiert werden kann, was Familien stärkt und wie sie in jenen vulnerablen Situationen innerfamiliär und niedrigschwellig unterstützt werden können.
Im vom BMBF geförderten Transferprojekt „PsyOnGa“ (Förderlinie DATIpilot) (Laufzeit: Dezember 2024-Mai 2026) arbeitet ein transdisziplinäres Workshop-Team bestehend aus Wissenschaftler*innen, Psychoonkolog*innen, Gestalter*innen sowie Familien mit einer elterlichen Krebserkrankung in mehreren iterativen Prozessschritten zusammen, um sich der Frage der Förderung familiärer Resilienz aus wissenschaftlicher, praktischer und Design-Perspektive zu nähern. Ziel des transdisziplinären Ansatzes ist es zum einen, wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Familienresilienz zu generieren (Rapid Scoping Review und Interviews) und in konkrete praktische Transferformate zu überführen, zum anderen hands on-Workshopformate für Familien anzubieten, um das Thema der Familienresilienz mit DesignTools zu explorieren. Schließlich sollen die gesammelten Erkenntnisse aus Empirie und Praxis-Workshops in ein konkretes Unterstützungswerkzeug/Prototyp überführt werden. Es findet im gesamten Prozess eine methodische Verschränkung von Sozialwissenschaft, Psychoonkologie und Transformational Design statt.

Methode

Um sich dem Thema der familiären Resilienz zu nähern finden – orientiert an einem evidenzbasierten Design Thinking Approach – mehrere Teilschritte von der Ausgangsfrage bis zur Entwicklung des Unterstützungstools statt.
1) Verstehen/Evidenzbasis: Qualitative Studie zum Thema Erfassung familiärer Resilienz und Unterstützungsbedarfe im Kontext einer elterlichen Krebserkrankung (FamRes) (N=30) sowie Rapid Scoping Review zum Thema Familienresilienz
2) Beobachten/Erfahrungen und Interaktionen der Zielgruppen: Familienworkshops zur Thematik Familienresilienz (mit DesignTools)
3) Definieren/Erste Bündelung der Ergebnisse: Ausstellungsformat mit den Ergebnissen aus 1-2
4) Ideen entwickeln/Identifikation der Anforderungen, Festlegen der Tool-Architektur: Co-Design-Workshop zur Entwicklung eines Prototypen zur Förderung der Familienresilienz
5) Prototypen entwickeln: Produktentwicklung
6) Testen: Usability-Testung/Evaluation durch Zielgruppen

Ergebnisse

Das transdisziplinäre Projekt bringt Studierende, Professor*innen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen aus den Disziplinen Gestaltung, Transformational Design und Klinische Heilpädagogik, Psychoonkolog*innen, Sozialwissenschaftler*innen, Psycholog*innen sowie Familien mit Krebserkrankungen zusammen. Ko-Kreation und Transfer werden im Projekt auf verschiedenen Ebenen umgesetzt. Sowohl die Prozessebene (mit all ihren Teilschritten und Antworten) als auch die Produktebene stehen dabei im Vordergrund.

Diskussion

Die konsequente Verschränkung von Sozialwissenschaft und Produktdesign/Materialisierung (Workshops, Ausstellung, Tool) stellt den innovativen Ansatz des Projekts dar. Als übergeordnete Fragestellung nehmen wir in den Blick, was ein partizipativer designorientierter Ansatz für die Psychoonkologie leisten kann. Der Vortrag gibt Einblicke in das laufende Projekt, die Herangehensweise der sozialwissenschaftlichen und designwissenschaftlichen Ansätze und die Ergebnisse der einzelnen Teilschritte.
Frau Dr. Stefanie Pietsch
Universitätsklinikum Freiburg, Tumorzentrum Freiburg - CCCF, Freiburg
#Präsentation #Psychoonkologie #Designwissenschaft #Familienresilienz #Evidenzbasiertes Design Thinking #Prototyping
3

Hintergrund

Die allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) beschreibt das Vertrauen eines Individuums in die eigenen Fähigkeiten, spezifische Aufgaben und Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können [1]. Dies macht die SWE zu einer mitentscheidenden Ressource für die Bewältigung auftretender Herausforderungen [1, 2], die auch in Zeiten einschneidender gesellschaftlicher Herausforderungen, wie z. B. der Corona-Pandemie, von großer Bedeutung ist [3]. Trotz einer Vielzahl von Studien zu den damit einhergehenden gesundheitlichen Folgen ist der Einfluss der SWE auf die Wahrnehmung und die Bewältigung pandemiebedingter Veränderungen sowie auf das psychische Wohlbefinden bzw. den selbsteingeschätzten Gesundheitszustand unzureichend beforscht. Ziel dieser Analyse ist, zu untersuchen, wie die SWE mit dem Erleben von Veränderungen des Lebensalltags und der Wahrnehmung bzw. der Bewältigung von Belastungen sowie dem psychischen Wohlbefinden und dem selbsteingeschätzten Gesundheitszustand während der Corona-Pandemie assoziiert ist.
​​​​

Methode

Die Analyse basiert auf Daten der onlinebasierten Querschnittsstudie „Das Erleben der Corona-Pandemie: Der Zusammenhang zwischen Ressourcen, sozialer Gesundheit und Wohlbefinden“ (ExCo:Well) [4], die vom 22. Juli - 22. August 2022 erhoben wurden. Die Quotenstichprobe entspricht Eurostat 2020 in Bezug auf Alter und Geschlecht (gekreuzt) und Bundesland (N = 2.123). Zusätzlich wurde der Anteil der Teilnehmer:innen mit niedrigem Bildungsstatus auf 30 % festgelegt.
Mit dem Partial Least Squares Structural Equation Modeling (PLS-SEM) [5] wurden zwei Strukturgleichungsmodelle berechnet, um den Einfluss der SWE auf das psychische Wohlbefinden (WHO-5) und den selbsteingeschätzten Gesundheitszustand (=Haupteffekte) zu bestimmen. Dabei wurde der Einfluss des Copings, der wahrgenommenen Belastungen und des Erlebens von Veränderungen im Lebensalltag berücksichtigt. Die Analyse erfolgte mittels der Software SmartPLS 4.

Ergebnisse

Im Hinblick auf die Haupteffekte zeigte sich, dass der Einfluss der SWE auf das psychische Wohlbefinden (β= .311; p= <.001 (Modell 1)) stärker ausgeprägt war als auf den selbsteingeschätzten Gesundheitszustand (β= .231; p= <.001 (Modell 2). In beiden Modellen förderte die SWE das Coping (Modell 1: β= .165; p= <.001; Modell 2: β= .162; p= <.001). Darüber hinaus reduzierte die SWE das Erleben negativer Veränderungen im Lebensalltag (Modell 1: β= -.205; p= <.001; Modell 2: β= -.205; p= <.001) und die Wahrnehmung von Belastungen (Modell 1: β= -.297; p= <.001; Modell 2: β= -.309; p= <.001). Die zugrundeliegende Strukturgleichungsmodellierung konnte 31,8 % des psychischen Wohlbefindens (Modell 1) erklären. Die Varianzaufklärung für die Bewertung des selbsteingeschätzten Gesundheitszustands betrug 17,0 % (Modell 2).

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass auch im Kontext großer gesellschaftlicher Herausforderungen die SWE einen positiven Effekt auf das psychische Wohlbefinden und den selbsteingeschätzten Gesundheitszustand hat. Interessant ist, dass die beiden Modelle ähnliche Effekte bei den Veränderungen des Lebensalltags, der Wahrnehmung von Belastungen und dem Coping aufweisen, sich jedoch ein stärkerer Haupteffekt und eine höhere Varianzaufklärung für Modell 1 zeigte. Dies bestätigt, dass es sich um multikausale Wirkmechanismen handelt, für die spezifische Einflussgrößen und Wirkungspfade anzunehmen sind.
Insgesamt betrachtet unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung der SWE im Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen auch über die Corona-Pandemie hinaus. Zugleich wird dabei ein hohes Potential zur Stärkung von Ressourcen und Copingstrategien und zur Gesundheitsförderung deutlich. Entsprechend sollte bei zukünftigen Interventionen neben der Prävention auch gezielt die SWE in der Allgemeinbevölkerung gestärkt werden.

Referenzen

[1]         Schwarzer R, Jerusalem M. Das Konzept der Selbstwirksamkeit.  Selbstwirksamkeit und Motivationsprozesse in Bildungsinstitutionen. Zeitschrift für Pädagogik. Beiheft. 44. Weinheim: Beltz; 2002. p. 28-53.
[2]         Kaluza G. Stressbewältigung. Trainingsmaterial zur psychologischen Gesundheitsförderung. Berlin, Heidelberg: Springer; 2011.
[3]         Shewasinad Yehualashet S, Asefa KK, Mekonnen AG, Gemeda BN, Shiferaw WS, et al. Predictors of adherence to COVID-19 prevention measure among communities in North Shoa Zone, Ethiopia based on health belief model: A cross-sectional study. PLOS ONE. 2021;16(1):e0246006.
[4]         Babitsch B, Ciupitu-Plath C. Socio-economic and socio-cultural differences in the consequences of the COVID-19 pandemic and their impact on self-perceived health and well-being. Results from a cross-sectional study in Germany. Under review.
[5]         Hair JF, Sarstedt M, Ringle CM, Gudergan SP. Advanced Issues in Partial Least Squares Structural Equation Modeling. 2 ed. Thousand Oaks, CA: Sage Publications, Inc.; 2024.
Herr Niels Hannemann
Universität Osnabrück, Institut für Gesundheitsforschung und Bildung, Abteilung New Public Health, Osnabrück
#Präsentation #Selbstwirksamkeit #Psychisches Wohlbefinden #Subjektiver Gesundheitszustand
4
Hintergrund: Die COVID-19-Pandemie war nicht nur eine globale Gesundheitskrise, sondern auch ein Katalysator für Stigmatisierungsprozesse. Stigmatisierung kann das Wohlbefinden Betroffener erheblich beeinträchtigen und das Pandemiemanagement erschweren, indem sie zur Vermeidung oder Verzögerung von Diagnosestellung und Behandlung führen kann. Anti-Stigma-Interventionen (ASI) zielen darauf ab, Vorurteile abzubauen, Diskriminierung zu verhindern und den Zugang zur medizinischen Versorgung zu erleichtern. Um gezielte Interventionsansätze und Zielpopulationen zu identifizieren sowie die Wirksamkeit einer ASI erfassen zu können, werden zudem kontextspezifische Messinstrumente (MI) benötigt.

Im Forschungsprojekt „StiPEx“ (Stigmatisierung im Kontext der Corona-Pandemie: Exploration psychosozialer Prozesse und intersektionaler Aspekte und ihre Bedeutung für die Prävention) untersuchen wir individuelle Verstärker, verstärkende Umgebungsfaktoren, Manifestationen und Konsequenzen von Stigma im Kontext der COVID-19 Pandemie, indem wir das Health Stigma and Discrimination Framework (HSDF) [1,2] anwenden und validieren. Über einen Mixed-Methods-Ansatz integrieren wir qualitative und quantitative Forschungsergebnisse zur umfassenden Analyse von Stigmatisierungsprozessen.

Methode: Durch systematische Übersichtsarbeiten haben wir bestehende MI zur Erfassung von Stigmatisierung im Zusammenhang mit COVID-19 (u. a. im Gesundheitswesen) sowie zu ASI in diesem Kontext zusammengetragen.

Um individuelle Stigmatisierungserfahrungen während der Pandemie zu bewerten, haben wir Interviews mit verschiedenen Zielgruppen geführt: 1) Personal im Gesundheitswesen (u. a. Ärzt*innen und Gesundheits- und Krankenpfleger*innen), 2) Psychotherapeut*innen, 3) Allgemeinbevölkerung sowie 4) Patient*innen mit Long COVID. Die Interviews wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz [3] ausgewertet.

Zusätzlich führen wir eine repräsentative, quantitative Bevölkerungsumfrage in drei Wellen durch, um öffentliche und internalisierte Stigmatisierung bzgl. COVID-19-bezogenen Themen (z. B. COVID-19-Erkrankung, Long COVID) zu erfassen und Assoziationen zwischen stigmatisierenden Einstellungen und personenbezogenen Merkmalen zu untersuchen. Zwei der drei Wellen wurden bisher durchgeführt.

Ergebnisse / Diskussion: Basierend auf unseren Ergebnissen leiten wir praxisnahe Handlungs- und Kommunikationsempfehlungen für politische Entscheidungsträger*innen und Public Health-Fachkräfte ab. Ziel ist eine langfristige Gestaltung und Förderung von Anti-Stigma-Arbeit und Stigma-Forschung im Kontext von Infektionskrankheiten, welche möglichst partizipativ mit betroffenen Gruppen gestaltet wird. Die Projektergebnisse sollen dazu beitragen, der Stigmatisierung in der Gesellschaft nachhaltig entgegenzuwirken sowie die Resilienz für zukünftige pandemische Lagen zu erhöhen.

Referenzen

[1] Stangl AL, Earnshaw VA, Logie CH, van Brakel WH,
Simbayi LC, Barré I, et al. The Health Stigma and Discrimination Framework: a
global, crosscutting framework to inform research, intervention development,
and policy on health-related stigmas. BMC Med. 2019;17(1).
[2] Ransing R, Ramalho R, de Filippis R, Ojeahere MI,
Karaliuniene R, Orsolini L, et al. Infectious disease outbreak related stigma
and discrimination during the COVID-19 pandemic: Drivers, facilitators,
manifestations, and outcomes across the world. Brain
Behav Immun. 2020;89:555–8.
[3] Kuckartz
U. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 4.,
überarbeitete Aufl. Weinheim: Beltz; 2018. (Grundlagentexte Methoden).
Herr Samuel Tomczyk
Lehrstuhl Gesundheit und Prävention, Institut für Psychologie, Universität Greifswald, Greifswald
#Präsentation #Stigmatisierung #COVID-19-Pandemie #Messinstrumente #Anti-Stigma-Arbeit #Mixed-Methods
5
Hintergrund
Der Klimawandel ist mit dramatischen Konsequenzen für die Gesundheit der Bevölkerung verbunden, wie der Zunahme von Pollenallergien, hitzebedingter Morbidität und Mortalität und vektorübertragenen Infektionskrankheiten [1, 2]. Durch den Klimawandel verändert sich die Exposition gegenüber Gesundheitsrisiken und es können u.U. auch neue gesundheitliche Ungleichheiten entstehen [3]. Um die gesundheitlichen Auswirkungen zu adressieren, entwickeln und realisieren staatliche sowie weitere Akteure gesundheitsrelevante Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen (z.B. Entwicklung von Hitzeschutzplänen) und sensibilisieren für sogenannte Co-Benefits zwischen Gesundheitsverhalten und Klimaschutz (z.B. aktive Mobilität) [4]. Ein systematisches Monitoring bietet die Möglichkeit klima-relevante Gesundheitsaspekte zu messen, Veränderungen und Trends frühzeitig zu erkennen, besonders vulnerable Gruppen zu identifizieren und bedarfsgerechte Maßnahmen abzuleiten. Hierfür braucht es ein Konzept, das valide und handlungsrelevante Indikatoren und Daten identifiziert und zusammenstellt. In dem Projekt MOCCHA (Monitoring of Climate Change-related Health Aspects) soll auf Bundesebene ein Indikatorenset entwickelt werden, das bedarfsgerechte, umsetzbare und für Praxis und Politik nutzbare Indikatoren beinhaltet. Die Auswahl der für Deutschland geeigneten Indikatoren erfolgt in einem strukturierten Beteiligungs- und Konsensusprozess mit nationalen Expertinnen und Experten, potentiellen Nutzerinnen und Nutzern des Monitorings sowie den Datenhaltenden.

Methode
In dem zweijährigen interdisziplinären Projekt werden folgende Arbeitsschritte umgesetzt: i) umfassende Recherchen zu verfügbaren Indikatoren im Bereich Klima, Umwelt und Gesundheit sowie zu Gesamtrahmenkonzepten und Scoringkriterien; ii) Indikatorenauswahl für Deutschland mittels Scoring- und Rankingverfahren im Rahmen eines Beteiligungsprozesses mit nationalen Stakeholdern, bestehend aus zwei Online-Befragungen (n = 30-80) und einem Konsensusworkshop; iii) Dissemination von Ergebnissen durch online verfügbare Indikatoren-Handbücher, Entwicklung eines Kommunikationskonzepts sowie eines Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), der Politik, Wissenschaft sowie der Zivilgesellschaft, um Nützlichkeit und Praxisrelevanz der Ergebnisse zu diskutieren.

Ergebnisse
Die laufende Recherche zu klima-relevanten Gesundheitsaspekten umfasst rund 300 Indikatoren aus den übergeordneten Themenbereichen: Maßnahmen zu Klimaanpassung und Klimaschutz, Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, Vulnerabilität, Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit (klima-sensible Infektionskrankheiten; mentale Gesundheit; nichtübertragbare Krankheiten). Im September 2025 liegen die Ergebnisse des Scorings und Rankings sowie die Resultate der Online-Befragungen nationaler Stakeholder vor, die anschließend in einem Workshop konsentiert werden. Diese Ergebnisse umfassen die Auswahl von Scoringkriterien, deren Einsatz in Vorbereitung des Beteiligungsprozesses sowie das Ranking der Indikatoren als Ergebnis aus den Online-Befragungen. Die Indikatoren werden sowohl thematisch als auch im Kontext des gewählten Rahmenkonzeptes ‚Integrated Climate Change and Health Indicator System‘ (ICCHIS) [5] betrachtet. Dieses systematische Konzept ermöglicht es, die komplexen Zusammenhänge der identifizierten Indikatoren in klimatische Einflussfaktoren, Umweltbedingungen, direkte Expositionen, gesundheitliche Folgen, Vulnerabilität sowie Anpassungsstrategien einzuordnen und zu illustrieren.

Diskussion
Die Integration der identifizierten Indikatoren in das Gesundheitsmonitoring in Deutschland wird es ermöglichen, Daten zu erheben und zusammenzuführen, um eine evidenzbasierte Grundlage für den Erhalt und die Förderung der Gesundheit im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu schaffen. Wesentlich wird dabei der Einbezug von Stakeholdern sein, damit die gewonnenen Informationen und Kommunikationsformate zu klima-relevanten Gesundheitsaspekten den Bedarfen der Zielgruppen entsprechen.

Referenzen

[1] Robert Koch-Institut. Sachstandsbericht Klimawandel und
Gesundheit. 2023. Available from: www.rki.de/klimabericht.
[2]
Winklmayr C, Muthers S, Niemann H, Mücke HG, an der Heiden M. Hitzebedingte
Mortalität in Deutschland zwischen 1992 und 2021. Dtsch Arztebl Int.
2022; 119: 451–457. 10.3238/arztebl.m2022.0202.
[3] Paavola J. Health impacts of climate change and
health and social inequalities in the UK. Environmental Health. 2017; 16(1):
113. 10.1186/s12940-017-0328-z.
[4]
Schneider S, Mücke H-G. Sport and climate change—how will climate change
affect sport? German
Journal of Exercise and Sport Research. 2024; 54(1): 12-20.
10.1007/s12662-021-00786-8.
[5] Liu AY, Trtanj JM, Lipp EK, Balbus JM. Toward an
integrated system of climate change and human health indicators: a conceptual
framework. Climatic
Change. 2021; 166(3). 10.1007/s10584-021-03125-w.
Frau Corinna Kausmann
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, FG27 Gesundheitsverhalten, Berlin
#Präsentation #klima-relevanten Gesundheitsaspekte #Indikatoren #Beteiligungsprozess
Do
18 Sep
17:15 - 17:45
PW13
Ernährung
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1

Hintergrund

Adipostas ist ein vielschichtiges Krankheitsbild, das nicht nur auf individueller, sondern auch auf sozialer und räumlicher Ebene verstanden werden muss. Insbesondere in sozial benachteiligten Quartieren zeigen sich erhöhte Prävalenzen, die auf ein komplexes Wirkungsgefüge verschiedener Determinanten und urbaner Lebensverhältnisse schließen lassen. Trotz intensiver Präventionsstrategien werden vulnerable Gruppen in nicht ausreichendem Maße erreicht. Als bedeutende Stellschrauben für eine wirksame und gerechte Prävention rücken zunehmend Ansätze in den Fokus, die eine stärkere Integration von Verhältnissen wie z.B. die Gesundheitsförderung in der Stadtentwicklung vorsehen.
Ziel des Vorhabens ist es, ein interdisziplinäres Bewusstein für Adipositasprävention sowohl bei Fachakteur:innen (u.a. Verkehrs- und Stadtplanung und Öffentlichen Gesundheitsdienst) als auch bei der lokalen Bevölkerung zu schärfen. Gleichzeitig soll sichtbar werden, welche Rolle die Planungspraxis bei der urbanen Gesundheitsförderung einnehmen kann.
​​​​​​

Methode

Der methodische Ansart umfasst zum einen einen mathematisch-quantitativen Teil mit der Entwicklung eines sozioökologischen Modells sowie eines kartenbasierten Tools, das einen speziell auf die Adipositasprävention ausgerichteten Walkability-Index integriert. Zum anderen folgt das Vorhaben einem partizipativen Ansatz. In ausgewählten Fokusnachbarschaften werden Akteur:innen aus Stadt- und Verkehrsplanung, Gesundheitsförderung, Gemeinwesen sowie der lokalen Bevölkerung in einen iterativen Beteiligungsprozess eingebunden, um sich mithilfe von Methoden wie dem Community Mapping ebenso der Nutzung der mathematisch-quantitativen Tools möglichen Interventionen zur Verbesserung der Adipositasprävention in ihrer Nachbarschaft zu nähern. Gerahmt wird der Prozess durch die Methode des Storytellings und anderer geeigneter Visualisierungen.

Ergebnisse

Zum Zeitpunkt der Einreichung ist das methodische Vorgehen noch nicht abgeschlossen. Erste Ergebnisse aus dem laufenden Prozess deuten darauf hin, dass das hohe Maß an thematischer Komplexität eine Auswahl adäquater Sprache, Visualisierung und Methodik erfordert. Wir erwarten eine hohe Bereitschaft interdisziplinärer Zusammenarbeit, rechnen jedoch auch mit Barrieren und Unsicherheiten im Bereich der Zuständigkeiten und Umsetzungen. Im September wird der Partizipationsprozess gestartet sein und es kann ein Zwischenstand präsentiert werden.

Diskussion

Chancengerechte Adipositasprävention betrachtet neben der individuellen Ansprache auch strukturelle Anpassungen, die ein interdisziplinäres Zusammenspiel verschiedener Fachdisziplinen und -akteur:innen unter aktiver Partizipation Betroffener erfordert. Die im Projekt entwickelten Handlungsansätze sollen praxisnahe Möglichkeiten aufzeigen, wie gesundheitsförderliche Räume geschaffen und gleichzeitig Chancengerechtigkeit in der Adipositasprävention hergestellt werden kann.

Fördermittel: Das Forschungsprojekt IM-EQ (Improving Equity in Obesity Prevention) wird im Rahmen der ERA4Health Förderlinie von der EU und vom BMBF gefördert. Partnerinstitutionen sind TNO, FISABIO, SWPS, Koç-University

Referenzen

[1] Bolte G, Moebus S, Fehr R. Stadtepidemiologie als integrativer Ansatz für eine nachhaltige, gesundheitsfördernde Stadtentwicklung. In: Das Gesundheitswesen 2023; 85(S05), p. 287-295.
[2] Köckler H, Fehr R. Health in All Policies: Gesundheit als integrales Thema von Stadtplanung und -entwicklung. In: Baumgart S, Köckler H et al., editors. Planung für gesundheitsfördernde Städte. Forschungsberichte der ARL 08. Hannover: Verlag der ARL ; 2018, p.70-86.
Frau Anne Kis
HafenCity Universität Hamburg, Hamburg
#Poster #Adipositasprävention #Chancengerechtigkeit
2
Hintergrund
Die Ernährung beeinflusst sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit in erheblichem Maße. Infolgedessen existiert eine Vielzahl von Ernährungsempfehlungen, die je nach Zielgruppe und beabsichtigtem Nutzen stark variieren. Besonders bekannt sind die lebensmittelbezogenen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die für die Allgemeinbevölkerung konzipiert wurden. Bislang gibt es jedoch nur begrenzte Erkenntnisse darüber, inwieweit diese Empfehlungen in Deutschland umgesetzt werden und welchen Einfluss die Gesundheitskompetenz auf die Befolgung der Empfehlungen hat.

Methode
Im Rahmen einer repräsentativen Umfrage wurden etwa 3000 Personen der Allgemeinbevölkerung in Deutschland zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt. Hierbei wurden ihnen die elf DGE-Empfehlungen vorgelegt, und sie sollten angeben, in welchem Umfang sie diese in ihrem Alltag umsetzen. Darüber hinaus wurde die Gesundheitskompetenz der Teilnehmenden erfasst. Mittels verschiedener statistischer Verfahren wurde untersucht, ob Personen mit einer ausreichenden Gesundheitskompetenz eher dazu neigen, die DGE-Empfehlungen zu befolgen als Personen mit einer problematischen oder inadäquaten Gesundheitskompetenz.

Ergebnisse
Die Befolgung der einzelnen DGE-Empfehlungen wies erhebliche Unterschiede auf. Während beispielsweise mehr als 85 % der Befragten pflanzliche Öle bevorzugten, gaben weniger als 45 % an, regelmäßig Fisch zu konsumieren. Insgesamt zeigte sich, dass Personen mit einer auseichenden Gesundheitskompetenz eine stärkere Adhärenz gegenüber den DGE-Empfehlungen aufwiesen als diejenigen mit einer problematischen oder inadäquaten Gesundheitskompetenz. Allerdings variierte dieser Zusammenhang je nach spezifischer Empfehlung teils erheblich. Eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse wird im Vortrag präsentiert.

Diskussion
Die Einhaltung der DGE-Empfehlungen stand nicht nur mit der Gesundheitskompetenz, sondern auch mit verschiedenen soziodemografischen Merkmalen in einem Zusammenhang. Bei der Interpretation der Ergebnisse gilt es zu berücksichtigen, dass die Querschnittsstudie keine kausalen Schlussfolgerungen zulässt. Zukünftige Forschungsarbeiten sollten untersuchen, ob Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz langfristig zu einer Verbesserung des Ernährungsverhaltens führen können.
Herr Dr. Lars König
Stiftung Gesundheitswissen, Berlin
#Präsentation #Deutschland #Ernährung #Gesundheitskompetenz #Handlungsempfehlungen
3
Einleitung
Eine krankheitsbedingte Malnutrition führt insbesondere bei geriatrischen Krankenhauspatientinnen und Patienten zu einer deutlich erhöhten Komplikationsrate, z. B. durch assoziierte Infektionen, und hat negative Auswirkungen auf die weitere Prognose sowie Lebensqualität. Für das Jahr 2023 werden die dadurch geschätzten Mehrkosten mit bis zu 6,5 % der Gesamtkosten aller Krankenhausbehandlungen angesetzt. Schätzungen zufolge sterben jährlich rund 200.000 mangelernährte Patientinnen und Patienten, wobei durch ein systematisches Ernährungsmanagement rund 55.000 Todesfälle vermieden werden könnten [1]. Studien belegen die Wirksamkeit ernährungstherapeutischer Interventionen in Hinblick auf die Reduktion assoziierter Komplikationen [2].

Fragestellungen
Inwieweit erfolgten 2023 bei geriatrischen Krankenhauspatientinnen und Patienten ein standardisiertes Screening sowie eine sachgerechte Diagnostik zur Malnutrition gemäß den Empfehlungen der „Global Leadership Initiative on Malnutrition (GLIM)“ [3] bzw. zur Ernährung der „S1 Leitlinie „Geriatrisches Assessment der Stufe 2 – Living Guideline“ [4] (beide aus dem Jahr 2019)?
Wurden die Diagnose Malnutrition und phänotypische Diagnosekriterien, wie BMI oder Muskelmasse durch Messung des Oberarm-/ Wadenumfangs, im Entlassungsbericht erwähnt?

Methode
Retrospektive Stichprobenanalyse anhand von Unterlagen zu 80 DRG-Gutachten (w=45, m=35, Alter 70-97 Jahre) von Krankenhausbehandlungen aus dem Jahre 2023 zu 5 verschiedenen geriatrischen Fachabteilungen.
Einschlusskriterien: Alter ≥ 70 Jahre, geriatrische Komplexbehandlung (OPS 8-550.-) und initialer Barthel Index ≤ 35 Punkte.

Ergebnisse
In den Unterlagen fanden sich bei zwei der fünf Kliniken insgesamt 17 x ein standardisiertes Assessment angelegt (15 x MNA, 2 x NRS), aber nur 9 x ausgefüllt. 1 x Ernährungsberatung bei einem spezifisch internistischen Krankheitsbild. 32 Patienten (40 %) erhielten eine allgemeine enterale Nahrungssupplementierung. Bei der Untergruppe der Patienten (n=42) mit positivem Assessment oder Nahrungssupplementierung wurde die Diagnose einer Eiweißmalnutrition im Arztbericht nur unvollständig kodiert, das gleiche gilt für die Angabe des BMI oder Aussagen zum Gewichtsverlauf. Keine Messergebnisse zur Muskelmasse (s. o.), wohl aber zu einer (reduzierten) funktionellen Muskelkraft durch Handkraftmessung oder Stuhl- Aufsteh-Test. Bei dieser Untergruppe wurde der BMI 34 x (81 %) erhoben:
  • Kachexie (< 18,5): n=3 (9 %)
  • Übergewicht (> 25): n=11 (32 %)
  • Adipositas (> 30): N=6 (18 %)
  • Normgewicht (18,5-24, n=9 (41 %)

Diskussion
Die Auswertung der Krankenhausunterlagen aus dem Jahr 2023 ergab eine nur unzureichende Umsetzung der Empfehlungen zum Screening in Hinblick auf das Bestehen einer krankheitsbedingten Malnutrition und damit nicht zuletzt für Maßnahmen zur Förderung einer selbstbestimmten Teilhabe am gesellschaftliche Leben.

Ferner machen sowohl die nicht regelhafte Kodierung der Diagnose Malnutrition, als auch die unvollständige Dokumentation objektivierbarer Diagnosekriterien in den Entlassungsberichten, eine diesbezüglich gezielte Weiterbehandlung und Beurteilung des Therapieverlaufs unmöglich.

Alleinig die Angabe eines BMI ist im Hinblick auf eine bestehende Malnutrition nicht aussagekräftig, da nur < 10% der erfassten BMI einer Kachexie entsprachen, dagegen bis zu 40 % einer Präadipositas bzw. Adipositas. Die zusätzliche Anwendung funktioneller Tests zur Muskelkraft ergänzt hierbei mit guter Reproduzierbarkeit, insbesondere durch die Handkraftmessung bei eingeschränkter Mobilität [5]. Für beide Patientengruppen wäre eine multimodale Intervention mit individuell angepasster Ernährungstherapie erforderlich, Voraussetzung dafür sind ein validiertes Screeninginstrument sowie die Erfassung objektivierbarer Parameter.

Für das Ziel einer Verbesserung von Teilhabemöglichkeit und Lebensqualität der Betroffenen ist dem Thema einer krankheitsbedingten Malnutrition dringend mehr Aufmerksamkeit zu schenken und Handlungsbedarf geboten.

Referenzen

[1]
Pirlich M. Mangelernährung in deutschen Krankenhäusern: tödliche Folgen und
hohe Kosten – aktuelle Zahlen und Auswirkungen auf Patientinnen und Patienten.
Pressekonferenz der deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. vom
12.11.2024 [zitiert 14.03.2025]. Verfügbar unter:
https://www.dgem.de/sites/default/files/PDFs/Pressebereich/Pressemappe%20DGEM-PK%20zur%20MAW%202024.pdf.
[2]
Kaegi-Braun N, Gressies C, Tribole P, Stumpf F, Keller B, Schuetz P. Mangelernährung
in der Inneren Medizin. Innere Medizin 2023; 64: 515-524.
[3]
Loeser C. Unter-/Mangelernährung im Krankenhaus. Aktuel Ernahrungsmed 2011; 36:
57-75.
[4]
Krupp S. S1-Leitlinie Geriatrisches Assessment der Stufe 2, Living Guideline,
Version 11.01.2024, AWMF-Register-Nr. 084-002LG. [zitiert 14.03.2025].
Verfügbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/084-002LGl_S1_Geriatrisches_Assessment_der_Stufe_2_2024-02.pdf.
[5]
Habboub B, Speer R, Gosch M, Singler M. Diagnostik und Therapie der Sarkopenie
und sarkopenen Adipositas. Dtsch Arztebl 2025; 122 (5): 121-134.
Frau Dr Barbara Hanussek
Medizinischer Dienst Hessen, Oberursel
#Poster #Malnutrition #Teilhabe #geriatrische Komplexbehandlung #Ernährungsmanagement #Mangelernährung
4
Einleitung
Obwohl in Deutschland etwa 10 Prozent der Erwachsenen an Diabetes mellitus (DM) davon über 90 Prozent an einem primär nicht zwingend insulinpflichtigen DM Typ 2, erkrankt sind, werden seit mehr als zwei Jahrzehnten Defizite in der Versorgungssituation konstatiert und dies gerade auch „aus der Perspektive von Menschen mit Typ-2-Diabetes“ [1-2]. Um relevante Folgeschäden zu verhindern, ist neben Screening und differenzierter Differenzialdiagnose des DM Typ 2 die frühzeitige und indikationsgerechte Behandlung unabdingbar [3]. Zum optimierten Glukosemanagement werden auch bei Patienten mit DM Typ 2 zunehmend die im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes gelisteten Messgeräte zur kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung in Echtzeit (real time Continuous Glucose Monitoring – rtCGM) eingesetzt und deren Nutzen auch ohne intensivierte konventionelle Insulintherapie(ICT) diskutiert [4]. Allerdings, entsprechend des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM) zur Therapiesteuerung bei Patientinnen und Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus aus dem Jahr 2016 setzt der indikationsgerechte Einsatz eines rtCGM-Systems beim Vorliegen eines DM Typ 2 neben einer qualifizierten Verordnung und Schulung des/der Versicherten fordernd die Notwendigkeit und nachgewiesene Durchführung einer ICT als spezieller Form der Insulintherapie eines DM Typ 2 voraus [5]. Deren Überprüfung im Rahmen der sozialmedizinischen Begutachtungen durch den Medizinischen Dienstes (MD) fördern im Kontakt mit den beteiligten Vertragsärzten eine indikationsgerechte Verordnung und stellen damit eine Voraussetzung für eine wirksame Teilhabe anspruchsberechtigter Personen mit DM Typ 2 dar. Analysiert werden sollte, inwieweit die sozialmedizinisch nachvollziehbaren Voraussetzungen einer indikationsgerechten Versorgung gemäß der G-BA-Vorgaben unter Berücksichtigung personbezogener medizinischer Parameter einschließlich der obligaten und aussagekräftigen Verordnung der zur vertragsärztlichen Versorgung berechtigten spezialisierten Fachärztinnen und -ärzte vorlagen.

Methode
Retrospektive Sekundärdatenanalyse von im Jahr 2024 standardisiert und bundesweit einheitlich qualitätsgesichert erstellten Gutachten anlässlich der speziellen Fragestellung zur beschlussgerechten Indikation von.

Ergebnisse
Aus der Gesamtheit von 3119 Gutachten zum Anlass-Schlüssel „Hilfsmittel zum Glukosemanagement“ (Produktgruppe 30) wurden in Form einer Zufallsstichprobe 106 Fälle zum Anlass „rtCGM-System bei DM Typ 2“ ausgewertet.
​​

Tabelle: Sozialmedizinische Ergebnisse der gutachterlichen Beurteilung.

Diskussion/Fazit
Hessen ist Flächenland mit zwei wirtschaftsstarken Metropolregionen und bundesweit mit mehr als 7 % aller GKV-Versicherten. Die Daten können bezogen auf die Versorgungssituation bzw. -praxis als übertragbar betrachtet werden:
1. Sozialmedizinisch gutachterlich uneingeschränkt nachvollziehbare Indikationen im Sinne des G-BA-Beschlusses liegen nach Aktenlage zum Begutachtungszeitpunkt nicht immer vor.
2. Deshalb wurden gutachterlicherseits in erheblichem Umfang weitere Ermittlungen als erforderlich beurteilt.
3. Die Beauftragung des MD zur Erst-Begutachtung anlässlich der Indikation von rtCGM-Systemen bei eines ICT-therapierten DM Typ 2 bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung mit Bereitstellung aussagekräftiger vollständiger Unterlagen als Voraussetzung für die Sicherstellung einer zeitnahen leistungsgerechten teilhabeorientierten Versorgung.

Referenzen

[1] Martin S, Landgraf R. Systematische
Analyse der Versorgungssituation bei Diabetes mellitus in Deutschland. Dtsch
Med Wochenschr 2005; 130: 1078-1084.
[2] Rathmann W, Icks A. Epidemiologie und
Versorgungsforschung des Diabetes. Diabetologie 2025; 21:1-2.
[3] Landgraf R. Typ-2-Diabetes: Neue Kapitel
der VersorgungsLeitlinie. Diagnostik und Screening. Fortschr Med. 2024; 166
(1): 54-62.
[4] Seufert J, Dänschel I, Gölz S, Haller N,
Kulzer B, Tan T, Schnell O, Wiesner T, Kroeger J. Kontinuierliche
Glukosemessung bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne intensivierte
Insulintherapie: eine Standortbestimmung. Diabetol Stoffwechs 2024; 19: 35-368.
[5] G-BA. Beschluss des Gemeinsamen
Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche
Versorgung: Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit
Real-Time-Messgeräten (rtCGM) zur Therapiesteuerung bei Patientinnen und
Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus. BAnz AT 06.09.2016 B3 [zitiert
12.03.2025]. Verfügbar unter: URL:
https://www.g-ba.de/downloads/39-261-2623/2016-06-16_MVV-RL_rtCGM_BAnz.pdf.
Herr Gary Lester Kissinger
Medizinischer Dienst Hessen, Oberursel
#Poster #Teilhabe #Diabetes mellitus #rtCGM #ICT #Medizinischer Dienst
Do
18 Sep
19:30 - 22:00
GA
Gesellschaftsabend (Artloft, Gerichtstraße 23)
Raum: Artloft (Standort: Gerichtstrasse 23, Hof 3 / Aufgang 2, 13347 Berlin)
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
VS4
Gesundheitsförderung im Alter
Gesundheitsförderung im Alter
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Beiträge:
1

Hintergrund

Menschen mit schwersten Erkrankungen und ihre An- und Zugehörigen haben oft unerfüllte Bedürfnisse nach praktischer, emotionaler und informationeller Unterstützung [1]. Die vorhandenen vielfältigen gesundheitlichen und sozialen Versorgungsstrukturen, die für das letzte Lebensjahr zur Verfügung stehen, sind oft entweder nicht bekannt oder werden nicht adäquat genutzt [3]. Es wird eine Person gewünscht, die vermittelt, koordiniert und die regionalen Versorgungsangebote kennt [2]. Ein „Buddy“ für das letzte Lebensjahr, der als niedrigschwellige und aufsuchende Kontaktperson mit zeitnahen Unterstützungsmöglichkeiten fungiert, könnte ein Modell sein, um erkrankte Menschen und ihre An- und Zugehörigen in dieser schweren Zeit zu begleiten [2]. Seit Mai 2023 wird die soziale Maßnahme „Ein Buddy für Schwerstkranke und Zugehörige“ in Köln umgesetzt. Kern des Projekts ist ein Tandem aus geschulten ehrenamtlichen und hauptamtlichen Buddies. Es handelt sich um eine komplexe soziale Intervention, die formativ wissenschaftlich begleitet wird [4]. In diesem Beitrag stellen wir Teilergebnisse der Exploration der Bedürfnisse und Bedarfe von Menschen mit schweren Erkrankungen und ihren An- und Zugehörigen sowie die Erwartungen an das Buddy-Projekt vor.

Methode

Die Datenerhebung erfolgt durch qualitative leitfadengestützte Interviews mit Menschen mit schweren Erkrankungen und deren An- und Zugehörigen, die zu Beginn und am Ende der Buddy-Begleitung (oder nach 6 Monaten) durchgeführt werden. Einschlusskriterium sind Personen, die am Buddy-Projekt teilnehmen und ihr Einverständnis zur Teilnahme an der wissenschaftlichen Begleitstudie gegeben haben. Die qualitativen Daten werden inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse

Bisher wurden insgesamt 18 Interviews mit Menschen mit schweren Erkrankungen (n = 14) und An- und Zugehörigen (n = 4) geführt. Die ersten Auswertungen zeigen, dass die Bedürfnisse und Bedarfe der Zielgruppe vielschichtig sind und über die rein medizinische Versorgung hinausgehen. Ein zentrales Thema ist das Erleben von Einsamkeit und sozialer Isolation. Darüber hinaus berichteten die Teilnehmenden, dass sowohl alltägliche Herausforderungen wie Einkaufen und Haushaltsführung als auch bürokratische Hürden, etwa Anträge und Versicherungsangelegenheiten, eine erhebliche Belastung darstellen. Besonders betont wurde die krankheitsbedingte körperliche und psychische Erschöpfung, die den Alltag und die Bewältigung von Herausforderungen erheblich einschränkt. An- und Zugehörige hoben die Notwendigkeit von Hilfsangeboten hervor, die nicht nur die Betroffenen, sondern auch ihre eigenen Bedürfnisse nach Unterstützung und Selbstfürsorge mit einbeziehen.

Diskussion

Die bisherigen Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit von niedrigschwelligen und individuell anpassbaren Unterstützungsangeboten, die sich an den komplexen und steigenden Bedürfnissen der Betroffenen und ihrer An- und Zugehörigen orientieren. Ein Tandem aus haupt- und ehrenamtlichen Buddies könnte einen wichtigen Beitrag zur Entlastung und Unterstützung von Menschen mit schweren Erkrankungen und deren An- und Zugehörige leisten, insbesondere im Hinblick auf soziale Isolation, alltägliche Herausforderungen und bürokratische Hürden sowie dem Zugang zu Versorgungsangeboten im letzten Lebensjahr. Die Ergebnisse aus den Interviews fließen in die formative Evaluation der sozialen Intervention ein, wobei der kontinuierliche Austausch zwischen den Forschenden und den hauptamtlichen Buddies dazu dient, diese iterativ nach den Bedürfnissen der Zielgruppe weiterzuentwickeln. Die weitere wissenschaftliche Begleitung (Interviews, längsschnittliche Fragebogenstudie, Dokumentenanalysen und Fokusgruppen) wird zeigen, inwieweit sich die ersten Ergebnisse bestätigen und welche konkreten Anpassungen notwendig sind, um die soziale Intervention nachhaltig in die Versorgungslandschaft – nicht nur in Köln - zu integrieren.

Referenzen

[1] Kasdorf A, Voltz R, Strupp J. Dying at home: What is needed? Findings from a nationwide retrospective cross-sectional online survey of bereaved people in Germany. 2024a. Palliative & supportive care, S. 1–9. DOI: 10.1017/S1478951524000440.
[2] Kasdorf A, Voltz R,  Strupp J. The Buddy intervention: designing an additional support system for the last year of life. Qualitative insights from triangulated interviews and focus group discussions. 2024b. J Public Health (Berl.) 32 (10), S. 2001–2013. DOI: 10.1007/s10389-023-01950-0.
[3] Ditscheid B,  Krause M,  Lehmann T,  Stichling K,  Jansky M, Nauck F, et al. Palliativversorgung am Lebensende in Deutschland : Inanspruchnahme und regionale Verteilung. 2020. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 63 (12), S. 1502–1510. DOI: 10.1007/s00103-020-03240-6.
[4] Moore GF, Evans RE, Hawkins J, Littlecott H, Melendez-Torres GJ, Bonell C, et al. From complex social interventions to interventions in complex social systems: future directions and unresolved questions for intervention development and evaluation. 2019. Evaluation, 25(1), 23-45.
Frau Mareike Löbberding
Universität zu Köln, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum, Zentrum für Palliativmedizin, Köln
#Präsentation #Soziale Intervention #Letztes Lebensjahr #Bedürfnisorientierte Versorgung
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Hintergrund: Mit höherem Alter steigt das Risiko für soziale Isolation. Dies ist besonders bei Personen mit chronischen Erkrankungen der Fall. Menschen mit Demenz sind eine Personengruppe, die oft aufgrund ihrer kognitiven und später auch körperlichen Symptome Schwierigkeiten haben, ein aktives Sozialleben zu führen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders problematisch, dass soziale Isolation ein Risikofaktor für viele verschiedene Erkrankungen ist, mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergeht und zu einem schlechteren Verlauf der Demenz führen kann. Um die soziale Integration von Menschen mit Demenz verbessern zu können, wurde in diesem Projekt ein praktisches Modell entwickelt, das konkrete Aspekte zur Stärkung der sozialen Integration bei Demenz präzisiert.

Methoden: Grundlage für die Entwicklung des praktischen Modells bildet eine Umfrage mit Personen, die aktiv in die Demenzversorgung eingebunden sind (n=501, 85.8% weiblich, 64.7% hohe Bildung). Aus Angaben zu Charakteristika der sozialen Eingebundenheit, Barrieren und förderlichen Faktoren wurde in einem induktiven Prozess das Modell entwickelt. Nur Angaben mit großem Konsensus zwischen den Befragten wurden dabei berücksichtigt. Für das Modell wurden die Antworten zunächst thematisch sortiert, anschließend in Oberkategorien (Cluster) eingeteilt und das davon abgeleitete Modell in einer Experten-Gruppendiskussion validiert.
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Ergebnisse: Das Modell besteht zunächst aus den zwei Komponenten (1) Stärken des sozialen Engagements im Rahmen der Möglichkeiten (d.h. prinzipielle Teilnahme an sozialen Begegnungen und Aktivitäten, z.B. integrative Freizeitangebote) und (2) dem Vermehren sozialer Interaktionen (Art und Weise der gegenseitigen Begegnung, z.B. sich anschauen, lächeln, Berührungen, erzählen). Fördernde Faktoren für das Stärken des sozialen Engagements sind unter anderem das Vorhandensein von integrativen Angebote und integrativen Perspektiven sowie die Vermittlung von sozialen Aktivitäten im medizinischen Setting oder durch einen festen Ansprechpartner. Fördernde Faktoren für das Vermehren sozialer Interaktionen sind beispielsweise Gefühle zum Ausdruck zu bringen, Freundschaften zu pflegen und Verständnis für die Demenzsymptome zu haben. Als Hürden sind die abnehmenden Fähigkeiten der Personen mit Demenz und deren Unterstützungsbedarf zu beachten, die ein aktives soziales Engagement erschweren, sowie Unsicherheiten beim Umgang mit den Demenzsymptomen und Schamgefühle bzw. Angst vor Fehlern seitens der Personen mit Demenz, die sich nachteilig auf die Häufigkeit sozialen Interaktionen auswirken könnten.
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Diskussion: Mit Hilfe des Modells wird eine Grundlage geschaffen, Handlungsleitfäden für die Verbesserung der sozialen Einbindung von Menschen mit Demenz ausarbeiten zu können. Somit stehen Akteuren und Entscheidungsträgern die notwendigen Informationen zur Verfügung, die Menschen mit Demenz eine aktivere soziale Teilhabe innerhalb ihres persönlichen Umfelds aber auch der Gesellschaft im Allgemeinen ermöglichen könnten.

Frau Francisca S. Rodriguez
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Greifswald
#Präsentation #Demenz #Soziale Intervention
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Hintergrund: Ältere Menschen sind besonders von zunehmenden Hitzeperioden betroffen, da sich im höheren Lebensalter die Regulierung der Körpertemperatur verlangsamt und das Durstgefühl nachlässt. Ziel des Projekts Digi-eHealth war die partizipative Entwicklung eines Konzeptes für eine digitale Anwendung zur Förderung eines gesunden Flüssigkeitshaushalts für Menschen ab 55 Jahren.
Methode: Dazu wurden in einem partizipativen Prozess 1) Fokusgruppen mit Menschen ab 55 Jahren und 2) mehrere Ko-Entwicklungstreffen mit Menschen ab 55 Jahren, Forschenden und kommunalen Praxispartnern in Bremen durchgeführt. In den Fokusgruppen wurden die Relevanz des Themas und Wünsche, unterstützende sowie hemmende Faktoren für eine digitale Anwendung für einen gesunden Flüssigkeitshaushalt diskutiert. In den Ko-Entwicklungstreffen wurden die Ergebnisse der Fokusgruppendiskussionen vorgestellt und gemeinsam mit den Teilnehmenden Anforderungen an eine digitale Anwendung zur Förderung eines gesunden Flüssigkeitshaushalts erarbeitet. Die Fokusgruppen wurden audio-digital aufgezeichnet und mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Ergebnisse der Ko-Entwicklungstreffen wurden protokolliert und eine Fotodokumentation erstellt.
Ergebnisse: Insgesamt wurden vier Fokusgruppen (n=22, im Mittel 74 Jahre alt, 68% weiblich, 74% besitzen ein Smartphone, 54% nutzen Gesundheits-Apps), ein Feedbacktreffen mit Fokusgruppenteilnehmenden (n=10) und jeweils ein Ko-Entwicklungstreffen mit Menschen ab 55 Jahren (n=16), Forschenden (n=10) und kommunalen Praxispartnern (n=7) durchgeführt. Als digitale Anwendung wird eine App bevorzugt, die einfach zu bedienen sein sollte, einen hohen Datenschutz sicherstellt und mit geringen Kosten verbunden ist. Neben der Erfassung der täglichen Trinkmenge und einer Erinnerungsfunktion sollte die App auf öffentliche Trinkbrunnen und Sanitäranlagen hinweisen. Einige Teilnehmende bevorzugten eine analoge Anwendung oder eine Kombination aus analoger und digitaler Anwendung. Bei digitalen Anwendungen sollte eine persönliche Unterstützung durch Dritte, z.B. bei der Installation, ermöglicht werden. Des Weiteren sollten bestehende kommunale Maßnahmen wie der Hitzeaktionsplan bei der Entwicklung einer digitalen Anwendung für ältere Menschen berücksichtigt werden.
Diskussion: Der partizipative Entwicklungsprozess mit Fokusgruppen und Ko-Entwicklungstreffen hat hilfreiche Hinweise für die Gestaltung einer benutzerfreundlichen und akzeptablen digitalen Anwendung für Menschen ab 55 Jahren zur Förderung eines gesunden Flüssigkeitshaushalt geliefert. Zukünftig soll das entwickelte Konzept in einen Prototyp oder Wireframe umgesetzt und in einer Machbarkeitsstudie mit älteren Menschen erprobt und weiterentwickelt werden.
Frau Dr. Saskia Müllmann
Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS, Bremen
Leibniz-WissenschaftsCampus Digital Public Health, Bremen
#Präsentation
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Hintergrund

Durch den demografischen Wandel steigt die Zahl pflegebedürftiger Menschen. Von den 5,7 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden 86% in der eigenen Häuslichkeit versorgt [1]. Den Großteil dieser Versorgungsarbeit übernehmen pflegende An- und Zugehörige. Aufgrund der hiermit verbundenen Herausforderungen gewinnt die Diskussion über technische Unterstützung und digitale Unterstützungsleistungen in der Pflege durch An- und Zugehörige zunehmend an Bedeutung. Damit soziotechnische Innovationen den vielfältigen Bedürfnissen und spezifischen Herausforderungen in der informellen Pflege gerecht werden, ist eine aktive Partizipation von pflegenden An- und Zugehörigen in Forschungs- sowie Technikentwicklungsprojekten essenziell. Bisher gibt es jedoch nur wenige Erkenntnisse darüber, welche Faktoren die aktive Teilhabe dieser Zielgruppe beeinflussen – insbesondere im deutschen Kontext. Die vorliegende Studie untersucht daher mittels einer quantitativen Erhebung die Bereitschaft, das Interesse, die Einstellung und die Motivation pflegender An- und Zugehöriger hinsichtlich ihrer Einbindung in partizipative Forschungs- und Innovationsprozesse.

Methode

Die Datenerhebung folgt einem explorativen Studiendesign. Dazu wurde ein strukturierter Online-Fragebogen entwickelt. Die Datenerhebung startete im Dezember 2024 und wird im Juni 2025 abgeschlossen. Die Rekrutierung der Teilnehmenden erfolgt über Verteiler und Social-Media-Kanäle verschiedener Interessenvertretungen von pflegenden An- und Zugehörigen. Teilnahmeberechtigt sind Personen ab 18 Jahren, die mindestens eine pflegebedürftige Person betreu(t)en. Es wurden Items verwendet, die bereits in vergleichbaren internationalen Studien eingesetzt wurden [2,3]. Die Daten werden zunächst 1) deskriptiv-statistisch ausgewertet. Zusätzlich werden 2) Häufigkeiten mittels Fisher’s Exact Test verglichen und 3) eine logistische Regressionsanalyse angewendet.

Ergebnisse

Bislang haben 196 Personen an der Online-Befragung teilgenommen, von denen 103 den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden beträgt 51,5 Jahre, 85,1% sind weiblich. 43% verfügen über einen Universitätsabschluss und 35,6% pflegen mehr als eine Person. Die Mehrheit der Befragten (53,5%) lebt in einer städtischen Umgebung. 14,9% haben bereits an partizipativer Forschung teilgenommen. Von 101 Teilnehmenden gaben 71,3% an, an partizipativer Forschung interessiert zu sein. Dabei deuten erste Ergebnisse darauf hin, dass Personen mit Universitätsabschluss häufiger ein Interesse (51,4%) an partizipativer Forschung angeben als Personen ohne Universitätsabschluss (20,7%). Zudem stimmten Personen ohne Universitätsabschluss seltener der Aussage zu, etwas zur Forschung beitragen zu können (56,7% vs. 81,4% bei Personen mit Universitätsabschluss).

Diskussion

Diese Studie ist nach unserem Wissen die erste quantitative Untersuchung in Deutschland, die systematisch die Bedarfe informell Pflegender in Bezug auf partizipative Forschung und Technikentwicklung erfasst. Die soziodemografische Zusammensetzung der Teilnehmenden spiegelt den aktuellen Forschungsstand wider. Die bisherigen Ergebnisse verdeutlichen, dass insbesondere Menschen ohne Universitätsabschluss gezielt angesprochen werden sollten, um auf der einen Seite die Relevanz zu verdeutlichen und auf der anderen Seite die Akzeptanz partizipativer Forschungs- und Innovationsprozesse in der Zivilbevölkerung zu erhöhen und somit auch die Diversität dieser äußerst heterogenen Zielgruppe berücksichtigen zu können.

Referenzen

[1] Statistisches Bundesamt. 5,7 Millionen Pflegebedürftige zum Jahresende 2023. Pressemitteilung Nr. 478; 2024. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/12/PD24_478_224.html
[2] Malm C, Andersson S, Kylén M, Iwarsson S, Hanson E, Schmidt SM. What motivates informal carers to be actively involved in research, and what obstacles to involvement do they perceive?. Research Involvement and Engagement 2021;7(1):80.
[3] Seifert A. The willingness of older adults to engage in participatory research. In: Urbaniak A, Wanka A, editors. Routledge International Handbook of Participatory Approaches in Ageing Research. London: Routledge; 2024. S. 31-44.
Herr Dr. Florian Fischer
Bayerisches Zentrum Pflege Digital, Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, Kempten
#Präsentation #Informelle Pflege #Partizipative Technikentwicklung #Ko-Kreation
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Hintergrund
Das Projekt „Habe die Ehre – Senioren in der Gemeinde Zell durch Teilhabe an der Gesellschaft fit halten“ hat das Ziel, die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Senior*innen in der bayerischen Gemeinde Zell langfristig zu verbessen und Erkrankungen, die u.a. mit fehlender sozialer Teilhabe verknüpft sind, vorzubeugen. Es wurden partizipativ mit der Zielgruppe altersspezifische Angebote in der Gemeinde entwickelt und implementiert. Das Projekt wurde vom Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München wissenschaftlich begleitet und evaluiert.
Soziale Teilhabe kann Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden einer Person haben. Diese Einflussfaktoren sollen identifiziert werden, um Ansatzpunkte für Angebote liefern zu können und die Teilnahme an den Angeboten zu verbessern.

Methode
Es werden Daten aus drei Befragungswellen des Projektes für die Analysen herangezogen, die im Zuge schriftlicher Befragungen von den Senior*innen der Gemeinde Zell standardisiert erhoben wurden. Dabei werden u.a. Daten zum sozioökonomischen und gesundheitlichen Status der Senior*innen eingehend beleuchtet. Zur Messung der sozialen Teilhabe wird ein Index aus relevanten Variablen erstellt. Mit multivariaten linearen Regressionsanalysen werden Einflussfaktoren auf die soziale Teilhabe selektiert.

Ergebnisse
Im Projektzeitraum (06/2022 bis 02/2025) lebten durchschnittlich 400 Personen ab 65 Jahren in der Gemeinde. An der ersten Befragungsrunde vor Beginn der Implementierung neuer Angebote nahmen 165 Senior*innen (44 %) teil, an der Befragung ein Jahr später beteiligten sich 143 Senior*innen (36 %), und in der Abschlussbefragung nach eineinhalb Jahren Implementierungsphase nahmen 118 Senior*innen (29 %) teil. Hatten in der ersten Befragungsrunde noch 44,2 % der befragten Personen ab 65 Jahren angegeben, in den letzten 12 Monaten an keinen Angeboten der Gemeinde teilgenommen zu haben, waren dies in der zweiten und dritten Befragungsrunde nur noch 30,1 % bzw. 33,9 % der jeweils befragten Senior*innen. Der Anteil der befragten Senior*innen, die gelegentlich an altersspezifischen Angeboten teilgenommen haben, fiel im Vergleich zur ersten Befragungsrunde (37 %) in den folgenden Befragungswellen höher aus (51,8 % bzw. 45,8 %). Eine regelmäßige Teilnahme an altersspezifischen Angeboten gaben in der ersten Befragung rund 15 % der Befragten an, dieser Anteil blieb in der zweiten Befragung unverändert und stieg auf 19,5 % in der dritten Befragungsrunde an. Ergebnisse der Analysen zur Berechnung eines Index’ zur sozialen Teilhabe und der anschließenden multivariaten Analysen stehen noch aus.

Diskussion
Die Analysen sollen einen Beitrag dazu leisten, das Konstrukt ‚Soziale Teilhabe‘ in Bezug auf ältere Populationen in ländlichen Gebieten besser zu verstehen. Die Ergebnisse sollen Aufschluss darüber geben, welche Faktoren die soziale Teilhabe von Senior*innen aus dem ländlichen Raum fördern und welche sie ggf. mindern.

Frau Pia Koch
Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung - IBE, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
Frau Veronika Throner
Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung - IBE, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
Frau Dr. Michaela Coenen
Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung - IBE, Ludwig-Maximilians-Universität München, München
#Präsentation #Senior*innen #Ländliche Regionen #Einflussfaktoren auf soziale Teilhabe
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Hintergrund: Wissen darüber, wie Menschen mit Demenz ihre Lebensrealität erleben, ist grundlegend für ein inklusives Umfeld und ein empathisches Handeln in der Versorgung. Als eine Strategie der Wissensvermittlung eignen sich Serious Games [1]. Das sind Spiele, die über den Spielspaß hinaus komplexe Inhalte transportieren und sich u.a. mit gesundheitsbezogenen Themen befassen [2]. Im Rahmen des Projektes wird untersucht, inwiefern sich ein Serious Game eignen kann, um das Krankheitserleben von Menschen mit Demenz an Zugehörige zu vermitteln.
Methode: Die Konzeption und Evaluation des Prototypens erfolgte in Anlehnung an Strategien des Participatory Designs nach Rusch [3]: Zugehörige und Pflegedienste waren von Projektbeginn an proaktiv eingebunden. Neben der Ermittlung ihrer Bedarfe floss die Nutzer*innen-Perspektive vor allem in die thematische Schwerpunktsetzung des Serious Games ein. Für die inhaltliche Konzeption wurden zudem Menschen mit Demenz einbezogen. Um ihre Lebensrealität abbilden zu können, fanden teilnehmende Beobachtungen in Demenz-WGs und qualitative Einzelinterviews zur Krankheits- und Alltagswahrnehmung statt. Das Datenmaterial wurde inhaltsanalytisch nach Kuckartz [4] ausgewertet und diente als Grundlage für die Spielentwicklung. Diese folgte einem iterativen Game-Design-Prozess, in dem Prototyping als agile Methode zur frühzeitigen Einholung zielgruppen-zentrierten Feedbacks eingesetzt wurde. Spielmechaniken und Inhalte wurden sukzessive in Testspielen mit anschließenden Fokusgruppeninterviews mit Zugehörigen diskutiert, daraufhin modifiziert und in neue Testspiele übersetzt. Im Projektverlauf ist eine Evaluation durch Medizinethiker*innen und Neurolog*innen geplant, die das Spiel kritisch hinsichtlich ethischer Bedenken und fachlicher Korrektheit prüfen.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 15 Prototypen mit digitalen, analogen und hybriden Spielformaten konzipiert und evaluiert, wovon ein Prototyp weiterentwickelt wurde. Der Evaluation lagen 20 induktiv und deduktiv abgeleitete Kriterien zugrunde, die im Rahmen des Prototypings und der Literaturrecherche weiterentwickelt wurden. Der finale Prototyp thematisiert eine zentrale Herausforderung von Menschen mit mittelschwerer Demenz – das Nicht-Erkennen bekannter Personen – und macht mögliche Bewältigungsstrategien erfahrbar. Er basiert auf einem dialogischen Core-Game-Loop, bei dem die Spieler*innen zuhören, auf das Gehörte emotional reagieren und darauf basierend eine Antwortoption auswählen. Diese Auswahl beeinflusst den weiteren Spielverlauf. Dieses Prinzip der „narrative choice“ erlaubt es Spielenden, die Geschichte aktiv mitzugestalten. Darüber hinaus integriert der Prototyp Repräsentationen weiterer Demenzsymptome wie Orientierungslosigkeit und Wortfindungsstörungen.
Diskussion: In dem Projekt werden Synergieeffekte aus den Game Studies sowie der kultur- und gesundheitswissenschaftlichen Forschung genutzt, um einen innovativen Zugangsweg zum Thema Demenz zu schaffen. Zugehörige werden in die Lage eines Menschen mit Demenz versetzt und müssen dessen innerer Logik und Kommunikationsregeln folgen. Auf diese Weise wird ein kollektiver Lernprozess während des Spiels angeregt, der weit über die übliche Wissensvermittlung zu Demenz hinausgeht. Durch den Perspektivwechsel kann Empathie und Verständnis für den Betroffenen entstehen, die grundlegend bei der Bewältigung von problematischen Verhaltensweisen sowie Konflikten zwischen Menschen mit Demenz und Zugehörigen sind. Gleichwohl wird das Krankheitserleben durch die Form und Schwere der Demenzerkrankung sowie persönlichen Biografien, sozialen und kognitiven Ressourcen geprägt [5]. Der Prototyp kann dieser Heterogenität nicht begegnen, sondern lediglich Facetten erfahrbar machen. Um das Potenzial von Serious Games im Bereich Demenz weiter auszuschöpfen, müssen demenzsensible und -spezifische Ansätze in der Spielkonzeption weiterentwickelt und erprobt werden.

Referenzen

1. Wouters P, van der Spek ED,
van Oostendorp H. Current Practices in Serious Game Research. In: Connolly T,
Stansfield M, Boyle L, editors. Games-based learning advancements for
multi-sensory human computer interfaces: Techniques and effective practices. Hershey,
PA: Information Science Reference; 2009. p. 232–50. 2. Breuer J, Schmitt JB. Serious
Games in der Gesundheitskommunikation. In: Rossmann C, Hastall MR, editors.
Handbuch der Gesundheitskommunikation: Kommunikationswissenschaftliche
Perspektiven. Wiesbaden, Heidelberg: Springer VS; 2019. p. 197–207. 3. Rusch DC. Making deep games:
Designing games with meaning and purpose. Boca Raton, FL: CRC Press Taylor
& Francis Group; 2017. 4. Kuckartz U. Mixed Methods:
Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Wiesbaden: Springer VS;
2014. 5. Illiger K, Walter U, Koppelin
F. "I can do that on my own!" On the relevance of subjective factors
to the use of formal support, from the perspective of people with dementia.
Health Care Women Int 2021; 42(11):1298–320.
Frau Dr. Kristin Illiger
Jade Hochschule Wilhelmshaven / Oldenburg / Elsfleth , Campus Oldenburg, Oldenburg
Frau Miriam Wendschoff
Büro für Eskapismus, Hannover
Herr David Bakke
Büro für Eskapismus, Hannover
#Präsentation #Alzheimer-Erkrankung #Serious Games #Krankheitserleben und -bewältigung #Partizipative Ansätze #Angehörige
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Introduction

The increasing prevalence of dementia presents significant challenges to healthcare systems, particularly in long-term care. In response, new models of care are emerging, with the dementia village model being one such innovative approach. However, there is limited scientific evidence on the practical implementation of this model. This study aims to provide an international overview of how the dementia village model is realized in practice.

Methods

A hand search was conducted using common search engines and scientific publications to identify international dementia care facilities implementing the dementia village model. Facilities were selected based on their self-description and their availability of publicly accessible information on websites. Facilities were included if they described themselves as dementia village care facility or are designed as such. Key characteristics were systematically extracted from the facilities' websites and analyzed thematically and comparatively using a qualitative approach.

Results

A total of 30 dementia villages were identified, with locations primarily in Europe, as well as in North America, the Pacific region, and Asia. The facilities have been in operation for between one and 30 years. Half of the facilities are located in central areas, while the others are more remote, suggesting varying levels of integration into the broader community. Dementia villages typically feature multiple residential buildings with garden spaces, cafés and stores, designed to be dementia-friendly and support residents` orientation. The villages also integrate people with or without care needs, offering residential groups based on lifestyle preferences, where individuals with similar routines and interests live together. The care philosophy emphasizes normalcy, autonomy, and enabling residents to live independently. The care approach is characterized by person-centred care, delivered by interdisciplinary teams of both qualified and unqualified staff, including volunteers who assist residents with daily activities and organize local outings. Events and activities are often open to the public, and residents are encouraged to participate in outings and excursions, promoting integration into the wider community. Many facilities collaborate with other institutions to foster intergenerational exchange.

Conclusion / Discussion

The analysis of best practice examples indicates that dementia villages aim to integrate residents into society and enhance community involvement. By promoting autonomy, they aim to enable people with dementia to live as independently as possible. The extent to which a facility meets these aspirations depends on its specific implementation, including factors such as location and how the concept is executed. Future research should focus on controlled studies to measure the impact of environmental factors on dementia outcomes.
Frau Anna Zimmer
Institut für Pflegewissenschaft, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg
#Präsentation #Dementia Village #Quality of Care #Small-Scale Living #Person-Centered Care #Innovative Care Model
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Hintergrund

Bluthochdruck ist ein zentraler Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Daher sind der Blutdruck (BD) in der Allgemeinbevölkerung sowie das Management von Bluthochdruck von großer Public Health Bedeutung. Trends in der kardiovaskulären Gesundheit der stetig wachsenden älteren Bevölkerung sind von besonderem Interesse, jedoch sind die Daten hierzu begrenzt. Basierend auf zwei bevölkerungsweiten Studien mit standardisierten Messungen sowie Erfassung der Medikamente werden die Blutdruckwerte sowie die Behandlungsrate und erreichte Kontrolle des Bluthochdrucks bei älteren Frauen und Männern in Deutschland in den Jahren 2008-2011 mit aktuellen Daten verglichen.

Methode

Zwischen 2008 und 2011 wurde der BD von 1.727 Erwachsenen im Alter von 66 bis 79 Jahren mit dem Datascope Accutorr Plus-Gerät im Rahmen der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) gemessen. Von 2022 bis 2023 wurde der BD von 669 Erwachsenen derselben Altersgruppe im Rahmen der Studie Gesundheit 65+ mit dem Mobil-O-Graph nach gleichem Messprotokoll ermittelt. Beide Studien basieren auf einer zweistufigen Einwohnermeldeamtstichprobe. Eine bereits veröffentlichte Kalibrierungsformel wurde verwendet, um den Wechsel des Blutdruckmessgeräts zu berücksichtigen. Ein hypertensiver Messwert wurde als mittlerer systolischer BD (SBD) ⩾140 mmHg oder mittlerer diastolischer BD (DBD) ⩾90 mmHg der zweiten und dritten Messung definiert. Bluthochdruck wurde definiert als hypertensiver BD oder Behandlung mit Medikation der ATC-Gruppen C02, C03, C07-C09 bei Teilnehmenden mit selbstberichteter Bluthochdruckdiagnose. Die geschlechtsgetrennten Analysen wurden gewichtet, um Abweichungen der Surveys von der Allgemeinbevölkerung sowie Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur zwischen 2008 und 2022 zu berücksichtigen.

Ergebnisse

Der mittlere SBD bei Männern war 2022-2023 niedriger als noch 2008-2011 (129,7 mmHg vs. 135,4 mmHg; p-Trend<0,01). Es gab jedoch keine signifikanten Unterschiede bei der Prävalenz des hypertensiven BDs (DEGS1: 35,6 %; Gesundheit 65+: 30,8 %), dem Behandlungsgrad des Bluthochdrucks (DEGS1: 79,5 %; Gesundheit 65+: 77,0 %) sowie dem Kontrollgrad des Bluthochdrucks (DEGS1: 50,0 %; Gesundheit 65+: 55,0 %). Bei Frauen hingegen war der mittlere SBD 2022-2023 höher (133,5 mmHg) als noch 2008-2011 (130,0 mmHg; p-Trend=0,02). Ebenso sind hypertensive Messwerte bei Frauen nun häufiger (35,0 %) als 2008-2011 (22,7 %; p-Trend<0,01). Zudem ist der Anteil an Frauen mit Bluthochdruck, die eine Behandlung erhalten 2022-2023 (76,8 %) niedriger als 2008-2011 (91,1 %; p-Trend<0,01). Der Kontrollgrad des Bluthochdrucks ist bei Frauen 2022-2023 (45,6 %) ebenfalls niedriger im Vergleich zu 2008-2011 (67,4 %; p-Trend<0,01).

Diskussion

Die vorhergehenden bundesweiten Untersuchungssurveys bei Erwachsenen in Deutschland (Bundesgesundheitssurvey 1998 und DEGS1) zeigten einen sinkenden Blutdruck und verbesserte Behandlung sowie Kontrolle des Bluthochdrucks bei Frauen und Männern. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich dieser Trend bei Frauen nicht fortgesetzt hat. Das Verständnis dieser Entwicklung kann zur Verbesserung der Bluthochdruckprävention und Versorgung älterer Menschen beitragen.
Frau Julia Charlotte Büschges
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, Berlin
#Präsentation #Hypertonie #Blutdruckkontrolle #Ältere Menschen #Trend #Behandlung des Bluthochdrucks #Geschlechterunterschiede
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
WS19
Institutionalisierung von Partizipation und partizipativen Ansätzen in Gesundheitssystem und Gesundheitsforschung Wie können partizipative Ansätze und Beteiligungsformate im Gesundheitssystem und der in der Gesundheitsforschung verankert werden?
Partizipation
Raum: Hörsaal 3 (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 210)
Beitrag:
1
Partizipation und Ko-Kreation sind zentrale Prinzipien eines modernen, gerechten und nachhaltigen Gesundheitssystems, in Forschung und Gremienarbeit, Gesundheitsförderung sowie Versorgung, in nationalen und internationalen Kollaborationen. Doch wie lassen sich Ansätze für mehr Beteiligung von Bevölkerung, Patient*innen und Projektpartner*innen in Institutionen und Strukturen verankern? Welche Strategien, Mechanismen und Rahmenbedingungen sind notwendig, um Beteiligungsprozesse und partizipatives Arbeiten langfristig zu fördern und abzusichern? Welche Unterstützung bietet hierfür die Resolution on social participation der Weltgesundheitsversammlung?
Im Rahmen des 90minütigen Workshops sollen Erfahrungen und Lessons Learned im deutschsprachigen Raum geteilt werden und Teilnehmende Anregungen mitnehmen, Partizipation in ihren Organisationen und/oder in ihrem Arbeitsfeld zu fördern.
Nach drei Impulsvorträgen zur Stärkung von Partizipation auf der Makro- und Mesoebene sowie in der Gesundheitsforschung (je ca. 10 min) wird in der interaktiven Gruppenarbeit Raum für Austausch und Vernetzung bereitgestellt (ca. 45 min) und das Publikum eingeladen, aktiv an den Überlegungen teilzunehmen und die Fragestellung hinsichtlich ihres eigenen Arbeitsbereiches zu reflektieren.
Ziel ist es, voneinander Erfolgsfaktoren kennenzulernen und in einer Zusammenschau am Ende (ca. 15 min) konkrete Ansatzpunkte und Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Verankerung von partizipativen Ansätzen und Beteiligungsformaten mitzunehmen.

Impulsvorträge:
Daniela Rojatz, Gesundheit Österreich GmbH
Titel: Patienten- und Bevölkerungsbeteiligung im österreichischen Gesundheitswesen stärken
Der Beitrag beleuchtet die Systemebene. In den letzten 10 Jahren sprachen sich mehrere Gutachten zur Stärkung von Patienten- und Bevölkerungsbeteiligung im österreichischen Gesundheitswesen aus. Aufbauend auf den bisherigen Entwicklungen beleuchtet der Beitrag die aktuellen Maßnahmen zur Stärkung von Patienten- und Bevölkerungsbeteiligung im österreichischen Gesundheitswesen.

Flora Haderer, Robert Koch Institut
Titel: Interessensgruppe als Vehikel zur selbstorganisierten Förderung von partizipativen Arbeitsweisen am Robert Koch Institut
Der Beitrag beleuchtet die Mesoebene mit der Stärkung von Partizipation durch organisationsinterne Austauschformate: Vorgestellt wird eine IG Partizipation, eine an Partizipation in Theorie und Praxis interessierte Gruppe von Mitarbeitenden des Robert-Koch-Instituts. Ihr Ziel ist es, das Methodenspektrum des Instituts, um partizipative Ansätze zu erweitern und gemeinsam das eigene Vorgehen in partizipativem und alltäglichem Arbeiten zu reflektieren.

Sarah Weschke, Berlin Institute of Health at Charité – Universitätsmedizin Berlin, QUEST Center for Responsible Research
Titel: Institutionelle Verankerung von Beteiligung als Qualitätskriterium in der Gesundheitsforschung
In diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie auf der institutionellen Ebene Partizipation in der Gesundheitsforschung vorangebracht werden kann. Es werden Beispiele aus dem BIH/der Charité vorgestellt, wie die Einrichtung von Service- und Koordinierungsstellen, die Verankerung in Strategien und (interne) Förderausschreibungen sowie weitere Incentivierungsmaßnahmen.
Frau Mag. Dr. Daniela Rojatz
Gesundheit Österreich GmbH, Wien
Frau Sarah Weschke
Berlin Institute of Health at Charité – Universitätsmedizin Berlin, QUEST Center for Responsible Research, Berlin
Frau Dr. Flora Haderer
Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
#Workshop 60 #Partizipation #Gesundheitssystem #Gesundheitswesen #Institutionalisierung
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
WS14
Einführung in das FDZ Gesundheit: Eine Vorbereitung auf die Antragstellung
Einzelprojekt
Raum: Seminarraum 505 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 28)
Beitrag:
1
​​​​Das Forschungsdatenzentrum (FDZ) Gesundheit ermöglicht Forschenden die Nutzung eines umfassenden, krankenkassen- und sektorübergreifenden Datensatzes. Dieser basiert auf den Abrechnungsdaten aller gesetzlich Versicherten in Deutschland (ca. 74 Millionen Personen) und bietet Potenzial für Analysen in der Versorgungsforschung, Epidemiologie und gesundheitswissenschaftlichen Systemforschung. Perspektivisch werden auch freigegebene Daten aus der elektronischen Patientenakte (ePA) nutzbar gemacht. Die Nutzung der Daten setzt einen Antrag beim FDZ Gesundheit voraus und die Analyse findet in einem virtuellen Analyseraum statt.

Ziel dieses Workshops ist es, Forschenden und fortgeschrittenen Studierenden eine strukturierte Einführung in das Datenangebot, die Rahmenbedingungen der Datennutzung sowie den Antragsprozess beim FDZ Gesundheit zu geben.
Im Mittelpunkt steht die Vorstellung des FDZ Gesundheit als Stelle zur Bereitstellung von Routinedaten für die Gesundheitsforschung in Deutschland. Die Teilnehmenden erhalten einen systematischen Überblick über den verfügbaren Datensatz, dessen Inhalt, Struktur und potenzielle Einsatzmöglichkeiten. Dabei wird insbesondere das Public Use File als niedrigschwelliger Zugangspunkt zur Datenstruktur vorgestellt. Ergänzend wird die Datensatzbeschreibung als zentrales Hilfsmittel zur Planung und Vorbereitung von Forschungsvorhaben erläutert.

Ein weiterer Schwerpunkt des Workshops liegt auf der Vorbereitung der Antragstellung für die Datennutzung. In einem interaktiven Format werden die formalen und inhaltlichen Anforderungen an einen Antrag sowie typische Abläufe und Fristen aufgezeigt. Darüber hinaus werden praktische Hinweise zur Ausgestaltung und Abstimmung eines Antrags gegeben, einschließlich Beispielen aus der Antragspraxis. Darüber hinaus erhalten die Teilnehmenden einen Einblick in die Arbeitsweise in den virtuellen Analyseräumen und lernen, welche technischen und methodischen Rahmenbedingungen bei der Auswertung der Daten zu beachten sind.

Der Workshop kombiniert fachliche Kurzimpulse mit interaktiven Elementen. Durch praktische Übungen, Raum für individuelle Rückfragen und begleitende Materialien wird ein anwendungsorientiertes Verständnis für die Arbeit mit den Daten des FDZ Gesundheit gefördert. Zielgruppe des Workshops sind Forschende aus der Versorgungsforschung, Public Health, Epidemiologie sowie angrenzenden Disziplinen, die eine Antragstellung beim FDZ Gesundheit vorbereiten oder perspektivisch planen.
Nach Abschluss des Workshops sollen die Teilnehmenden mit den wissenschaftlichen, administrativen und technischen Grundlagen der Antragstellung vertraut sein. Sie sollen in der Lage sein, eigene Forschungsvorhaben fundiert vorzubereiten und die dafür relevanten Informationen und Strukturen der verfügbaren Datenbestände sachgerecht einzubeziehen. Die vermittelten Inhalte unterstützen eine effektive und qualitätsgesicherte Nutzung von krankenkassen- und sektorübergreifenden Routinedaten im Kontext empirischer Gesundheitsforschung.

Herr Dirk Hellthaler
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn
Herr Dr. Peter Thul
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn
#Workshop 60 #Versorgungsforschung #Epidemiologie #Gesundheitssysteme #elektronische Patientenakte #Routinedaten
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
VS24
Präventive Konzepte für Kinder und Jugendliche
Präventive Konzepte für Kinder und Jugendliche
Raum: Seminarraum 507 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1
Einleitung: Lebenskompetenzen und nachhaltigkeitsbezogene Einstellungen gelten als zentrale psychosoziale Ressourcen, die es Heranwachsenden ermöglichen, sich als handlungsfähige, resiliente und gesellschaftlich verantwortliche Individuen zu entwickeln [1]. Diese Fähigkeiten sind nicht nur mit schulischer Leistung und Wohlbefinden assoziiert, sondern auch mit der Bereitschaft, aktiv zu einer ökologisch und sozial nachhaltigen Gesellschaft beizutragen. In diesem Beitrag werden die Ergebnisse der psychometrischen Erprobung und Validierung eines entsprechenden Erhebungsinstruments im Kontext des schulischen Lernformats FREI DAY vorgestellt. FREI DAY verfolgt einen Whole School Approach, der auf die Förderung gesunder und ökologisch nachhaltiger Lebensweisen und Lebensbedingungen abzielt [2]. Die Datengrundlage stammt aus der von 2025 bis 2028 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie #FREI DAY FOR FUTURE.

Methoden: Das Erhebungsinstrument basiert auf 14 bewährten Multi-Item-Skalen für die Konstrukte Schul-Involvement, Kooperations- und Diskussionskompetenz, Selbstwirksamkeitserwartung bei sozialen Anforderungen, Perspektivübernahme, Empathie, Kreatives Denken, Problemlösefähigkeit, Metakognition, allgemeine Selbstwirksamkeit, Optimismus, Zukunftsangst, Umweltbewusstsein, Bewusstsein für Umweltkonsequenzen und Verantwortungszuschreibung für Umweltprobleme. Für Grundschüler:innen und Schüler:innen weiterführender Schulen wurden zwei verschiedene Versionen entwickelt, die jeweils an das Alter angepasst wurden. Insgesamt werden 90 Schulen aus Niedersachsen an der Befragung teilnehmen, darunter 30 Grundschulen sowie 60 weiterführende und berufsbildende Schulen. Pro Schule werden mindestens 20 Schüler:innen der Klassenstufen 3 bis 12 befragt. Die Erhebung erfolgt im Zeitraum von Mai bis August 2025 online im Rahmen des regulären Unterrichts. Zur Prüfung der faktoriellen Validität werden explorative Faktorenanalysen durchgeführt. Die interne Konsistenz der Skalen wird über Cronbach’s α geschätzt. Zudem erfolgen bivariate Korrelationsanalysen zur Einschätzung inhaltlicher Zusammenhänge zwischen den Konstrukten.

Ergebnisse: Bis zum Stichtag (10.04.2025) konnten bereits 37 Schulen erfolgreich in die Studie aufgenommen werden, wodurch eine Stichprobe von mindestens n = 740 Schüler:innen erwartet werden kann. Es wird davon ausgegangen, dass sich theoriekonforme Faktorenstrukturen abbilden lassen und die Skalen eine zufriedenstellende bis hohe interne Konsistenz (α = .70 bis .92) aufweisen. Es wird erwartet, dass Umweltbewusstsein positiv mit der Verantwortungszuschreibung (r = .40 bis. 60), dem Optimismus (r = .30 bis.50) und der allgemeinen Selbstwirksamkeit (r = .30 bis .50) korreliert. Zukunftsangst wird voraussichtlich negativ mit Optimismus (r = -.20 bis -.40) und Selbstwirksamkeit (r = -.30 bis -.50) assoziiert sein. Für Empathie, Perspektivübernahme und Kooperationskompetenz werden starke positive Zusammenhänge erwartet (r = .50 bis.70). Darüber hinaus wird angenommen, dass Schüler:innen mit höherer Selbstwirksamkeit ein stärkeres Verantwortungsgefühl und bessere Problemlösefähigkeiten aufweisen.

Diskussion: Es wird davon ausgegangen, dass das verwendete Instrument valide Daten zu den psychosozialen Ressourcen von Schüler:innen im Kontext des FREI DAY liefert und sich die erwarteten Korrelationen sowie die psychometrischen Eigenschaften des Instruments in der Studie bestätigen lassen. Die Ergebnisse werden voraussichtlich neue Erkenntnisse zur Validität des Instruments liefern und mögliche Einsatzbereiche für die Förderung von Lebenskompetenzen und nachhaltigkeitsbezogenen Einstellungen aufzeigen.

Referenzen

[1] World Health Organization (WHO). Life Skills Education for Children and Adolescents in Schools: Introduction and Guidelines to Facilitate the Development and Implementation of Life Skill Programmes. Geneva: World Health Organization; 1997.
[2] Rasfeld M, Koglin I, Rohde M. FREI DAY: Die Welt verändern lernen! Für eine Schule im Aufbruch. 3. Auflage. München: oekom verlag; 2021.
Frau Sibel Ünlü
Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Niedersachsen, Deutschland, Hannover
#Präsentation #Schüler #Konstruktvalidität #Interne Konsistenz #Nachhaltigkeit #Kinder- und Jugendgesundheit
2
Hintergrund:
Die Wirksamkeit von Interventionen hängt von ihrer Implementierungsgüte ab. Das Consolidated Framework for Implementation Research (CFIR) [1] benennt zahlreiche Faktoren, die die Implementation von Innovationen hemmen oder fördern können. Diese sollten vor und während des Implementationsprozesses erhoben und gesteuert werden. Für Deutschland liegt bislang nur eine Studie vor, in der ein solches Erhebungsinstrument für die Implementation einer schulbasierten Intervention erprobt und validiert wurde [2]. Der Beitrag stellt Ergebnisse einer weiteren Erprobung und Validierung dieses Instruments im Rahmen des Whole School Approach FREI DAY vor. Der FREI DAY ist eine Empowerment-Intervention zur Förderung von gesunden und ökologisch nachhaltigen Lebensbedingungen und Lebensweisen [3]. Die Daten stammen aus der von 2025 bis 2028 BMBF-geförderten Studie (#FREI DAY FOR FUTURE).

Methoden:
Die Studie untersucht mit einem nicht-randomisierten Stepped-Wedge-Design die Implementation und Wirksamkeit der schulbasierten Intervention FREI DAY. An der Studie sollen 90 Schulen aus Niedersachsen teilnehmen. Von Mai bis Juni werden an diesen Schulen etwa 450 Mitarbeitende und Eltern dieser Schulen zu den folgenden 13 Gelingensbedingungen für die Implementation des FREI DAY befragt: Persönliche Motivation, Effektivität und Effizienz des Teams, Vorteile des Lernformats, Zielorientiertheit des Teams, Orientierungsfähigkeit des Teams, Nachhaltigkeit, Teamgeist, Konflikte im Team, Barrieren bei der Implementation, Impact des Lernformats, Einfluss des Lernformats, Bedarf an technischer Unterstützung und Erhalt von technischer Unterstützung. Mittels Faktorenanalysen wird die faktorielle Validität dieser Konstrukte geprüft. Zur Überprüfung der internen Konsistenz der verwendeten Multi-Item-Skalen wird für jede Skala das Cronbach’s α berechnet. Zudem werden für alle Konstrukte Intercluster-Korrelationskoeffizienten (ICC) berechnet und Korrelationen zwischen den Konstrukten untersucht.

Ergebnisse:
Mit Stand vom 15.04.2025 wurden bereits 37 Schulen rekrutiert. Folgende Ergebnisse werden erwartet: Die interne Konsistenz der Multi-Item-Skalen wird zwischen 0,64 und 0,98 liegen. Der ICC wird für die Konstrukte zwischen 0,21 und 0,66 liegen. Die für die Implementation förderlichen Faktoren werden untereinander positiv korrelieren (r = 0,1 bis 0,6). Gleiches gilt für die hemmenden Faktoren. Demgegenüber werden die Korrelationen zwischen förderlichen und hemmenden Faktoren negativ miteinander korrelieren (r = -0,1 bis -0,5).

Diskussion:
Wir gehen davon aus, dass das verwendete Instrument valide Daten zu den Gelingensbedingungen der Implementation des FREI DAY liefert und sich die von Röding et al. [2] ermittelten psychometrischen Eigenschaften des Instruments in unserer Studie replizieren lassen. Der Beitrag wird damit neue Erkenntnisse zur Validität und zu möglichen Einsatzbereichen dieses Instruments liefern.

Referenzen

[1] Damschroder LJ, Reardon CM, Widerquist MAO, Lowery J. The updated Consolidated Framework for Implementation Research based on user feedback. Implement Sci. 2022;17(1):75.
[2] Röding D, Lenz M-C, von Holt I, Decker L, Walter U. Einflussfaktoren der Implementation von Präventionsstrategien – Validierung eines Messinstruments für den Schulkontext. Präv Gesundheitf. 2025 Feb: 1-7.
[3] Rasfeld M, Koglin I, Rohde M. FREI DAY: Die Welt verändern lernen! Für eine Schule im Aufbruch. 3. Auflage. München: oekom verlag; 2021.
Frau Ricarda Brender
Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Interne Konsistenz #ICC #Konstruktvalidität #Reliabilität #Schulbasierte Intervention #Implementationsfaktoren
3

Hintergrund

Ein hoher Anteil von jungen Menschen in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe hat traumatische Erfahrungen vor der Aufnahme in eine stationäre Unterbringung gemacht und daraus folgend Traumafolgebelastungen entwickelt [1] [2]. Dies führt dazu, dass sich das Betreuungspersonal häufig mit solchem Klientel überfordert fühlt und ihnen deshalb der Heimplatz entzogen wird. Eine spezifische Möglichkeit zur Bearbeitung und Bewältigung von posttraumatischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen in therapeutischen Wohngruppen stellt die Arbeit mit Tieren dar [3] [4]. Über die Tiere gibt es die Möglichkeit, Emotionen zu spiegeln, soziale Verhaltensweisen (neu) zu erlernen, in den Kontakt mit dem eigenen Körper zu kommen und in Kommunikation zu treten. Die Erforschung der Wirkungen des Einsatzes von Tieren im stationären Kinder- und Jugendhilfesetting steckt noch in den Anfängen ([5].

Methode

Am Beispiel von zwei intensiv betreuten pädagogischen Wohngruppen des VHS-Bildungswerkes werden die emotions- und verhaltensbezogenen Auswirkungen tiergestützter Arbeit auf die dort lebenden und traumatisierten Kinder und Jugendlichen untersucht. Auf Grund der Besonderheit der Untersuchungsthematik erfolgte eine Kombination von qualitativer Methoden der Datenerhebung im Sinne einer Triangulation: teilnehmende Beobachtungen, leitfadengestützte Interviews sowie Ausfüllbögen für die Bewohner:innen im Kindesalter.

Ergebnisse

Die Projektergebnisse zeigen, dass sich die tiergestützte Interventionen auf unterschiedlichen Ebenen, sei es im Verhalten, dem Körpergefühl oder dem emotionalen Befinden der Bewohner:innen, positiv auswirken. Diese Art der pädagogischen Arbeit sorgt für Entspannung und Interessiertheit, was wiederum wichtige Voraussetzungen dafür sind, um Nähe zulassen und Vertrauen aufbauen zu können. Das erhöhte Maß an Nähe und Vertrauen wirkt sich wiederum positiv auf die psychische Gesundheit, die pädagogische Arbeit und die Gruppendynamik aus, die als gelöster, entspannter und weniger aggressiv bezeichnet werden kann und insofern bei der Bewältigung von Traumafolgenbelastungen helfen.

Diskussion

Die Forschungsergebnisse unterstreichen, dass von Ressourcen, die für die Arbeit mit Tieren in Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe eingesetzt werden, wichtige Impulse für die Betreuungsarbeit gerade im Umgang mit und der Bewältigung von posttraumatischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen ausgehen. Vor dem Hintergrund des pädagogischen Nutzens tiergestützter Interventionen sollten Jugendämter als Kostenträger hierfür eine kontinuierliche und angemessene Finanzierung solcher Maßnahmen sicherstellen. Weiterer Forschungsbedarf besteht darin, die heraus gearbeiteten Zusammenhänge unter längerfristigen Gesichtspunkten, wie dem der nachhaltigen Effekte auf den Betreuungserfolg, zu untersuchen.

Referenzen

[1]  Huber M. Trauma und die Folgen. 6. überarbeitete Auflage. Paderborn: Junfermann; 2020.
[2]  Fegert JM, Ziegenhain U, Goldbeck L. Herausgeber. Traumatisierte Kinder und Jugendliche in Deutschland. Analyse und Empfehlungen zu Versorgung und Betreuung. 2. Auflage. Weinheim: Beltz; 2013.
[3] Liese-Evers M, Heier M. Tiergestützte Interventionen mit Kindern und Jugendlichen. Ein Praxisbuch. Junfermann Verlag; 2021.
[4] Ameli K, Dulleck AS, Brüsemeister T. Herausgeber. Grundlagen tiergestützter Dienstleistungen. Tiergestützte Therapie, Pädagogik und Fördermaßnahmen als interdisziplinäres Arbeitsfeld. Ahrensburg: tredition; 2016.
[5] Wesenberg S. et al. Tiergestützte Interventionen in therapeutischen Jugendwohngruppen. Ergebnisse eines interdisziplinären Praxisforschungsprojekts in der stationären Jugendhilfe. Höchberg: ZKS Verlag für psychosoziale Medien; 2022.
Herr Prof. Dr. Wolfgang Becker
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg
#Präsentation #Tiergestützte Interventionen #Psychische Belastung #Traumapädagogik #Stationäre Kinder- und Jugendhilfe #Evaluation
4
Hintergrund:
Die Prävalenz chronischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen (1). Die Diagnose einer chronischen Erkrankung geht sowohl für die betroffenen Kinder, als auch ihre Eltern mit vielen Herausforderungen einher. Aufgrund der komplexen medizinischen und oft auch sozialen Bedarfe, die mit einer im Kindesalter diagnostizierten chronischen Erkrankung verbunden sind, müssen sich Eltern u.a. mit medizinischem Wissen und dem Gesundheitssystem vertraut machen, mit Stigmatisierung umgehen sowie eine zentrale Funktion im Management und in der Koordination von Leistungen auch über das Gesundheitswesen hinaus übernehmen. Für die erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderungen sind vorbestehende Risiken und Ressourcen sowie regional bezogene Information, mögliche (Gesundheits-)Kompetenzsteigerung (i.S. von Empowerment), und Austausch (u.a. mit Peers, Selbsthilfe) entscheidend (2). Hier können E-Health-Lösungen, wie z.B. Apps, digitale Plattformen oder Videosprechstunden, ansetzen. Sie sollten insbesondere die Eltern als Hauptverantwortliche und Manager der Gesundheit ihrer Kinder in den Blick nehmen, Belastungen bei Eltern und in der Familie reduzieren (3) und den familialen und elterlichen Kompetenzerwerb nach der Diagnose der Kinder fördern. Aktuell fehlen wissenschaftliche Erkenntnisse zu den zeitpunktspezifischen Informations- und Unterstützungsbedarfen. Es ist z.B. unklar, wann welche Bedarfe und Bedürfnisse bestehen, inwiefern diese generisch oder indikationsspezifisch sind und von welchen spezifischen Vulnerabilitätsfaktoren sie abhängen.

Methodik:
Es handelt sich um eine nicht-interventionelle Mixed-Methods-Studie mit 5 Komponenten: 1) prospektive Längsschnitt-Befragung von Eltern mit chronisch kranken Kindern zu 0 (ED = Erstdiagnose), 6 und 12 Monaten; 2) Echtzeit-Erfassung subjektiver Erfahrungen von Eltern im selben Zeitraum; 3) qualitative Interviews mit Eltern/Leistungserbringenden, 4) Umfeldanalyse bestehender e-Health-Angebote mit Stärken-Schwächen Analyse und 5) Versichertenbefragung. Im Rahmen des Projektes PedSupport wird eine Versorgungsforschungskohorte heroes aufgebaut, die aus mindestens 550 Familien aus NRW besteht, welche in den beteiligten Kliniken des Westdeutschen Zentrums für Kinder und Jugendgesundheit rekrutiert wird.

Projektziele:
PedSupport definiert Anforderungen an bedarfsorientierte und empirisch gesicherte Formate, Inhalte und Bedingungen zur erfolgreichen Implementierung von Unterstützungsangeboten für Familien chronisch kranker Kinder mit einem Schwerpunkt auf E-Health. Ziel ist die Erstellung eines Werkzeugkastens mit empirischen und konzeptuellen wissenschaftlichen Grundlagen für die Entwicklung oder Optimierung von E-Health-Angeboten zur indikationsübergreifenden Unterstützung von Familien chronisch kranker Kinder im Alter von 0-16 Jahren im ersten Jahr nach Diagnosestellung. Der Fokus liegt auf chronischen Erkrankungen, die mit einer erhöhten Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen sowie Einschränkungen in der Teilhabe der Betroffenen einhergehen (u.a. CF, Diabetes, ADHS, Epilepsie, Autismus und Depression). Das Projekt verfolgt einen diagnose- und disziplinübergreifenden Ansatz und berücksichtigt sowohl körperliche als auch psychische Erkrankungen, da diese häufig kombiniert vorkommen, was zu Versorgungskomplexität und multiplen sozialrechtlichen Ansprüchen (u.a. Rehabilitation, Pflege, Schulbegleitung, Eingliederungshilfe) führt.

Referenzen

[1.] van Cleave J, Gortmaker SL et al. Dynamics of obesity and chronic health conditions among children and youth. JAMA 2010; 303(7):623–30. [2.] Riemann L, Lubasch JS et al. The Role of Health Literacy in Health Behavior, Health Service Use, Health Outcomes, and Empowerment in Pediatric Patients with Chronic Disease: A Systematic Review. Int J Environ Res Public Health 2021; 18(23). [3.] Knecht C, Hellmers C et al. The perspective of siblings of children with chronic illness: a literature review. J Pediatr Nurs 2015; 30(1):102–16
Frau Helena Grüter
Fachbereich Versorgungsforschung im Kindes - und Jugendalter, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
#Präsentation #chronische Erkrankungen #Kinder und Jugendliche #E-Health Angebote
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
WS15
Ko-Kreation mit vulnerablen Zielgruppen in der Gesundheitsförderung: Methoden und Anwendungsperspektiven
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Beitrag:
1
Hintergrund
Ko-kreative Ansätze gewinnen in der Gesundheitsförderung zunehmend an Bedeu­tung – insbesondere, wenn es darum geht Maßnahmen zielgruppen- und lebens­weltorientiert zu gestalten. Gerade bei der Entwicklung gesundheitsfördernder Inter­ventionen für vulnerable Zielgruppen stellt sich die Frage, wie Beteiligung unter Be­rücksichtigung sprachlicher oder sozialer Barrieren oder begrenzter Gesundheits­kompetenz gelingen kann, ohne bestehende Ungleichheiten zu reproduzieren. Der Workshop adressiert diese Herausforderung und zielt auf eine praxisorientierte Aus­einandersetzung.

Methode
Der Workshop vermittelt zentrale Prinzipien und Methoden ko-kreativer Gesundheits­förderung mit dem Fokus auf die Zusammenarbeit mit vulnerablen Zielgruppen. Die Teil­nehmenden lernen unterschiedliche methodische Zugänge kennen, erproben ein­zelne Formate und reflektieren Anwendungsmöglichkeiten in ihren Praxis- oder For­schungskontexten.
Im Mittelpunkt stehen methodische Ansätze, die sich durch iterative, nutzer:innenzentrierte und flexibel anpassbare Gestaltungsprozesse auszeichnen und auf dem Konzept des Integrated Design Engineering basieren. In wechselnden Klein­gruppen erproben die Teilnehmenden exemplarisch methodische Elemente wie den Co-Creation-Canvas zur strukturierten Exploration von Bedarfen, Ressourcen und Handlungsideen oder dem Low-Fidelity-Prototyping zur schnellen Visualisierung und Weiterentwicklung von Lösungskonzepten.
Die Auswahl der Methoden orientiert sich an zentrale Anforderungen für eine gelin­gende Zusammenarbeit mit Zielgruppen, die niedrigschwellige, adaptive und kreativi­tätsfördernde Formate benötigen, die eine Anschlussfähigkeit jenseits sprachlicher oder institutioneller Barrie­ren ermöglichen. Die eingesetzten Methoden bilden verschiedene Phasen ko-kreativer Entwicklungsprozesse ab - von der Bedarfsanalyse über die Ideenentwicklung bis zur prototypischen Erprobung.
Der Workshop folgt den grundlegenden Prinzipien ko-kreativen Arbeitens: konse­quente Kollaboration, am Menschen orientiertes Handeln, direktes Sichtbarmachen von Ideen, offenes Experimentieren, iterative Entwicklung sowie eine klare und pro­zessorientierte Gestaltung. Diese Prinzipien werden durch die methodische Struktur des Workshops nicht nur theoretisch vermittelt, sondern in der Anwen­dung konkret erfahrbar gemacht.
Im Sinne des Transfers wird der methodische Teil des Workshops durch gemein­same Reflexionsphasen ergänzt und in Hinblick auf Übertragbarkeit in unterschiedli­che Anwendungsfelder diskutiert.

Ergebnisse
Die Teilnehmenden setzen sich mit zentralen Herausforderungen und Potenzialen ko-kreativer Prozesse in der Gesundheitsförderung auseinander, wenden exempla­risch Methoden an und reflektieren diese. Besonderes Augenmerk liegt auf der Kon­textsensibilität der Vorgehensweisen und ihrer adaptiven Nutzbarkeit für unterschied­liche Zielgruppen. Ziel ist die kritische Auseinandersetzung mit Ko-Kreation als hand­lungsleitendes Prinzip partizipativer Gesundheitsförderung und deren kontextspezifi­sche Umsetzungsmöglichkeiten im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Realität.

Diskussion
Im Rahmen einer abschließenden Diskussion werden Gelingensbedingungen, ethi­sche Implikationen sowie strukturelle Anforderungen an ko-kreative Prozesse mit vul­nerablen Zielgruppen thematisiert.

Referenzen

[1] Farías P, Villalobos C. Integrated co-creation process with multiple stakeholders in innovation networks. Innov Manag Rev. 2021;18(2):160–176. DOI: 10.1108/INMR-10-2020-0142.
[2] Klein HC, Oschinsky FM, Stelter A. Design Thinking als Werkzeug für Co-Kreation und Co-Design - Ein Erfahrungsbericht in 5 Thesen. HMD Prax Wirtschaftsinformatik. 2021;58(6):1148–1162. DOI: 10.1365/s40702-021-00761-9.
[3] Oxfam-Québec. Co-Creation Toolkit: From design to implementation [Internet]. 2022 [cited 2024 Oct 25]. Available from: https://doi.org/10.2101/2022.9202.
[4] USAID. Co-Creation [Internet]. USAID Learning Lab; [cited 2024 Oct 25]. Available from: https://usaidlearninglab.org/innovations-partnering/co-creation.
[5] Vajna S. Co-Creation: Ein Katalysator für den Entwicklungsprozess im IDE. In: Vajna S. Integrated Design Engineering: Interdisziplinäre und ganzheitliche Produktentwicklung. 2nd ed. Berlin: Springer Vieweg; 2022. p. 557–67. DOI: 10.1007/978-3-662-60439-7.
Herr Christoph Holz-Rossi
nuvio gGmbH Institut für Gesundheitsgestaltung, Köln
#Workshop 60
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
WS16
Forschungs-Workshop „Jenseits der Scheibe“ – Vorstellung eines neuen tiefenpsychologischen partizipativen Tools zur Erforschung bestehender Versorgungsrealitäten
tiefenpsychologisch
Raum: Seminarraum 536 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beitrag:
1
Forschungs-Workshop „Jenseits der Scheibe“ – Vorstellung eines neuen tiefenpsychologischen partizipativen Tools zur Erforschung bestehender Versorgungsrealitäten

Hintergrund
Die Erforschung von Mechanismen und Interaktionen zwischen Health Care Professional Experts ist komplex. Unterschiedliche Haltungen, Rollenbilder und Erfahrungshorizonte der Berufsgruppen erschweren häufig den offenen Zugang zueinander. Dies stellt eine Herausforderung für die Versorgungsforschung und qualitative Marktforschung dar.
Im Sinne des Kongressthemas „Teilhabe und Ko-Kreation“ wird hier ein innovatives Forschungstool vorgestellt, das echte Begegnung, dialogische Öffnung und erfahrungsbasierte Exploration zwischen Fachakteur*innen und Zielgruppen ermöglicht. Das methodische Vorgehen orientiert sich an Prinzipien der morphologischen Forschung und kombiniert diese mit tiefenpsychologisch inspirierten Reflexionsmethoden.

Methode
Das Workshop-Format fungiert zugleich als qualitative Mini-Studie: Es dokumentiert und analysiert subjektive Erfahrungen, emotionale Reaktionen und potenzielle Veränderungsimpulse. Durch die Verbindung mit qualitativer Forschung entstehen theoriebasierte und zugleich praxisnahe Erkenntnisse.
Das vorgestellte Tool ermöglicht echte Teilhabe und Ko-Kreation zwischen Fachakteur*innen (z. B. Ärzt*innen, Pflegekräfte, Entwickler*innen, Führungskräften) und unterschiedlichen Zielgruppen (z. B. Patient*innen, Senior*innen, Mitarbeitende im Gesundheitswesen). Ziel ist es, Perspektiven nicht hypothetisch oder stellvertretend zu erschließen, sondern durch echte Begegnung, aktiven Dialog und direkte Mitwirkung in einen wertschätzenden Austausch zu kommen und die Zielgruppe mit ihren Needs wirklich zu verstehen – jenseits von Spiegelglas, Einwegkommunikation und professionellen Rollenerwartungen.
Zu Beginn reflektieren Teilnehmende mittels angeleiteter Selbstexploration ihre inneren Bilder, Vorannahmen, Projektionen und blinden Flecken in Bezug auf die adressierte Zielgruppe. Dieser bewusstmachende Einstieg schafft Raum für Selbstreflexion und bildet die Grundlage für einen echten Perspektivwechsel.
Im weiteren Verlauf treten die Teilnehmenden in direkten Austausch mit Vertreter*innen der Zielgruppe, die aktiv in den Prozess eingebunden sind. Die Begegnung erfolgt auf Augenhöhe – als gemeinschaftlicher Erkenntnisprozess, nicht als bloße Beobachtung. Die anschließende Reflexion ermöglicht es, Erfahrungen zu deuten, neue Einsichten zu gewinnen und praxisrelevante Ideen zu entwickeln.

Der Workshop umfasst zwei Module mit Vertreter*innen der Zielgruppe, angelegt als tiefenpsychologisch fundierte Gruppendiskussionen. Im Anschluss erfolgt eine gemeinsame Analyse mit den Fachakteur*innen: Erste Hypothesen werden formuliert und – je nach Aufbau – im zweiten Zielgruppenmodul noch am selben Tag überprüft. Eine strukturierte qualitative Auswertung erfolgt im Anschluss. Erste Ergebnisse liegen in der Regel ein bis zwei Tage später vor.

Ergebnisse
Das Format ermöglicht einen emotionalen Zugang zur Zielgruppe. Die unmittelbare Erfahrung kann Haltungsveränderungen anstoßen, Empathie vertiefen und neue Formen der Zusammenarbeit fördern – sowohl intern im Team als auch im Umgang mit der Zielgruppe. Zugleich ist es ein qualitatives Forschungs-Instrument und generiert wertvolle Insights.
Die gezielte Beteiligung von Klient*innen oder Patient*innen zusammen mit Fachkräften kann genutzt werden, um bestehende Versorgungsrealitäten zu hinterfragen und neue Interaktionsformen zu erproben.

Diskussion
Der kollaborative Workshop bietet einen innovativen Zugang zur Verbindung von subjektiver Erfahrung, interdisziplinärem Austausch und ethisch reflektierter Praxisentwicklung – insbesondere in komplexen, multiprofessionellen Versorgungskontexten.

Hinweis an die Programmkommission: Wir reichen diesen Beitrag bevorzugt im Format eines Workshops ein, da Interaktivität, Beteiligung und dialogisch-kreative Methodik zentrale Bestandteile des Konzepts sind. Sollte eine Umsetzung als Vortrag im Rahmen der Gesamtplanung sinnvoll erscheinen, kann der Beitrag entsprechend angepasst werden.
Frau Diplom Psychologin Birgit Langebartels
Birgit Langebartels (Jahrgang '68) ist Diplom-Psychologin mit eigenem Unternehmen (b.forscht) und arbeitet seit über 25 Jahren in der qualitativen Forschung. Ihr Schwerpunkt liegt auf tiefenpsychologischer Forschung, Analyse und Beratung, um komplexe Fragestellungen verstehbar und handlungsfähig zu machen. Mit b.forscht begleitet sie Organisationen in kollaborativen, co-kreativen Prozessen und verbindet psychologische Forschung mit praktischer Umsetzung. Langebartels ist als Gastdozentin für angewandte Psychologie tätig und setzt sich für partizipative Ansätze in Forschung und Praxis ein. Birgit Langebartels ist verheiratet, Mutter von drei Söhnen und lebt in Köln.
#Workshop 60 #Methoden, Gesundheitsförderung & Prävention, Ethik in Public Health, Teilhabe, Emotionaler Zugang
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
SYM20
Mentale Gesundheit und soziale Teilhabe in der Lebenswelt Hochschule: Innovative und partizipative Präventionsansätze zur Förderung psychischer Resilienz bei Studierenden (S Köslich-Strumann)
Studierende
Raum: Seminarraum 520 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beiträge:
1
Hochschulen sehen sich im Hinblick auf die psychische Gesundheit von Studierenden angesichts zunehmender Belastungen und steigender Einsamkeitserfahrungen wachsenden Herausforderungen gegenüber. Sie stehen daher vor der Aufgabe, nachhaltige Konzepte und Strategien zur Förderung der psychischen Gesundheit zu entwickeln und zu implementieren. Allerdings fehlt es häufig an einer systematischen Verankerung dieser Präventionsmaßnahmen, die sich an den tatsächlichen Lebensrealitäten der Studierenden orientieren.
In diesem Symposium werden vier innovative Konzepte vorgestellt, wie ein systematisches Monitoring mentaler Belastungen und Einsamkeitserfahrungen bei Studierenden gelingen kann und wie darauf aufbauend kontextspezifische und partizipative Präventionsmaßnahmen konzipiert und umgesetzt werden können.

„Monitoring und Förderung der psychischen Gesundheit Studierender in einem ko-kreativen Prozess verschiedener Mitglieder der Hochschulgemeinschaft“:
Heinrich (Technische Hochschule Mannheim) erörtert in ihrem Beitrag die Implementierung eines Monitoringsystems zur Erfassung der psychischen Gesundheit von Studierenden in Anlehnung an das Mental Health Surveillance des Robert Koch-Instituts (Thom et al., 2023). Darauf aufbauend werden Möglichkeiten zur partizipativen Implementierung präventiver Maßnahmen am Beispiel des "Mental Health First Aid"-Programms diskutiert.

„Mentale Gesundheit im Hörsaal: Evidenzbasierte, partizipative Prävention im Sicherungsnetz Seelische Gesundheit“:
Obst et al. stellen mittels Daten aus der LUST-Studie (Lübeck University Students Trial) die Entwicklungen der psychischen Belastung und Einsamkeitserfahrungen von Studierenden der Universität zu Lübeck zwischen 2019 und 2024 dar. Die seit über einem Jahrzehnt durchgeführte Studie bildet unter anderem die wissenschaftliche Grundlage für das "Sicherungsnetz seelische Gesundheit" – ein Präventionsmodell, das auf Peer-Support und partizipativer Gesundheitsförderung basiert.

„Einsamkeit als Änderungsdruck: Unterstützung von Studierenden mit ko-kreativen Ansätzen im hochschulischen Gesundheitsmanagement zur Förderung von Teilhabe und Verbundenheit“:
Poggel et al. analysieren in einem Pilotprojekt an der HAW Hamburg die Wechselwirkungen zwischen Einsamkeit und Diversität und entwickeln gemeinsam mit Studierenden nachhaltige Präventionsstrategien. Aus den Erkenntnissen dieses Projekts soll ein Best-Practice-Modell für andere Hochschulen entwickelt werden.

„Prävention an der Hochschule: Was geht das die Dozierenden an?“:
Koschig et al. untersuchen an der Universität Leipzig in einer Mixed-Methods-Studie die Perspektiven von Studierenden und Hochschulmitarbeitenden auf mentale Gesundheit innerhalb der Hochschulwelt. Zentrale Ergebnisse zeigen eine geringe Nutzung vorhandener Hilfsangebote trotz hoher psychischer Belastung unter Studierenden sowie den Wunsch nach mehr Transparenz und Offenheit im Umgang mit psychischen Herausforderungen. Gleichzeitig fühlen sich Lehrende unsicher in ihrer Rolle und verfügen nur eingeschränkt über Kenntnisse zu bestehenden Unterstützungsangeboten.

Die Beiträge dieses Symposiums ermöglichen spannende Einblicke in aktuelle Entwicklungen im Bereich der Studierendengesundheit. Alle Beiträge illustrieren eine enge Verzahnung von Monitoring und Maßnahmenplanung sowie eine aktive Einbindung von Studierenden und Hochschulmitarbeitenden in der Konzeption und Umsetzung. Damit dient dieses Symposium als wichtiger Impulsgeber für hochschulspezifische Interventionsstrategien, die auf evidenzbasierten, partizipativen und diversitätsorientierten Ansätzen beruhen.

Frau Susen Köslich-Strumann
Universität zu Lübeck, Zentrale Einrichtung Prävention und universitäres Gesundheitsmanagement, Lübeck
#Symposium 60 #Studierendengesundheit #mentale Belastung #Einsamkeit #Prävention #universitäres Gesundheitsmanagement/ HGM
2
Einleitung:
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich der psychische Gesundheitszustand der Bevölkerung in Abhängigkeit globaler Ereignisse schnell verändern kann [1]. Dabei reagieren verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedlich auf solche Veränderungen; beispielsweise zeigen sehr junge Menschen, darunter Studierende, eine erhöhte Anfälligkeit für psychische Belastungen [2].
Die hier präsentierte Implementierungsstudie untersucht, inwiefern Hochschulen aktiv zur Förderung der psychischen Gesundheit Studierender beitragen können, indem ein kontinuierliches Monitoring implementiert und darauf aufbauend gezielte Maßnahmen mit studentischer Teilhabe entwickelt werden.
​​​​​
Methoden:
In Anlehnung an die Mental Health Surveillance des Robert Koch-Instituts [3] wurde ein Monitoring zur Erfassung der psychischen Gesundheit Studierender entwickelt [4]. Die Umsetzbarkeit dieses Monitorings an einer Hochschule ebenso wie die Möglichkeiten zur partizipativen Implementierung von Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit Studierender werden seit Herbst 2023 untersucht.

Ergebnisse:
Erfahrungen aus knapp zwei Jahren Monitoring an einer Hochschule zeigen, dass eine halbjährliche Erhebung des psychischen Befindens Studierender nach anfänglich hohem organisatorischem Aufwand langfristig effizient und nachhaltig umzusetzen ist. Die erhobenen Daten ermöglichen zum einen eine kontinuierliche Überwachung der psychischen Gesundheit. Zum anderen können die gewonnen Daten verschiedene Mitglieder der Hochschulgemeinschaft wie Studierende, Lehrende und Verwaltungsmitarbeitende für das Thema sensibilisieren und motivieren, in einem ko-kreativen Prozess fördernde Maßnahmen umzusetzen. So konnten beispielsweise unter Nutzung vorhandener Kompetenzen und Ressourcen der verschiedenen beteiligten Personengruppen Programme wie „Mental Health First Aid“ und „Psychisch fit studieren“ erfolgreich etabliert werden.

Fazit:
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der Erfolg eines hochschulweiten Monitorings der psychischen Gesundheit Studierender sowie daraus abgeleiteten fördernden Maßnahmen maßgeblich von engagierten Mitgliedern aus verschiedenen Bereichen der Hochschulgemeinschaft abhängt. Insbesondere in der Anfangsphase ist es essenziell, dass sich Personen aus der Studierendenschaft, der Lehre und der Verwaltung gemeinsam aktiv einbringen – oft über ihre originären Aufgaben hinaus. Langfristig kann sich durch die Unterstützung der Hochschulleitung eine verstetigte gesundheitsfördernde Struktur etablieren, die auf eine breite Beteiligung der Hochschulgemeinschaft setzen kann.

Referenzen

[1] Koch-Institut R. Ergebnisse zur Entwicklung verschiedener Gesundheitsindikatoren in der erwachsenen Bevölkerung bei hochfrequenter Beobachtung. 2024;27.
[2] Auerbach RP, Mortier P, Bruffaerts R, Alonso J, Benjet C, Cuijpers P, u. a. Mental disorder comorbidity and suicidal thoughts and behaviors in the World Health Organization World Mental Health Surveys International College Student initiative. Int J Methods Psychiatr Res. Juni 2019;28(2):e1752.
[3] Thom J, Walther L, Eicher S, Hölling H, Junker S, Peitz D, u. a. Mental Health Surveillance am Robert Koch-Institut – Strategien zur Beobachtung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz. April 2023;66(4):379–90.
[4] Heinrich A. Surveillance der psychischen Gesundheit Studierender an Hochschulen. Public Health Forum. 26. September 2023;31(3):202–5.
Frau Angela Heinrich
Technische Hochschule Mannheim, Fakultät für Sozialwesen, Mannheim
#Symposium 60 #Mentale Gesundheit #Studierendengesundheit #Studierendenpartizipation #Prävention
3
Zahlreiche Studien belegen in den letzten Jahren eine Zunahme der mentalen Belastung und Einsamkeitserfahrungen unter Studierenden (u.a.[1],[2]). Die LUST-Studie (Lübeck, University Students Trial) der Universität zu Lübeck untersucht seit 2011 studienbezogene Belastungen sowie Ressourcen und stellt damit die längste kontinuierliche Erhebung zur Studierendengesundheit in Deutschland dar. Sie bildet zugleich eine zentrale Grundlage für das studentische Gesundheitsmanagement der Universität zu Lübeck. Dieser Beitrag adressiert zum einen die Frage, inwieweit sich der in der Literatur beschriebene Anstieg mentaler Belastung oder Einsamkeitserfahrungen auch für Studierende der Universität zu Lübeck nachweisen lässt. Zum anderen wird auf Basis der empirischen Befunde das „Sicherungsnetz seelische Gesundheit“ vorgestellt – ein partizipativer, auf Peer-Unterstützung basierender Präventionsansatz zur Förderung der psychischen Gesundheit an Hochschulen.

Die Analyse basiert auf querschnittlichen Daten der LUST-Studie aus den Jahren 2019 bis 2024, wobei spezifische Ergebnisse zum Einsamkeitserleben aus dem Jahr 2024 vorliegen. Zur Erhebung der mentalen Belastung wurde der Brief Symptom Inventory-18 (BSI-18) eingesetzt, das Stresserleben wurde mittels der Perceived Stress Scale (PSS) erfasst, Einsamkeit wurde mit einem Einzelitem gemessen.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich der überregionale Trend einer zunehmenden mentalen Belastung in Lübeck nicht in vergleichbarem Maße bestätigt. Zwar ist das Stresserleben sowohl während der COVID-19-Pandemie als auch im Jahr 2024 signifikant angestiegen, bleibt jedoch insgesamt auf moderatem Niveau (PSS Summenwerte zw. 0 und 40: 2019 w = 18.5, m = 17.7, 2024: w = 20.9, m=18.5). Auch die mentale Belastung weist lediglich geringfügige Schwankungen auf und bleibt insgesamt niedrig (Summenwerte zwischen 0 und 24: Ängstlichkeit: 2019, w = 5.2, m = 4.2, 2024: w = 7.2, m = 5.1; Depressivität: 2019: w = 5.4, m = 5.8; 2024: w = 6.9, m= 6.0). Der Anteil hoch gestresster oder psychisch stark belasteter Studierender ist über den untersuchten Zeitraum hinweg weitgehend konstant niedrig unter 10% geblieben. Die Einsamkeitswerte für 2024 zeigen, dass 17,8 % der Studierenden sich manchmal oder häufig einsam fühlen – ein Wert, der mit anderen nationalen Erhebungen vergleichbar ist (vgl. u.a. Einsamkeitsbarometer, 2024).

Diese Befunde unterscheiden sich deutlich von Ergebnissen anderer Hochschulstandorte. Neben möglichen regionalen und methodischen Einflussfaktoren wird in diesem Beitrag das „Sicherungsnetz seelische Gesundheit“ als potenziell wirksamer Präventionsansatz vorgestellt. Durch die Verknüpfung kontinuierlichen Monitorings mit evidenzbasierten Interventionsmaßnahmen auf Basis von Teilhabe und Peer-Support können Hochschulen frühzeitig auf mentale Belastungen und Einsamkeitserfahrungen reagieren. Der Beitrag hebt die Bedeutung partizipativer Gesundheitsförderung hervor und liefert Impulse für die Weiterentwicklung hochschulspezifischer Präventionsstrategien.

Referenzen

[1]      Meyer B, Grobe TG, Bessel S. TK-Gesund­heits­re­port 2023 - Wie geht‘s Deutsch­lands Studie­ren­den? [Internet]. Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2023 [zitiert 10. April 2025]. Verfügbar unter: https://www.tk.de/resource/blob/2149886/e5bb2564c786aedb3979588fe64a8f39/2023-tk-gesundheitsreport-data.pdf
[2]        Schobin J, Arriagada C, n Gibson-Kunze M. Einsamkeitsbarometer 2024 [Internet]. Berlin: Bundesministerium  für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; 2024 [zitiert 10. April 2025]. Verfügbar unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/einsamkeitsbarometer-2024-237576
Frau Katrin Ulrike Obst
Universität zu Lübeck, Zentrale Einrichtung Prävention und universitäres Gesundheitsmanagement, Lübeck
#Symposium 60 #Studierendengesundheit #Studierendenpartizipation #mentale Belastung #Einsamkeit #Prävention
4
Das Einsamkeitsempfinden ist in den letzten Jahren insbesondere durch die Auswirkungen verschiedener Herausforderungen (z.B. Corona-Pandemie, zunehmend wahrnehmbarer Klimawandel, Digitalisierung) stärker in die Aufmerksamkeit gekommen [1]. Die Evolutionäre Theorie der Einsamkeit [2] sowie das Vulnerabilitäts-Stress Modell [3] können erklären, welche Bedeutung Einsamkeit und mentale Belastungen für Verhaltensänderungen haben können: Sie können als Hinweis oder Änderungsdruck verstanden werden, soziale Beziehungen zu verbessern und den sozialen Zusammenhalt zu fördern, um damit als Resilienzfaktor sowohl individuelle Vulnerabilitäten als auch externalen Stressoren entgegenzuwirken.
Besonders junge Menschen sind von Einsamkeit betroffen [4]. Alarmierend sind die hohen Prävalenzzahlen insbesondere hinsichtlich Einsamkeit und sozialer Teilhabe bei Studierenden: Die Folgen sind eine Gefahr für das individuelle Wohlbefinden, die Studierfähigkeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt [5]. Entsprechend sind innovative und nachhaltige Maßnahmen notwendig, die an relevanten Lebenswelten/Settings und Lebensereignissen ansetzen.
Dazu wird ein Pilotprojekt exemplarisch an einer der größten Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland, der HAW Hamburg, in enger Zusammenarbeit mit einem der Hauptversicherer der Studierenden und Beschäftigten, der Techniker Krankenkasse, durchgeführt. Das Pilotprojekt verfolgt einen ko-kreativen Ansatz aller Beteiligten. Aus den Ergebnissen einer Befragung von N=400 Studierenden können Bedarfe und Vorgehensweisen für eine passgenaue Maßnahmenentwicklung abgeleitet werden. Die Ableitungen und das Vorgehen bei der Maßnahmenentwicklung werden bundesweit zur Verfügung gestellt und dienen als Good Practice Beispiel („Leuchtturm“) zum Abbau bzw. der Prävention von Einsamkeit an deutschen Hochschulen. Innovationscharakter hat hierbei die Beforschung der Wechselwirkung von Einsamkeit und Diversität, um ein umfassendes Verständnis erlangen und damit gezielt weitere Maßnahmen ableiten und implementieren zu können. Zudem bietet der Forschungsschwerpunkt Naturverbundenheit im Kontext der Einsamkeitsprävention die Möglichkeit, dass der Einfluss von positivem sozialem Engagement und Teilhabe auf die Steigerung der Verbundenheit untersucht werden kann. Als methodische Vorgehen wird ein mixed-methods Ansatz und ko-kreativen Elementen verfolgt. Konkret erfolgt dies im Rahmen von quantitativen Befragungen sowie qualitativen Fokusgruppen, Tiefeninterviews und Workshops mit verschiedenen Studierendengruppen, die in diesem Beitrag vorgestellt werden. Dies hat als Ziel, die Maßnahmen zu entwickeln und anzupassen, so dass folgende Arbeitshilfen bereitgestellt werden können: Checkliste für die Planung, Durchführung und Evaluation von Maßnahmen, Manuale und Leitfäden. Die Erfahrungen mit dem Vorgehen, Befunde und Arbeitshilfen werden vor dem Hintergrund der Evolutionären Theorie der Einsamkeit sowie dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell sowie hinsichtlich Disseminationspotential diskutiert.

Referenzen

[1] Lippke S, Smidt C. Verbunden statt einsam Wege zu mehr Resonanz mit sich und anderen. Jungfern Verlag; 2024.
[2]         Cacioppo JT, Cacioppo S. Chapter Three - Loneliness in the Modern Age: An Evolutionary Theory of Loneliness (ETL). In: Olson JM, Herausgeber. Academic Press; 2018. S. 127–97. (Advances in Experimental Social Psychology; Bd. 58). Verfügbar unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0065260118300145.
[3] Nuechterlein KH, Dawson ME. A Heuristic Vulnerability/Stress Model of Schizophrenic Episodes. Schizophr Bull. 1. Januar 1984;10(2):300–12.
[4]         Meyer B, Grobe TG, Bessel S. TK-Gesund­heits­re­port 2023 - Wie geht‘s Deutsch­lands Studie­ren­den? [Internet]. Hamburg: Techniker Krankenkasse; 2023 [zitiert 10. April 2025]. Available from: https://www.tk.de/resource/blob/2149886/e5bb2564c786aedb3979588fe64a8f39/2023-tk-gesundheitsreport-data.pdf.
[5]         Diabaté S, Frembs L, Kaiser T, Bujard M. FReDA - The German Family Demography Panel Study [Internet]. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung; 2024 [zitiert 10. April 2025]. Available from: https://www.bib.bund.de/Publikation/2024/pdf/Freda-Policy-Brief-Einsamkeit-im-juengeren-und-mittleren-Erwachsenenalter-angestiegen.pdf?__blob=publicationFile&v=3.
Frau Kathrin Poggel
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg,, Hamburg
#Symposium 60 #Studierendengesundheit #Prävention #Einsamkeit #ko-kreative Ansätze
5
Die psychische Gesundheit von Studierenden hat sich verschlechtert. Eine Reihe präventiver Angebote innerhalb der Hochschullandschaft wurden entwickelt, um diesen Trend aufzuhalten. Jedoch ist die Angebotslandschaft sehr unübersichtlich. Die Nutzung der präventiven Angebote von Studierenden ist teils überraschend gering. Zudem zeigen Studien, dass sich ein beachtlicher Teil der Betroffenen trotz psychischer Belastung keine Hilfe holt. Wie kann diese Lücke zwischen vorhandenen präventiven Maßnahmen und der tatsächlichen Nutzung überbrückt werden? Welche Ideen und Wünsche haben die Studierenden selbst? Welche Rolle nehmen hierbei die Dozierenden an den Hochschulen ein?

In einem Mixed Methods Ansatz wurden Studierende (n=66) zur psychischen Belastung und zum Hilfesuchverhalten befragt. Ergänzend fand eine Fokusgruppe zum Thema „Status Quo der Förderung psychischer Gesundheit an der Hochschule“ statt (n=5). Eine zweite schriftliche Erhebung mit Hochschulmitarbeitenden (n=216) untersuchte Haltungen zur Förderung der psychischen Gesundheit von Studierenden und der eigenen Rolle hierbei. Zudem wurden das Wissen um Hilfsmöglichkeiten und stigmatisierende Einstellungen (Self Stigma of Mental Illness Scale) erfasst.

Die Studierenden äußerten einen Wunsch nach Offenheit und Transparenz im Umgang mit psychischen Belastungen. Dozierende könnten hierbei eine Vorbildfunktion einnehmen. 47% der Befragten nahmen trotz psychischer Belastung keine Hilfen in Anspruch. Aus der Gruppe der Dozierenden sahen lediglich 11,3% ihre Position mit Aufgaben zur Förderung der psychischen Gesundheit von Studierenden verbunden. Etwa jede:r Zweite fühlte sich unsicher im Umgang mit Studierenden in der Krise und lediglich die Hälfte konnte Hilfsangebote nennen.

Studierende haben klare Vorstellungen, was Ihnen bei psychischer Belastung im Studium helfen kann. Jedoch nehmen sie aus unterschiedlichen Gründen (z.B.: Sorge um Stigmatisierung, Bagatellisieren vorhandener Probleme) zu spät oder zu selten Hilfe in Anspruch. Es fehlen u.a. geeignete Vorbilder in der Hochschullandschaft, die einen offenen Umgang mit dem Thema psychische Gesundheit an der Hochschule leben. Mögliche Vorbilder wie Dozierende sehen hier für sich kaum einen Auftrag. Zudem scheint ihr Wissen um Hilfsmöglichkeiten gering. Hochschulmitarbeitende und Dozierende sollten für das Thema und ihre potentielle Rolle sensibilisiert werden.

Frau Dr. Maria Koschig
Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig, Leipzig
#Symposium 60 #Studierendengesundheit #Studierendenpartizipation #mentale Belastung #Prävention
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
VS25
Praktische Sozialmedizin und Rehabilitation
Praktische Sozialmedizin und Rehabilitation
Raum: Seminarraum 521 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 34)
Beiträge:
1
Hintergrund
Die Reha-Therapiestandards (RTS) spielen eine wesentliche Rolle in der Qualitätssicherung der Rehabilitation der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Sie definieren inhaltliche Mindestvorgaben der medizinischen Rehabilitationsleistungen für bestimmte Rehabilitand:innengruppen. Die verschiedenen Evidenzbasierten Therapiemodule (ETM) setzen sich aus therapeutischen Leistungen gemäß der Klassifikation Therapeutischer Leistungen (KTL) zusammen.
Die RTS für Kinder und Jugendliche (Stand 2016 [1]) werden im Rahmen eines von der DRV Bund geförderten Projekts (Laufzeit 2023–2025) aktualisiert. Im Unterschied zu medizinischen Leitlinien verfolgt die DRV als Leistungsträger einen einrichtungsbezogenen Ansatz: Im Fokus steht die Versorgung aller Rehabilitand:innen, die einer bestimmten medizinischen Indikation in einer Reha-Einrichtung zugeordnet sind, nicht die individuelle Patientensituation [2].
Methode
Die Überarbeitung der RTS basiert auf einer Zusammenführung dreier unterschiedlicher Perspektiven:
Die erste Perspektive bildet eine indikationsbezogene Literatursynthese. Hier wird in der ersten Stufe nach internationalen Leitlinien gesucht, die Empfehlungen zur jeweiligen Indikation enthalten. Die zweite Stufe umfasst die Recherche nach relevanten Meta-Analysen und systematischen Reviews in internationalen, medizinischen Datenbanken. Bei unzureichenden Ergebnissen in einzelnen ETM, wird die Suche auf Originalarbeiten erweitert.
Als zweite Perspektive erfolgt eine Bewertung des Versorgungsgeschehens anhand von Leistungsdokumentationen (KTL-Analyse) der Rehabilitationseinrichtungen. Anhand des Erfüllungsgrads der RTS-Vorgaben durch die Rehabilitationseinrichtungen können mögliche Versorgungsunterschiede auf ETM-Ebene aufgedeckt und potentielle Anpassungsbedarfe identifiziert werden.
Als dritte Perspektive werden die Ergebnisse und offenen Fragen mit Expert:innen verschiedener Disziplinen der Reha-Praxis diskutiert. Dieser Austausch ermöglicht es, Praxiswissen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verknüpfen und die Anforderungen der einzelnen ETM entsprechend anzupassen.
Ergebnisse
Es konnten insgesamt 22 Leitlinien für Kinder und Jugendliche für die Indikationen Asthma, Adipositas und Neurodermitis sowie zu den Querschnittsthemen Transition und Bewegung einbezogen werden. Für die Indikation Asthma wurden 103 Empfehlungen aus Leitlinien und 55 Übersichtsarbeiten identifiziert, 130 Empfehlungen und 78 Übersichtsarbeiten für Adipositas und 165 Empfehlungen und 9 Übersichtsarbeiten konnten Neurodermitis zugeordnet werden.
Wesentliche geplante Neuerungen in den RTS für Kinder und Jugendliche sind die Verschiebung der Altersgrenzen sowie die Möglichkeit, dass Begleitpersonen an Therapien teilnehmen können und zur Erfüllung der Vorgaben beitragen. Bisher waren die RTS für Kinder und Jugendliche in zwei Gruppen unterteilt: ‚Kinder bis 7 Jahre‘ und ‚Kinder/Jugendliche ab 8 Jahren‘. Diese Trennung wurde im Aktualisierungsprozess neu bewertet, da mehrere Leitlinienempfehlungen die Bedeutung des Transitionsprozesses in der Adoleszenz betonen. Einen weiteren Grund stellten die Expert:innenmeinungen dar, die sich für eine Unterscheidung in begleiteter versus unbegleiteter Kinder/Jugendlicher aussprachen. Daraus abgeleitet wird eine neue Trennung in ‚Kinder bis 11 Jahre‘ und ‚Jugendliche ab 12 Jahren‘ vorgeschlagen, die indirekt auch einer Trennung nach begleitet und unbegleitet entspricht.
Diskussion
Die Literatursynthese hat erwartungsgemäß den Bedarf an Revisionen in den RTS von Kindern und Jugendlichen mit Asthma, Adipositas und Neurodermitis aufgezeigt. Die Abstimmung mit Fachleuten aus der Reha-Praxis führte zu weiterführenden Erkenntnissen. Die Empfehlungen aus den Leitlinien und den Übersichtsarbeiten sowie die Ergebnisse der KTL-Analyse bieten eine transparente Grundlage der identifizierten Änderungsvorschläge. Durch die Integration von Feedback aus der Praxis und von aktuellen Forschungsergebnissen kann sichergestellt werden, dass die RTS sowohl evidenzbasiert als auch für die Reha-Einrichtungen umsetzbar sind. Die finalen Entscheidungen werden innerhalb der DRV diskutiert und müssen von den zuständigen Gremien bestätigt werden.

Referenzen

[1] Deutsche
Rentenversicherung [DRV] (2016): Reha-Therapiestandards für Kinder und
Jugendliche mit Asthma bronchiale, Adipositas, Neurodermitis, Stand März 2016.
Broschüre, Selbstverlag. Download: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_reha_einrichtungen/quali_rehatherapiestandards/KiJu/rts_kinder_download.html (9.4.2025)
[2] Farin E, Wirth A, Quaschning K, Meyer T, Nowik D, Block I et al. (2018), Die
Aktualisierung der Reha-Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung. Die
Rehabilitation, 57 (1), 48–54. DOI: 10.1055/s-0043-124309
Herr Heiner Vogel
Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg
#Präsentation #Qualitätssicherung, Evidenzbasierung, Rehabilitationseinrichtungen
2

Hintergrund

Aufgrund einer häufig fehlenden Vorbereitung auf den rehabilitationsspezifischen, interprofessionellen Berufsalltag ist der Tätigkeitseinstieg in die medizinische Rehabilitation für die Angehörigen der verschiedenen Gesundheitsberufe oft mit besonderen Herausforderungen verbunden. Im INFORM-Projekt wurden daher der Fortbildungs- und Unterstützungsbedarf in Bezug auf rehabilitationsbezogene Kompetenzen sowie intra- und interprofessionelle Austauschmöglichkeiten von klinisch tätigen Mitarbeitenden in der medizinischen Rehabilitation eruiert.

Methode

Einem Mixed-Methods-Ansatz folgend, wurden die Bedarfe klinisch tätiger Reha-Mitarbeitenden zunächst explorativ im Rahmen von berufsspezifischen sowie berufsübergreifenden (Online-)Gruppendiskussionen (n=15) und Einzelinterviews (n=10) erhoben. Diese Erfahrungsberichte wurden um die Perspektiven von medizinischen und geschäftsführenden Klinikleitungen in Einzelinterviews (n=5) ergänzt. Die qualitativen Ergebnisse wurden anschließend mithilfe eines deutschlandweit über Rehabilitationskliniken, Berufsverbände und Fachgesellschaften verteilten Online-Surveys verifiziert und quantifiziert.

Ergebnisse

Die vollständig ausgefüllten Fragebögen von 431 klinisch tätigen Reha-Mitarbeitenden (71 % weiblich; Alter im Median (Spanne): 48 (21-71) Jahre) konnten für die Auswertung des Online-Surveys herangezogen werden. Insgesamt wünschten sich die Reha-Mitarbeitenden mehr einrichtungsübergreifenden fachspezifischen (89 %) und interprofessionellen Austausch (65 %) sowie klinikinterne gegenseitige Hospitationsmöglichkeiten (66 %). Ein Großteil der Reha-Mitarbeitenden zeigte Interesse an Online-Fortbildungen (79 %) und interprofessionellen Inhouse-Schulungen (77 %). Der inhaltliche Fortbildungsbedarf der Befragten war in erster Linie auf die fehlenden Lehrthemen während der Ausbildung bzw. des Studiums und den praktischen Anforderungen im Berufsalltag zurückzuführen. Hierzu zählten insbesondere Reha-spezifisches Fachwissen zu Krankheitsbildern sowie kommunikative Fähigkeiten im Umgang mit sowohl Patient:innen als auch Kolleg:innen und insofern auch die interprofessionelle Zusammenarbeit. Praxis- und anwendungsorientierte Angebote waren nicht für alle aber vor allem für Therapeut:innen im körpernahen Patientenkontakt interessant. Neben einer hohen Eigenmotivation (97 %) war für 81 % der Reha-Mitarbeitenden wichtig, dass die Angebote während der Arbeitszeit in Anspruch genommen werden könnten. Als förderlich für eine Angebotsnutzung wurde zudem durch einen Großteil der Reha-Mitarbeitenden die finanzielle Unterstützung durch den Arbeitgeber (88 %) und die Unterstützung der Inanspruchnahme der Angebote durch die Führungskräfte (86 %) gesehen. Demgegenüber stellten Zeitmangel und zu hohe Kosten, insbesondere für Präsenzveranstaltungen, die durch die Reha-Mitarbeitenden meistgenannten Hürden für verschiedene Fortbildungs- und Austauschmöglichkeiten dar.

Schlussfolgerung

Unter den Angehörigen der Gesundheitsberufe in der Rehabilitation besteht ein ausgeprägter Fortbildungsbedarf hinsichtlich rehabilitationsbezogener Themen und Kompetenzen, welche angesichts der diversen berufspraktischen Anforderungen in der medizinischen Rehabilitation sowohl fachspezifisch als auch interprofessionell angeboten werden sollten. Es braucht demnach vielfältige niedrigschwellige Angebote, um die diversen Bedarfe zu decken.
Frau Dr. Ulrike Haß
Professur für Rehabilitationsmedizin, Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Universität Potsdam, Potsdam
#Präsentation #medizinische Rehabilitation #Fort- und Weiterbildung #Austauschmöglichkeiten #interprofessionelle Zusammenarbeit #interprofessionelle Kompetenzen
3
Hintergrund
Mit dem Ziel das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu reduzieren fordert § 14 Absatz 3 SGB VI die Rentenversicherungsträger auf, eine berufsbezogene Gesundheitsvorsorgeuntersuchung für Versicherte ab 45 Jahren, den sog. Ü45-Check, in Modellprojekten zu erproben. Typischerweise laden die Rentenversicherungsträger Versicherte unabhängig vom Risiko einer Erwerbsminderungsrente (EMR) zum Ü45-Check ein, der je nach Modellprojekt zwischen 19 € und 275 € kostet. Die Gesamtevaluation geht unter anderem der Frage nach, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen (z. B. universelle oder selektive Prävention) die erprobten Vorgehensweisen des Ü45-Checks kosteneffektiv sind. Dies wäre der Fall, wenn die Kosten für den Ü45-Check und ggf. veranlasste Präventions- und Rehabilitationsleistungen im ersten Jahr nach der Einladung durch Einsparungen bei Ausgaben für EMR (Rentenzahlungen und entgangene Beiträge zur Rentenversicherung) in den fünf Jahren nach der Einladung zum Ü45-Check (über-) kompensiert würden.
Methode
Zur Beantwortung der Frage dient eine Kosten-Nutzen-Analyse pro Modellprojekt aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive mit folgendem Preisgerüst: (1) Preis des Ü45-Checks, (2) Preis pro Präventions- (1.800 €) und (3) Rehabilitationsleistung (4.000 €) sowie (4) die mittlere Höhe von EMR-Zahlungen und RV-Beiträgen [1]. Das Mengengerüst ergibt sich aus dem in den fünf evaluierten MP beobachtetem Antragsgeschehen im ersten Jahr nach der Einladung zum Ü45-Check, der mittleren beobachteten Antrittsquote (Prävention: 94,5%, Rehabilitation: 79,6%) [2] und einer Teilnahmequote von 75% [3]. Angenommen wurde ferner, dass der Ü45-Check als einmaliges Screening eines Jahrgangs von 45-jährigen RV-Versicherten (universell, n = 700.000 [4]) bzw. einer Subgruppe dieser Versicherten mit hohem Risiko für EMR (selektiv: Risikoindex EMR ≥ 60; 10% [5]) implementiert wird.

Ergebnisse
Unter Normalbedingungen, also ohne den Ü45-Check, fallen laut der Modellrechnung im universellen Ansatz pro Versichertenkohorte Kosten für EMR in Höhe von 808,6 Mio. € (selektiv: 404,3 Mio. €) an, die Kosten für Präventions- und Rehabilitationsleistungen liegen bei 52,9 bis 224,2 Mio. € (selektiv: 15,3 bis 49,6 Mio. €).
Unter den o.g. Annahmen betragen die zusätzlichen Kosten für den Ü45-Check und ggf. initiierte Präventions- und Rehabilitationsleistungen im ersten Jahr nach der Einladung pro Versichertenjahrgang je nach Modellprojekt zwischen 90,1 und 346,2 Mio. € im universellen und 10,4 bis 37,7 Mio. € im selektiven Ansatz. Der größte Anteil der zusätzlichen Kosten resultiert in den meisten Modellprojekten und in beiden Ansätzen aus zusätzlichen Rehabilitationsleistungen.
Um diese zusätzlichen Kosten mit Einsparungen von Ausgaben für EMR zu kompensieren, müsste der Ü45-Check die EMR-Inzidenz je nach Modellprojekt im universellen Ansatz zwischen 11,1% und 42,8% reduzieren, im selektiven Ansatz zwischen 2,6% und 9,3%.

Schlussfolgerung
Kosteneffektiv würde der Ü45-Check eher, wenn Personen mit hohem EMR-Risiko angesprochen würden. Bei einer optimistisch angenommenen Reduktion der EMR um 20% wären alle MPs im selektiven Ansatz kosteneffektiv, im universellen nur eines. Ein längerer Nachbeobachtungszeitraum ist für die genaue Einschätzung des Effekts des Ü45-Checks auf die EMR-Inzidenz und somit die Beurteilung der Kosteneffektivität des Ü45-Checks notwendig.

Referenzen

[1] Deutsche Rentenversicherung Bund. Rentenversicherung in Zahlen 2024. Berlin; 2024.
[2] Bitzer EM, Hambrecht A, Telenga S, Wiedemann R. Leistungsgeschehen nach der Einladung bzw. Teilnahme am Ü45-Check. Ergebnisse aus den randomisierten, kontrollierten Studien zur Gesamtevaluation der Modellprojekte. In: Deutsche Rentenversicherung Bund, editor. Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung; 18. bis 20. März 2025; Nürnberg. 2025. p. 97-99.
[3] Tillmanns H, Schillinger G, Dräther H. Inanspruchnahme von Früherkennungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung durch AOK-Versicherte im Erwachsenenalter: 2007 bis 2021. Berlin; 2022.
[4] Deutsche Rentenversicherung Bund. Versicherte 2022. Berlin; April 2024.
[5] Bethge M, Egner U, Streibelt M, Radoschewski FM, Spyra K. Risikoindex Erwerbsminderungsrente (RI-EMR). Eine prozessdatenbasierte Fall-Kontroll-Studie mit 8500 Männern und 8405 Frauen. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2011;54:1221-8. DOI: 10.1007/s00103-011-1366-2.
Frau Annika Hambrecht
Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg im Breisgau
#Präsentation #Ü45-Check #Berufsbezogene Gesundheitsvorsorge #Gesundheitsökonomische Evaluation
4

Hintergrund

In Modellprojekten erproben die Rentenversicherungsträger einen Ü45-Check (§ 14 Absatz 3 SGB VI), der sich an Versicherte ab 45 Jahren mit einem erhöhten Risiko für vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben richtet. Mit unterschiedlichem Untersuchungsumfang wird geprüft, ob Bedarf an Präventionsleistungen der DRV, Bedarf an Reha-Leistungen oder kein Bedarf besteht (1). Optimal ist der Ü45-Check, wenn v. a. Versicherte mit einem hohem Risiko für Erwerbsminderungsrente (EMR) mehr Anträge auf Präventions- oder Reha-Leistungen stellen und gleichzeitig der Anteil an Antragstellenden mit niedrigem Risiko für EMR relativ unverändert bleibt. Diese Studie untersucht die Auswirkungen der Einladung zum bzw. die Teilnahme am Ü45-Check auf die Beantragung von Leistungen der DRV in fünf Modellprojekten.

Methode

Das Studiendesign entspricht fünf randomisierten, kontrollierten Studien. Der jeweilige Rentenversicherungsträger zieht eine Stichprobe von Versicherten, die den modellspezifischen Einschlusskriterien entspricht, und lädt die selektierten Versicherten zufällig entweder zum Ü45-Check ein (Interventionsgruppe [IG]) oder teilt sie der Kontrollgruppe (KG) zu. Für alle ausgewählten Versicherten stehen DRV-Routinedaten (u. a. Risiko Index-EMR [RI-EMR], Angaben zum Leistungsgeschehen) sowie für die IG eine von den Rentenversicherungsträgern geführte Falldokumentation (u. a. Einladungsdatum, Teilnahme Ü45-Check) zur Verfügung. In die Analysen einbezogen sind alle Versicherte mit gültigem RI-EMR und einem Nachbeobachtungszeitraum von mind. 3 Monaten nach Einladung zum Ü45-Check. Deskriptive und inferenzstatistische (Chi2-Test) Auswertungen erfolgen nach dem Intention-to-Screen- (ITS; KG vs. IG) und dem Per-Protokoll-Ansatz (PP; KG vs. Personen, die den Ü45-Check wahrnehmen [TN]).

Ergebnisse

Es liegen Daten von 20.089 Personen in der IG (186 - 10.106 pro Modellprojekt) und 33.523 Personen in der KG (183 - 11.400 pro Modellprojekt) vor. Den Ü45-Check in Anspruch genommen haben in den typischen Modellprojekten zwischen 4,5 % und 20,6 % der IG.
Im konservativen ITS-Ansatz führt die Einladung zum Ü45-Check in allen Modellprojekten zu einem substanziellen Anstieg der beantragten Präventionsleistungen: In den IG ist der Anteil 1,9- bis 32,1-mal höher als in den KG (p < .001). Bei den beantragten Reha-Leistungen erhöht sich der Anteil in den IG um das 0,8- bis 2,5-fache im Vergleich zu den KG (p < .001). Diese Effekte sind bei Personen mit einem RI-EMR < 60 etwas stärker ausgeprägt als bei Personen mit einem hohen RI-EMR (≥ 60).
Beschränkt man die Betrachtung auf die TN im Vergleich zu den KG (PP-Ansatz), sind die Effekte (deutlich) ausgeprägter: Die Teilnahme am Ü45-Check führt zu einem bis zu 147-fachen Anstieg der Antragsrate für Präventionsleistungen (4,9 - 147,2) und zu einem bis zu 4-fachen Anstieg bei Rehabilitationsleistungen (1,5 - 4,1). Ausgehend von einem niedrigeren Niveau sind die Effekte bei Personen mit einem hohem RI-EMR (≥ 60) auf die beantragten Präventionsleistungen ausgeprägter, trotzdem stellen sie in drei der fünf Modellprojekte weniger Anträge auf Präventionsleistungen als Personen mit eine RI-EMR < 60. Effekte auf beantragte Reha-Leistungen sind dagegen stärker ausgeprägt bei Personen mit einem höchstens durchschnittlichen RI-EMR.

Diskussion

Der Ü45-Check führt zu einer deutlich erhöhten Nachfrage nach Präventions- und Reha-Leistungen im Vergleich zur Routineversorgung. Zielgerichtet Leistungen zur Prävention und Rehabilitation in erster Linie Versicherten mit einem hohen Risiko für EMR anzubieten, gelingt nur bedingt.

Referenzen

[1]    Bitzer EM, Flaig S. Vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben frühzeitig erkennen. Public Health Forum 2020; 28(2):103–6. DOI: 10.1515/pubhef-2020-0004 .
Frau Simone Telenga
Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg im Breisgau
#Präsentation #Ü45-Check #Berufsbezogene Gesundheitsvorsorge #Effekte auf die Beantragung von DRV-Leistungen #Gesamtevaluation der Modellprojekte #randomisiert-kontrollierte Studien
5
Hintergrund
Mit dem Ziel das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu reduzieren fordert § 14 Absatz 3 SGB VI die Rentenversicherungsträger (RV-Träger) auf, eine berufsbezogene Gesundheitsvorsorgeuntersuchung für Versicherte ab 45 Jahren, den sog. Ü45-Check, in Modellprojekten zu erproben. Typischerweise vereinbaren die vom RV-Träger eingeladenen Versicherten einen Termin in einer Untersuchungsstelle (z.B. ambulante Reha-Kliniken), in der dann über Fragebögen, körperliche Untersuchungen und Gespräche Leistungsbedarf identifiziert wird [1]. Wir berichten hier aus der Gesamtevaluation der Modellprojekte zu den Fragen, welche Versicherten den Ü45-Check wahrnehmen und ob Versicherte mit hohem Risiko für den Eintritt in Erwerbsminderungsrente erreicht werden. Zur Beantwortung dieser Fragen dienen fünf randomisierte, kontrollierte Studien unter Nutzung von Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung (DRV).

Methoden
Die RV-Träger der fünf betrachteten Modellprojekte zogen eine Zufallsstichprobe von Versicherten, die den modellprojektspezifischen Einschlusskriterien entsprechen (z.B. 45-53 Jahre alt, aktive Versicherung beim RV-Träger) und teilten diese zufällig 1:1 der Interventionsgruppe (IG), die eine Einladung zum Ü45-Check erhielten, oder der Kontrollgruppe (KG) zu. Für alle gezogenen Versicherten stehen Routinedaten der DRV bis 12/2022 (u.a. Alter, Geschlecht, Bildung, Risiko-Index Erwerbsminderung [RI-EMR, 2]) sowie für die IG eine von den RV-Trägern geführte Falldokumentation (u.a. Einladungsdatum, Angaben zur Teilnahme am Ü45-Check) zur Verfügung. Die Auswertung erfolgte nach dem Intention-to-Screen-Ansatz (IG vs. KG) und dem Per-Protokoll-Ansatz (PP; Personen, die den Ü45-Check wahrnehmen [TN] vs. KG).
Von den Analysen ausgeschlossen wurden Versicherte, die weniger als drei Monate nachbeobachtet werden konnten (Einladung nach dem 30.09.2022), zu denen kein RI-EMR vorliegt und, die einen Leistungsantrag zwischen Einladung und Teilnahme am Ü45-Check gestellt haben. Die Versicherten der KG erhielten zufällig eines der eingeschlossenen Einladungsdaten der IG ihres Modellprojekts.

Ergebnisse
Insgesamt liegen uns Daten von n=20.089 Personen in der IG (zwischen 186 und 10.106 pro Modellprojekt) und n=33.523 Personen in der KG (183 bis 11.400 pro Modellprojekt) vor.
IG und KG unterscheiden sich innerhalb der Modellprojekte nicht substanziell in Bezug auf zentrale soziodemografische Merkmale wie Geschlecht (z.B. Anteil weiblich in MP3: 47,7% in IG und KG) und Bildungsgrad (z.B. Anteil mit Abitur in MP1: 16,1% in IG und 13,7% in KG) und auch der Anteil an Personen mit hohem RI-EMR (≥ 60 Punkten) ist vergleichbar (z.B. MP4: 32,9% IG, 34,4% KG). Zwischen den Modellprojekten zeigen sich deutliche Unterschiede, z.B. in Bezug auf den Anteil an Versicherten mit hohem RI-EMR (6,0% bis 34,4%), mit Abitur (13,7% bis 65,8%) oder an Frauen (25,3% bis 64,5%).
Zwischen TN und KG bestehen in allen Modellprojekten inhaltlich bedeutsame, statistisch signifikante Unterschiede in mindestens einem der untersuchten soziodemografischen Merkmale: TN sind häufiger weiblich (z.B. MP3: 55,8%), haben häufiger ein abgeschlossenes Abitur (z.B. MP1: 27,8%) und seltener einen hohen RI-EMR (z.B. MP4: 25,4%) als Versicherte der KG.

Schlussfolgerung
Innerhalb der Modellprojekte sind Versicherte der IG und KG gut vergleichbar. Die zwischen den Modellprojekten bestehenden Unterschiede reflektieren Spezifika der Träger und der Modellprojekte. Selektionseffekte werden im PP ersichtlich: Versicherte, die am Ü45-Check teilnehmen, sind vor allem Frauen, Personen mit abgeschlossenem Abitur und Personen mit einem im Vergleich zur KG geringeren Risiko vorzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden.

Referenzen

[1] Bitzer EM, Flaig S. Vorzeitiges
Ausscheiden aus dem Erwerbsleben frühzeitig erkennen. Public Health Forum. 2020;28(2):103-6. DOI: 10.1515/pubhef-2020-0004.
[2] Bethge M, Spanier K, Streibelt M. Using Administrative Data to Assess the Risk of
Permanent Work Disability: A Cohort Study. Journal of Occupational Rehabilitation. 2021;31(2):376-82. DOI: 10.1007/s10926-020-09926-7.
Frau Annika Hambrecht
Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg im Breisgau
#Präsentation #Ü45-Check #Berufsbezogene Gesundheitsvorsorge #Selektionsmechanismen #randomisiert-kontrollierte Studien #Gesamtevaluation der Modellprojekte
Fr
19 Sep
09:00 - 13:00
SYM21
Soziale Gesundheit im Wandel – Krankenhausreform, KI & Co.
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), liebe Interessierte,
 
wir laden Sie herzlich im Namen des Medizinischen Dienstes Berlin-Brandenburg zur Diskussionsrunde innerhalb der 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) ein. Diese wird unter dem Motto „Soziale Gesundheit im Wandel – Krankenhausreform, KI & Co.“ stehen und soll die aktuellen sozialmedizinischen Herausforderungen unseres Gesundheitssystems in den Blick nehmen.
 
Die Krankenhausreform steht im Mittelpunkt vieler Diskussionen und bringt tiefgreifende Veränderungen mit sich. Ziel ist es, die Qualität der stationären Versorgung zu verbessern und gleichzeitig die wirtschaftliche Stabilität der Krankenhäuser zu sichern. Dies erfordert eine Neuausrichtung der Krankenhauslandschaft, die Einführung sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen und eine grundlegende Reform der Finanzierungsstrukturen. Wie können wir sicherstellen, dass diese Reformen erfolgreich umgesetzt werden und die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf höchstem Niveau bleibt?
 
Gleichzeitig erleben wir einen rasanten Fortschritt in der Medizin und Pflege. Die Digitalisierung, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Robotik eröffnen neue Möglichkeiten, stellen uns aber auch vor große Herausforderungen. Wie können wir diese Technologien sinnvoll integrieren, um die Versorgungsqualität zu verbessern und gleichzeitig die menschliche Komponente in der Pflege und Behandlung zu bewahren?
 
Diese und weitere Fragen möchten wir mit Ihnen diskutieren. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitswesen wollen wir Wege finden, wie wir die sozialen und medizinischen Herausforderungen unserer Zeit meistern können.
 
Moderation: Dr. Ernst Seiffert, Leitender Arzt, Medizinischer Berlin Brandenburg
 
(09:00 -11:00)
Veränderungen im Gesundheitswesen – Was kommt auf uns zu?  (Prof. R. Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Fakultät Wirtschaft und Management der Technischen Universität Berlin)

Versorgungsqualität der Zukunft – Was können die Versicherten erwarten? (N.N.)

Krankenhausreform - Welchen Beitrag kann und soll der Medizinische Dienst leisten? (Dr. Birgit Heukrodt, Geschäftsbereichsleiterin Geschäftsbereich Medizin, Medizinischer Berlin Brandenburg)
 
(11:30 – 13:00)
Digitale Gesundheitskompetenz - Der Schlüssel zur modernen Gesundheitsversorgung? (Prof. Kevin Dadaczynski, Professor für Gesundheitserziehung im Sport im Department für Sport- und Gesundheitswissenschaften der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam)

KI in der Sozialmedizin – Was ist schon möglich? (Dr. Lars Töpfer, stellvertretender Leiter der Stabsstelle Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement, Medizinischer Dienst Berlin Brandenburg)

Kritische Betrachtung des KI-Einsatzes in der Medizin – Von Algorithmen zu Ärzten? (Dr. biol. hum. Dipl.-Inform. Rainer Kaluscha, Stellvertretender Leiter, Geschäftsführer des Instituts für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm)
Raum: Seminarraum 523 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
VS26
Digitale Gesundheitsprogramme
Digitale Gesundheitsprogramme
Raum: Hörsaal 4, Forum 4 (Standort: Forum 4, Anzahl der Plätze: 96)
Beiträge:
1

Hintergrund

Das Sozial- und Gesundheitswesen steht unter enormem Transformationsdruck. Fachkräftemangel, demographische Veränderungen und steigende Anforderungen an die Versorgung führen dazu, dass Einrichtungen versuchen, Prozesse effizienter zu gestalten, um die Versorgungsqualität zu sichern. Digitalisierung wird dabei als ein zentraler Ansatzpunkt gesehen. Während der Handlungsdruck zur Einführung digitaler Technologien groß ist, ist fraglich, inwieweit die Digitalisierung unter Einbezug der Mitarbeitenden in Anbetracht der fehlenden zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen gestaltet werden kann. Die Interviewstudie soll dieses Spannungsfeld untersuchen und die Frage klären, wie Digitalisierungsprojekte im Sozial- und Gesundheitswesen unter der Bedingung knapper Ressourcen gestaltet werden und welche Rolle die Mitarbeiterpartizipation dabei spielt.

Methode

Dazu wurden 6 leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt und Personen, die an Digitalisierungsprojekten in Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens beteiligt waren, befragt. Die Interviewpartner verfügten über umfassende praktische Erfahrung in der Planung, Umsetzung und Begleitung von Digitalisierungsprojekten. Die Rekrutierung der Teilnehmenden erfolgte über Praxispartner des Forschungsprojekts KompIGA. Die Interviews wurden transkribiert und gemäß der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet.

Ergebnisse

Die Auswertung zeigt, dass in vielen Fällen nicht die Frage gestellt wird, „ob“ digitalisiert wird, sondern lediglich „wie schnell“ und „in welchem Umfang“ dies umsetzbar ist. Die Dringlichkeit, digitale Lösungen einzuführen, wird von allen Befragten als alternativlos („Das ist kein nice-to-have, sondern ein must-have.“) beschrieben. Die angespannte Situation im Sozial- und Gesundheitswesen führt jedoch dazu, dass eine aktive Partizipation nur stark eingeschränkt möglich ist. Es fehlen Zeitfenster und personelle Ressourcen, um Mitarbeitende in die Entwicklung und Einführung digitaler Anwendungen einzubinden.

Als Hindernisse für eine erfolgreiche Einführung von Digitalisierungsprojekten gelten vor allem fehlende finanzielle sowie personelle Ressourcen – letztere insbesondere bei der Partizipation von Mitarbeitenden. Technische Probleme, wie eine unzureichende Benutzerfreundlichkeit (Usability) neuer Technologien, werden nur selten genannt. Übergreifend wird ein Desinteresse der Mitarbeitenden an technischen Themen genannt – und gleichzeitig eine hohe Affinität zu direkter zwischenmenschlicher Arbeit („[D]ie Menschen haben den Job gewählt, um mit Menschen zu arbeiten und nicht, um am Computer zu hocken“). Organisatorische Herausforderungen, wie unklare Zuständigkeiten oder fehlende Verantwortlichkeiten, werden ebenfalls als hinderlich beschrieben.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, nennen die Teilnehmenden verschiedene Lösungsstrategien. Zentrale Empfehlung ist ein partizipatives Vorgehen. Zudem soll eine transparente Kommunikation konkreter Vorteile neuer digitaler Anwendungen aufzeigen. Systematische Change-Management-Prozesse werden als entscheidend erachtet, um nachhaltige Lösungen mit hoher Akzeptanz zu implementieren.

Diskussion

Eine wesentliche Limitation der vorliegenden Erhebung liegt in der geringen Stichprobengröße, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränkt. Eine Erweiterung der Studie könnte hier belastbarere Erkenntnisse liefern.

Digitalisierungsprojekte im Sozial- und Gesundheitswesen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen „hoher Dringlichkeit“ und „begrenzten Ressourcen“. Eine echte Partizipation von Mitarbeitenden wird als essenziell, aber nur schwer umsetzbar beschrieben. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass ohne gezielte Einbindung der Endanwender das Risiko besteht, am tatsächlichen Bedarf vorbeizuplanen. Technische Herausforderungen werden zwar wahrgenommen, gelten jedoch als weniger gravierend als strukturelle Hindernisse. Besonders der Ressourcenmangel wird von den Befragten als zentrales Problem beschrieben, denn er behindert die aktive Partizipation.
Zukünftige Digitalisierungsprojekte sollten daher verstärkt auf eine systematische Ressourcenplanung sowie gezieltes Change-Management setzen, um Beteiligungsprozesse realistisch zu ermöglichen. Partizipative Ansätze bleiben ein entscheidender Erfolgsfaktor für die nachhaltige Akzeptanz digitaler Innovationen im Sozial- und Gesundheitswesen.

Frau Miriam Kappe
Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm, Neu-Ulm
#Präsentation #Digitalisierung #Partizipation
2

Hintergrund

Etwa ein Fünftel der Erwachsenen in Deutschland haben Adipositas und haben damit ein deutlich höheres Risiko, komorbide depressive Symptome zu entwickeln. Digitale Unterstützungsangebote bieten ein hohes Potential als ergänzende Präventions- und Behandlungsoption. Voraussetzung für ihre Wirksamkeit und eine erfolgreiche Implementierung in die Versorgung ist ihre Akzeptanz, welche durch die Einbindung der Zielgruppe von Beginn an erhöht werden kann. In dieser Studie sollte die Akzeptanz eines Online-Programms durch Betroffene und Behandelnde untersucht werden, das von Anfang an unter Beteiligung der Zielgruppe entwickelt wurde und auf die Verbesserung der psychischen Gesundheit von Menschen mit Adipositas abzielt. Welche Gelingensfaktoren, Barrieren und Implementierungswege werden identifiziert? Welche Anpassungen können vorgenommen werden, um die Akzeptanz des Online-Programms weiter zu erhöhen?

Methode

Präsentiert werden Ergebnisse einer Untersuchung der Akzeptanz auf Basis des Unified Theory of Acceptance and Use of Technology-Modells. Es wurden zwei leitfadengestützte Fokusgruppen (n=10 Betroffene, n=9 Expert:innen der Gesundheitsversorgung) durchgeführt, welche mittels Audioaufzeichnung festgehalten, vollständig transkribiert und inhaltsanalytisch induktiv-deduktiv nach Mayring und Fenzl (2019) unter Nutzung der Software MAXQDA 24 ausgewertet wurden.

Ergebnisse

Sowohl die Betroffenenfokusgruppe (n=10 Frauen, mittleres Alter: 42,0 Jahre, mittlerer BMI von 37,4), als auch die Expert:innenfokusgruppe (n=9 Frauen, mittleres Alter: 38,9 Jahre, mittlere Berufserfahrung: 13,2 Jahre) zeigten große Akzeptanz gegenüber der Nutzung des neu entwickelten Online-Programms. Es sei intuitiv bedienbar und ansprechend gestaltet. Die behandelten Themen (z.B. Aktivitätenaufbau, Körperbild) seien vielfältig, relevant und umfassend. Besonders wichtig waren für Betroffene die flexible Nutzung von Modulen. Expert:innen äußerten den Wunsch nach einer einfachen Einsetzbarkeit im Behandlungskontext ohne viele Hürden. Als Gelingensfaktoren wurden in beiden Gruppen die Anpassbarkeit an visuelle Beeinträchtigungen durch Kontrast- und Größenveränderung sowie eine Vorlesefunktion identifiziert. Potentielle Barrieren stellten unzureichende Pausen bei der Nutzung dar (Überforderung). Adaptiert wurde dies durch entsprechende Hinweise für Erholungszeiten während der Programmnutzung. Eine erfolgreiche Implementierung in die Versorgung sollte kostenfrei, multimodal und alltagsnah gestaltet sein.

Diskussion

Es gibt einen Bedarf an niedrigschwellig zugänglichen digitalen Unterstützungsangeboten zur Verbesserung der psychischen Gesundheit bei Menschen mit Adipositas. Der Einbezug von sowohl Betroffenen als auch Expert:innen aus dem Versorgungssystem in die Entwicklung derartiger Angebote ist ein wichtiger Baustein, um eine hohe Akzeptanz für deren Nutzung zu erzielen und deren erfolgreiche Implementierung in die Praxis zu erreichen. Entsprechende Gelingensfaktoren sowie Barrieren müssen dabei berücksichtigt werden. Das Online-Programm wird bei belegter Wirksamkeit kostenfrei für den deutschsprachigen Raum zur Verfügung gestellt.
Frau Katja Schladitz
Medizinische Fakultät, Universität Leipzig, Leipzig
#Präsentation #E-Mental Health #Selbsthilfe-Online-Programm #Adipositas #internet- und mobilbasierte Interventionen (IMI)
3
Hintergrund: Mit steigenden Überlebensraten nach einer Krebserkrankung wächst die Zahl der Langzeitüberlebenden, die mit physischen, psychischen und sozialen Spätfolgen der Erkrankung oder Therapie konfrontiert sind. Trotz zahlreicher Unterstützungsangebote fehlt es an gezielten Maßnahmen zur Förderung der allgemeinen Gesundheitskompetenz (Health Literacy) und des Selbstmanagements. Besonders mangelt es an digital verfügbaren, diversitätssensiblen Lösungen, die den spezifischen Bedürfnissen dieser heterogenen Zielgruppe gerecht werden. Um diese Lücke zu schließen, wird im Rahmen des HeLiS-Projekts ein innovatives digitales Angebot entwickelt und evaluiert.

Methode: Das Projekt nutzt ein partizipatives Mixed-Methods-Design. In einer systematischen Analyse werden zunächst bestehende digitale Angebote identifiziert und hinsichtlich ihrer Funktionalität und Diversitätssensibilität durch Projektmitarbeitende und Co-Forschende bewertet. Ergänzend finden 3 Fokusgruppen mit je 5-8 Langzeitüberlebenden statt, um Bedarfe und Präferenzen für die Gestaltung des digitalen Angebots zu erfassen. Basierend auf diesen Erkenntnissen wird partizipativ mit Betroffenen, Wissenschaftler:innen, Vertreter:innen der Selbsthilfe und mithilfe eines Softwareunternehmens ein Prototyp entwickelt und in kognitiven Einzelinterviews (n = 20) pilotiert. Die finale Version des Angebots wird im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie (n = 800) evaluiert, wobei primär die Gesundheitskompetenz gemessen wird. Sekundäre Outcomes umfassen Selbstwirksamkeit, gesundheitsbezogene Lebensqualität und wahrgenommene Belastungen. Ergänzend werden qualitative Einzelinterviews zur Akzeptanz und Nutzungserfahrung durchgeführt.

Ergebnisse: Es wird erwartet, dass das digitale Angebot die allgemeine Gesundheitskompetenz der Nutzer:innen in der Interventionsgruppe signifikant verbessert. Darüber hinaus wird angenommen, dass sich positive Effekte auf die Selbstwirksamkeit, die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die wahrgenommene Belastung zeigen. Adaptive Learning soll eine bedarfsgerechte Individualisierung der Inhalte ermöglichen, wodurch die Relevanz und Akzeptanz des Angebots erhöht werden. Erwartet wird, dass das Angebot als verständlich, niedrigschwellig und alltagsnah wahrgenommen wird. Durch einen Entertainment-Education-Ansatz soll die Informations- und Kompetenzvermittlung mit Unterhaltungskomponenten gewinnbringend verknüpft werden, sodass die Selbstmanagementfähigkeiten der Betroffenen gezielt gestärkt werden können. Die detaillierten Ergebnisse der randomisierten Studie und deren Implikationen für die Versorgungsforschung werden im weiteren Projektverlauf erhoben.

Diskussion: Das HeLiS-Projekt stellt einen innovativen Ansatz zur digitalen Unterstützung von Langzeitüberlebenden nach Krebs dar. Durch die konsequente Einbindung der Zielgruppe wird eine bedarfsgerechte und praxisnahe Gestaltung des Angebots sichergestellt. Die Kombination aus partizipativer Entwicklung, diversitätssensibler Gestaltung und wissenschaftlich fundierter Evaluation trägt zur Evidenzbasierung digitaler Interventionen bei. Die Ergebnisse lassen wichtige Impulse für die Weiterentwicklung digitaler Versorgungsmodelle und deren nachhaltige Implementierung in die gesundheitliche Regelversorgung erwarten.
Frau Kübra Annac
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit (Department für Humanmedizin), Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Witten
#Präsentation #Langzeitüberlebende nach Krebs #Gesundheitskompetenz #Selbstmanagement #Partizipative Gesundheitsforschung #Mixed-Methods
4
Hintergrund: Jährlich erkranken etwa 4600 Frauen neu an Gebärmutterhalskrebs, ca. 1600 Frauen versterben daran (Stand 2020) [1]. Dabei können wirksame Vorsorgemaßnahmen wie der Papanicolaou-Test (auch Pap-Abstrich genannt) die Inzidenz der Erkrankung um 60-90% und die Sterblichkeit um bis zu 90% verringern [2]. Analysen zur Inanspruchnahme von Gebärmutterhalskrebs-Vorsorgeangeboten zeigen, dass deutliche Disparitäten in der Inanspruchnahme zwischen verschiedenen Gruppen bestehen [3, 4]. Junge Frauen mit türkischer Migrationsgeschichte weisen in diesem Kontext besonders niedrige Inanspruchnahmequoten auf [5]. An dieser Stelle setzt das Projekt SIFEMi an, welches Social Media als innovativen Zugangsweg nutzt, um eine informierte Entscheidung zur Gebärmutterhalskrebsvorsorge bei Frauen mit türkischer Migrationsgeschichte zu fördern.

Methode: Im Projekt wird ein mehrstufiger Mixed-Methods-Ansatz eingesetzt. Dabei wird partizipativ vorgegangen, indem sechs junge Frauen mit türkischer Migrationsgeschichte als Co-Forschende im Projekt mitwirken. Darüber hinaus ist eine Instagram-Influencerin mit mindestens 20.000 Followerinnen und Followern und eigener türkischer Migrationsgeschichte sowohl an der Entwicklung als auch an der Pilotierung der Kampagne über Social Media beteiligt. Um Inhalte für die Kampagne zu identifizieren, wird zunächst ein Scoping Review bestehender Informationsmaterialien durchgeführt. In einem anschließenden Diskussionszirkel mit den sechs co-forschenden Frauen wird die Eignung der identifizierten Materialien für die Kampagne diskutiert. Außerdem werden in diesem Rahmen Informationsbedarfe und Unterstützungswünsche ermittelt. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für die Erarbeitung des Kampagnenkonzepts. Diese findet ebenfalls partizipativ gemeinsam mit den Co-Forschenden und der Influencerin in zwei Workshops statt. Die Kampagne wird final über das Instagram-Profil der Influencerin pilotiert. Die Evaluation erfolgt über ein systematisches Monitoring der Interaktionen mit der Kampagne sowie durch ein ergänzendes qualitatives Interview mit der Influencerin.

Ergebnisse: Es wird erwartet, dass die partizipativ entwickelte Social Media-Kampagne die informierte Entscheidung zur Gebärmutterhalskrebsvorsorge bei jungen Frauen mit türkischer Migrationsgeschichte fördern kann. Konkret wird dabei die informierte Entscheidung durch die Kampagne über die Beeinflussung der Teildimensionen Wissen, Einstellung und Inanspruchnahme von Angeboten der Gebärmutterhalskrebsvorsorge gefördert.
Insbesondere der Zugang über Social Media sowie das Mitwirken einer Influencerin tragen zur Wirksamkeit der Kampagne bei, da angenommen wird, dass eine als vertrauensvoll und nah empfundene Influencer-Follower-Beziehung eine informierte Entscheidung in diesem Kontext fördern kann.

Diskussion: Das Projekt SIFEMi nutzt Social Media als innovativen Zugangsweg zur Förderung der informierten Entscheidung bei einer Zielgruppe, die das Gebärmutterhalskrebsscreening bisher vergleichsweise selten nutzt. Durch die partizipative Erarbeitung der gesamten Kampagne wird diese sowohl inhaltlich als auch gestalterisch bestmöglich auf die Bedürfnisse und Präferenzen der Zielgruppe abgestimmt. Das Projekt bietet exemplarisch an Instagram einen wertvollen Einblick in die Nutzung von Social Media als Instrument zur Förderung einer informierten Entscheidung und kann Informationen für weitere Gesundheitsförderungsmaßnahmen im Setting Social Media liefern.

Referenzen

[1] Barnes B, Buttmann-Schweiger N, Dahm S, Franke M, Schönfeld I, Kraywinkel K, et al. Ergebnisse nach ICD-10. Krebs in Deutschland. 2023 Dec 07;14(3):16-135. German.
[2] Rebolj M, Rimmer J, Denton K, Tidy J, Mathews C, Ellis K, et al. Primary cervical screening with high risk human papillomavirus testing: observational study. BMJ. 6. Februar 2019;l240.
[3] Schmuker C, Zok K. Informierte Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen: Ergebnisse einer Befragung unter GKV-Versicherten. In: Schmuker C, Günster C, Klauber J, Robra BP, Schmacke N. Versorgungs-Report Früherkennung. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2019. p. 31–48. German.
[4] Brzoska P, Aksakal T, Yilmaz-Aslan Y. Utilization of cervical cancer screening among migrants and non-migrants in Germany: results from a large-scale population survey. BMC Public Health. 2020 Jan 6;20(1):5.
[5] Brzoska P, Wahidie D, Yilmaz-Aslan Y. An Intersectional Perspective on the Utilization of Cervical Cancer Screening among Migrants. A Cross-Sectional Analysis of Survey Data from Austria. Cancers. 2021 Dec 2;13(23):6082.
Frau Anna Audia
Universität Witten/Herdecke, Witten
#Präsentation #Gebärmutterhalskrebsvorsorge #Migrationsgeschichte #Social Media #Partizipative Forschung #Mixed-Methods
5
Empfundene Einsamkeit gilt als zentraler Risikofaktor für die Verschärfung psychischer Belastungen wie Angstzustände und depressive Verstimmungen, insbesondere bei Menschen mit psychischen Erkrankungen (1). Häufig steht sie in engem Zusammenhang mit sozialer Isolation und einem Mangel an stabilen zwischenmenschlichen Kontakten. Digitale Anwendungen bieten hier potenziell neue Wege zur Förderung sozialer Verbundenheit und zur Herstellung von Nähe über Distanz. Gerade für Personen, die unter psychischen Belastungen leiden, erweisen sich etablierte Social Media-Plattformen jedoch als ambivalent: Einerseits ermöglichen sie soziale Verbundenheit, andererseits können sie sich aufgrund ihrer spezifischen Funktionsmechanismen nachteilig auf diese vulnerable Nutzer*innengruppe auswirken – etwa durch soziale Vergleiche und eine daraus resultierende negative Selbstwahrnehmung (2).

Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekt DepriBuddy. Design-Thinking-basierte Modellierung medialisierter Nähe und App-Entwicklung für ein Selbsthilfenetzwerk wird partizipativ eine App entwickelt, für und mit Menschen, denen es schwerfällt, aktiv Kontakte zu suchen und zu pflegen. Im Zentrum des auf der Design-Thinking-Methode basierenden Entwicklungsprozesses steht dabei die kontinuierliche, partizipative Einbindung der Zielgruppe in alle Phasen der Appentstehung – von der initialen Bedarfsanalyse über die Konzeption bis hin zur Evaluation. Hierzu wurde ein Patient and Public Involvement Board (PPI Board) eingerichtet, bestehend aus einer Gruppe aus fünf Teilnehmenden, welches sich im zweimonatigen Rhythmus trifft, um partizipativ an der App-Gestaltung mitzuwirken. Das PPI Board beteiligt sich gestalterisch an der App-Entwicklung durch Co-Design (z. B. Konzeptionelle Arbeit, Austesten potenzieller App-Inhalte wie z. B. Virtual-Reality-Spaziergänge), der Forschung (z. B. Diskussion von Outcomes und Messinstrumenten) und erhält laufend Einblicke in aktuelle Forschungsergebnisse. Parallel zur Zusammenarbeit mit dem PPI Board werden gemeinsam mit der Zielgruppe in virtueller Form geplante App-Bestandteile wie Online-Veranstaltungen oder die gemeinsame Bewältigung von Herausforderungen im Alltag (Selbsthilfe) getestet und fortlaufend evaluiert.

Die im Rahmen eines Design-Thinking- und Mixed-Methods-Ansatzes durchgeführten Erhebungen – bestehend aus Fokusgruppen, Fragebogenerhebungen und Workshops – identifizieren Aspekte von Nähe und sozialer Eingebundenheit, die insbesondere bei Personen mit psychischen Beschwerden, vorrangig depressiver Symptomatik, als besonders relevant und stärkungsbedürftig erscheinen. Zugleich liefert sie Hinweise auf potenzielle technische Umsetzungsmöglichkeiten, welche zur gezielten Förderung dieser Bedürfnisse zielgruppenspezifisch konzipiert und sensibel implementiert werden müssen.

Darüber hinaus offenbaren sich im partizipativen Design-Thinking-Prozess der App-Entwicklung auch Herausforderungen etwa im Spannungsfeld zwischen Rahmenbedingungen und der technischen Programmierung der App. Die Chancen sowie die Herausforderungen sollen im Beitrag kritisch reflektiert werden – durch aktive Mitwirkungder Perspektive der PPI Teilnehmenden und der Software-Entwickler*innen.

Referenzen

[1] Brown V, Morgan T, Fralick A. Isolation and mental health: thinking outside the box. General Psychiatry. 2021;34:e100461.
[2] Anaraky RG, Freeman G, Aragón OR, Knijnenburg BP, Tallapragada M. The Dark Side of Social Media: What Makes Some Users More Vulnerable Than Others? In: CSCW '19 Companion: Companion Publication of the 2019 Conference on Computer Supported Cooperative Work and Social Computing; 2019 Nov 9-13; Austin, TX, USA. Baltimore: ACM; 2019. p. 185-89.
Frau Sarah Wörner
Universität Greifswald, Institut für Psychologie, Lehrstuhl für Gesundheit und Prävention, Greifswald
Frau Franziska Siewert
Universität Greifswald, Institut für Psychologie, Lehrstuhl für Gesundheit und Prävention, Greifswald
#Präsentation #Design Thinking #user-centered design #Co-Design #Social Media-Plattformen #Psychische Erkrankungen
Fr
19 Sep
09:00 - 10:00
VS23
Gesundheitsförderung und Prävention - Lebenswelten Kommune und Nachbarschaft
Gesundheitsförderung und Prävention - Lebenswelten Kommune und Nachbarschaft
Raum: Hörsaal 6, Mittelallee 10 (Standort: Mittelallee 10, Anzahl der Plätze: 240)
Beiträge:
1
Hintergrund
Vor allem in städtischen Räumen kann Einsamkeit oder mangelnde soziale Teilhabe unter älteren Menschen zunehmend zum Problem werden. Ein starker nachbarschaftlicher Zusammenhalt kann sich positiv auf die psychische Gesundheit auswirken und das Risiko für Einsamkeit [1] oder Depression [2] verringern.

Fragestellung
Ziel der Analyse war zu verstehen, wie ausgeprägt das subjektive Zugehörigkeitsgefühl älterer Menschen zur Nachbarschaft ist und welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen.

Methoden
Im Rahmen einer Befragung wurden insgesamt 557 zufällig ausgewählte Personen im Alter ab 65 Jahren im Zeitraum von Dezember 2023 bis Juni 2025 in drei Berliner Stadtteilen (Marzahn-Hellersdorf, Reinickendorf und Spandau) per Hausbesuch interviewt. Dabei wurde unter anderem die subjektive Wahrnehmung der Nachbarschaftszugehörigkeit erfasst, sowie verschiedene Faktoren wie Gesundheitszustand, soziales Umfeld, Nachbarschaft und sozioökonomische Angaben. Mittels logistischer Regression wurde der Zusammenhang zwischen der subjektiven Nachbarschaftszugehörigkeit und verschiedenen potenziellen Einflussfaktoren (Alter, Geschlecht, Bezirk, ausreichendes Einkommen, Muttersprache Deutsch, körperliche Einschränkungen (Gali Score), Alleinleben und problemlose Bewegung zu Fuß durch die Nachbarschaft) geschätzt. Ergebnisse wurden als Odds Ratios (OR) mit 95% Konfidenzintervallen (KI) berichtet.

Ergebnisse
An der Befragung nahmen 557 Personen im Alter zwischen 65 und 96 Jahren teil. 62,8% waren weiblich und 49 % lebten allein. Die meisten Teilnehmenden (39,6%) lebten in Marzahn-Hellersdorf, gefolgt von Spandau (31,1%) und Reinickendorf (29,3%). Deutsch war für 93,9% Muttersprache. Insgesamt gaben 92% an genügend Einkommen zu haben, um Ihre Kosten zu decken. Von starken körperlichen oder gesundheitlichen Einschränkungen waren 24% betroffen und 10,4% gaben an sich nicht problemlos zu Fuß in der Nachbarschaft bewegen zu können. 17,9 % empfanden keine Zugehörigkeit zu ihrer Nachbarschaft. Ergebnisse der logistischen Regression identifizierten Alleinleben als größten Risikofaktor (OR 2,2; KI 1,4-3,6) für ein geringes subjektives Zugehörigkeitsgefühl der Nachbarschaft.

Diskussion
Die Analyse zeigt, dass ein erheblicher Anteil der älteren Menschen in Berlin sich nicht wirklich mit ihrer Nachbarschaft verbunden fühlt, wobei Alleinlebende besonders betroffen sind. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit gezielter Maßnahmen, um soziale Teilhabe und nachbarschaftliche Begegnungen zu fördern. Eine Limitation der Studie besteht in der Unterrepräsentation von Personen mit begrenzten Deutschkenntnissen, niedrigem Einkommen oder schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen.

Referenzen

[1] Choi EY. Longitudinal Associations of Neighborhood Social Cohesion
With Self-Perceptions of Aging and Loneliness. J Gerontol B Psychol Sci Soc
Sci. 2024;79(1).
[2] Baranyi G, Sieber S, Cullati S, Pearce JR, Dibben CJL,
Courvoisier DS. The Longitudinal Associations of Perceived Neighborhood
Disorder and Lack of Social Cohesion With Depression Among Adults Aged 50 Years
or Older: An Individual-Participant-Data Meta-Analysis From 16 High-Income
Countries. Am J Epidemiol. 2020;189(4):343-53.
Frau Marie Bolster
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, Berlin
#Präsentation
2

Hintergrund

Kommunale Präventionsansätze wie Communities That Care (CTC) spielen eine wichtige Rolle, um Problemverhalten von Heranwachsenden wie Substanzkonsum, Gewalt und Delinquenz zu verhindern und ihre psychosoziale Gesundheit zu fördern. Die Wirksamkeit von CTC wurde in den USA und Australien nachgewiesen [1, 2]. Für Deutschland wurden mit der CTC-EFF Studie erste Hinweise für die von CTC intendierten Effekte auf lokale Präventionsstrukturen gefunden [3]. Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob diese Effekte zwischen den an der CTC-EFF-Studie teilnehmenden CTC-Kommunen variieren und falls ja, wodurch diese Varianz aufgeklärt werden kann.

Methode


Die von 4/2020 bis 12/2023 vom BMBF geförderte nicht-randomisierte cluster-kontrollierte Studie [4] ist eine konzeptuelle Replikationsstudie der US-Community Youth Development Study [5]. Der primäre kurzfristige Endpunkt ist das Ausmaß der Übernahme einer evidenzbasierten Prävention (Adoption). Sekundäre Endpunkte sind der Aufbau einer integrierten Strategie für Prävention (ISP) und der Ausbau Intersektoraler Kooperation (ISK). Basierend auf den Individualdaten von n = 205 Community Key Informants aus zwölf a-priori gematchten CTC- (IK) und Vergleichskommunen (KK) werden für jeden Endpunkt kommunenspezifische Mittelwerte gebildet. Mittels Metaanalyse wird geprüft, inwieweit der Effekt von CTC auf die drei Endpunkte in den CTC-Kommunen variiert. Für jedes Kommunenpaar wird die Effektstärke Hedges g berechnet. Mithilfe der Q-Statistik wird ermittelt, ob eine signifikante Heterogenität zwischen den Kommunenpaaren besteht. Die I²-Statistik wird verwendet, um die Variabilität in den Schätzungen der Effektstärken zu quantifizieren. Bei signifikanter Heterogenität werden die Implementationsqualität von CTC und Kommunenmerkmale (GISD-Score, Einwohnerzahl, Raumtyp) als potenzielle Prädiktoren für diese Heterogenität mittels Metaregression untersucht.

Ergebnisse

Für alle drei Endpunkte zeigt die Q-Statistik eine signifikante Variation in den Effektgrößen zwischen den Kommunenpaaren (p<.05). Die I²-Statistik deutet zudem auf eine substanzielle Heterogenität hin (.59-.75). Der Gesamteffekt über alle Kommunenpaare hinweg zeigt für Adoption signifikant höhere Level in den IK als in den KK (g = 0.57, SE = 0.24, p = .019). Auch für ISP und ISK wurden tendenziell höhere Werte in den IK als in den KK ermittelt (p>.05). In Kommunen mit einer höheren Implementationsqualität ist die Adoption signifikant stärker ausgeprägt (b = 1.61, SE 0.92, p = 0.02). Die Implementationsqualität erklärt 40,5 % der Heterogenität in den Effektstärken zwischen den Kommunenpaaren. Auch zeigt sich, dass CTC tendenziell in deprivierten Kommunen einen größeren Effekt auf die Adoption (b = 1.612, SE = 1.06, p =.160, r² =.163) und die ISK (b = 1.738, SE = 1.31, p =.25, r² =.104) hat als in Kommunen mit einem niedrigen GISD-Score. Ein stärkerer Effekt von CTC auf die ISK deutet sich in Kommunen an, die peripher gelegen sind als in zentralgelegenen Kommunen (b = 0.42, SE 0.29, p = .180, r² = .248).

Diskussion

CTC entfaltet unterschiedlich starke Wirkung in den Kommunen. Vor allem für die Adoption ist eine hohe Implementationsqualität entscheidend. Dieses steht im Einklang mit den angenommenen Wirkmechanismen von CTC. Zudem kann CTC tendenziell in deprivierten und peripher gelegenen Kommunen einen stärkeren Effekt erzielen. Die Varianz in den Effektstärken kann anhand der einbezogenen Prädiktoren nicht vollständig aufgeklärt werden. Um die Implementation und Wirksamkeit von CTC zu optimieren, sind Analysen mit weiteren Prädiktoren nötig.

Referenzen

[1]   Toumbourou JW, Rowland B, Williams J, Smith R, Patton GC. Community intervention to prevent adolescent health behavior problems: Evaluation of communities that care in Australia. Health Psychol 2019; 38(6):536–44. DOI: 10.1037/hea0000735.
[2]   Hawkins JD, Oesterle S, Brown EC, Abbott RD, Catalano RF. Youth problem behaviors 8 years after implementing the communities that care prevention system: a community-randomized trial. JAMA Pediatr 2014; 168(2):122–9. DOI: 10.1001/jamapediatrics.2013.4009.
[3]   Röding D, Holt I von, Decker L, Walter U. Early Effects of Communities That Care on System Change Outcomes: A Quasi-Experimental Study. Preprint. 2024 [Zugriff am 11.04.2024]. DOI: 10.21203/rs.3.rs-5685486/v1
[4]   Röding D, Soellner R, Reder M, Birgel V, Kleiner C, Stolz M et al. Study protocol: a non-randomised community trial to evaluate the effectiveness of the communities that care prevention system in Germany. BMC Public Health 2021; 21(1):1927. DOI: 10.1186/s12889-021-11935-x.
[5]  Hawkins JD, Catalano RF, Arthur MW, Egan E, Brown EC, Abbott RD et al. Testing communities that care: the rationale, design and behavioral baseline equivalence of the community youth development study. Prev Sci 2008; 9(3):178–90. DOI: 10.1007/s11121-008-0092-y.
Frau Isabell von Holt
Medizinische Hochschule Hannover - Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover
#Präsentation #Kinder und Jugendliche #kommunale Gesundheitsförderung #Gesundheitsförderung & Prävention
3

Hintergrund

Das Gesundheitsreferat, als Träger des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in der Landeshauptstadt München, setzt auf ein umfassendes Konzept zur wohnortnahen und soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung. Ziel ist die Entwicklung und Umsetzung einer integrierten, bedarfsorientierten Strategie, die sich sowohl räumlich als auch zeitlich an den lokalen Herausforderungen, Gegebenheit und Potenzialen orientiert (z.B. Städtebauförderung).

Methode

Die Auswahl der Gebiete erfolgt anhand folgender Kriterien:
  • Hohe soziale Herausforderungen in bestehenden Planungsregionen oder Neubaugebieten mit gefördertem Wohnungsbau.
  • Mangel an Haus- und Kinderarztpraxen auf Stadtbezirksebene.
  • Abgleich mit lokalen Akteuren zu spezifischen Bedarfen.

Ergebnisse

Die Bausteine des Konzepts Stadtteilgesundheit setzen sich aus Modell- und Strukturaufbauphasen insbesondere unter Berücksichtigung der Fördermöglichkeiten des Präventionsgesetztes (PrävG) (A, B, C) und aus dauerhaften städtischen Beratungsstellen zur Gesundheitsförderung, Prävention und Vorsorge (GesundheitsTreffs, D) zusammen. Ergänzt wurde das Konzept um ein digitales Angebot, den Stadtteilgesundheitswegweiser (E) auf der Internetplattform gesund-in-muenchen.de.

A: Präventionsketten

In München werden mit Freiham und Neufreimann zwei neue Stadtteile entwickelt. In diesem Zusammenhang initiieren drei städtische Referate – das Gesundheitsreferat, das Referat für Bildung und Sport sowie das Sozialreferat – Präventionsketten zur Vermeidung der Folgen von Kinderarmut. Das übergeordnete Ziel besteht darin, ein gesundes Aufwachsen aller Kinder und Jugendlichen in diesen Stadtteilen zu gewährleisten. Hierbei arbeiten verschiedene Ämter, Einrichtungen und Akteur*innen eng zusammen. Damit wird der Ansatz der Präventionsketten in München bundesweit erstmals in Neubaugebieten bereits in der Planungsphase realisiert.

B: Gesundheitsmanagement

In vier ausgewählten Bestandsgebieten wird ein lokales Gesundheitsmanagement implementiert, das darauf abzielt, ein Gesundheitsnetzwerk aus regionalen Akteurinnen und Akteuren sowie Einrichtungen zu etablieren. Das Gesundheitsmanagement erarbeitet in Kooperation mit lokalen Akteur*innen Strategien zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation vor Ort, entwickelt gesundheitsfördernde Angebote in den Bereichen Bewegung, Ernährung und psychische Gesundheit. Außerdem unterstützt es lokale Akteur*innen bei der Planung und Organisation von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung unterstützen.

C: Gesprächsrunde mit den gesetzlichen Krankenkassen

Im Gesundheitsreferat wurde ein Gremium eingerichtet, bestehend aus acht gesetzlichen Krankenkassen, zur gemeinsamen Förderung und Implementierung stadtteilbezogener Projekte in weiteren Regionen. Ziel dieses Gremiums ist es, einen strukturierten Rahmen zu schaffen, der Träger bei der Antragstellung berät und unterstützt. Darüber hinaus soll nach der Bewilligung die Umsetzung der Projekte in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Krankenkassen gesteuert und begleitet werden.

D: GesundheitsTreffs

GesundheitsTreffs stellen niedrigschwellige und interdisziplinäre Anlauf- und Beratungsstellen dar, die sich allen Anliegen rund um das Thema Gesundheit widmen. Derzeit sind sie in fünf ausgewählten Neu- oder Bestandsgebieten etabliert. Die GesundheitsTreffs integrieren den medizinischen Sektor mit sozialen Angeboten innerhalb des Stadtteils. Darüber hinaus entwickeln sie bedarfsgerechte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und -vorsorge in enger Kooperation mit lokalen Akteuren und setzen diese um. Die im Rahmen des PrävG entwickelten Maßnahmen werden unter anderem in den GesundheitsTreffs nachhaltig implementiert.

E: Stadtteilgesundheitswegweiser: gesund-in-muenchen.de

Für bislang sechs Gebiete wurde ein stadtteilspezifischer Gesundheitswegweiser entwickelt, der eine umfassende Übersicht über lokale gesundheitsbezogene Angebote bietet. In der benutzerfreundlichen Filtersuche kann gezielt nach besonderen Merkmalen gesucht werden, darunter Barrierefreiheit, Mehrsprachigkeit, kostenlose oder ermäßigte Leistungen, kurzfristige Terminvergaben, Hausbesuche, Begleit- oder Zustelldienste sowie Online-Angebote.

Diskussion

Das Konzept Stadtteilgesundheit hat sich bislang bewährt: Der Aufbau von Strukturen in Modellphasen ermöglicht bedarfsgerechte Entscheidungen zu dauerhaften Einrichtungen wie lokalen Beratungsstellen oder digitalen Anwendungen.
Frau Dr. Verena Lindacher
LH München, Gesundheitsreferat, München
#Präsentation #kommunale Gesundheitsförderung #Armut und Gesundheit
4
Hintergrund
Social Prescribing (SP) ist ein innovatives Versorgungsmodell zur Unterstützung von Patient:innen mit nicht-medizinischen psychosozialen Belastungen in der Primärversorgung. In diesem Ansatz verweisen Hausärzt:innen betroffene Patient:innen an sogenannte Link Worker, die beratend tätig sind und den Zugang zu passenden sozialen Angeboten erleichtern. Für den deutschen Versorgungskontext liegen bislang keine empirischen Daten zur Umsetzung von SP vor.
Welche psychosozialen Belastungen benennen Hausärzt:innen als Anlass für eine Überweisung im Rahmen von Social Prescribing, und wie häufig treten diese auf?

Methode
Die Daten stammen aus einer DFG-geförderten, multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Machbarkeitsstudie in neun hausärztlichen Praxen in Berlin und Brandenburg. Im Rahmen der Rekrutierung wählten die Hausärzt:innen für jede Überweisung ein oder mehrere psychosoziale Belastungen sowie ein Hauptproblem aus einer vorgegebenen Liste aus, basierend auf Kapitel ZC („Soziale Probleme“) der International Classification of Primary Care – 3rd Revision (ICPC-3). Die Analyse erfolgte deskriptiv auf Praxisebene unter Angabe absoluter und relativer Häufigkeiten.

Ergebnisse
Vorläufige Analysen zeigen ein breites Spektrum an Überweisungsgründen. Am häufigsten wurden Einsamkeit, Probleme mit Sozialleistungen, finanzielle Schwierigkeiten, die Erkrankung von Angehörigen sowie arbeitsbezogene Belastungen als Hauptprobleme genannt. Zwischen den beteiligten Praxen zeigten sich deutliche Unterschiede in den Nutzungsmustern von SP.

Diskussion
Die Ergebnisse liefern erste Erkenntnisse zur Anwendung von SP in der deutschen Primärversorgung und bestätigen zugleich die hohe Relevanz psychosozialer Problemlagen, wie sie auch international dokumentiert sind. Die heterogene Nutzung des SP-Angebots könnte auf Unterschiede in den jeweiligen Patient:innenkollektiven hinweisen. Die gewonnenen Erkenntnisse sind relevant für die Weiterentwicklung von SP in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf die Qualifizierung von Hausärzt:innen.
Die Vielfalt benannter psychosozialer Belastungen unterstreicht den Bedarf an sektorenübergreifenden Unterstützungsstrukturen. Integrierte Versorgungsmodelle wie Social Prescribing bieten das Potenzial, hausärztliche Praxen gezielt zu entlasten und Patient:innen wirksam zu unterstützen.
Herr Dr. med. Hendrik Napierala
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin
#Präsentation #Social Prescribing #Soziale Determinanten #Primärversorgung #Psychosoziale Probleme #Community Health
Fr
19 Sep
09:00 - 09:30
PW14
Pflege
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1
Einleitung
In fortgesetzter Adaption der hierzulande ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention vom 3. Mai 2008 trat das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG) am 29.10.2020 in Kraft [1, 2]. Auf dessen Grundlage wurde das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit der Erweiterung um den § 37c „Außerklinische Intensivpflege“ (AKI) für Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege als eigene Rechtsform novelliert. In der operationalisierenden AKI-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wird nicht nur auf die Versorgungssicherheit, sondern gleichermaßen auch die Förderung der individuellen Autonomie zur – soweit medizinisch möglich – wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft als Zielsetzung betont, mit insbesondere der Ausschöpfung von Potenzialen zur Beatmungsentwöhnung und Dekanülierung [3]. Die jährlich durchzuführenden persönlichen Begutachtungen des Medizinischen Dienstes (MD) dienen sowohl der sozialmedizinischen Indikationsüberprüfung als auch der Sicherstellung der Qualität medizinischer und pflegerischer Versorgung vor Ort [4]. Die Begutachtungen sind in Ko-Kreation mit den beteiligten Vertragsärzten und den zugelassenen spezialisierten Pflegeeinrichtungen ein wesentlicher Faktor zur Förderung einer wirksamen Teilhabe in der Lebenswelt der Versicherten. In der vorliegenden Untersuchung werden Sicherstellung der AKI-Versorgung und deren jeweiliges Optimierungspotential analysiert.

Methode
Retrospektive Primäranalyse: durch den MD Hessen im Zeitraum vom 01.11.2023 bis 28.02.2025 erfolgte persönliche Inaugenscheinnahmen durch ein spezialisiertes Tandemteam aus Facharzt/Fachärztin plus Fachpflegekraft anhand der vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigten Begutachtungsanleitung des MD Bund.

Ergebnisse
  • Anzahl der Begutachtungen: 1533
  • Altersmedian: 56 Jahre
  • Geschlecht: männlich 59 %, weiblich 41 %, divers 0 %.
  • Leistungsort:
    • Häuslichkeit 57 %
    • vollstationäre Einrichtung 23 %
    • Intensiv-Wohngemeinschaft 14 %
    • sonstiger Leistungsort 5 %.
  • Versorgung: tracheotomiert 73 %, davon 35 % invasiv beatmet
  • Durchgeführte erforderliche Potenzialerhebung zum Stichtag
    • 01.07.2024: 50 %
    • 28.02.2025: über 60 % (bei noch bis 30.06.2025 geltender Übergangsregelung)
  • (perspektivisch) positives Weaning-/Dekanülierungspotenzial: 23 %
  • sozialmedizinische Nachvollziehbarkeit der Versorgung: 91 %
Diskussion/Fazit
Die sozialmedizinische Begutachtung fokussiert auf die Versorgungsqualität an den einzelnen Leistungsorten mit der Zielsetzung einer bestmöglich selbstbestimmten Teilhabe jedes einzelnen AKI-Patienten/-in.
Den von der Kassenärztlichen Vereinigung autorisierten verordnenden Haus-/Fachärzten obliegt die Sicherstellung der medizinischen Versorgung inklusive der Koordination der erforderlichen Maßnahmen.
Bei ca. 73 % der AKI-Patienten ist die Potenzialerhebung zur Beatmungsentwöhnung und/oder Dekanülierung erforderlich. Die hierfür qualifizierten Fachärzte haben idealerweise bei bestehendem Potenzial eine Empfehlung (z. B. Aufnahme in einem Weaningzentrum) auszusprechen.
Der Intensivpflegedienst als zentraler Stakeholder hat die ärztlichen Empfehlungen und Verordnungen bestmöglich in den pflegerischen Tagesablauf einzubinden und umzusetzen. Weitere Therapieangebote wie Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie komplettieren hierbei die Förderung und Erhalt möglicher (residualer) Fähigkeiten der Patienten.
Dem MD wird hierbei im Rahmen seiner jährlichen personbezogenen Begutachtungen vor Ort eine unabhängig beratende, im Sinne der Solidargemeinschaft tätige sozialmedizinische Kontrollfunktion zuteil [5].
In der Datenerhebung über 16 Monate zeigt sich ein positiver Trend hinsichtlich der Häufigkeit von Potenzialerhebungen. Abzuwarten und in größeren kollektiven Erhebungen zu untersuchen bleibt, ob im Sinne des GKV-IPReG die haus- und fachärztliche Versorgung ausreicht, die einzelnen Akteure verpflichtend in die Koordination mit einzubinden. Nur so können die Teilhabebedingungen der AKI-Patienten/-innen zukünftig nachhaltig verbessert werden.

Referenzen

[1] Beauftragter der Bundesregierung
für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Die
UN-Behindertenrechtskonvention. Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen. Berlin: Behindertenbeauftragter; 2018 [zitiert 25.03.2025].
Verfügbar unter: https://www.behindertenbeauftragter.de/SharedDocs/Downloads/DE/AS/PublikationenErklaerungen/Broschuere_UNKonvention_KK.pdf?__blob=publicationFile&v=21.
[2] Biehler E, Fleischhauer
T, Fuchs GE, Forstner J, Weis A, von Schumann S et al. Chancen und Barrieren
des IPReG für die außerklinische Intensivpflege. Eine explorative Interviewstudie
mit Kostenträgern und gesundheitspolitischen Akteuren im Rahmen der „PRiVENT“-Studie. Med Klin Intensivmed Notfmed 2025.
doi.org/10.1007/s00063-025-01247-y
[3] G-BA. Tragende
Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung
der Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie: Qualifikationsanforderungen an
die potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte nach § 8 und an die verordnenden
Vertragsärztinnen und Vertragsärzte nach § 9 sowie Übergangs-regelung zur
Potenzialerhebung in § 5a (neu) der Richtlinie und weitere Änderungen, vom
20.07.2023. [zitiert 25.03.2025]. Verfügbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-9669/2023-07-20_AKI-RL_Qualifikationsanforderungen-potenzialerhebende-Aerzte-Uebergangsregelung_TrG.pdf.
[4] G-BA. Richtlinie
des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege
(Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie/AKI-RL). [zitiert 25.03.2025].
Verfügbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/62-492-3230/AKI-RL_2023-07-20_iK-2023-09-15.pdf.
[5] Gaertner T, van
Essen J. Der Medizinische Dienst – Eine sozialmedizinische Institution der
Qualitätssicherung im Gesundheitssystem. Gesundheitswesen 2024. DOI:
10.1055/a-2292-2855.
Herr Moritz Rau
Medizinischer Dienst Hessen, Oberursel
#Poster #Außerklinische Intensivpflege #Ko-Kreation #Kokreation #Medizinischer Dienst #Weaning
2

Hintergrund

Die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und sicheren patient_innenorientierten Gesundheitsversorgung bedarf einer interprofessionellen Zusammenarbeit [1]. Deren Potenzial liegt auch in ihrem positiven Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit [2]. Die entsprechende akademische Weiterqualifikation bereits berufserfahrener Gesundheitsfachkräfte kann einen nachhaltigen Lösungsansatz zur Fachkräftesicherung im deutschen Gesundheitswesen darstellen. Das ist dringend notwendig, da vor dem Hintergrund bereits bestehender Engpässe bei gleichzeitig steigenden, komplexer werdenden Versorgungsbedarfen nachfolgende Generationen den personellen (Neu-)Bedarf nicht mehr ausreichend kompensieren können.

Methode

Eine quantitative Querschnittstudie untersucht mittels standardisierter Fragebögen den potenziellen Beitrag interprofessioneller Kompetenzen (ISVS-21-D) in Verbindung mit Typen der Arbeitszufriedenheit, Resilienz (RS-13) und Selbstwirksamkeit (ASKU) zur Fachkräftesicherung. Dafür wurden 44 Studierende zwischen 22 und 63 Jahren des zweiten, vierten und sechsten Semesters eines berufsbegleitenden Bachelorstudiengangs für Interprofessionelle Gesundheitsversorgung befragt.

Ergebnisse

Die hochschulische Vermittlung interprofessioneller Versorgungskompetenzen fördert nicht nur die positive Entwicklung der interprofessionellen Sozialisation, sondern steigert zudem die Resilienz und Selbstwirksamkeit unter den Studierenden. Diese Faktoren haben das Potenzial die langfristige Fachkräftesicherung zu unterstützen und unterstreichen die Bedeutsamkeit interprofessioneller Zusammenarbeit. Die Mehrheit der Befragten ordnet sich außerdem der progressiven Arbeitszufriedenheit zu. D.h. diese Personen weisen eine hohe Bereitschaft auf, ihre individuelle Arbeitssituation zu verbessern und sich weiterzuentwickeln. Trotzdem liegt die Kündigungsbereitschaft unter den Befragten bei 34%. Diese Ergebnisse deuten auf zusätzliche, strukturelle Herausforderungen in der beruflichen Praxis hin. ​​​​​​

Diskussion

Interprofessionelle Versorgungskompetenzen können die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit im Team verbessern, die Handlungswirksamkeit erhöhen und dadurch die Arbeitszufriedenheit positiv beeinflussen. Daraus kann eine potenzielle Schlüsselfunktion zur Fachkräftesicherung im deutschen Gesundheitsweisen abgeleitet werden. Darüber hinaus bedarf es jedoch zusätzlicher Anstrengungen, um Kündigungsabsichten zu reduzieren und hemmende Faktoren für die effektive Umsetzung interprofessioneller Versorgung in der Praxis abzubauen. Anschließende Forschungsaktivitäten sollten sich u.a. auf die Langzeitevaluation von Absolvent_innen sowie auf Wirkmechanismen interprofessioneller Zusammenarbeit im deutschen Gesundheitswesen fokussieren.

Referenzen

[1] Walkenhorst U, Mahler C, Aistleithner R, Hahn EG, Kaap-Fröhlich S, Karstens S, et al. Positionspapier GMA-Ausschuss - "Interprofessionelle Ausbildung in den Gesundheitsberufen". GMS Z Für Med Ausbild. 2015;32(3).
[2] Bragadóttir H, Kalisch BJ, Flygenring BG, Tryggvadóttir GB. The Relationship of Nursing Teamwork and Job Satisfaction in Hospitals. SAGE Open Nurs. 2023;9:1–12.
Frau Sandra Kintscher
Alice Salomon Hochschule Berlin, Berlin
#Poster #interprofessionelle Kompetenzen #Arbeitszufriedenheit #Resilienz #Selbstwirksamkeit #Fachkräftsicherung
3
Hintergrund: Katastrophen wie die SARS-CoV-2-Pandemie, Hitzewellen und die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal verdeutlichen die Notwendigkeit, Gesundheitsberufe auf außergewöhnliche Ereignisse vorzubereiten, um im Ernstfall die Gesundheitsversorgung aufrechterhalten zu können. Diese Vorbereitung umfasst das Wissen und die Kompetenzen der Gesundheitsberufe hinsichtlich der Vermeidung, Vorbereitung, Bewältigung und Nachsorge von Katastrophen [1]. Bisher scheinen diese Themen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung in Deutschland noch wenig systematisch adressiert zu werden, und Lehrende in den Gesundheitsberufen noch nicht ausreichend auf die Vermittlung von Wissen und die Förderung von Kompetenzen in diesem Handlungsfeld vorbereitet zu sein. Hier setzt das Projekt „Disaster Literacy/Disaster Preparedness in den Gesundheitsberufen in Sachsen-Anhalt (KAT-LSA-DiLiP)“ (EU-EFRE, Land Sachsen-Anhalt, Fördernummer: ZS/2023/11/181953) an. Mit der Teilstudie „Katastrophenvorsorge in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen in Sachsen-Anhalt“ soll eine Datenbasis zum aktuellen Stand des Handlungsfeldes Disaster Literacy/Disaster Preparedness in den Curricula der Aus-, Fort- und Weiterbildungen geschaffen werden.

Methode: Im Rahmen des Projektes wurden im Zeitraum von April bis Mai 2025 Bildungseinrichtungen und Lehrende in der pflegerischen Aus-, Fort- und Weiterbildung in Sachsen-Anhalt zum aktuellen Stand der Integration katastrophenassoziierter Inhalte in den Curricula, zur Bedeutsamkeit der ausgewählten Inhalte aus Sicht der Lehrenden, zur Verortung in unterschiedlichen Bildungsformaten sowie zur Vorbereitung auf die Vermittlung der Inhalte befragt. Die Erhebung der adressierten Inhalte erfolgt im Kontext zweier eigenständiger Querschnittbefragungen auf zwei Ebenen: (a) Organisationsebene (Paper-Pencil) und (b) Lehrendenebene (Online-Befragung). Die Items für die Befragungen wurden auf Basis einer Sichtung verfügbarer Konzeptanalysen, vorliegender Systematic Reviews und einschlägiger Studien aus dem nationalen und internationalen Raum sowie einer Analyse bestehender Rahmenlehrpläne entwickelt [2, 3, 4]. Ein iterativer Prozess führte zur Erstellung eines Messinstruments, das die ICN-Kompetenzcluster berücksichtigt [5].

Ergebnisse: Für die Befragung wurden alle Bildungseinrichtungen der Pflege in Sachsen-Anhalt (N = 50) sowie deren Lehrende einbezogen. Da pflegerisches Handeln im Katastrophenfall in Deutschland in jüngster Zeit (wieder) zunehmend in die Diskussionen um Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote für Pflegekräfte Eingang findet, ist zu erwarten, dass die Vermittlung entsprechender (Grund-)Kompetenzen in den Curricula bislang nur wenig Anwendung findet. Die beiden Querschnittsbefragungen sollen Aufschluss über den aktuellen Stand der Abbildung katastrophenassoziierter Inhalte in der pflegerischen Aus-, Fort- und Weiterbildung in Sachsen-Anhalt geben.

Diskussion: Die Ergebnisse des Projektes liefern eine Grundlage für die Weiterentwicklung von Bildungsangeboten in der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich der Pflege, um auf Katastrophen angemessen vorbereitet zu sein, in solchen Situationen handlungsfähig zu bleiben und die Resilienz des Gesundheitssystems zu stärken.

Referenzen

[1] Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Resilienz im Gesundheitswesen - Wege zur Bewältigung künftiger Krisen - Gutachten 2023 [Internet]. [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2023/Gesamtgutachten_2023_barrierefrei.pdf.
[2] Labrague LJ, Hammad K, Gloe DS, McEnroe‐Petitte DM, Fronda DC, Obeidat AA, et al. Disaster preparedness among nurses: a systematic review of literature. International Nursing Review [Internet]. [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/inr.12369 .
[3] Loke AY, Guo C, Molassiotis A. Development of disaster nursing education and training programs in the past 20 years (2000-2019): A systematic review. Nurse education today [Internet]. [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0260691721000666?via%3Dihub.
[4] Grochtdreis T, Schröder-Bäck P, Harenberg N, Görres S, Jong ND. National disaster preparedness and emergency response of nurses in Germany: An exploratory qualitative study. South East Eur J Public Health [Internet]. [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://www.biejournals.de/index.php/seejph/article/view/3972.
[5] Al-Maaitah R, Conlon L, Gebbie K, Hutton A, Langan JC, Loke AY. International Council of Nurses - Kernkompetenzen in der Katastrophenpflege [Internet]. Version 2.0 deutschsprachige Ausgabe. [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://igpw.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/m_cc01/igpw/Forschung/Health_Professions_Education/CORE/CORE_ICN-Katastrophenpflege_Stufe_I-II_2019.pdf.
Frau Alexandra Stahlberg
Hochschule Magdeburg-Stendal, Magdeburg
#Poster #Katastrophenpflege #Katastrophenvorsorge #Pflege #Ausbildung #Fort- und Weiterbildung
4
Einleitung
Seit dem Jahr 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention geltendes deutsches Recht mit dem Ziel, Menschen mit Beeinträchtigungen eine wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Leistungen der Pflegeversicherung sollen Pflegebedürftigen helfen, trotz Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Das neu etablierte Prüfverfahren mit Beratungsansatz des Medizinischen Dienstes (MD) soll nicht nur die Qualität der Pflege kontrollieren, sondern durch ko-kreativen Dialog während der Prüfung Impulse zur Verbesserung der Versorgungsqualität setzen. Dabei spielen teilhaberelevante Aspekte eine zentrale Rolle. Neben den jährlich durchzuführenden Regelprüfungen sind die verhältnismäßig seltenen, aber im Hinblick auf die Gewährleistung der angemessenen pflegerischen Versorgungsqualität akut umso bedeutsameren Anlassprüfungen von besonderer Brisanz. Einen diesbezüglichen Prüfauftrag erteilen die Landesverbände der Pflegekassen bei als stichhaltig bewerteten Beschwerden oder Hinweisen auf eine nicht fachgerechte Pflege. Die Prüfung findet immer unangemeldet statt [1]. Ziel der Untersuchung ist es anhand der etablierten Auswertung von Routinedaten im Pflegeheim [2], das Ausmaß von Defiziten mit eingetretenen negativen Folgen für die versorgten Personen zu analysieren.

Methode
Durchgeführt wurde eine Sekundärdatenanalyse der Pflege-Qualitätsberichte des MD Hessen auf Grundlage der neu gefassten Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes für Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen nach § 114 SGB XI. Es wurden 36 anlassbezogene Qualitätsprüfungen aus den Jahren 2023 und 2024 untersucht, die im stationären Setting stattfanden.

Ergebnisse
Von den 36 geprüften Pflegeeinrichtungen konnte in 14 Fällen der Anlass der Prüfung nicht bestätigt werden, da sich die Bewohner/-innen in einem guten pflegerischen Zustand befanden.

In 19 Fällen wurde der Anlass der Prüfung teilweise oder vollumfänglich bestätigt, wobei mehrere pflegerische Defizite (Defizit mit eingetretenen negativen Folgen) festgestellt wurden.

In drei Fällen konnte der Anlass nicht überprüft oder bestätigt werden. Es traten jedoch andernorts Defizite mit eingetretenen negativen Folgen für die versorgten Personen auf.

Insgesamt wurden bei 68 Bewohnern/-innen bei etlichen mehrere Defizite mit eingetretenen negativen Folgen festgestellt. Besonders betroffen waren personbezogen die Bereiche Mobilität, Selbstversorgung und Versorgung von chronischen Wunden. Dazu zählten:
  • relevante ungewollte Gewichtsabnahmen
  • fehlendes Schmerzmanagement
  • Entstehung/Verschlechterung von Dekubitalulzera
So war beispielsweise bei einer in der Kognition und Belastbarkeit beeinträchtigten Person – trotz bestehenden und zunehmendem Ulkus – die rechte Ferse nicht frei gelagert, die Matratze nicht mit einem Bettlaken bezogen und nur teilweise mit einer Stoffdecke abgedeckt.

Zudem zeigten Defizite in den bedarfsübergreifenden Anforderungen systematische und organisatorische Schwachstellen in den Einrichtungen, in folgenden Bereichen:
  • Abwehr von Risiken und Gefährdungen (überwiegende Anzahl)
  • fachgerechte Risikoerfassung sowie Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken und Vermeidung von Gefährdungen
  • biografieorientierte Unterstützung
  • Einhaltung von Hygieneanforderungen
  • Hilfsmittelversorgung
  • Schutz von Persönlichkeitsrechten und Unversehrtheit
Diskussion/Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass die anlassbezogenen Qualitätsprüfungen des MD einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung der Versorgungsqualität leisten. Systematische Defizite in Pflegeeinrichtungen beeinträchtigen nicht nur die individuelle pflegerische Versorgung, sondern auch die soziale und gesellschaftliche Teilhabe der Pflegebedürftigen. Die Prüfungen tragen dazu bei, diese Defizite aufzuzeigen und gezielt Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegequalität unter der Berücksichtigung von evidenzbasierter Pflege und Expertenstandards anzustoßen, um unter anderem Teilhabechancen der versorgten Personen zu verbessern. Dies unterstreicht die Bedeutung eines interaktiven, beratenden Prüfansatzes, der nicht nur kontrolliert, sondern auch aktiv zur Qualitätsverbesserung beiträgt.

Referenzen

[1] Gaertner T; Gualdi V. Die sozialmedizinische Relevanz
der Qualitätsprüfung des Medizinischen Dienstes bei Einrichtungen der
ambulanten und stationären Pflege. MedSach 2025; (im Druck)
[2] Behrendt S, Schwinger A, Tsiasioti C, Stieglitz K,
Klauber J. Qualitätsmessung mit Routinedaten im Pflegeheim am Beispiel
Dekubitus. Das Gesundheitswesen 2020; 82(S01): 52-61.
Frau Vera Gualdi
Medizinischer Dienst Hessen, Oberursel
#Poster #Pflegeeinrichtungen #Teilhabe #Persönlichkeitsrechte #Versorgungsqualität #Qualitätsprüfungen
Fr
19 Sep
09:30 - 10:00
PW15
ÖGD, Ungleichheit, Krebsprävention und LGB
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1

Hintergrund

Evidenzinformierte Praxis benötigt praxisorientierte Evidenz [1]. Leitlinien sind zentrale Instrumente der evidenzbasierten Public Health, die Akteure bei Entscheidungen zu Public Health Maßnahmen unterstützen sollen. Sie zeigen Handlungs- und Entscheidungskorridore auf und werden in umfassenden Evidenzrecherchen und/oder strukturierten Konsensusprozessen entwickelt. Ab 2025 werden erstmals mehrere Leitlinienentwicklungen speziell für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) stattfinden. Um die spätere Nutzung in der Praxis zu gewährleisten, wird es in der Entwicklung von Leitlinien mit und für den ÖGD entscheidend sein, praxisorientierte Empfehlungen zu formulieren. Ein partizipativer Ansatz im Sinne einer Ko-Kreation von Leitlinien ist dabei unerlässlich. Ziel dieses Beitrags ist die Vorstellung und Diskussion eines Konzepts zur Einbindung des ÖGD in den Leitlinienentwicklungsprozess, um die ÖGD-Praxis möglichst in den gesamten Entwicklungsprozess zu integrieren.

Methode

Die Einbindung von Praxisvertreter:innen ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal der AWMF-Leitlinienentwicklung und wird durch mehrere Instrumente des Regelwerks unterstützt [2]. Der Beteiligungsgrad kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen und verschiedene Formen annehmen, unter anderem: Mitwirkung in der Leitliniengruppe; Beteiligung an der Priorisierung von Themen und Fragestellungen, Entscheidungskriterien und Endpunkten innerhalb der Leitliniengruppe und darüber hinaus sowie ein Einbringen in die öffentliche Konsultationsphase des Leitlinienentwurfs.
Wir stellen im Folgenden ein Konzept vor zur Leitlinien-Ko-Kreation, das oben genannten Ansätze ausbaut und um Informations- und Trainingsformate ergänzt.
​​​​

Ergebnisse

Das erarbeitete Konzept zur Einbindung des ÖGD in den Leitlinienentwicklungsprozess umfasst mehrere Beteiligungsmöglichkeiten:
  • Survey zu Leitlinienbedarfen: Ein umfassender Survey wurde durchgeführt, um Leitlinien-Bedarfe im ÖGD zu ermitteln [3]. Dies soll als lebende Abfrage fortgeführt werden.
  • Prozess-Transparenz: Information an den ÖGD über den gesamten Prozess der Leitlinienentwicklung, sowie Austauschmöglichkeiten mit Feedbackmöglichkeit auf Kongressen [4] und in ÖGD-Arbeitsgruppen
  • Mandatstragende aus dem kommunalen ÖGD: Die Etablierung von wissenschaftlichen Fachgesellschaften im ÖGD sowie zunehmende Vertretung des ÖGDs in weiteren Fachgesellschaften ermöglicht eine starke Repräsentation des ÖGDs als entscheidungsberechtigte Mitglieder der Leitliniengruppe
  • Beobachtende Teilnahme an der Leitliniengruppe: die Möglichkeit der umfangreichen Einbindung von Gesundheitsämtern in den Leitlinienprozess im Sinne eines Kapazitätsaufbaus durch beobachtende Teilnahme an der Leitliniengruppe für Gesundheitsämter ohne Erfahrung aber mit Interesse an der Leitlinienentwicklung
  • Befragung zur Priorisierung von Endpunkten und Entscheidungskriterien über die Leitliniengruppe hinaus: Zur Festlegung der Fragestellungen für die Reviews kann die Befragung z.B. über einen Online Survey im ÖGD vor der ersten Sitzung der Leitliniengruppe wichtigen Input zu Priorität und Relevanz bieten
  • Strukturierte Fortbildungen für ÖGD-Mitglieder der Leitliniengruppe: Fortlaufende prozessangepasste Trainings zu Evidenzbasierung und Leitlinienentwicklung während der Leitlinienentwicklung zur Stärkung der Praxisperspektive im Leitlinienprozess
  • Öffentliche Konsultation mit Fokus ÖGD: Die Kommentierung der Leitlinien durch den ÖGD vor der Finalisierung.

Diskussion

Die Einbindung des ÖGD in den gesamten Prozess der Leitlinienentwicklung wird entscheidend sein, um Praxisrelevanz, Umsetzbarkeit und Akzeptanz von evidenzbasierten Empfehlungen zu fördern. Der partizipative Ansatz der Ko-Kreation gewährleistet, dass die entwickelten Leitlinien nicht nur auf wissenschaftlicher Evidenz basieren, sondern auch die Bedarfe und Herausforderungen des ÖGD berücksichtigen. Insbesondere die frühzeitige Beteiligung an der Themenpriorisierung, die Mitwirkung in der Leitliniengruppe mit begleitender Fortbildung und kontinuierliche Information und Austausch stellen sicher, dass die Leitlinien sowohl den wissenschaftlichen Standards als auch den praktischen Anforderungen entsprechen. Langfristig kann dieser Ansatz zu einer besseren Implementierung evidenzbasierter Ansätze in der ÖGD-Praxis beitragen.

Referenzen

[1]    Green
LW, Glasgow RE. Evaluating the relevance, generalization, and applicability of
research: issues in external validation and translation methodology. Eval
Health Prof. 2006; 29:126-153. 10.1177/0163278705284445
[2] Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)- Ständige
Kommission Leitlinien. AWMF-Regelwerk „Leitlinien“. 2023. Verfügbar:
https://www.awmf.org/regelwerk/ (Zugriff am 31.03.2025)
[3]  Arnold L,
Steinisch M, Kuehne A, Schwabe A, Jakubowski E, Scholten A, Stratil JM.
Leitlinien im und für den Öffentlichen Gesundheitsdienst: Ergebnisse einer
Onlinebefragung zu aktuellen Bedarfen aus der Praxis. Gesundheitswesen. 2025
Jan;87(1):57-61. German. DOI: 10.1055/a-2406-4786. Epub 2024 Oct 8.
[4] Arnold L,
Bokhof B, Brümmer L, Kubitza M, Kuehne A, Marcic A, Scholten A, Skoetz N, Steinisch
M, Stratil JM, Szagun B. Leitlinienarbeit für und mit dem Öffentlichen
Gesundheitsdienst: ein Hands-on Praxisworkshop. Gesundheitswesen. 2025
Apr;87(Suppl. 1):S4-S202.
Frau Prof. Dr. med. Anna Kuehne
Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden, Dresden
Deutsche Gesellschaft für Öffentliches Gesundheitswesen, Berlin
#Präsentation #Leitlinien #Partizipative Gesundheitsforschung #Public Health #Kommunale Verankerung #Öffentlicher Gesundheitsdienst
2
Das Gesundheitssystem in Deutschland ist durch die Parallelität von zwei Vollversicherungssystemen, der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Privaten Krankenversicherung (PKV), geprägt. Gleichzeitig besteht eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht. Diese Konstellation ist international einmalig. Trotz dieser Besonderheit und Relevanz für das deutsche Gesundheitssystem gibt es nur wenige empirische Studien, die gesundheitsbezogene Disparitäten zwischen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Privaten Krankenversicherung (PKV) untersuchten. Dahinter stehen auch Probleme der Datenverfügbarkeit. Diese wenigen Studien weisen jedoch laut Huber und Mielck (2010) teilweise erhebliche methodische Schwächen auf. Hinzu kommt, dass die Private Krankenversicherung (PKV) selten ihre Routinedaten für die Versorgungsforschung frei zur Verfügung stellt. In nationalen Gesundheitssurveys sind dagegen die Fallzahlen in der Regel klein.

Die vorliegende Sekundäranalyse des Mikrozensus 2021 zielt deshalb darauf, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur gesundheitlichen Ungleichheit zwischen den Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Privaten Krankenversicherung (PKV) zu gewinnen. Der Mikrozensus ist eine repräsentative Haushaltsbefragung für Deutschland. Er ist als Datenquelle für die Testung der Unterschiedshypothesen besonders gut geeignet, da er seit Kurzem die „Europäische Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC)“ integriert. Diese Unterstichprobe fragt den Krankenversicherungsschutz und Gesundheitsitems ab. In die Auswertungen gehen über 62.000 Interviews von Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und über 7.000 Interviews von Versicherten der Privaten Krankenversicherung (PKV) ein.

Die Vergleichsanalysen auf Datenbasis des Mikrozensus 2021 setzen auf der Ebene der Versicherten an. Sie berücksichtigen sozioökonomische und demografische Faktoren, die bekanntermaßen Einfluss auf die Gesundheitsparameter nehmen und Vergleiche konfundieren können. Signifikante Unterschiede in den Versichertenstrukturen bestehen hinsichtlich sozio-demografischer Variablen wie Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit und Bildung, aber auch bei Erwerbsstatus, Stellung im Beruf, Öffentlicher Dienst und staatlichen Transferleistungen wie Leistungsbezug ALG II. Die Vergleichsanalysen zeigen signifikante Gesundheitsunterschiede zwischen den Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Privaten Krankenversicherung (PKV) auf. Die Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gaben im Durchschnitt einen signifikant ungünstigeren Gesundheitszustand und häufiger chronische Krankheiten als Versicherte der Privaten Krankenversicherung (PKV) an. In der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist der Anteil der Menschen mit Behinderungen („Global activity limitation indicator“ (GALI)) signifikant höher als in der Privaten Krankenversicherung (PKV).

Die Ergebnisse und Subgruppen-Analysen werden exploriert und diskutiert. Es werden Implikationen für die Gesundheitssystemgestaltung abgeleitet. Über den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn hinaus sind die Ergebnisse auch relevant für die Praxis und die Gesundheitsberichterstattung in Deutschland.
Herr Prof. Dr. Alfons Hollederer
Universität Kassel, Kassel
#Präsentation #Gesundheit #Krankenversicherung #chronische Erkrankungen #Behinderung #Mikrozensus
3

Hintergrund

The scoping review aims to systematically map measurement instruments for sexual minority stress among Lesbian, Gay, Bisexual, and Queer (LGBQ) populations, while the systematic review evaluates the psychometric properties of selected instruments.​​​

Methode

Following PRISMA guidelines, 34,990 references were screened, focusing on instruments measuring discrimination, victimization, and positive aspects of minority identity in adult LGBQ populations. Psychometric properties were assessed using the COnsensus-based Standards for the selection of health Measurement INstruments (COSMIN) methodology.

Ergebnisse

A total of 98 instruments met the criteria and were included in the scoping review. The analysis identified a broad spectrum of instruments, predominantly targeting negative aspects of minority identity, such as internalized homonegativity and stigmatization. The review also uncovered the risk of jingle-jangle fallacy, attributable to inconsistent naming and definition of constructs across instruments.
Eight instruments qualified for further appraisal in the systematic review. The Lesbian, Gay, and Bisexual Identity Scale (LGBIS) and its German adaptation, LGBIS-DE, demonstrated the strongest psychometric properties and are recommended for use. However, the review revealed significant inconsistencies in the conceptualization of minority stress, due to a lack of consensus among instrument developers regarding key factors that should be measured. Additionally, content validity, as defined by COSMIN, was underexplored, affecting the robustness of many instruments.

Diskussion

Both reviews demonstrate a rich diversity in instruments measuring sexual minority stress while highlighting the need for greater standardization in the definition of minority stress constructs. While the LGBIS and LGBIS-DE demonstrated strong psychometric properties, data were not available for all psychometric categories, particularly for content validity.

Referenzen

[1] Terwee CB, Prinsen C, Chiarotto A, Vet H de, Bouter LM, Alonso J et al. COSMIN methodology for assessing the content validity of PROMs–user manual. Amsterdam: VU University Medical Center 2018 [Stand: 17.02.2022]. Verfügbar unter: https://cosmin.nl/wp-content/uploads/COSMIN-methodology-for-content-validity-user-manual-v1.pdf.[2] Elsman EBM, Mokkink LB, Terwee CB, Beaton D, Gagnier JJ, Tricco AC et al. Guideline for reporting systematic reviews of outcome measurement instruments (OMIs): PRISMA-COSMIN for OMIs 2024. J Clin Epidemiol 2024:111422. DOI: 10.1016/j.jclinepi.2024.111422.[3] Mokkink LB, Prinsen C, Patrick DL, Alonso J, Bouter LM, Vet HCW de et al. COSMIN methodology for systematic reviews of patient-reported outcome measures (PROMs). User manual 2018; 78(1) [Stand: 17.02.2022]. Verfügbar unter: https://cosmin.nl/wp-content/uploads/COSMIN-syst-review-for-PROMs-manual_version-1_feb-2018.pdf.
Frau Maria Misevic-Kallenbach
#Poster #Minority Stress #Measurement instruments #Scoping Review #Systematic Review #Sexual Minorities
4

Introduction

Digital technologies, including apps or any digital devices with internet access can be used to support health promotion and disease prevention. This study investigated the digital technology use for cancer prevention in Germany.

Methods

A nationwide panel sample of 1020 adult internet users living in Germany participated in a cross-sectional survey with 30 items on digital technology use in health context [1]. Data were collected using computer-assisted telephone interviews in November 2022. This study is a secondary data analysis of responses on survey items regarding digital technology use for cancer prevention, participant sociodemographics, and digital health literacy measured using the eHealth Literacy Scale (eHEALS). Data were analysed using relative frequencies and the association between digital technology use and participant characteristics was tested using logistic regression analysis.

Results

Among 1020 survey participants, 525 participants provided complete responses on items regarding digital technology use for cancer prevention. These participants were aged 18-92 years (mean=54, SD=17; 37% younger: 18-49, 34% middle-aged: 50-64; 29% older: 65-92). Most participants reported male sex (52%), secondary education (49%), residence in large cities (75%), high household income (>3500 Euro/month; 54%), and high digital health literacy (30-40/40 points on the eHEALS; 69%).
Among 525 participants, 188 (36%) reported digital technology use for cancer prevention and 337 (64%) reported that they do not use digital technologies for cancer prevention. Most users (170/188, 90%) rated digital technologies as useful for cancer prevention. The use reasons were to obtain general information on cancer (169/188, 90%) or on cancer risk factors (144/188, 77%), to assess personal risk for cancer (100/188, 53%), or to create reminders to attend cancer screening (70/188, 37%). Digital technology use for cancer prevention was associated with middle vs. younger age (OR=2.95, 95% CI: 1.87-4.66), older vs. younger age (OR=1.96, 95% CI: 1.22-3.15) and higher vs. low-moderate digital health literacy (OR=1.68, 95% CI: 1.11-2.54) but not with sex, education, income, or residence city-size. More users (138/188, 73%) than non-users (173/337, 51%) of digital technologies for cancer prevention reported being interested in digital health technologies.

Conclusion / Discussion

Digital technologies for cancer prevention are predominantly used to obtain information on cancer and are well-accepted among their users. Future research could explore the potential of digital technologies to deliver reminders to attend screening that could improve early cancer detection in the general population. Training in digital health literacy could contribute to higher interest in digital health technologies and consequently improve the uptake of such technologies for cancer prevention in Germany.

Referenzen

[1] De Santis KK, Muellmann S, Pan C-C, Hoffmann S, Spallek J, Haug U, et al. Digitisation and health: Second nationwide survey of internet users in Germany. Digital Health. 2024;10:20552076241301457. DOI: 10.1177/20552076241301457.
Frau Dr. Karina Karolina De Santis
Leibniz Institute for Prevention Research and Epidemiology - BIPS, Bremen
Leibniz ScienceCampus Digital Public Health Bremen, Bremen
#Präsentation #Digital technologies #Cancer prevention #Survey #Digital health literacy
Fr
19 Sep
10:30 - 12:00
VS27
Öffentliche Gesundheit und Public Health
Öffentliche Gesundheit und Public Health
Raum: Audimax (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 520)
Beiträge:
1
Introduction: Prolonged exposure to road traffic noise is associated with an augmented risk of health complaints and disorders, including annoyance, sleep disturbances, mental disorders, cardiovascular and metabolic diseases, and hearing impairments (1–7). In this study, we examine future mobility scenarios and interventions, and assess their potential to reduce noise exposure and its related adverse health effects.

Methods: We conducted a scoping review using MEDLINE (via PubMed), EMBASE (via Ovid), and Web of Science to identify relevant literature published between January 1st, 2000 and September 19th, 2024. Eligible literature included journal articles, books, book sections, and conference proceedings in English, German, Albanian, French, Italian, and Dutch. We focused on studies including the general population that examined road traffic noise exposure and health-related outcomes in the context of future mobility scenarios.

Results: Thirteen studies met our inclusion criteria. The most commonly reported health outcomes were annoyance and sleep disturbances, followed by cardiovascular diseases, preventable all-cause mortality, depressive disorders, metabolic disorders, stress, and injuries. The most common scenarios and mitigation measures were: promoting electric vehicle deployment (5 studies); implementing noise reduction strategies, enforcing a 30 km/h urban speed limit, and reducing traffic flow (3 studies/scenario); and reducing velocity, utilizing noise barriers, low-noise tires and pavements (2 studies/scenario). The least common ones included scenarios like car-free zones, quiet facades, dwelling insulation, quiet residential areas with noise levels <45 dB, and the superblock model – an urban mobility strategy promoting sustainable transportation, active lifestyles, and climate-resilient green infrastructure (8). Using electric buses could minimize traffic noise up to 4.4 dBA over daytime in urban centers of Hong Kong, China. Besides, nearly 60% of the population could benefit from at least 1 dBA noise reduction at the streets and 4.3% > 2 dBA reduction, with all bus fleets electrified. This could prevent 4.15 deaths and 112.99 disease cases per 100,000 inhabitants (9). Two studies conducted in Germany, suggest that a 3 dB reduction scenario could decrease the burden of disease attributable to road traffic noise by 23% in Hesse (10), while in the Rhine-Main region, such a measure was linked with fewer cases of annoyance, sleep disruption, and cardiovascular diseases, particularly for populations living in areas with noise levels >43,3 dB Lden (11). A study from Gothenburg, Sweden (12), found that low-noise tires and pavements, could decrease the number of residents exposed to noise levels > 55 dB by 13%-29% versus baseline scenario. Another study from Lausanne, Switzerland, indicated that speed limits of 30 km/h could yearly prevent one cardiovascular death, 72 hospitalizations, and 17 diabetes cases and substantially reduce noise-related annoyance and sleep disturbances (13). Implementing such a measure in 40 European cities led to drops of 23%, 37%, and 38% in crashes, fatalities, and injuries, respectively (14).

Conclusion: Adopting electric vehicles, implementing noise-reduction measures, enforcing a 30 km/h urban speed limit, reducing traffic flow, using noise barriers and low-noise tires and pavements, and applying the superblock model are promising strategies to reduce road traffic noise, that could be widely adopted in the future for reducing associated health risks.

Referenzen

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European Environment Agency. The health effects of transport noise and
implications for future health risk assessments (Signal). Available from:
https://www.eea.europa.eu/en/european-zero-pollution-dashboards/indicators/the-health-effects-of-transport-noise-and-implications-for-future-health-risk-assessments-signal
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[2] Thacher Jesse D., Poulsen Aslak H.,
Hvidtfeldt Ulla A., Raaschou-Nielsen Ole, Brandt Jørgen, Geels Camilla, et al.
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Nationwide Cohort Study from Denmark. Environmental Health Perspectives.
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[3] Dzhambov AM, Lercher P. Road Traffic
Noise Exposure and Depression/Anxiety: An Updated Systematic Review and
Meta-Analysis. Int J Environ Res Public Health. 2019 Oct 27;16(21).
[4] Hegewald J, Schubert M, Freiberg A,
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Pereira-Barboza E, Iungman T, Mueller N, et al. Impact of road traffic noise on
annoyance and preventable mortality in European cities: A health impact
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[10] Hegewald J, Schubert M, Lochmann M,
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[11] Seidler A, Hegewald J, Schubert M, Popp
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limit reduction to thirty kilometres per hour: A health impact assessment of
noise and road traffic crashes for the Swiss city of Lausanne. Environment
International. 2020;145:106126.
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Frau PhD student, MPH Linda Ternova
Boysen-TU Dresden- Graduate College, Chemnitzer Str. 48b, Room 042,, Dresden
#Präsentation #Burden of disease, future mobility scenarios, health effects, prognosis, road traffic noise
2
Hintergrund: Die russische Invasion der Ukraine löste die größte Fluchtbewegung in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges aus; mehr als eine Million Menschen flohen seit Kriegsbeginn im Februar 2022 aus der Ukraine nach Deutschland. Obwohl ukrainische Geflüchtete die derzeit größte Gruppe Schutzsuchender in Deutschland darstellen, ist bislang wenig über ihre psychische Gesundheit bekannt. Studien zur Gesundheit ukrainischer Geflüchteter in anderen europäischen Aufnahmeländern verweisen jedoch auf hohe Prävalenzen psychischer Erkrankungen [1,2]. Dieser Beitrag zielt darauf ab, relevante Determinanten der psychischen Gesundheit von in Deutschland lebenden ukrainischen Geflüchteten zu identifizieren. Darüber hinaus erfolgt eine vergleichende Betrachtung der psychischen Gesundheit mit anderen Geflüchteten- und Migrationsgruppen.

Methoden: Die Auswertungen basieren auf Daten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von ukrainischen Geflüchteten (07/2023-01/2024), die zwischen dem 24.Februar und 31.August 2022 nach Deutschland einreisten [3]. Um die psychische Gesundheit vergleichend zu betrachten, werden die Analysen durch Daten der Hauptbefragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP-Core), der IAB-SOEP-Migrationsstichproben (IAB-SOEP-MIG) und der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten ergänzt. Zur Beschreibung der psychischen Gesundheit wurde das Vorliegen einer depressiven Symptomatik (PHQ-2) und einer generalisierten Angststörung (GAD-2) in den letzten zwei Wochen ausgewählt. Um Zusammenhänge zwischen verschiedenen soziodemografischen sowie postmigratorischen Faktoren und der psychischen Gesundheit zu untersuchen, wurden multivariat adjustierte Prevalence Ratios mittels Poisson-Regressionen berechnet.

Ergebnisse: Von den 3.403 befragten ukrainischen Geflüchteten berichten 19% eine depressive Symptomatik und 14% der Teilnehmenden geben Angststörungen an. Insbesondere eine soziale Einbindung, d.h. mindestens einmal pro Woche soziale Kontakte mit Nachbarinnen und Nachbarn, Freundinnen und Freunden oder Bekannten (PHQ-2: PR=0.54, 95% CI: 0.40-0.71; GAD-2: PR=0.38, 95% CI: 0.28-0.52) sowie eine hohe Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen (PHQ-2: PR=0.65, 95% CI: 0.51-0.83; GAD-2: PR=0.74, 95% CI: 0.51-0.96) sind mit geringeren Prävalenzen für die ausgewählten psychischen Erkrankungen assoziiert. Demgegenüber weisen Teilnehmende, die Diskriminierungserfahrungen im Alltag berichten, ein höheres Risiko für das Vorliegen einer depressiven Symptomatik oder Angststörung auf (PHQ-2: PR=1,54, 95% CI: 1,25-1,90; GAD-2: PR=1,95, 95% CI: 1,54-2,46). Frauen (PR=1,67, CI: 1,20-2,32) sowie Alleinlebende (PR=1,35, 95% CI: 1,03-1,78) sind häufiger von generalisierten Angststörungen betroffen; Teilnehmende ab 50 Jahren (PR=0,74, 95% CI=0,51-0,96) dagegen seltener als 18- bis 29-Jährige. Darüber hinaus weisen Befragte, die mit ihren Kindern zusammen im Haushalt leben, ein geringeres Risiko für eine depressive Symptomatik auf [PR=0,76, 95% CI: 0,61-0,94). Im Beitrag werden zudem die Ergebnisse zur psychischen Gesundheit von ukrainischen Geflüchteten vergleichend betrachtet, und zwar mit anderen Geflüchtetengruppen sowie mit der Bevölkerung ohne sowie mit Migrationsgeschichte.

Diskussion: Indikatoren der sozialen Integration – wie soziale Kontakte und die familiäre Situation – beeinflussen die psychische Gesundheit von ukrainischen Geflüchteten in Deutschland. Darüber hinaus verdeutlichen die Ergebnisse, dass insbesondere Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen maßgeblich zu gesundheitlichen Ungleichheiten beitragen. Es bedarf zielgerichteter Interventionen, welche die Mechanismen sozialer Exklusion adressieren und diversitätssensible psychotherapeutische Versorgungsdienste anbieten, um gesundheitliche Ungleichheiten zu bekämpfen.

Referenzen

[1] Boiko D, Shyrai PO, Mats OV, Karpik ZI, Rahman M, et al. Mental health and sleep disturbances among Ukrainian refugees in the
context of Russian-Ukrainian war: A preliminary result from online-survey.
Sleep Medicine 2024; 113: 342-48. https://doi.org/10.1016/j.sleep.2023.12.004.
[2] Guerrero Z, Melicharova H, Kavanova M, Prokop D, Škvrňák M, Kunc M, et al. Mental health conditions and help-seeking among
Ukrainian war refugees in Czechia: A cross-sectional study. Psychiatry Research
2023; 329: Artikel 115552. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2023.115552.
[3] Kosyakova
Y, Rother N, Zinn S. Lebenssituation und Teilhabe ukrainischer Geflüchteter in
Deutschland: Ergebnisse der IAB-BAMF-SOEP-Befragung. DIW Berlin:
Politikberatung kompakt 204; 2025. https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.937890.de/diwkompakt_2025-204.pdf.
Frau Susanne Bartig
Freie Universität Berlin, Institut für Soziologie, Berlin
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Präsentation #Flucht #psychische Gesundheit #Soziale Determinanten #Diskriminierung
3
Einleitung
Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) nimmt eine zentrale Rolle im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz ein [1]. Insbesondere im Kontext von Infektionskrankheiten wie COVID-19 oder Mpox ist seine koordinierende und ausführende Funktion unverzichtbar [2]. Dennoch wurde der ÖGD bislang nur begrenzt empirisch untersucht, was die Entwicklung evidenzbasierter Strukturen und Prozesse erschwert [3]. Der Mpox-Ausbruch ab Mai 2022 stellte unmittelbar nach der COVID-19-Pandemie insbesondere für die kommunalen Gesundheitsämter eine neue Herausforderung dar [4,5]. Ziel dieser Studie war es, am Beispiel von Mpox die Perspektiven von ÖGD-Mitarbeitenden zu erheben, Einflussfaktoren auf deren wahrgenommene Handlungssicherheit zu identifizieren und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Methoden
Die Studie folgte einem Mixed-Methods-Ansatz. Es wurden qualitative Expert:inneninterviews (N = 7) sowie eine deutschlandweite quantitative Onlinebefragung mit Mitarbeitenden aus Gesundheitsämtern (N = 104) durchgeführt. Darüber hinaus wird aktuell ein Scoping Review zum Thema „Herausforderungen und Lessons Learned des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Deutschland bei der Bewältigung von Mpox im Jahr 2022“ erstellt. Die Befragung steht Mittelpunkt dieses Beitrags. Der Onlinefragebogen der wurde theoriebasiert nach dem Theoretical Domains Framework (TDF) und dem Job Demands-Resources-Modell (JDR) entwickelt. Die quantitative Befragung erfolgte bundesweit zwischen Oktober und November 2024 über LimeSurvey. Erhoben wurden u.a. demografische Merkmale, Erfahrungen mit Mpox, Ressourcenlage sowie das Sicherheitsempfinden im Umgang mit Maßnahmen. Die Analyse umfasste deskriptive, univariate und multiple Regressionsanalysen mit rückwärtsgerichteter Modellreduktion (p < 0,05).

Ergebnisse
Die Mehrheit der Teilnehmenden war weiblich mit 73,1 %, im Median 50 Jahre alt, überwiegend ärztlich tätig mit 50,0 % und 65,4 % verfügten über einen medizinischen Hintergrund, 57,7 % fühlten sich gut, 17,3 % sehr gut über Mpox informiert. Die wahrgenommene Handlungssicherheit lag im Mittel bei M = 2,48 (Skala 1 „sehr sicher“–5 „sehr unsicher“). Im finalen Regressionsmodell bzgl. der wahrgenommenen Handlungssicherheit wurden drei signifikante Prädiktoren identifiziert (R² = 0,555; adjustiertes R² = 0,523):
(1) Höhere Informiertheit über Mpox erhöhte signifikant die wahrgenommene Sicherheit (b = 0,43; p = 0,001).
(2) Die wahrgenommene Verfügbarkeit ausreichender Ressourcen war mit einem geringeren Sicherheitsempfinden assoziiert (b = –1,59; p = 0,001).
(3) Gesundheitsämter mit 21–30 (b = 0,57; p = 0,01) oder 5–10 Mitarbeitenden (b = 1,36; p = 0,040) zeigten höhere Werte für Handlungssicherheit.

Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass Wissen, Ressourcenverfügbarkeit und institutionelle Rahmenbedingungen zentrale Faktoren für das Sicherheitsempfinden im ÖGD darstellen. Die paradoxe Wirkung ausreichender Ressourcen könnte auf unzureichende Schulung oder fehlende standardisierte Abläufe trotz materieller Ausstattung hinweisen.
In den Freitextantworten finden sich Hinweise auf dieses Spannungsverhältnis. So betonen Teilnehmende die Notwendigkeit einheitlicher Softwarelösungen, standardisierter Handlungspläne und strukturierter Fortbildungsmaßnahmen. Daraus kann geschlossen werden, dass Ressourcen allein nicht ausreichen, um handlungsfähig zu bleiben. Zudem zeigen sich kleine und mittelgroße Teams als tendenziell effizienter, was auf Vorteile flacher Hierarchien und direkter Kommunikationswege hindeuten könnte.

Schlussfolgerung
Für zukünftige Krisenlagen sollte der ÖGD durch gezielte Fortbildungsangebote, klare Handlungsanweisungen und anpassungsfähige Organisationsstrukturen, die eine flexible Aufgabenverteilung und schnelle Entscheidungsprozesse ermöglichen, gestärkt und die subjektive Handlungssicherheit der Mitarbeitenden erhöht werden. Darüber hinaus ist die Förderung praxisnaher Forschung notwendig, um die konkreten Herausforderungen und Bedarfe im ÖGD sichtbar zu machen und evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für die Ausbruchsbewältigung abzuleiten. Der Ausbau einheitlicher digitaler Infrastrukturen bleibt eine zentrale Voraussetzung.

Referenzen

[1] Eymann T, Fürstenau D,
Gersch M, Kauffmann AL, Neubauer M, Schick D, et al. Das Reifegradmodell für
den Öffentlichen Gesundheitsdienst – Ein Instrument zur Erfassung und
Verbesserung des digitalen Reifegrades von deutschen Gesundheitsämtern.
Bundesgesundheitsbl. 2023;66(2):136–142. DOI: 10.1007/s00103-022-03643-7.
[2] Zeeb H, Loss J, Starke
D, et al. Public health in Germany: structures, dynamics, and
ways forward. Lancet Public Health. 2025;10:e333–42. DOI: 10.1016/S2468-2667(25)00033-7.
[3] Beck M, Heidrich N, Schmid-Küpke N, et al. Empirische Forschung im Öffentlichen
Gesundheitsdienst – eine Standortbestimmung. Bundesgesundheitsbl.
2022;65(9):930–7.
[4] Kröger ST, Lehmann MC,
Treutlein M, et al. Mpox outbreak 2022: an overview of all cases reported
to the Cologne Health Department. Infection.
2023;51(6):1195–1209. DOI: 10.1007/s15010-023-01997-x.
[5] Berufsverband der
Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. BVÖGD: Kein Anlass
für Panikmache. 2022. Verfügbar unter:
https://www.gerechte-gesundheit.de/news/detail/bvoegd-kein-anlass-fuer-panikmache.html.
Frau Doreen Wolff
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Magdeburg
#Präsentation #Öffentlicher Gesundheitsdienst #Mpox
4
Hintergrund: Im Rahmen von psychiatrischen Kriseneinsätzen bedeuten Zwangseinweisungen einen starken Eingriff in die Grundrechte von Betroffenen. Genesungsbegleitung durch sog. Peers stellt eine potenzielle Maßnahme zur Verringerung von Zwangseinweisungen dar: Internationale Studien belegen, dass der Einsatz von Peers die Genesungschancen sowie die Lebensqualität von Betroffenen verbessern1 und gleichzeitig den Einsatz von Zwangsmaßnahmen verringern kann2. Bisher gibt es in Deutschland keine Erfahrungen, wie Genesungsbegleitung in außerklinischen akuten psychiatrischen Kriseneinsätzen wirken kann. Die Studie „PeerIntervent“ verfolgte das Ziel, zu untersuchen, ob der Einsatz von Peers die Versorgung von Menschen in akuten psychiatrischen Krisensituationen verbessern und die Zahl der Zwangseinweisungen verringern kann. Finanziert wurde die Studie vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Rahmen der Ausschreibung zur Stärkung zukunftsfähiger Strukturen im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), welche eine nachhaltige Zusammenarbeit zwischen ÖGD und Public Health in den Mittelpunkt stellt.

Methodik: Im Rahmen einer explorativen, cluster-randomisierten und kontrollierten Studie kamen in zwei von fünf regionalen Teams des Sozialpsychiatrischen Dienstes (SpSD) Bremen speziell geschulte Peers zum Einsatz3. Diese begleiteten akute Kriseneinsätze und waren darüber hinaus in andere Versorgungsprozesse eingebunden. Der primäre Ergebnisparameter war der Anteil von Zwangseinweisungen, verglichen zwischen den Interventionsregionen und den Kontrollregionen während der Interventionsperiode (12 Monate) im Verhältnis zum Zeitraum 01.04.2021-31.3.2022 (Baseline-Zeitraum). Ergänzend wurden qualitative Interviews mit den eingesetzten Peers und Fokusgruppen mit den Mitarbeitenden des SpsD durchgeführt, um das subjektive Erleben aller Beteiligten während der Intervention zu erfassen.

Ergebnisse: Sowohl in Kontroll- als auch Interventionsregionen wurden im Interventionszeitraum niedrigere Anteile an Zwangseinweisungen im Vergleich zum Baseline-Zeitraum beobachtet. In den Interventionsregionen sank der Anteil von 12,17 % (119 Zwangseinweisungen von 978 Krisenfällen) auf 8,48 % (69 von 814). In den Kontrollregionen verringerte sich der Anteil von 8,82 % (112 von 1270) auf 7,07 % (130 von 1840). Die Reduktion war in den Interventionsregionen damit stärker ausgeprägt. Der geschätzte Koeffizient für den Behandlungseffekt (Interventionsregion * Interventionszeitraum) betrug -0,25, was auf einen möglichen Rückgang der Zwangseinweisungen durch die Intervention hindeutet. Dieser Effekt war jedoch statistisch nicht signifikant (p = 0,2003) zum zweiseitig getesteten Niveau von 5 %. Sensitivitätsanalysen, die zusätzliche Variablen wie Jahr/Monat sowie die Altersklasse als kategoriale Variable berücksichtigten, bestätigten das Ergebnis. Die Ergebnisse der qualitativen Daten zeigten auf der einen Seite Potenzial für Genesungsbegleitung im Kontext von akuten Krisen, auf der anderen Seite aber auch Herausforderungen im Rahmen der Implementierung von Genesungsbegleitung und im weiteren Verlauf auch in der Zusammenarbeit zwischen den Peers und dem SpsD.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse liefern erste Hinweise darauf, dass Genesungsbegleitung zur Reduktion von Zwangseinweisungen beitragen kann. Zugleich zeigen sich jedoch Umsetzungsbarrieren und Herausforderungen in der Zusammenarbeit. Um das Potenzial der Intervention voll ausschöpfen zu können, sollte künftige Forschung, neben Fragen zur Wirksamkeit und strukturellen Verankerung, verstärkt die praktische Implementierung und die Akzeptanz von Genesungsbegleitung in den Fokus nehmen.

Referenzen

[1] Corrigan PW, Kraus DJ, Pickett SA, et al. Using peer navigators to address the integrated health care needs of homeless African Americans with serious mental illness. Psychiatr Serv. 2017;68(3):264–70.
[2] Badouin J, Bechdolf A, Bermpohl F, et al. Preventing, reducing, and attenuating restraint: A prospective controlled trial of the implementation of peer support in acute psychiatry. Front Psychiatry. 2023;14:1089484. DOI: 10.3389/fpsyt.2023.1089484 .
[3] Oeltjen LK, Schulz M, Heuer I, et al. Effectiveness of a peer-supported crisis intervention to reduce the proportion of compulsory admissions in acute psychiatric crisis interventions in an outreach and outpatient setting: study protocol for an exploratory cluster randomised trial combined with qualitative methods. BMJ Open. 2024;14:e083385. DOI: 10.1136/bmjopen-2023-083385 .
Frau Lena-Katharina Oeltjen
Institut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen, Bremen
#Präsentation #Genesungsbegleitung #Zwangseinweisung #Psychiatrische Krisenintervention #Cluster randomisierte Studie #Öffentlicher Gesundheitsdienst
5
Hintergrund: Häusliche und Sexualisierte Gewalt (HuSG) findet in der Tabuzone privater Beziehungen statt, was zu einer hohen Dunkelziffer beiträgt. Neben offensichtlichen Folgen körperlichen Gewalt führen andauernde, auch psychische, Misshandlungen zu chronischen Erkrankungen. Mit der Istanbul Konvention hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, Maßnahmen zur Reduzierung von HuSG zu treffen. Dazu müssen Betroffene ermutigt werden, sich aus der Situation zu befreien. In Notaufnahmen (NA) gibt es standardisierte Abläufe zur Behandlung offensichtlicher Gewaltopfer. Zugleich werden NA von Personen mit latenter Gewalterfahrung oft wegen anderer Behandlungsgründe aufgesucht. Die Anonymität, der Datenschutz und die Fokussierung auf gesundheitliche Versorgung macht NA zu einem geschützten Setting. Dies kann genutzt werden, um das Hellfeld von HuSG zu erweitern und folglich mehr Hilfeangebote zu unterbreiten. Zur Erfassung der Prävalenz wurden an vier großstädtischen NA jeweils einen Monat lang 24/7 Patient:innen tablet-basiert (mehrsprachig) mit dem HITS Tools (Hurt, Insult, Threaten, Scream), ergänzt um eine Frage nach sexualisierter Gewalt in den vergangenen 12 Monaten durch NA-Personal auf HuSG gescreent. Bei positivem Ergebnis wurde eine kurze Beratung durchgeführt und bei bestehender Offenheit ein weiterführendes Hilfeangebot unterbreitet.
Zielsetzung: Die Praktikabilität des Tools im NA-Alltag sowie die Nutzungserfahrungen sind wichtige Informationen über das nachhaltige Implementierungspotential. Dabei ist die Anwendung des Tools in den Kontext der NA-Regelversorgung von HuSG einzuordnen. Daher stellen sich folgende Forschungsfragen: Welche Barrieren und Förderfaktoren bestimmen die Erfassung und Versorgungsqualität von HuSG-Patient:innen im Arbeitsalltag der NA? Welche Bedingungen würden aus NA-Personalsicht die Versorgung verbessern?
Methode: Eine Leitfaden gestützte qualitative Befragung wurde zwischen Februar und April 2025 in Präsenz mit 20 Pflegekräften, Ärzt:innen und Studynurses mit einer medianen Interviewdauer von 13 Minuten (Spanne 7 – 35 Minuten) an vier grosstädtischen Notaufnahmen durchgeführt. Die transkribierten Interviews wurden mit der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.
Ergebnisse: Die Versorgung von HuSG-Patient:innen und die Berücksichtigung von HuSG bei unklaren Symptomen ist Teil des NA-Alltags. Die Teilnehmenden wiesen darauf hin, dass Pflegekräfte aufgrund ihrer meist längeren Berufsdauer und einem ganzheitlicheren Blick auf Patient:innen mehr Erfahrungen mit dieser Problematik haben als Ärzt:innen, die während ihrer fachärztlichen Weiterqualifizierung in NA arbeiten. Die Herstellung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient:innen und Versorgenden wird als förderlich für die patient:innenseitige Offenheit und Annahme von Unterstützungsangeboten gesehen. Die Adressierung möglicher HuSG-Erfahrung kann als grenzüberschreitend wahrgenommen und deshalb vermieden werden. Schulungen zum Umgang mit von HuSG Betroffenen sind daher Voraussetzung für adäquate Ansprachen. Die Versorgungsqualität im NA-Alltag richtet sich nach den jeweils aktuellen Anforderungen, da medizinische Notfälle prioritär zu behandeln sind. Die erforderlichen zeitlichen und räumlichen Ressourcen stehen daher nur in Abhängigkeit von den jeweiligen Versorgungskapazitäten bereit. Wartezeiten, Unterbrechungen und halböffentliche Räume erfordern professionelle Flexibilität, um den Patient:innen dennoch gerecht zu werden. Positiv bewertet werden zielgruppenspezifische Hilfeangebote zum Weiterverweis. Ein regelhaftes Screening auf HuSG wurde grundsätzlich befürwortet und die NA überwiegend als richtige Anlaufstelle für Betroffene gesehen. Zur Versorgungsoptimierung wurde die Bereitstellung angemessener Ressourcen vorgeschlagen.
Diskussion
NA werden von HuSG-Betroffenen mit akuter, aber auch latenter Gewalterfahrung aufgesucht. Die NA bietet sich als sicheren Ort der Ansprache und Unterbreitung von Hilfsangeboten an. Dazu werden entsprechende räumliche und personelle Ressourcen benötigt. Mit einem regelhaftem Screening auf HuSG könnte das Dunkelfeld erhellt werden.
Frau Dr. Martina Schmiedhofer
Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin
Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V., Berlin
1980-1985 Medizin-Soziologie J.W. Goethe-Universität Frankfurt am Main 1985-1996 Referentin der Grünen im Hessischen Landtag Wiesbaden (Soziales, Gesundheit, Frauen) 1996-2011 Bezirksstadträtin in Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin (4 Wahlperioden) für Soziales, Gesundheit und Umwelt 2011-1013 MPH Studium an der Berlin School of Public Health der Charité Universitätsmedizin Berlin 2013-2016 Promotion (Dr. rer. medic) bei Prof. Martin Möckel, Charité Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM 2017-2019 Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektkoordinatorin Charité Universitätsmedizin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM 2019-2023 Wissenschaftliche und Mitarbeiterin und Projektleiterin Aktionsbündnis Patientensicherheit Berlin e.V. 2023- laufend Wissenschaftliche Mitarbeiterin Charité-Universitätsmedizin Berlin, Notfall- und Akutmedizin CVK, CCM
#Präsentation #Notaufnahme #Häusliche und Sexualisierte Gewalt #Gewaltschutz #Frauengesundheit #Notfallmedizinische Versorgungsforschung
6
1. Einleitung
Unfälle verursachen viel Leid, hohe Kosten für Behandlung, Arbeitsausfälle und sie sind eine relevante Todesursache, besonders in jungen Jahren. Im Jahr 2023 starben über 30.000 Personen bei Heim- und Freizeitunfällen, die Anzahl hat sich in den letzten 25 Jahren verdreifacht. Ein bundesweites Monitoring und Reporting wie auch Präventionsstrategien gibt es kaum, vor allem für Heim- und Freizeitunfälle fehlen sie. Im Vortrag werden Daten aus einer aktuellen bundesweiten Befragung präsentiert. Die Prävalenz von nichttödlichen Unfällen an vier Unfallorten wird dargestellt (zu Hause, Freizeit, Verkehr, auf Arbeit). Unterschiede nach Geschlecht, Alter und Bildung werden beschrieben.

2. Methoden
Ausgewertet wurden Daten aus der bundesweiten Studie „Gesundheit in Deutschland 2024“ (RKI-Gesundheitspanel), die zwischen 30.05.2024 und 06.01.2025 online (alternativ papierbasiert) durchgeführt wurde. 27.020 Personen ab 18 Jahren beantworteten die Fragen des „Unfallmoduls“. Sie wurden nach unfallbedingten Verletzungen in den letzten 12 Monaten gefragt, die eine ärztliche Versorgung nach sich zogen. Der Datensatz wurde nach Alter, Geschlecht, Bildung und regionalen Merkmalen gewichtet. Berechnet wurden gewichtete Unfallhäufigkeiten mit 95%-KI. Das komplexe Stichprobendesign wurde bei der Analyse berücksichtigt.

3. Ergebnisse
Insgesamt erlitten 9,0 % der Frauen und 10,3 % der Männer in Deutschland innerhalb von 12 Monaten mindestens Unfallverletzung, die ärztlich behandelt wurde. Zum letzten Unfall wurden detaillierte Angaben erhoben. Der größte Teil der Unfälle passierte zu Hause (37,3%), etwa ein Viertel in der Freizeit (24,5%), 20,3% im Verkehr und 17,8% auf der Arbeit. Frauen berichten signifikant seltener von Arbeitsunfällen als Männer, aber häufiger von Unfällen zu Hause. Die deutlichsten Altersunterschiede (18–29 J. vs. 80+ J.) gibt es im Freizeitunfallgeschehen, bei den jüngeren Frauen (35,0 %) und Männern (35,1 %) passiert ein deutlich größerer Teil der Unfälle in der Freizeit als bei Älteren (Frauen: 8,7%, Männer 10,3%). Bei den häuslichen Unfällen zeigt sich ein umgekehrter Altersgradient: Bei den 80+Jährigen entfielen 67,9% (Frauen) bzw. 55,4% (Männer 10,3%) auf Unfälle im Haus im Vergleich zu 28,1% (Frauen) bzw. 17,8% (Männer) bei den 18- bis 29-Jährigen. Bildungsunterschiede in der Unfallhäufigkeit insgesamt zeigten sich nicht, jedoch bezogen auf die Unfallorte: Arbeitsunfälle wurden signifikant häufiger von Männern mit niedriger Bildung berichtet, Freizeitunfälle hingegen von Männern mit hoher Bildung. Ein Fünftel der Unfallopfer wurde stationär im Krankenhaus behandelt (19,9%). (Datensatz zum Stand: 31.03.2025)

4. Schlussfolgerung/Fazit
Die vorliegenden Ergebnisse unterstreichen den Stellenwert von Unfallverletzungen für die Gesundheit in Deutschland, für die Gesundheitsversorgung, ihre Finanzierung und die gesamte Gesellschaft. Die ersten Analysen der Daten des RKI-Gesundheitspanels 2024 geben einen Überblick über wichtige Unfallorte und besonders betroffene Bevölkerungsgruppen. Das Unfallmodul enthält zahlreiche weitere Fragen zum Unfallhergang, resultierenden Verletzungen und Behandlungen. Weitere Auswertungen und Vergleiche mit anderen Statistiken sind geplant. Daraus sollen konkrete Hinweise auf Unfallschwerpunkte und Präventionspotenziale abgeleitet werden, denn: Ein Unfall ist kein Zufall.
Frau Dr. Anke-Christine Saß
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
#Präsentation #Unfallprävalenz #Erwachsene #Verletzung #Zu Hause #Freizeit #Arbeit #Unfallprävention
7
Hintergrund:
Die kontinuierliche, zeitnahe Abbildung der Versorgungsqualität in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege ist in Deutschland aufgrund der fragmentierten Datenlage herausfordernd. Der Bedarf nach einem entsprechenden Surveillance-System wurde unter anderem während der Covid-19-Pandemie deutlich. Das Forschungsprojekt LTCSurv prüft daher, inwiefern ambulante Abrechnungsdaten als Grundlage einer solchen Surveillance fungieren könnten. Ein dazu entwickeltes Set an Qualitätsindikatoren umfasst einerseits Prozessindikatoren zur erkrankungsspezifischen Versorgung, z. B. von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus, und andererseits Indikatoren zu Strukturmerkmalen der Pflegeeinrichtungen, zu Ergebnissen der externen Qualitätsprüfung, zu Morbiditätsstruktur sowie Versorgungskontinuität. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes sind in der Langzeitpflege aufgrund ihrer Häufigkeit und des kontinuierlichen Versorgungsbedarfs bedeutsam. Daher wird am Beispiel kardiometabolischer Indikatoren untersucht, inwiefern eine routinedatenbasierte Surveillance die Versorgungsqualität in Pflegeheimen vor und während der Pandemie abbilden kann.

Methode:
Es wurden ambulante Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Hessen, Nordrhein und Schleswig-Holstein aus den Jahren 2018 – 2021 analysiert. Mit Hilfe einer zweifachen Pseudonymisierung wurden Wohnadressen mit Pflegeheimadressen abgeglichen, um Pflegeheimbewohnende zu identifizieren. Die Versorgung kardiometabolischer Erkrankungen bei Heimbewohnenden in den Bereichen ärztlicher Untersuchungen, Laboruntersuchung und Medikation wurde vor und während der Covid-19-Pandemie abgebildet und mit der von Nichtheimbewohnenden verglichen. Zudem wurden Unterschiede in Bezug auf Merkmale der Bewohnenden, der Pflegeeinrichtungen und der Landkreise untersucht. Lineare Modelle auf Basis der Jahre 2018 – 2019 dienten zur Vorhersage erwarteter Quartalswerte für 2018 – 2021, die im Folgenden mit den beobachteten Werten abgeglichen wurden.

Ergebnisse:
In den betrachteten Kalenderjahren konnten zwischen 61.000 und 80.000 Personen ab 60 Jahren durchgehend über 4 Quartale des jeweiligen Jahres als Pflegeheimbewohnende desselben Heimes in den KV-Daten identifiziert werden. Versorgungsleistungen mit persönlichem Kontakt, wie augenärztliche Untersuchungen oder Kreatinin-Kontrollen bei Diabetes, gingen ab 2020 mit Beginn der Covid-19-Pandemie jeweils besonders in den Quartalen 2 und 4 gegenüber den erwarteten Abrechnungen basierend auf den Vorjahren zurück. Die medikamentöse Versorgung wie in Form verordneter Antihypertensiva bei Personen mit Bluthochdruck oder Betablockern bei Herzinsuffizienz folgte dagegen weitgehend den erwarteten Werten. Unterschiedliche Trends je Medikamentengruppe setzten sich unabhängig von der Pandemie fort. Die Covid-19-Pandemie beeinflusste die ärztliche Versorgung von Heim- und Nichtheimbewohnenden ähnlich. Der Einfluss auf die Versorgung in Pflegeheimen schien unabhängig von Eigenschaften der Bewohnenden, der Pflegeheime oder des Kreistyps. Insgesamt fanden Versorgungsleistungen bei kardiometabolischen Erkrankungen für Heimbewohnende gleichbleibend seltener statt als für Nichtheimbewohnende. Zudem wurden über die Jahre niedrigere Versorgungsraten für Heimbewohnende im vierten Quartal beobachtet.

Diskussion:
Die Analyse der Abrechnungsdaten ergab, dass Leistungen mit persönlichem ärztlichem Kontakt ab 2020 teils deutlich zurückgingen, während die medikamentöse Versorgung weitestgehend stabil blieb. Pflegeheimbewohnende erhielten ungeachtet der Pandemie insgesamt seltener Versorgungsleistungen für kardiometabolische Erkrankungen. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer kontinuierlichen Surveillance der Versorgungsqualität in Pflegeheimen. Ambulante Abrechnungsdaten bieten hierfür eine aussagekräftige Grundlage. Das erprobte Verfahren zur Identifizierung von Heimbewohnenden anhand des Abgleichs von Wohn- und Heimadressen erwies sich als tragfähiges Vorgehen. Der zeitliche Verzug beim Zugang zu diesen Daten stellt jedoch eine Herausforderung für eine Surveillance dar, die das Identifizieren von Versorgungslücken und das Ableiten von Maßnahmen zeitnah erleichtern soll. Langfristig wäre weiterhin die Verknüpfung mit anderen Datenquellen, zum Beispiel aus Befragungen wünschenswert, um ein umfassenderes Bild der Versorgungssituation zu erhalten.
Frau Francesca Färber
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
#Präsentation #Surveillance #Langzeitpflege #Versorgungsqualität #COVID-19-Pandemie #Ärztliche Versorgung
8
Präventionsindikatoren sollen die Präventionsberichterstattung der Länder vereinheitlichen, um so eine Grundlage für eine gemeinsame Berichterstattung zu schaffen. Diese bilden die Grundlage eines koordinierten Beitrags der Länder zum Nationalen Präventionsbericht und können eine wichtige Datenbasis für die Gesundheitsförderung und Prävention in Ländern und Kommunen sein. Körperliche Aktivität stellt ein wichtiges Handlungsfeld von Gesundheitsförderung und Prävention dar. Im Präventionsindikatorensystem der Länder sind im Themenfeld Bewegung sogenannte Entwicklungsindikatoren enthalten, für die noch erheblicher konzeptioneller Ausarbeitungsbedarf besteht. Im Rahmen des Förderaufrufs des Bundesministeriums für Gesundheit „Strukturelle Stärkung und Weiterentwicklung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD)“ wurde daher 2023 das Verbundprojekt KAB-Mon ins Leben gerufen, in dem diese Indikatoren in Kooperation von Instituten der wissenschaftlichen Forschung und ÖGD konzeptionalisiert und erfasst werden.

Für die subjektive Erfassung der drei Mobilitätsindikatoren „Modal Split“, „Walkability“, „Bikeability“ werden Befragungsinstrumente identifiziert bzw. neu entwickelt und getestet, die in einer repräsentativen Stichprobe pilotiert werden sollen. Walkability und Bikeability werden zusätzlich mittels Geo-Daten objektiv am Beispiel Berlins erfasst und unterschiedliche Methoden hinsichtlich ihrer regelhaften Anwendbarkeit in der Präventionsberichterstattung verglichen. Der vierte Indikator „Bewegung als Baustein im Bildungsrahmenplan Kita“ ist ein Politikindikator. Aufbauend auf eine systematische Übersichtsarbeit werden u.a. mittels Dokumenten-Analyse Beispiele für die gute politische Praxis definiert und ein Benchmarking-Tool zur Testung entwickelt. Das Projekt wird von einem Anwenderboard bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Gesundheitsberichterstattung der Länder begleitet.

Im Beitrag werden das bisherige methodische Vorgehen und erste Zwischenergebnisse vorgestellt: Das entwickelte Erhebungsmodul zur Erfassung der Walkability und Bikeability, der anhand von Berliner Geodaten berechnete Bikeability-Index und das Tool zur Auswertung der Bildungsrahmenpläne. Methodische Limitationen und Herausforderungen in der praktischen Umsetzung werden diskutiert.

Die Erarbeitung von sogenannten Entwicklungsindikatoren im Präventionsindikatorensystem ist mit eigenen Ressourcen der Länder schwer leistbar. Das Projekt bietet die Möglichkeit, in Kooperation mit wissenschaftlicher Expertise außerhalb des ÖGD eine fundierte und methodisch vielfältige Ausgestaltung der Indikatoren zu realisieren. Die Aufnahme von Politikindikatoren ins Portfolio der Präventionsberichterstattung birgt großes Potential, stellt die Beteiligten aber vor methodische, organisatorische und politische Herausforderungen.

Herr Johannes Zeiher
Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, Berlin
#Präsentation #Prävention #Indikatoren #Gesundheitsberichterstattung #Präventionsberichterstattung #Öffentlicher Gesundheitsdienst #Walkabilty #Bikeabiliy #Modal Split #Bildungsrahmenpläne
Fr
19 Sep
10:30 - 12:00
SYM1
Ist das wirklich Partizipation? Eine kritische Betrachtung der Ansprüche, Realitäten und Herausforderungen in der Forschung anhand praktischer Beispiele (A Herrler)
Partizipation
Raum: Hörsaal 3 (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 210)
Beiträge:
1

Hintergrund

Partizipation gewinnt in gesundheitsbezogenen Forschungsprojekten zunehmend an Bedeutung. Sie wird von Betroffenenverbänden, aber auch von verschiedenen institutionellen Akteuren, darunter Fördermittelgebern wie dem BMBF und dem G-BA Innovationsfonds, explizit eingefordert. Die zugrunde liegende Annahme ist, dass Partizipation zu praxisnäheren, nachhaltigeren und bedarfsgerechteren Forschungsergebnissen führt. In der Umsetzung zeigt sich jedoch, dass Partizipation mitunter früher und umfassender gefordert wird, als Forschende und Betroffene sie realisieren können, etwa aufgrund fehlender Expertise oder institutioneller Infrastrukturen. Dies kann sich negativ auswirken und zu Überforderung, Ablehnung oder Scheinpartizipation führen, bei der Partizipation zwar proklamiert, aber nicht wirklich umgesetzt wird. Zudem ist ein Maximum an Partizipation im Sinne gleichberechtigter Mitbestimmung je nach Projekt und Betroffenengruppe nicht immer zielführend.

Methode

Zentrale Fragen lauten daher: Wie viel Partizipation darf, muss und kann für eine gewinnbringende Veränderung der Forschungsergebnisse bestehen? Welche Rahmenbedingungen ermöglichen eine sinnvolle, nachhaltige und faire Einbindung Betroffener? Und wann ist Partizipation tatsächlich (nicht) umfänglich gewünscht, zielführend oder machbar? Das Symposium zielt darauf ab, diese Fragen anhand von Beispielen in unterschiedlichen Projektphasen, mit unterschiedlichen Zielgruppen und Partizipationsgraden vor dem Hintergrund partizipativer Modelle kritisch zu reflektieren und zu diskutieren. Hierzu werden im ersten Beitrag unterschiedliche Konzeptionen und Modelle von Partizipation mit Bezug auf verschiedene Partizipationsgrade im Laufe des Forschungsprozesses und aktuelle Herausforderungen auf der Basis von Beratungserfahrung im Kontext Partizipation dargestellt. Im Anschluss werden drei Praxisbeispiele vorgestellt, die unterschiedliche Ansätze und Herausforderungen partizipativer Forschung veranschaulichen.

Ergebnisse

1) Essstörungen und geschlechterspezifische Faktoren: Im Rahmen einer Mixed-Methods-Studie zur Erforschung geschlechter- und diversitätsspezifischer Faktoren und Symptome bei Essstörungen wurden Erfahrungsexpert:innen bereits in der Konzeptions- und Antragsphase involviert. Zudem wird ein Beirat aus Erfahrungsexpert:innen intensiv an der Konzeption, Durchführung und Dissemination des Projekts mitwirken. Aus diesem Projekt wird auch eine beteiligte Erfahrungsexpertin selbst mitdiskutieren.
2) Rehabilitationsprogramm für medienbezogene Störungen: Ein Rehabilitationsprogramm für Kinder und Jugendliche mit einer medienbezogenen Störung wurde partizipativ entwickelt. Aufbauend auf den Ergebnissen von Interviews mit Betroffenen und Expert:innen haben die Forschenden einen ersten Therapieplan für ein Rehabilitationsprogramm entworfen, der anschließend in Workshops mit involviertem Klinikpersonal weiterentwickelt und finalisiert wurde.
3) Kinderrat in der Gesundheits- und Versorgungsforschung: Eine Pilotstudie zur Partizipation von Kindern (9-13 Jahre) mit chronischen Erkrankungen und ihren Eltern wird vorgestellt. Ein Kinderrat wurde etabliert, der Fragestellungen mit unterschiedlichen partizipativen Methoden zur Versorgung von Kindern mit chronischen Erkrankungen bearbeitet hat. Das Kinderratsprojekt wurde mit einem gemeinsamen Kongressbesuch als Wunschprojekt der Familien abgeschlossen, bei dem die Kinder auch selbst Ergebnisse vor Fachpublikum präsentiert und mitdiskutiert haben.

Diskussion

In der anschließenden Diskussion, an der auch eine Betroffene mitwirkt, werden die verschiedenen partizipativen Anteile und Herausforderungen thematisiert und so eine kritische Reflexion über den aktuellen Stand partizipativer Forschung ermöglicht. Das Symposium zeigt auf, in welchen Kontexten Partizipation gelingt, wo sie an strukturelle oder methodische Grenzen stößt – und wo sie möglicherweise sogar besser umsetzbar ist, als gedacht. Das Ziel ist es, realistische Perspektiven für eine nachhaltige und sinnvolle Beteiligung in zukünftigen Forschungsprojekten zu entwickeln.
Frau Dr. Angélique Herrler
Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
Frau Sarah Weschke
Berlin Institute of Health at Charité – Universitätsmedizin Berlin, QUEST Center for Responsible Research, Berlin
Frau Julie O'Sullivan
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institute of Medical Sociology and Rehabilitation Science, Charitéplatz 1, 10117,, Berlin
Frau Judith Stumm
Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin
Frau Prof. Dr. Freia De Bock
Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin
#Symposium 60 #Partizipation #Reflexion #Praxisbeispiele #Public Health #Versorgungsforschung #vulnerable Gruppen
2

Hintergrund

Die riskante und problematische Nutzung digitaler Medien unter Kindern und Jugendlichen stellt eine gesellschaftliche Herausforderung dar [1].
Trotz der Aufnahme der Gaming-Disorder in die ICD-11 und des zunehmenden öffentlichen Diskurses bleibt die gesundheitliche Aufklärung und Versorgung weiterhin unzureichend.
Bestehende Versorgungsangebote beziehen sich aktuell v.a. auf den akutstationären Bereich. Ein stationäres Rehabilitationsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Medienabhängigkeit gibt es deutschlandweit bislang noch nicht.
Die Rehabilitationsleistung stellt ein nachhaltiges multimodales Konzept unter Berücksichtigung des biopsychosozialen Modells dar. Um langfristige und nachhaltige Effekte zu erzielen gilt es, involvierte Akteur*innen in der Gestaltung mit einzubeziehen.
Der wissenschaftliche Einbezug von Betroffenen sowie weiteren involvierten Akteur:innen ermöglicht es eine spezifische Exploration des Phänomens sowie anwendungsorientierte Versorgungsangebote zu entwickeln.

Methode

In einer Vorbereitungs- und Entwicklungsphase wurde ein Scoping Review zu bestehenden (rehabilitativen) Versorgungsangeboten für Kinder und Jugendliche mit medienbezogenen Störungen sowie Interviews mit Betroffenen, Sorgeberechtigten und Expert:innen durchgeführt.
Darauf aufbauend wurde ein erstes Rehabilitationsprogramm durch die Forscherinnen entwickelt.
Das Rehabilitationsprogramm wurde im Rahmen von fünf interaktiven Workshops mit Mitarbeiter:innen (n=14) verschiedener Berufsgruppen der kooperierenden Rehabilitationsklinik, in welcher das entwickelte Rehaprogramm anschließend pilotiert werden soll, diskutiert und weiterentwickelt. Durch die Teilnahme möglichst unterschiedlicher Berufsgruppen sollten verschiedene Perspektiven an dem Prozess der Programmentwicklung beteiligt sein. Diese Zusammenarbeit profitierte von dem Prozesscharakter, indem inhaltliche und methodische Aspekte wechselseitig kooperativ diskutiert und ausgearbeitet wurden.
Während der Pilotierung des Programms sollen in einem nächsten Schritt zudem Fokusgruppen mit Eltern und Kindern zu ihrer Einschätzung zum Rehaprogramm durchgeführt werden. Im Sinne einer Prozessevaluation fließen die Ergebnisse der Fokusgruppen schließlich ebenso in den finalisierten Therapieplan ein.

Ergebnisse

Die tiefergehende Exploration von Ursachen, Motiven und der Reflektion des eigenen Verhaltens der betroffenen Kinder- und Jugendlichen, die Wahrnehmung und der Einfluss der Eltern auf ihre Kinder sowie die professionellen interdisziplinären Sichtweisen von Expert:innen im Rahmen der Interviews bildet die Basis für die Gestaltung des Rehabilitationsprogramms. Inwiefern die Berücksichtigung von Interviewergebnissen ohne „Mitspracherecht“ schon eine Partizipationsstufe darstellt, ist zu diskutieren.Immerhin gibt die Perspektive von involvierten Akteuren und insbesondere die von Betroffenen selbst die wichtigsten Einblicke in die Thematik.
Die gemeinsame Diskussion, Weiterentwicklung und Konkretisierung des Therapieplans mit den involvierten Mitarbeiter:innen der Rehabilitationsklinik ist ein partizipativer Prozess, in dem die Mitarbeiter:innen gleichberechtigt an dem Therapieplan mitarbeiten und gemäß ihrer fachlichen Expertise, ihrer zeitlichen, personellen und räumlichen Ressourcen Entscheidungen treffen. Der partizipative Prozess der gemeinsamen Gestaltung des Rehaprogramms ist in seiner Umsetzung selbst zwar gelungen. Jedoch zeigten sich unter den Mitarbeiter:innen inhaltliche Lücken aufgrund der fehlenden Erfahrung mit dem Thema „medienbezogene Störungen“ bzw. mangelnde Empathie gegenüber der Perspektive der Betroffenen, die in der Zuarbeit zu einem eher inhaltlich niedrigen Niveau führte. Eine zusätzliche Schulung der Mitarbeiter:innen durch einen Experten zum Thema wurde als Konsequenz angeboten.

Diskussion

Die unterschiedliche Gewichtung von Perspektiven in einem partizipativen Prozess sollte vorab entsprechend dem Gradseiner Bedeutung in dem Prozess durchdacht werden. Die Perspektive der “Betroffenen“ spielt insbesondere dann eine wichtigere Rolle, wenn es um ein noch wenig erforschtes Thema geht und sollte zusätzlich zu der Expertise des Fachpersonals ergänzend inhaltlich partizipativ miteinbezogen werden.

Referenzen

1.      
1. Wiedemann
H, Thomasius R, Paschke K. Problematische Mediennutzung bei Kindern
und Jugendlichen in Deutschland: Ergebnisbericht 2024/2025. Ausgewählte Ergebnisse
der siebten Erhebungswelle im September/Oktober 2024 [Internet]. Hamburg: DAK-Gesundheit; 2025 [cited 2025 April 8]. Available from: www.dak.de/mediensucht
Frau Judith Stumm
Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin
#Symposium 60
3

Hintergrund

Seit einigen Jahren wird die Partizipation von Betroffenen bzw. Erfahrungsexpert:innen in der Forschung in Deutschland zunehmend eingefordert, u.a. in Förderbekanntmachungen [1]. Dadurch beschäftigen sich immer mehr Wissenschaftler:innen und Forschungsinstitutionen, aber auch gesellschaftliche Akteure wie z.B. Patientenvertretungen mit diesem Ansatz. Allerdings bestehen momentan noch viele Hürden, die einer erfolgreichen Implementierung im Wege stehen können – angefangen bei Unschärfen in Definitionen partizipativer Forschungsansätze.

Methode

In diesem einführenden Beitrag wird anhand zweier Modelle aufgezeigt, ab wann von echter Partizipation im Sinne von Mitbestimmung gesprochen werden und wie das Ausmaß von Beteiligung im Laufe eines Projekts variieren kann [2,3]. Darüber hinaus werden aktuelle Herausforderungen aus Sicht einer Person dargestellt, die seit über fünf Jahren Forschende bei der Planung und Umsetzung von Partizipation in der Gesundheitsforschung berät.

Ergebnisse

Die Forderung nach mehr Partizipation trifft auf ein System, das auf eine weitreichende Implementierung nicht ausreichend vorbereitet ist: Trotz der stetig wachsenden Bedeutung dieses Ansatzes sind Awareness, Wissen und Kompetenzen bei vielen relevanten Akteursgruppen weiterhin ausbaufähig. Beispielsweise wird häufig nicht zwischen (passiver) Teilnahme und (aktiver) Beteiligung oder Wissenschaftskommunikation unterschieden, obwohl die Abgrenzung nur in bestimmten Fällen schwierig ist [4]. Darüber hinaus fehlen Unterstützungsstrukturen und Kontaktmöglichkeiten bspw. zwischen Forschenden und Patientenvertretungen. Diese Umstände können dazu führen, dass Partizipation in einer Art und Weise umgesetzt wird, die weder den Beteiligten noch der Forschung einen Mehrwert bietet. Um das zu vermeiden, müssen Voraussetzungen geschaffen werden, die die Integration von gewinnbringender Partizipation in die Forschung ermöglichen.

Diskussion

Es werden Lösungsansätze für die erfolgreiche Implementierung von Partizipation in der Gesundheitsforschung benannt. Hierzu gehören neben angepassten Rahmenbedingungen wie flexibleren Förderstrukturen, die auch eine partizipative Konzeptentwicklung ermöglichen, ein erhöhtes Bewusstsein und Know-how bei allen Beteiligten, eine geeignete Infrastruktur inklusive administrativer Unterstützung und die Anerkennung von Partizipation im Wissenschaftssystem.

Referenzen

1. Weschke S, Müller-Fries E, Schütt A. Aktive Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Gesundheitsforschung – eine kurze Einführung und Überblick zu aktuellen forschungspolitischen Entwicklungen in Deutschland. In: Klingler C, Pichl A, Ranisch R, editors. Ethik der Partizipation: Einblicke in gesundheitsbezogene Forschung, Politik und Technologieentwicklung. Bielefeld: transcript Verlag; 2024. p. 45–60. Available from: https://doi.org/10.14361/9783839469262 2. Wright MT, Hornberg C, Brandes S, et al. Partizipative Qualitätsentwicklung: Zielgruppen in alle Phasen der Projektgestaltung einbeziehen. Gesundheitswesen. 2015;77(S 01):S141–2. German. 3. Farin-Glattacker E, Kirschning S, Meyer T, Buschmann-Steinhage R. Partizipation an der Forschung – eine Matrix zur Orientierung. Ausschuss „Reha-Forschung“ der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) [Internet]. 2014 [cited 2025 Apr 8]. Available from: https://www.dvfr.de/fileadmin/user_upload/DVfR/Downloads/Fachausschuesse/Forschung/Partizipation_an_der_Forschung_%E2%80%93_eine_Matrix_zur_Orientierung.pdf 4. Doria N, Condran B, Boulos L, Curtis Maillet DG, Dowling L, Levy A. Sharpening the focus: differentiating between focus groups for patient engagement vs. qualitative research. Res Involv Engagem. 2018;4:1–8.
Frau Sarah Weschke
Berlin Institute of Health at Charité – Universitätsmedizin Berlin, QUEST Center for Responsible Research, Berlin
#Symposium 60
4

Hintergrund

Während Partizipation von erwachsenen Betroffenen zunehmend gefordert wird, wird Kindern die Fähigkeit sich bspw. zu Fragestellungen der Gesundheitsversorgung zu äußern, noch häufig abgesprochen. Dies erfolgt mit Verweis auf die Komplexität dieser Fragen, auf den Schutz der Kinder sowie auf die Annahme, dass Eltern die Kinderperspektive adäquat vertreten könnten. Das Projekt KiRa (Kinder-Rat) hatte daher das Ziel, die Machbarkeit und Rahmenbedingungen für eine kontinuierliche Beteiligung von Kindern in gesundheits- und versorgungsbezogenen Forschungsprojekten zu untersuchen.

Methode

In KiRa arbeiteten sechs Kinder mit chronischen Erkrankungen (9-13 Jahre) und fünf Elternteile über ein Jahr hinweg mit Forscher:innen zusammen, um Fragestellungen aus den Projekten PICAR (Pediatric Integrated Care) und PedSDM (Pediatric Shared Decision-Making) zu beraten. Dazu wurden verschiedene partizipative Methoden wie World Café und Photovoice eingesetzt und mit Interviews, Fokusgruppen, Kurzfragebögen und Gruppenreflexionen unter anderem hinsichtlich der Machbarkeit evaluiert. Die Familien konnten zudem selbst über die Verwendung eines flexiblen Budgets bestimmen und entschieden sich für eine gemeinsame Teilnahme an einem wissenschaftlichen Kongress. Hierfür hat der Kinderrat einen Kongressworkshop zum Thema Partizipation von Kindern eingereicht und erfolgreich durchgeführt. Dabei stellten Kinder und Eltern das Projekt und ihre Erkenntnisse selbst vor. Auch hier wurden Feedbackrunden und Teamreflexionen eingesetzt, um die Erfahrungen aller Beteiligten zu erfassen. Der Beitrag fasst zunächst die vorläufigen Ergebnisse der Evaluation der Kinderratstreffen hinsichtlich Machbarkeit und erreichtem Partizipationsgrad zusammen. Anschließend werden die Erfahrungen des gemeinsamen Kongressbesuchs inkl. kritischer Gelingensfaktoren dargestellt.

Ergebnisse

Die Erfahrungen zeigen, dass Partizipation von Kindern in unterschiedlichen Stadien und Formen auch für komplexe Fragestellungen möglich ist. Über die Zeit gewannen die Kinder zunehmend Vertrauen und Selbstbewusstsein, um ihre Meinung auch gegenüber den erwachsenen Eltern und Wissenschaftler:innen einzubringen. Regelmäßiges gemeinsames Spielen und Rituale wie gemeinsames Essen spielten eine zentrale Rolle für die Vertrauensbildung und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Entscheidend für fortgeschrittene Vorhaben wie einen gemeinsamen Kongressbesuch ist, dass sich die wissenschaftlichen Strukturen an die Bedürfnisse der Familien anpassen. Dazu gehören bspw. bürokratische Fragen wie die Finanzierung der Kongressreise oder organisatorische Aspekte wie Schulzeiten und Arbeitszeiten der Familien sowie die generelle Gestaltung wissenschaftlicher Veranstaltungen. Eine stärkere Demokratisierung von Kongressen, etwa durch familiengerechte Formate und verständliche Sprache, könnte einen wichtigen Beitrag zur Ermöglichung echter Partizipation leisten. Die Präferenzen der Beteiligten gilt es jedoch auch zu berücksichtigen: Während im Sinne "echter" Partizipation die eigenständige Präsentation von Ergebnissen durch die Beteiligten nach etwaigen Modellen vorgesehen ist, war dies nach einem Jahr Vorarbeit zwar auch von den Kindern gewollt, nicht aber im gleichen Maße von den Eltern.

Diskussion

Das Projekt zeigt, dass Kinder vom gemeinsamen Entwickeln von Forschungsfragen über Dateninterpretation bis hin zum Kongressbesuch durchaus für alle Seiten gewinnbringend beteiligt werden können. Die Vorgaben, Strukturen und Formate der Wissenschaft, von der Bewirtungsrichtlinie bis zur Fachsprache, müssen diesbezüglich aber besser auf die Gegebenheiten von bspw. Familien eingehen.
Frau Dr. Angélique Herrler
Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Symposium 60
5

Hintergrund

Essstörungen bilden mit einer steigenden Prävalenz von aktuell ca. 3-10% und einer hohen Morbidität und Mortalität ein relevantes Gesundheitsproblem [1, 2]. Frauen sind häufiger von Essstörungen betroffen – in den letzten Jahren wurde jedoch ein Anstieg der Prävalenz bei Männern beobachtet, deren Anteil inzwischen auf 10-25% der Fälle geschätzt wird [3, 4]. Das Projekt MASC-ED (Masculinity and Diversity in Eating Disorders) untersucht geschlechter- und diversitätsspezifischen Aspekte von Essstörungen, mit besonderem Fokus auf bisher unterrepräsentierte Gruppen wie Männer und marginalisierte Personen aus sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten. Insbesondere wird Männern mit Essstörungen ein hohes Stigmatisierungsrisiko zugeschrieben, während marginalisierte Gruppen, einschließlich sexueller und geschlechtlicher Minderheiten, ein besonders hohes Risiko für Essstörungssymptome aufweisen [5, 6]. Bislang besteht jedoch kaum Forschung bzgl. Essstörungen bei diesen Gruppen. Aufgrund mangelnder Vorbefunde und niedriger Prävalenzraten erscheint die Mitbestimmung durch Betroffene bei der Spezifikation der Forschungsfragen und Interpretation der Forschungsergebnisse daher von besonderer Wichtigkeit.

Methode

Ein entscheidendes Merkmal von MASC-ED ist der integrative Ansatz der partizipativen Forschung, der von Anfang an und kontinuierlich in allen Phasen des Projekts verfolgt wird. Der Grundstein hierfür wurde bereits im Rahmen der Antragsstellung gelegt, in dem Betroffene involviert wurden. Im Zentrum des Projekts steht ein Forschungsbeirat aus Erfahrungsexpert:innen, der eine kontinuierliche Einbindung und Mitbestimmung von Betroffenen gewährleistet. MASC-ED verfolgt einen Mixed-Methods-Ansatz, der quantitative und qualitative Daten kombiniert, um die zugrundeliegenden Faktoren und Symptome von Essstörungen bei Männern und marginalisierten Gruppen zu erforschen. Die Forschungsarbeiten umfassen neuropsychologische Testungen, den Einsatz validierter Fragebögen und semi-strukturierte Interviews, um Symptome und individuelle Erfahrungen hinsichtlich Stigmatisierung, Körperbild und Selbstwahrnehmung zu erfassen. Über den Forschungsbeirat werden Betroffene aktiv bei der Auswahl der Konstrukte, der Entwicklung des Studienmaterials und der Rekrutierungsstrategie mitentscheiden, sowie als Peer-Researcher im Rahmen der Auswertung, Interpretation und Publikation der Ergebnisse beteiligt.

Ergebnisse

Das Projekt zielt darauf ab, ein besseres Verständnis der geschlechter- und diversitätsspezifischen Aspekte von Essstörungen zu entwickeln und damit zur Entstigmatisierung beizutragen. Durch die Zusammenarbeit mit dem diversen Forschungsbeirat soll ein praxisnaher Ansatz zur Entwicklung personalisierter Interventionen und Prävention in der Behandlung von Essstörungen verfolgt werden. Langfristig wird erwartet, dass die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen, Zugangsbarrieren zu überwinden, die Therapietreue zu steigern und die Versorgungsqualität für marginalisierte Gruppen zu verbessern.

Diskussion

Mit dem Forschungsbeirat wurde ein Mitbestimmungsorgan geschaffen und durch geplante Aufwandsentschädigungen ist eine Vergütung der beteiligten Betroffenen vorgesehen. Diese strukturelle Verankerung der Partizipation gewährleistet eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Betroffenen, um deren Perspektiven und Bedürfnisse in die Forschung einfließen zu lassen. Durch regelmäßige Treffen und den direkten Austausch wird sichergestellt, dass die Forschung nicht nur theoretische, sondern auch praktische Relevanz für die betroffenen Personen hat. MASC-ED leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur Schließung von Forschungslücken und zur Entwicklung von geschlechter- und diversitätssensiblen Interventionen für Menschen mit Essstörungen. Darüber hinaus stärkt das Projekt die Wissenschaftskommunikation und trägt zur Sensibilisierung in der breiten Öffentlichkeit bei, um Vorurteile und Wissenslücken im Umgang mit Essstörungen zu reduzieren. Im Rahmen des Vortrags werden sowohl eine Forscherin als auch eine Erfahrungsexpertin von ihrer Motivation berichten.

Referenzen

1. Keski-Rahkonen A, Mustelin L. Epidemiology of eating disorders in Europe: prevalence, incidence, comorbidity, course, consequences, and risk factors. Curr Opin Psychiatry. 2016;29(6). 2. Treasure J, Duarte TA, Schmidt U. Eating disorders. Lancet. 2020;395(10227):899–911. 3. Richardson C, Paslakis G. Men's experiences of eating disorder treatment: a qualitative systematic review of men-only studies. J Psychiatr Ment Health Nurs. 2021;28(2):237–50. 4. Keski-Rahkonen A. Eating disorders in transgender and gender diverse people: characteristics, assessment, and management. Curr Opin Psychiatry. 2023;36(6):412–8. 5. Rasmussen SM, Watson RJ, Lewis SP, et al. Eating disorder symptomatology among transgender individuals: a systematic review and meta-analysis. J Eat Disord. 2023;11(1):84. 6. Eschrich RL, Halbeisen G, Steins-Loeber S, Timmesfeld N, Paslakis G. Investigating the structure of disordered eating symptoms in adult men: A network analysis. Eur Eat Disord Rev. 2025;33(1):80–94.
Frau Julie O'Sullivan
Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institute of Medical Sociology and Rehabilitation Science, Charitéplatz 1, 10117,, Berlin
Deutsches Zentrum für Psychische Gesundheit, Berlin
Frau Veronika Lossa
Deutsches Zentrum für Psychische Gesundheit, Tübingen
#Symposium 60
Fr
19 Sep
10:30 - 12:00
VS28
Behinderung und Beeinträchtigung
Behinderung und Beeinträchtigung
Raum: Seminarraum 505 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 28)
Beiträge:
1
Hintergrund: Der Zugang zu zielgruppenspezifischer medizinischer Versorgung und Präventionsangeboten für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ist nach wie vor erschwert. Das führt im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zu einer schlechteren gesundheitlichen Situation. Unter anderem weist die Zielgruppe ein erhöhtes Risiko für Adipositas, Diabetes, mangelnde körperliche Fitness sowie Seh- und Hörbeeinträchtigungen und eine erheblich reduzierte Lebenserwartung auf. Neben spezifischen Krankheitsbildern spielen lebensstilbezogene Faktoren und eine mangelnde Gesundheitskompetenz eine ausschlaggebende Rolle. Ein inklusives Gesundheitswesen sollte daher barrierefrei und zielgruppengerecht gestaltet werden. Special Olympics (SO) als weltweit größte Sportorganisation für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung verfügt mit seinen Angeboten im Bereich Gesundheit über eine breite Expertise für die besonderen Bedarfe der Zielgruppe.

Methoden: In dem Fachvortrag werden aktuelle wissenschaftliche und eigene Erkenntnisse zur Gesundheitssituation sowie zum Gesundheitsverhalten von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung vorgestellt. Eine Analyse gruppenspezifischer Barrieren auf
​​​​​persönlicher, lebensweltbezogener und systembedingter Ebene wird vorgenommen, um die bestehenden Versorgungslücken aufzuzeigen.

Ergebnisse: Spezifische Bedarfe an Versorgung und Prävention, insbesondere im Hinblick auf gesundheitliche Selbstbestimmung, werden erörtert. Anhand der Gesundheitsinitiativen und Projekte von SO, die die gesundheitliche Chancengleichheit von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung fördern, werden konkrete Lösungsansätze und Ergebnisse präsentiert. Die langjährigen Erfahrungen belegen, wie bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung und Präventionsprogramme im Bereich Gesundheit und Bewegung nachhaltig wirksam gestaltet werden können. Dabei werden Ergebnisse der SO Angebote, wie zum Beispiel des weltweit etablierten Gesundheitsprogramms Healthy Athletes®, des Gesundheitsförderprojekts BeuGe und der SOD Webseite „Gesundheit leicht verstehen“ vorgestellt. Erfolgsfaktoren sind dabei sowohl die Verwendung von Leichter Sprache, ein starker Lebensweltbezug als auch die notwendige Schulung von Gesundheitspersonal zum Abbau von Berührungsängsten.

Schlussfolgerungen: Abschließend werden konkrete Handlungsempfehlungen formuliert, wie Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung an ihrer Gesundheitsvorsorge gestärkt werden können. Die zielgruppengerechte Gestaltung von evidenzbasierten Informationen, sowie die Einbeziehung von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung in alle Prozesse, werden herausgestellt. Darüber hinaus werden Möglichkeiten aufgezeigt, partizipative Prozesse in der Gesundheitsförderung zu etablieren und Barrieren bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen abzubauen. Der Vortrag schließt mit einem Ausblick auf die nachhaltige Förderung von Gesundheitskompetenzen der Zielgruppe.

Referenzen

[1] Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von
Menschen mit Behinderungen. Teilhabeempfehlungen für eine inklusivere
Gesellschaft – auch für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen. 2024 Jan [cited 2025 Apr 7]. Available
from: https://www.behindertenbeauftragter.de/SharedDocs/Downloads/DE/AS/PublikationenErklaerungen/Teilhabeempfehlungen_2024.pdf?__blob=publicationFile&v=3.
[2] Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Dritter
Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit
Beeinträchtigungen. 2021 Apr [cited
2025 Apr 7]. Available from: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/a125-21-teilhabebericht.pdf?__blob=publicationFile&v=4.
[3] Dieckmann F, Giovis C, Röhm I. Die Lebenserwartung von
Menschen mit geistiger Behinderung in Deutschland. In: Müller S, Gärtner C,
editors. Lebensqualität im Alter. Gesundheit. Politik - Gesellschaft -
Wirtschaft. Wiesbaden: Springer VS; 2016. p 55-74.
[4] Rathmann K, Dadaczynski K. Gesundheitskompetenz von Menschen
mit Behinderung in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung im Bereich Wohnen
und Arbeiten: Ergebnisse der GeKoMB-Studie. 2020 Dec [cited 2025 Apr 7]. Available from:
https://fuldok.hs-fulda.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/868.
[5] Rathmann K, Frings S, Rüster C. Gesundheitsverständnis und
-verhalten von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen: Eine qualitative
Studie. Prävention und Gesundheitsförderung. 2019 Oct 04;14(2):131-137.
Frau Noemi Woock (MSc)
Special Olympics Deutschland e.V., Berlin
#Präsentation #gesundheitliche Teilhabe #Menschen mit geistiger Beeinträchtigung #Gesundheitskompetenzen #kommunale Gesundheitsförderung #Selbstbestimmung #Barrierefreiheit #Special Olympics
2
Obwohl Menschen mit Behinderung (MmB) das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit haben, zeigen Studien aus dem (inter-)nationalen Kontext, dass MmB bei dem Zugang und der Nutzung von Gesundheitsversorgung mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert sind [1]. Zu diesen Herausforderungen zählen bauliche Barrieren, Kommunikationsbarrieren, sowie Unsicherheiten seitens der Behandelnden, die auf mangelnde Kompetenz und Erfahrung in der Versorgung von MmB zurückzuführen sind [2]. Als Folge sind MmB einem erhöhten Risiko einer Fehlversorgung ausgesetzt [3]. Dennoch mangelt es an Studien, die die Herausforderungen von MmB im Krankenhaus unter Einbezug aller an der Versorgung Beteiligten, inkl. Menschen mit Behinderung selbst, untersuchen [2, 4].
Das Ziel des Projekts ist es daher, relevante Themen im Hinblick auf die Versorgung von Menschen mit einer angeborenen oder in der frühen Kindheit erworbenen Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung, deren Angehörigen sowie von Fachpersonal im Krankenhaus und deren Lebenswelten zu identifizieren und zu priorisieren.

Das methodische Vorgehen orientiert sich an dem mehrstufigen Verfahren der James Lind Alliance zur Identifizierung und Priorisierung von versorgungsrelevanten Forschungsthemen aus Sicht Betroffener, deren Angehörigen und versorgenden Fachkräften [5].
Die Zielgruppe der Studie umfasst i) erwachsene Menschen mit Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung, ii) Angehörige, iii) medizinisches Personal sowie iv) Personal aus den Lebenswelten von MmB. Die Rekrutierung der Teilnehmenden erfolgt über Netzwerke des durchführenden Lehrstuhls sowie der Mitglieder des Steuerungsgremiums.
Der Forschungsprozess wird von einer Steuerungsgruppe und einem Beratungsgremium unterstützt. Die Steuerungsgruppe setzt sich aus bayernweiten Vertreter*innen unterschiedlicher Institutionen mit Bezug zur Gesundheitsversorgung von MmB im Krankenhaus zusammen und berät das Forschungsteam im Forschungsverlauf. Das Beratergremium setzt sich aus Menschen mit Behinderung aus der Region Augsburg zusammen und berät kontinuierlich zur Zugänglichkeit und Verständlichkeit der Studie und der Studienmaterialien.
Die Datenerhebung erfolgt in drei Schritten. Zunächst werden relevante Themen mittels eines offenen Online-Fragebogens, der an alle vier Zielgruppen gerichtet ist, erhoben und geclustert. Im Anschluss erfolgt ein Abgleich der Themen und Fragestellungen mit verfügbaren Erkenntnissen aus der Literatur. Aus den Themen werden Forschungsfragen entwickelt, welche hinsichtlich verfügbarer Evidenz abgeglichen werden. Fragen, für die noch unzureichende Evidenz in der Literatur identifiziert werden konnte, werden in einem zweiten Online-Fragebogen priorisiert. In einem abschließenden eintägigen Workshop, zu dem alle vier Personengruppen eingeladen sind, werden die zehn wichtigsten Fragen mittels nominaler Gruppentechnik identifiziert. Für alle Studienteilnehmenden werden die Studienmaterialien in schwerer und einfacher Sprache bereitgestellt.

Zum Zeitpunkt der Tagung ist die erste Datenerhebung mittels Fragebogen abgeschlossen und die Ergebnisse liegen vor. Die Überprüfung bereits bestehender Evidenz zu resultierenden Fragen wird in Gange sein. Im Vortrag werden Ergebnisse des ersten Fragebogens im Personengruppenvergleich diskutiert. Darüber hinaus werden Erfahrungen bezüglich der partizipativen Ausgestaltung des Forschungsprozesses sowie der barrierearmen Gestaltung der Erhebungsinstrumente thematisiert und diskutiert.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes bilden die Grundlage für zukünftige Gestaltung von Forschungsprojekten über die medizinische Versorgung von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung, die sich an den ermittelten Prioritäten orientieren.

Referenzen

[1] Finlayson J, De Amicis L, Gallacher S, Munro R, Crockett J, Godwin J, et al. Reasonable adjustments to provide equitable and inclusive assessment, screening and treatment of osteoporosis for adults with intellectual disabilities: a feasibility study. Journal of Applied Research in Intellectual Disabilities. 2019;32(2):300-12.
[2] McCormick F, Marsh L, Taggart L, Brown M. Experiences of adults with intellectual disabilities accessing acute hospital services: A systematic review of the international evidence. Health & social care in the community. 2021;29(5):1222-32.
[3] Ichinose A, Ishibashi Y, Hatao F, Morita Y. Surgery for acute abdomen in adult patients with severe motor and intellectual disabilities. Ann Surg Treat Res. 2023;104(4):222-8.
[4] Iacono T, Bigby C, Unsworth C, Douglas J, Fitzpatrick P. A systematic review of hospital experiences of people with intellectual disability. BMC Health Serv Res. 2014;14:505.
[5] Cowan K, Oliver S. The James Lind Alliance Guidebook. 2021.
Frau Antonia Scheffel
Medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung und Teilhabebeschränkungen, Medizinische Fakultät, Universität Augsburg, Augsburg
#Präsentation #Partizipative Forschung #James Lind Alliance #Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung #Krankenhausversorgung
3

Hintergrund

Menschen mit vorbestehenden Behinderungen (MmvB) haben gegenüber der Allgemeinbevölkerung einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsleistungen und medizinischer Rehabilitation [1]. Trotz eines potenziell höheren Rehabilitationsbedarfs sind MmvB in der Forschung unterrepräsentiert. Ziel dieses Beitrags ist es, Herausforderungen im Prozess der medizinischen Rehabilitation darzustellen und erste Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des Zugangs und der Inanspruchnahme medizinischer Rehabilitation für diese Zielgruppe zu diskutieren.

Methode

Es wurden narrative Interviews mit MmvB geführt, die aufgrund von Sekundärerkrankungen, Komorbiditäten oder Unfällen einen Rehabilitationsbedarf entwickelten. Mit Hilfe des Maximum Variation Samplings wurde angestrebt, möglichst vielfältige Erfahrungen dieser Zielgruppe abzubilden. Insgesamt fanden bisher 11 Interviews mit MmvB statt. Zudem erfolgten 16 Interviews mit Prozessbeteiligten (z. B. An- und Zugehörige, Leistungserbringer, Kostenträger), die in den Prozess der medizinischen Rehabilitation involviert sein können. Alle Interviews wurden transkribiert, pseudonymisiert und mit der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet [2]. Aus den Ergebnissen der Inhaltsanalyse haben wir erste Handlungsempfehlungen formuliert, die im weiteren Projektverlauf durch die Zielgruppe selbst sowie von Prozessbeteiligten in Gruppendiskussionen ergänzt und konsentiert werden.
​​​​​

Ergebnisse

Besonders bei komplexen (Pflege-)Bedarfen, Multimorbidität sowie kognitiven oder kommunikativen Beeinträchtigungen gestalten sich Bedarfserkennung und Antragstellung für die Rehabilitation herausfordernd. Es fehlen Informationen zu passenden Angeboten und Unterstützungsmöglichkeiten sowie das Bewusstsein über die Potenziale einer medizinischen Rehabilitation für MmvB. Daher erscheint es sinnvoll, Versorgungsbeteiligte für die Potenziale einer Rehabilitation zu sensibilisieren, ihnen entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen und somit die Antragstellung für Rehabilitationen zu fördern. Vereinfachte Antragsverfahren, leichtere Sprache und zielgruppenorientierte Informationsvermittlung könnten den Zugang für MmvB zusätzlich niedrigschwelliger gestalten.
Ein Mangel an adäquaten Angeboten erschwert es, geeignete Rehabilitationseinrichtungen für MmvB zu finden. Zudem wurde von langwierigen Widerspruchsverfahren, die eine zeitnahe Inanspruchnahme geeigneter Maßnahmen verhinderten, berichtet. Notwendig ist folglich die Etablierung spezialisierter Angebote und diverserer Rehabilitationskonzepte (z. B. Mobile Reha). Kostenträger sollten Datenbanken pflegen, um eine gezielte und effiziente Vermittlung geeigneter Einrichtungen sicherzustellen.
Kostenträger und Rehabilitationseinrichtungen lehnen Antragstellende ab, wenn begrenzte Kapazitäten in der Pflege und Herausforderungen bei der Finanzierung von Assistenzleistungen einer adäquaten Versorgung im Wege stehen. Da Rehabilitationseinrichtungen bei Ablehnungen nicht zur Angabe von Gründen verpflichtet sind, ist dieser Vorgang für Antragstellende zudem wenig transparent. Durch eine Verpflichtung zur Angabe von Ablehnungsgründen könnten Bewilligungskriterien identifiziert und individuelle Zuweisungen unterstützt werden. Zusatzentgelte für erhöhte Pflegebedarfe können einen Anreiz bieten, Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf aufzunehmen.​​​​​

Diskussion

Die oben aufgeführten Handlungsempfehlungen sind ein erster Versuch, konkret auf die Erfahrungen der Zielgruppe einzugehen. Dabei hängt die Umsetzbarkeit der Empfehlungen von strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen ab. Allem voran steht die Schaffung eines Bewusstseins für die Zielgruppe seitens relevanter Stakeholder (z. B. politische Entscheidungsträger, Kostenträger). Veränderungen des Antrags- und Bewilligungsverfahrens erfordern entsprechende personelle und finanzielle Ressourcen sowie gesetzliche Anpassungen. Eine systematische Erfassung von Bedarfen, Bedarfsdeckung und Ablehnungsgründen ermöglicht eine zielgruppenorientierte Spezifizierung der Handlungsempfehlungen. Es besteht ein Bedarf an Forschungs- und Modellprojekten zur Konzeption, Erprobung und Evaluation alternativer Angebote für die Zielgruppe.

Referenzen

[1] BMAS. Dritter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen: Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung; 2021.
[2] Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 4. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2018.
Frau Stefanie Neudecker
Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG3 Epidemiologie & International Public Health, Bielefeld
#Präsentation #Medizinische Rehabilitation #Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen #Teilhabe #Versorgungsforschung #Qualitative Forschung
4

Hintergrund

Menschen mit einer vorbestehenden Behinderung (MmvB) haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine höhere Wahrscheinlichkeit, multiple und schwere Erkrankungen zu entwickeln [1]. Folglich müsste ein erhöhter Bedarf an und eine häufigere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, einschließlich medizinischer Rehabilitation, bestehen. Dennoch gibt es Hinweise auf strukturelle Defizite und Zugangshürden in der Versorgung durch die medizinische Rehabilitation [2]. Es fehlt bislang an Studien, die Bedarfe sowie Gründe für und gegen die Inanspruchnahme analysieren. In diesem Beitrag werden daher Faktoren dargestellt, die die Entscheidung für und gegen eine medizinische Rehabilitation beeinflussen.

Methode

Die Studie verfolgt ein exploratives, qualitatives Forschungsdesign. Zielgruppe waren MmvB, die aufgrund eines weiteren Gesundheitsproblems einen Rehabilitationsbedarf hatten. Mithilfe von semi-strukturierten Interviews mit narrativem Ansatz wurden ihre Erfahrungen im Prozess der medizinischen Rehabilitation (n= 13) erfasst. Zudem erfolgten Expert*inneninterviews mit Prozessbeteiligten (n= 16). Das Sampling basierte auf dem Maximum Variation Sampling, um möglichst vielfältige Erfahrungen abzubilden. Alle Gespräche wurden transkribiert, pseudonymisiert und mit der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse ausgewertet [3].

Ergebnisse

Die Bedarfserkennung ist für die Beantragung einer medizinischen Rehabilitation zentral. Kommunikationsprobleme, nicht zielgruppenspezifische Assessments und Multimorbidität erschwerten bei einigen MmvB eine eindeutige Diagnosestellung, welche sich förderlich auf die Bewilligung auswirkt. Oftmals wurde zudem die Rehabilitationsfähigkeit infrage gestellt.
Der Zugang zu Wissen über passende Versorgungsangebote ist eine wichtige Ressource und ermöglicht eine informierte Entscheidungsfindung. Einige MmvB wussten lange nicht, dass ihnen eine medizinische Rehabilitation zustand. Auch fehlten Hausärzt*innen und Kostenträgern Informationen über Angebote für MmvB. Die Unterstützung durch An-/Zugehörige und Fachpersonal war im Rehabilitationsprozess essenziell. So war beispielsweise für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen eine selbstständige Organisation einer Rehabilitation zu komplex. Insbesondere bei kognitiven Beeinträchtigungen oder erhöhten Pflegebedarfen, seien Begleitpersonen hilfreich.
Psychosoziale Faktoren wie der Austausch mit anderen Betroffenen, das Bedürfnis, „mal rauszukommen“, Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung und die Erwartung einer Gesundheitssteigerung sprachen – wie auch bei Menschen ohne Behinderung – für eine Rehabilitation. Oftmals erzählten die Teilnehmenden jedoch von negativen Versorgungserfahrungen oder Unsicherheiten wegen des ungewohnten Umfeldes, weshalb sie sich eine Rehabilitation nicht zutrauten.
Häufig verstanden MmvB die Rehabilitation als letzte Chance zur Verbesserung ihrer Teilhabe. Sie erhofften sich eine intensivere Behandlung, Zugang zu neuen Therapieansätzen und die gleichzeitige Behandlung mehrerer Indikationen. Bestand bereits eine optimale ambulante Therapie, wurde eher von einer Rehabilitation abgesehen.
Auch demografische Merkmale und soziale Strukturen können die Entscheidung beeinflussen, schienen jedoch in den Erzählungen der MmvB weniger relevant. Möglicherweise sind die zugrundeliegende Behinderung und damit zusammenhängende Einflüsse eine wichtige Prädisposition.

Diskussion

Die Entscheidung für oder gegen eine medizinische Rehabilitation wird von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Für MmvB stellt sich besonders der Zugang zur Rehabilitation als komplex und intransparent dar. Eine bessere Informationsvermittlung, etwa durch leichte Sprache, könnte eine informierte Entscheidungsfindung fördern. MmvB benötigen zudem größere Unterstützung durch Fachpersonal, weshalb die zeitlichen Kapazitäten für MmvB erweitert werden sollten. Es bedarf alternativer Angebote für MmvB für die bestehende Rehabilitationsmöglichkeiten nicht in Frage kommen. Gleichzeitig sollten die Potenziale einer Rehabilitation für die Verbesserung der Teilhabe von MmvB bedacht werden. Zukünftige Forschung sollte untersuchen, welche Faktoren für die jeweiligen Subgruppen relevant sind und mit welchen Angeboten den jeweiligen Bedarfen begegnet werden kann.

Referenzen

[1] Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Hrsg. Dritter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen: Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung; 2021.
[2] Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V., Hrsg. Agenda für einen Aktionsplan "Inklusives Gesundheitswesen" der Bundesregierung - ein Beitrag aus der DVfR: Positionen aus der DVfR. Heidelberg; 2022.
[3] Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 4. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2018.
Frau Lia Seibel
Universität Bielefeld, Bielefeld
#Präsentation #Medizinische Rehabilitation #Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen #Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung #Versorgungsforschung #Gesundheitliche Ungleichheit #Pflegebedürftigkeit #Gesundheitssysteme
5

Hintergrund

Menschen mit geistiger Behinderung sind vermehrt von Hörstörungen betroffen, die in vielen Fällen nicht diagnostiziert oder unzureichend behandelt werden. Im Rahmen des HörGeist-Projekts wurde deshalb ein niedrigschwelliges Hörscreening- und Diagnostikprogramm mit anschließender Therapieempfehlung in der Lebensumgebung von Menschen mit geistiger Behinderung (Kindergärten, Schulen, Werkstätten, Heime) implementiert.
Auf Basis von GKV-Abrechnungsdaten werden die Gesamtkosten und die hörbezogenen Kosten von Studienteilnehmenden mit und ohne Hörstörungen gegenübergestellt.

Methode

Diese Studie ist Teil des HörGeist-Projekts, das ein Screening-Programm durchführt und evaluiert. 1053 Menschen mit geistiger Behinderung aller Altersgruppen wurden dabei in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld rekrutiert und erhielten ein Hörscreening und, wenn nötig, eine Diagnostik, eine Therapie oder eine Überprüfung einer bereits vorhandenen Therapie.
In der Kostenanalyse werden alle bei der AOK Rheinland/Hamburg versicherten Studienteilnehmenden berücksichtigt, für die Abrechnungsdaten über 12 Monate vor (Prä-Zeitraum) und nach dem Screening (Post-Zeitraum) vorliegen. Es werden die Kosten aus allen Leistungsbereichen zu Gesamtkosten und hörbezogenen Kosten aufsummiert. Die durchschnittlichen Kosten pro Tag werden für die verschiedenen Versichertengruppen (Altersgruppen, mit und ohne Hörstörung, adäquat/inadäquat versorgte Hörstörung) gegenübergestellt.
Darüber hinaus wird eine Kostenerhebung für das aufsuchende Screening durchgeführt. Die Ergebnisse der Krankheitskostenanalyse und der Kostenerhebung fließen anschließend in einem weiteren Arbeitspaket in eine gesundheitsökonomische Modellierung ein.

Ergebnisse

Für 729 der 1053 Studienteilnehmenden liegen Kostendaten aus den GKV-Abrechnungsdaten über den vollständigen Zeitraum vor. 65 Studienteilnehmende waren 0 – 5 Jahre alt, 307 zwischen 6 – 17 Jahre und 357 über 18 Jahren. 272 der Studienteilnehmenden waren weiblich (37,3 %) und 457 männlich (62,7 %).
Im Prä-Zeitraum liegen die Gesamtkosten bei durchschnittlich 23,63 € ± 59,58 €, im Post-Zeitraum bei durchschnittlich 25,72 € ± 60,51 € pro Tag. Betrachtet man ausschließlich Leistungen mit Hörbezug, zeigt sich, dass bei einem sehr großen Anteil der Studienteilnehmenden im Beobachtungszeitraum keinerlei Inanspruchnahmen abgerechnet wurden. Jedoch steigt der Anteil von 13 % auf 18 % und die Kosten von 0,34 € auf 0,38 € pro Tag (p = 0,024). Bei einer Gegenüberstellung der hörbezogenen Kosten für Studienteilnehmende mit und ohne Hörstörung übersteigen die Kosten bei vorliegenden Hörstörungen (Prä 0,60 €/Tag, Post 0,78 €/Tag) die Kosten ohne Hörstörungen (Prä 0,18 €/Tag, Post 0,02 €/Tag).

Diskussion

Das HörGeist-Projekt untersucht die Effektivität und die Kosten eines Hörscreening-Programms bei Menschen mit geistiger Behinderung im unmittelbaren Lebensumfeld.
Die Kostenanalyse ermöglicht eine Abschätzung der Krankheitskosten für Menschen mit geistiger Behinderung und Hörstörungen. In diesem Kontext ist auffällig, dass es eine geringe Inanspruchnahme von hörbezogenen Leistungen gibt. Insgesamt weisen die Projektergebnisse auf eine Unterversorgung von Hörstörungen bei Menschen mit geistiger Behinderung hin.
Frau Katharina Schwarze
Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen
#Präsentation #Menschen mit geistiger Beeinträchtigung #Hörscreening #Hörbeeinträchtigungen
6

Hintergrund

Hören ist eine grundlegende Fähigkeit, um am täglichen Leben teilzunehmen. Ein vermindertes Hörvermögen kann das körperliche, emotionale und soziale Wohlbefinden erheblich einschränken und zu sozialer Isolation und Einsamkeit führen. Dieser Beitrag untersucht Häufigkeit und assoziierte Merkmale von Hörbeeinträchtigungen bei Erwachsenen in Deutschland. Darüber hinaus wird die zeitliche Entwicklung der Hörgerätenutzung dargestellt.

Methode

Datengrundlage ist die bundesweite und bevölkerungsrepräsentative Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA), die vom Robert Koch-Institut über 15 Jahre durchgeführt wurde. Basierend auf GEDA 2019/2020-EHIS wurden Hörbeeinträchtigungen nach soziodemografischen, gesundheits- und versorgungsbezogenen Merkmalen untersucht (N = 22.708 ab 18 Jahre). Zur Beschreibung von Trends wurden zusätzlich die GEDA-Wellen 2009, 2010, 2012 und 2014/2015-EHIS herangezogen (N = 109.330).

Ergebnisse

In GEDA 2019/2020-EHIS gaben 5,4 % der Erwachsenen an, ein Hörgerät zu tragen, 0,5 % waren hochgradig schwerhörig oder gehörlos. Fast ein Drittel der Erwachsenen (32,5 %) gab Schwierigkeiten beim Hören in einem ruhigen oder lauteren Raum an. Männer waren häufiger betroffen als Frauen. Im Altersverlauf nahm die Prävalenz von Hörbeeinträchtigungen zu, ein deutlicher Anstieg war ab dem 50. und dem 80. Lebensjahr festzustellen. Weiterhin waren Hörbeeinträchtigungen assoziiert mit geringer sozialer Unterstützung, mit mittelmäßiger bis sehr schlechter selbsteingeschätzter allgemeiner Gesundheit, mit depressiven Symptomen sowie mit einer höheren Inanspruchnahme allgemein- und fachärztlicher Versorgung. Von den Personen mit Hörschwierigkeiten war fast die Hälfte auch beim Sehen beeinträchtigt (46,5 %) und durch ein gesundheitliches Problem seit mindestens 6 Monaten mäßig oder stark bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens eingeschränkt (45,3 %). Seit GEDA 2009 hat sich der Anteil der Personen, die ein Hörgerät tragen, signifikant erhöht (4,1 %; p = 0,002).

Diskussion

Hörbeeinträchtigungen sind im Erwachsenenalter weit verbreitet. Damit unterstützen die vorliegenden Ergebnisse nationale Forschungsarbeiten. Aufgrund der Auswirkungen von Hörbeeinträchtigungen auf Teilhabe und Lebensqualität sowie des Zusammenhangs zwischen unbehandelten Hörbeeinträchtigungen und Demenz sollten Prävention und Früherkennung von Hörstörungen verstärkt in den Blick genommen werden.
Frau Dr. Laura Krause
Robert Koch-Institut, Berlin
#Präsentation #Hörbeeinträchtigungen #Soziale Unterstützung #Selbsteingeschätzte allgemeine Gesundheit #Depressive Symptome #Allgemein- und fachärztliche Versorgung
7

Hintergrund

Das Interreg-Projekt FIER und das Projekt LifeGRID arbeiten in der Region Wesermarsch zusammen, um die Selbstwirksamkeit der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Bevölkerungsteile gegenüber Hochwasserkatastrophen zu verbessern. Leichte Sprache kann für Menschen mit kommunikativen Beeinträchtigungen den Zugang zu Informationen erleichtern und somit für mehr Teilhabe sorgen. Entsprechend ist es von Bedeutung Informationen zu Hochwasserrisiken in Leichter Sprache anzubieten. Diesbezüglich wurde untersucht, inwiefern sich die Übersetzungen von Projektinhalten durch eine generative künstliche Intelligenz (ChatGPT 4o) und durch ein professionelles Übersetzungsbüro unterscheiden.

Methode

Als Übersetzungsmaterial wurden ausgewählte Texte der LifeGRID Projekt-Webseite genutzt. Dieses wurden einem professionellen Übersetzungsbüro für Leichte Sprache zur Verfügung gestellt und mit Hilfe von ChatGPT übersetzt. Für die Übersetzung in Leichte Sprache mittels ChatGPT wurden zwei Versionen mit unterschiedlichen Prompts genutzt. Eine Version mit der einfachen Aufforderung zur Übersetzung (einfache Version) und eine weitere mit den zusätzlichen Aufforderungen auf kurze Sätze, Wörter mit wenigen Silben und aktive Sätze durch direkte Ansprache der Lesenden zu achten und vermehrt Absätze einzufügen, um die Lesbarkeit zu verbessern (ausführliche Version). Die Ergebnisse der Übersetzungen wurden unter anderem bezüglich der Lesbarkeit anhand von [1] analysiert. Zudem werden die Übersetzungen anhand von Textausschnitten in einem Workshop mit Repräsentanten der Zielgruppe und weiteren Experten verglichen.
​​​​​

Ergebnisse

Die professionelle Übersetzung hat mit einer durchschnittlichen Satzlänge (wozu auch Zeilenumbrüche gezählt werden) von 4,3 Wörtern deutlich kürzere Sätze als der ursprüngliche Text mit 14,5 Wörtern. Auch im Vergleich zu den Übersetzungen durch ChatGPT (einfachen Version: 6,9 Wörter, ausführliche Version: 5,8 Wörter) zeichnet sich die professionelle Übersetzung durch kürzere Satzlängen aus. Ebenfalls liegt der Anteil an langen Wörtern mit 32.8 % in der professionellen Übersetzung unter den Werten der einfachen
(44,1 %) und ausführlichen Version (39,4 %) von ChatGPT. Auffällig ist, dass der Anteil an langen Wörtern der einfachen Version von ChatGPT nahe an den 45,7 % des ursprünglichen Textes liegt. Mit einem Lesbarkeitsindex von 37,1 schneidet auch hier die professionelle Übersetzung besser ab als die einfache (51) und ausführliche Version (45,2) von ChatGPT. Im Rahmen des Workshops werden Unterschiede anhand von Textbeispielen festgestellt und diskutiert, inwiefern ChatGPT 4o für die Übersetzung von wichtigen Informationen zu Hochwasserrisiken in Leichte Sprache genutzt werden sollte.
​​​​​​

Diskussion

Durch Anwendung von generativer künstlicher Intelligenz können Texte in ihrer Lesbarkeit verbessert werden, bleiben jedoch von denen eines professionelles Übersetzungsbüro unterscheidbar. Zu berücksichtigen ist, dass das Potenzial der künstlichen Intelligenz durch weitere Prompts zur Nachbesserung noch weiter ausgeschöpft werden könnte. Die verwendeten Versionen spiegeln die Ergebnisse wider, die bei laienhafter Anwendung mit gar keinem, bis wenig Vorwissen der Regeln zur Erstellung von Texten in Leichter Sprache generiert werden. Entsprechend kann durch generative künstliche Intelligenz eine Grundlage für Texte mit guter Lesbarkeit geschaffen werden, welche jedoch einer Nachbearbeitung bedürfen. Letztlich sollten weitere Tests unter Einbeziehung der Zielgruppe durchgeführt werden, um zu überprüfen, ob die Texte den Zugang zu den Informationen erleichtern und somit die Teilhabe steigern.

Referenzen

[1] Lenhard W, Lenhard A. Berechnung des Lesbarkeitsindex LIX nach Björnson [Internet]. Dettelbach: Psychometrica; 2014–2022 [cited 2025 Mar 03]. Available from: http://www.psychometrica.de/lix.html. DOI: 10.13140/RG.2.1.1512.3447
Herr Jannik Fleßner
Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth, Oldenburg
#Präsentation #Leichte Sprache #Künstliche Intelligenz #Hochwasserschutz
8

Hintergrund

Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (MmiB) stellen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine gesundheitlich vulnerable Gruppe dar. Sie haben ein erhöhtes Risiko für bestimmte Erkrankungen und ihre Morbiditäts- und Mortalitätsraten sind erhöht. Zudem stoßen sie auf strukturelle Barrieren im Gesundheitssystem und weisen oftmals eine niedrigere Gesundheitskompetenz auf, während differenzierte Bildungs- und Unterstützungsangebote fehlen.

Methoden

Das durch den Innovationsfonds geförderte Projekt „BESSER gesund leben“ möchte diesem gesundheitsbezogenen Ungleichgewicht begegnen. Spezialisierte Gesundheitsexpert*innen übernehmen die Funktion regional verankerter Gesundheitslots*innen (GL), die aus individuellen, fallbezogenen Erkenntnissen heraus die Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung sektorenübergreifend, interdisziplinär und zielgruppenspezifisch miteinander vernetzen. Die GL unterstützen MmiB über den Zeitraum eines Jahres bei der Entwicklung und Umsetzung individueller Präventionspläne in den vier Präventionsbereichen (Bewegung, Stress, Sucht und Ernährung). Das Konzept der Sozialraumorientierung ist Grundlange der Intervention.

Ergebnisse

Ziele des Projektes sind die Verbesserung der individuellen Gesundheitssituation, der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der Resilienz. Zudem soll eine stärkere gesellschaftliche Teilhabe an Präventions- und Gesundheitsförderungsprogrammen erreicht werden. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich die Gesundheitssituation der Teilnehmenden verbessert hat. Individuelle Gesundheitsprobleme, Stärken und Ressourcen der Teilnehmenden konnten identifiziert, soziale Teilhabe, Empowerment, Selbstwirksamkeit, Resilienz und Gesundheitskompetenz gefördert werden.

Diskussion

Die Erfahrungen aus dem Projekt unterstreichen, dass eine strukturelle Stärkung der Gesundheitskompetenz durch individuelle und gruppenbezogene Angebote sowie deren Vernetzung essenziell für eine bessere Teilhabe an Prävention ist. Maßnahmen für eine barrierefreie, niedrigschwellige und flächendeckende Gesundheitsversorgung sind dringend erforderlich, um das Recht auf Gesundheit für MmiB zu gewährleisten.
Frau Birgit Pohler
Evangelische Stiftung Alsterdorf, Hamburg
Evangelische Stiftung Alsterdorf, Hamburg
#Präsentation #Gesundheitsförderung & Prävention #Gesundheitskompetenz
Fr
19 Sep
10:30 - 12:00
WS17
Innovationskultur im Gesundheitswesen: Die Bedeutung geteilter Entscheidungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden
Führung
Raum: Seminarraum 507 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beitrag:
1
Hintergrund und Zielsetzung
Der Workshop wird im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten regionalen Kompetenzzentrums für innovative und gesunde Arbeit im Sozial- und Gesundheitswesen (KompIGA) durchgeführt. Das Kompetenzzentrum zielt darauf ab, Veränderungen in Gesundheitseinrichtungen gemäß des „New Work“-Ansatzes umzusetzen. In KompIGA sind Partner:innen und Perspektiven aus Forschung und Praxis eng miteinander verwoben, um gemeinsam die Bedürfnisse und Bedarfe der Einrichtungen sowie deren Mitarbeitenden zu identifizieren. Im Projekt sind vier Organisationen aus dem Gesundheits- und Sozialsektor eingebunden, in denen verschiedene anwendungsorientierte Projekte zur Umsetzung von Veränderungen in Arbeitskultur und -prozessen im Sinne des „New Work“-Konzepts durchgeführt werden (z. B. Kompetenzentwicklung durch Training on the Job). Die Veränderungen werden unter Berücksichtigung der Kontextbedingungen und Komplexität von Gesundheitseinrichtungen erforscht, erprobt und evaluiert. Im Fokus des Workshops stehen partizipative Entscheidungsprozesse bei der Umsetzung von Veränderungen im Kontext von Gesundheitseinrichtungen.
Schwerpunkte und Ablauf des Workhops
Um Innovationen partizipativ in einer Einrichtung zu gestalten, ist eine explizite Analyse der jeweils heterogenen institutionellen Kontexte notwendig. Im Workshop werden wir zunächst von den Aktivitäten in KompIGA berichten, da wird hier eine Organisationsdiagnostik in den Einrichtungen durchgeführt haben, um die Unternehmenskultur sowie strukturelle und operative Stärken und Schwächen zu untersuchen. Die Analyse basiert auf halbstrukturierten Interviews mit Führungskräften (n=20), welche thematisch analysiert wurden. Wir werden im Workshop den Fokus auf Erkenntnisse zu Entscheidungsprozessen legen, die darauf hindeuten, dass Führungskräfte in Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens ihren jeweiligen Beschäftigten eine große Bedeutung bei der Gestaltung und Realisierung erfolgreicher Veränderungsprozesse beimessen. Die Einbeziehung von jenen Mitarbeitenden kann jedoch mit einer (wahrgenommenen) Abhängigkeit zwischen diesen beiden Personengruppen einhergehen. Führungskräfte möchten deren Wertschätzung für ihre Mitarbeitenden durch einen gut geplanten, fundierten und schrittweisen Veränderungsprozess demonstrieren, um Konflikte oder Unsicherheiten zu vermeiden.
Nach einer kurzen Präsentation der übergreifenden Erkenntnisse zu Entscheidungsprozessen werden wir Erfolgsbedingungen und Herausforderungen in einem World-Café-Format diskutieren. Dabei werden wir die vielfältigen Perspektiven und Erfahrungen der Teilnehmenden des Workshops integrieren, um Empfehlungen für Veränderungsprojekte abzuleiten und dabei die reale Situation von Gesundheitseinrichtungen zu berücksichtigen. Die Hauptaspekte der Diskussion werden sein: 1) „Wie kann eine demokratische und partizipative Entscheidungsfindung gefördert werden, um Innovation und Verantwortlichkeit in Implementierungsprozessen zu stärken, ohne an Geschwindigkeit einzubüßen?“ und darauf aufbauend 2) „Wie können Führungskräfte im Gesundheitswesen frühzeitig bei visionären Entscheidungswegen bei der Implementierung von Veränderungen unterstützt werden?“
Diskussion
Eine gemeinsame Entscheidungsfindung und -verantwortung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden beeinflusst die Bereitschaft und Fähigkeit von Organisationen zur Innovation. Die Einbeziehung externer wissenschaftlicher Unterstützung, z. B. durch eine Organisationsdiagnostik, kann dabei als wertvolles Instrument zur Identifizierung und Überwindung von Hindernissen innerhalb einer Institution dienen.
Die in dieser Sitzung abgeleiteten Ergebnisse werden für die Forschung und Praxis im Kontext der partizipativen Implementierung von New-Work-Ansätzen im Gesundheitswesen zur Verfügung gestellt. Insbesondere werden sie in den laufenden Anwendungsfällen des regionalen Kompetenzzentrums KompIGA verwendet und validiert.
Frau Johanna Aigner
Bayerisches Zentrum Pflege Digital, Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, Kempten
Frau Anna Maria Wittorf
ESB Business School, Hochschule Reutlingen, Reutlingen
Herr Dr. Florian Fischer
Bayerisches Zentrum Pflege Digital, Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, Kempten
#Workshop 60 #Organisationsentwicklung #Mitarbeitendenbindung #Implementierung #Innovation
Fr
19 Sep
10:30 - 12:00
SYM23
Regionale Hilfsangebote für psychische Gesundheit (D Blank-Matthes)
Psych
Raum: Seminarraum 501 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 26)
Beitrag:
1
Ansätze zur Stärkung der psychischen Gesundheit und Früherkennung von psychischen Risiken sind insbesondere im Kindes- und Jugendalter von Bedeutung, da über 50% der psychischen Störungen in dieser Zeit entstehen. Die frühzeitige Identifikation von Risikogruppen sowie der Zugang zu psychosozialen Unterstützungsangeboten und psychiatrischen Versorgungsangeboten kann sich langfristig positiv auf die Gesundheit auswirken.

Das Versorgungssystem im Bereich psychischer Gesundheit ist multiprofessionell und komplex geworden. Neben kurativen und rehabilitativen wurden zahlreiche präventive Angebote sowie Programme zur Gesundheitsförderung aufgebaut, die dem Erhalt und der Stärkung der psychischen Gesundheit dienen. Dabei handelt es sich um Angebote mit verschiedenen Zugangswegen, Finanzierungslogiken und unterschiedlichen Regelungen in den Sozialgesetzbüchern. Trotzdem fehlt den Betroffenen und ihren Angehörigen häufig eine angemessene Unterstützung im und Steuerung durch das Versorgungssystem. Dabei können u.a der Zugang zu psychosozialen Unterstützungsangeboten beeinträchtigt sein, unnötige stationäre Behandlungen stattfinden oder Lücken in der Versorgungskette entstehen. Dies ist nicht ausschließlich ein Problem auf der Individualebene, sondern insbesondere auf der System- und Gesundheitsplanungsebene. Die Zersplitterung und Unübersichtlichkeit des Versorgungssystems stellt auch das Monitoring der Versorgungs- bzw. Unterstützungslandschaft – Grundlage für Steuerung und Planung – vor große Herausforderungen. Das „Mapping“ regionaler Angebote und Hilfen setzt genau hier an.

In dem Symposium werden vier verschiedene Projekte zum Thema regionales Mapping im Handlungsfeld psychische Gesundheit vorgestellt und diskutiert. Es wird vorgestellt, wie das Mapping präventiver, psychosozialer Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien mittels eines Ansatzes, der verschiedene Sektoren und Systeme einbezieht (z.B. Bildung, Gesundheit, Soziales) auf Stadtteilebene gelingen kann. Daran schließt ein Beitrag zum Angebotsmapping in einer konkret umschriebenen großstädtischen Versorgungsregion an. Dieses wird im darauffolgenden Beitrag dem Mapping in einer ländlichen Region gegenübergestellt. Grundlage beider Erhebungen von Angeboten ist das Funktionale Basismodell. Zuletzt werden die Ergebnisse aus einer Bestandsanalyse zur psychischen Krisen- und Notfallversorgung in Bayern vorgestellt.

Symposium-Vortragende:

1) Sektorenübergreifendes Mapping psychosozialer Unterstützungsangebote für Kinder, Jugendliche und Familien auf Stadtteilebene, Anika Reinhart1,2,4, Sarah Beierle3,4, Birgit Reißig3,4, Sabine Walper3,4, Susanne Kuger3,4, Freia De Bock1,4 5, 1 Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Deutschland, 2 Forschungs- und Behandlungszentrum für Psychische Gesundheit, Ruhr-Universität Bochum, Deutschland, 3 Deutsches Jugendinstitut e.V., 4 German Center for Mental Health (DZPG), 5 Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin and Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft

2) Entwicklungsperspektiven gemeindepsychiatrischer Angebote für schwer psychisch Erkrankte im großstädtischen Raum.
Maria Koschig1, Ines Conrad1, Justus Schwedhelm², Katarina Stengler² & Steffi G. Riedel-Heller1,
1Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig
²HELIOS Park-Klinikum Leipzig

3) Mapping gemeindepsychiatrischer Angebote im ländlichen Raum.
Chris Weber 1
1Ernst-Abbe-Hochschule Jena

4) Psychische Krisen- und Notfallversorgung in Bayern, Franziska Claus1, Roman Kliemt1, Josephine Thiesen1, Daniela Blank-Matthes2; 1 Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung, Leipzig, 2Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
Frau Dr. Daniela Blank-Matthes
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim
Frau Anika Reinhart
Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
Forschungs- und Behandlungszentrum für Psychische Gesundheit, Ruhr-Universität Bochum, Deutschland, Bochum
Frau Dr. Maria Koschig
Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Medizinische Fakultät, Universität Leipzig, Leipzig
Herr Chris Weber
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, Jena
Frau Franziska Claus
WIG2 GmbH, Leipzig
#Symposium 60 #psychische Gesundheit #psychosoziale Unterstützungsangebote #psychiatrische Versorgungsangebote #regionales Mapping
Fr
19 Sep
10:30 - 12:00
SYM24
Ko-kreative Paradigmen angewandter Sozialmedizin. Interdisziplinäre Perspektiven teilhabeorientierter Expertise (T Gaertner)
Sozialmedizin
Raum: Seminarraum 536 (Standort: Forum 3, 1. OG, Anzahl der Plätze: 30)
Beiträge:
1
Der Neologismus Kokreation steht per se für ein Paradigma, das Experten – folglich auf die Sozialmedizin übertragbar – schöpferische Potenz als „Prozessbegleiter für partizipative und transformative Gestaltungsprozesse“ zuspricht [1]. Voraussetzung ist eine interdisziplinäre Integration fachspezifischer Kompetenzen [2]. So wendet die individualmedizinisch fundierte Sozialmedizin schon Methoden „aus dem Arsenal der Medizin, der Epidemiologie, der Statistik und der klassischen Sozialwissenschaften Ökonomie, Soziologie und Politik“ an, um als angewandte Sozialmedizin medizinisch Indiziertes für die Realisierung des Sozialrechts zu plausibilisieren [3].

Gemeinsame Grundprinzipien sind im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert und finden Ausdruck in den Sozialgesetzbüchern. Die Aufgaben der Sozialgesetzbücher bestehen darin, soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit zu verwirklichen und dazu die erforderlichen Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen bereitzustellen [§ 1 SGB I]. Das Sozialstaatsprinzip wird auf diese Weise umgesetzt, wobei dafür ein Gestaltungsspielraum besteht, der unter Berücksichtigung unterschiedlicher Vorgaben wie z. B. der UN-Behindertenrechtskonvention auszufüllen ist. Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung fällt der Solidargemeinschaft mit ihrem heilkundlich sicherzustellenden Spektrum von Prävention, Diagnostik und Therapie bis hin zu Rehabilitation sowie Re-Integration die Aufgabe zu, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 Satz 1 SGB V). Um dies im funktional ausdifferenzierten und föderal zergliederten Gesundheitssystem kontextuell und personbezogen teilhabeorientiert zu realisieren, bedarf es maßgeblich steuernder sozialmedizinischer Expertise.

Als eigenständiges Fachgebiet des Zusammenhangs von Medizin und Gesellschaft wurde Sozialmedizin in der BRD ab den 1960er Jahren mit Aufgabenfeldern in Forschung, Lehre und Versorgung wissenschaftlich etabliert [4]. Sozialmedizin gründet ideengeschichtlich in der Aufklärung, steht in der Tradition der sozialen Medizin, ist sozialstaatlich institutionell eingebunden und wird in der AWMF von der DGSMP repräsentiert. Angewandte Sozialmedizin ist gekennzeichnet
• theoretisch vermöge ihrer Interdisziplinarität (z. B. Medizin, Pflege-, Natur-, Rechts-, Wirtschaftswissenschaften, Epidemiologie, Pädagogik, Public Health etc.),
• in praxi vermittels ihrer Interprofessionalität (sämtliche Heilberufe, Sozialarbeiter, Integrationshelfer, etc. sowie Angehörige der o. g. Disziplinen),
• programmatisch durch sozialgesetzliche Grundsätze (allgemein: Solidarität, Qualität, Humanität, Wirtschaftlichkeit; speziell: Teilhabe, Selbständigkeit, Selbstbestimmung, Eigenverantwortung etc.),
• handlungsleitend durch rational basierte Konzepte einschließlich deren Operationalisierungen (EbM, EBN, EbP, biopsychosoziales Modell etc.).

Auf diese Kennzeichen – in ihrer Gesamtheit als ko-kreative Paradigmen apostrophiert – sollen ausgehend von einer kursorisch-historischen Darstellung der Etablierung von Sozialmedizin als einem bundesrepublikanischen Phänomen exemplarisch, orientierend und interdisziplinär Schlaglichter geworfen werden. Ziel ist es, mit der interdisziplinären Ausrichtung des Symposiums aus praktischer Perspektive in der partizipativen Charakteristik der Sozialmedizin triftige Akzente zu setzen, um in Ko-Kreation den disruptiv-transformatorischen Tendenzen zu begegnen „en respectant les libertés individuelles“ [5].

Das Mantel-Abstract wird vom Ressort „Praktische Sozialmedizin und Rehabilitation“ der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) angeboten.

Referenzen

[1] Rohr J. Die große Kokreation:
Eine Werkstatt für alle, die nicht mehr untergehen wollen. Hamburg: Murmann
Publishers GmbH; 2023.
[2] Hieber N. Ko-Kreation oder:
Warum wir aufhören sollten, Innovationen im stillen Kämmerlein zu entwickeln [Internet].
Fraunhofer IAO Social Media: 2022. Available from: https://blog.iao.fraunhofer.de/ko-kreation-oder-warum-wir-aufhoeren-sollten-innovationen-im-stillen-kaemmerlein-zu-entwickeln/ [cited 2025 02 12] .
[3] Gostomzyk JG, Schaefer H.
Sozialmedizin als Vermittlerin von Sach- und Orientierungswissen. Gegenwart und
Zukunft der Sozialmedizin. Gesundheitswesen 1998; 603: 12.
[4] Bundesärztekammer, Hrsg.
(Muster-)Kursbuch Sozialmedizin auf der Grundlage der
(Muster-)Weiterbildungsordnung 2018. 2. Auflage. Berlin: Bundesärztekammer; 2022.
[5] Guérin JR. MÉDICINE SOCIALE. DE
L’ASSOCIATION MÉDICALE AU POINT DE VUE DE LA SITUATION ACTUELLE. GAZETTE
MÉDICALE DE PARIS 1848; No 12bis. 18 mars: 210.
Herr Dr. med. Thomas Gaertner
Medizinischer Dienst Hessen, Oberursel
#Symposium 60 #angewandte Sozialmedizin #Interdisziplinarität #Interprofessionalität #Teilhabe #Kokreation
2
„Der Grundgedanke für ein solches Rahmeninstitut ist folgender: ‚Sozialmedizin‘ ist kein spezielles Fach […]. Das Institut hat den Charakter eines ‚Querschnittsinstituts‘ mit teils selbstständigen, teils integrierenden Aufgaben. Dieses ‚Spinnwebprinzip‘ hat den Vorzug, daß ein ständiger Kontakt mit den Hauptkliniken aufrechterhalten wird […]“[1]. Als in den frühen 1960er Jahren erste Institute für Sozialmedizin in der Bundesrepublik entstanden, war es unter anderem der spätere Doyen der Sozialmedizin, der Heidelberger Physiologe Hans Schaefer (1906-2000), der dem Feld eine interdisziplinäre Ausrichtung in das Grundbuch schrieb: Sozialmedizin könne nicht von einer Person vertreten werden, dezidierte Lehrstühle wären daher sinnlos. Vielmehr müsse sie innerhalb der Medizin ein Spinnennetz weben, um die überfachliche Frage nach den gesundheitsrelevanten Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt sowie den präventiven wie therapeutischen Potenzialen in dieser Beziehung federführend zu bearbeiten und ihre Befunde in die Versorgung zurückzuspielen [2].

Schaefer erwies sich auch in seinem Vorgehen als interdisziplinär – als Übersetzer und Netzwerker. Er ging davon aus, dass sich eine moderne Medizin an den USA zu orientieren habe. So trat er nach einer Studienreise dorthin in den frühen 1950er Jahren nicht nur entschieden für eine Reform des Medizinstudiums ein, das praxisorientierter, interdisziplinärer, kollaborativer und theoretisch-methodisch fundierter sein sollte [3]. Schaefer sah auch, wie sich eine „Preventive Medicine“ entfaltete, die im Moment der epidemiologischen Transition der Medizin durch eine prospektiv-epidemiologische Methodengrundlage und der Versorgungsfigur des „Family Doctors“ (des praktischen Allgemein- und Hausarztes) ein neues Gesicht zu geben versprach. Eine solche Medizin müsse aber, so Schaefer, theoretisch angeleitet sein und methodisch sauber operieren, sprich „mit Physiologie gesättigt“ [4] werden. Als Netzwerker und Wissenschaftsorganisator war Schaefer ebenfalls daran beteiligt, Sozialmedizin als Querschnittsbereich zu etablieren. Er nutzte nicht nur das vorrangig sozialdemokratische Interesse an einem Ausbau der Arbeits- und Betriebsmedizin zur Gründung seines Spinnwebeninstituts in Heidelberg. Schaefer gelang es ebenfalls, die spätere Direktorin desselben, Maria Blohmke (1922-2016), zu gewinnen, die die medizinsoziologische „Detailarbeit“ [5] übernehmen und damit das Aufgabenspektrum über den experimentellen, hygienischen und klinischen Bereich hinaus um den der Epidemiologie erweitern sollte. Als Mitglied des Bundesgesundheitsrats, der DFG-Kommission für Epidemiologie und Sozialmedizin und als erster Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin bis 1975 wirkte er maßgeblich an der Eingruppierung der Sozialmedizin in das ökologische Stoffgebiet des Studiums der Humanmedizin mit, welches die neue Ärztliche Approbationsordnung von 1970 definierte. In diesem sollte sich die Sozialmedizin als berufliches Querschnittsfeld für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, die Versicherungsmedizin und die Gesundheitsplanung erweisen.

In meinem Vortrag werde ich anhand von Originalmaterialien die spannungsreiche Geschichte der Etablierung der Sozialmedizin in der frühen Bundesrepublik rekapitulieren. Es soll dabei deutlich werden, dass ein Wissen um die historische Gewordenheit der Sozialmedizin nicht nur antiquarische Interessen bedient. Vielmehr offenbart sich durch die Rückschau, dass Schaefers Engagement für einen experimentell abgestützten, interdisziplinären Zugriff auf die Beziehungen von Gesundheit und Krankheit, von Umwelt und Individuum, der einen klinisch praktischen Nutzen zum Ziel haben sollte, den institutionellen Querschnittsbereich der Sozialmedizin noch heute prägt.

Referenzen

[1]
Christian P, Jusatz H, Schaefer H. Institut für Sozialmedizin an der
Universität Heidelberg (Organisation und Bedarfsplan), 21.3.1962. In:
Protokolle der Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg, 60. Sitzung
vom 12.7.1962: 4116-4121.
[2]
Blohmke M, Schaefer H. Aufgaben und Ziele des neugegründeten Instituts für
Sozial- und Arbeitsmedizin der Universität Heidelberg. Mitteilungen der Deutschen Zentrale für Volksgesundheitspflege
1964; 7: 1-3.
[3]
Stoff H. Medizinreform und Mittelbau.
Zur Planung Medizinischer Akademien in der westdeutschen Nachkriegsmoderne. Stuttgart:
Steiner; 2025: 51-52.
[4]
Schaefer H. Erkenntnisse und
Bekenntnisse eines Wissenschaftlers. Baden-Baden: Verlag für Medizin Dr.
Ewald Fischer; 1986: 262.
[5]
Schaefer H. Erkenntnisse und Bekenntnisse eines Wissenschaftlers. Baden-Baden:
Verlag für Medizin Dr. Ewald Fischer; 1986: 263.
Herr Dr. Christian Sammer
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg
#Symposium 60 #Geschichte der Sozialmedizin #Hans Schaefer #Geschichte der Prävention #BRD #DGSMP
3
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist das Herzstück des deutschen Gesundheitswesens. Rund 90 % der Bevölkerung sind in Deutschland gesetzlich krankenversichert. Für die Personengruppen, die nach Ansicht des Gesetzgebers besonders schutzbedürftig sind, besteht eine Versicherungspflicht in der GKV, um sie gegen das Risiko „Krankheit“ abzusichern. Die GKV ist als Solidargemeinschaft ausgestaltet (vgl. §§ 1, 3 SGB V), die ermöglicht wird durch einen Ausgleich zwischen gesunden und kranken, zwischen besserverdienenden und geringverdienenden, zwischen jungen und alten Versicherten sowie zwischen Alleinstehenden und Familien. Der Grundsatz der Solidarität durchzieht als wesentliche Säule der GKV das gesamte SGB V.

Die Solidargemeinschaft gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht und unter Druck durch Faktoren wie den demographischen Wandel und den teuren medizinischen Fortschritt. Die Versicherten werden immer älter und benötigen über einen längeren Zeitraum mehr und mitunter sehr kostenintensive Gesundheitsleistungen. Es existiert ein größeres Spektrum an Leistungsarten, die gesetzlich Versicherte beanspruchen können. In der GKV besteht die gesetzliche Verpflichtung, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen müssen (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V). Die Leistungsfähigkeit der GKV stößt dabei an ihre Grenzen.

Eine Konsequenz dieser Entwicklung ist die verstärkte Einforderung von Eigenverantwortung der Versicherten. Die Eigenverantwortung ist der GKV weder fremd noch neu, sondern findet seit jeher im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung an verschiedenen Stellen Ausdruck. Schon in § 1 S. 3 SGB V ist zu lesen, dass die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich sind und durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen sollen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Es handelt sich dabei um eine Soll-Bestimmung, die keine Rechtspflicht der Versicherten begründet. Das SGB V knüpft an gesundheitsschädigendes Verhalten kaum Leistungsausschlüsse (vgl. § 52 SGB V). Stattdessen werden Anreize zu gesundheitsbewusstem Verhalten gesetzt, Prävention und Vorsorgeleistungen gefördert und Zuzahlungen etabliert. Fraglich ist, ob die bisherigen Formen von Eigenverantwortung ausreichen, die GKV in Zukunft leistungsfähig zu halten.

Ein Ausgleich des Spannungsfelds zwischen Solidarität und Eigenverantwortung in der GKV ist vor allem für vulnerable Patientengruppen relevant, die selbst wenig Ressourcen besitzen, um die

Solidargemeinschaft entlasten zu können, aber eine umfangreiche Versorgung benötigen. Werden sie auf mehr Eigenverantwortung verwiesen, kann es für sie praktisch zu Leistungsausschlüssen führen. Vor diesem Hintergrund adressiert der Vortrag die Frage, wo im Leistungsrecht der GKV trotz allen Drucks auf die Solidargemeinschaft ein „unantastbarer“ Bereich an Solidarität erhalten bleiben muss und wo ein Potenzial gesehen werden kann, die Belastung der GKV unter Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu reduzieren. Eine besondere Rolle spielt dabei die multiprofessionelle Zusammenarbeit in der Gesundheitsversorgung. Nach Veranschaulichung an ausgewählten Beispielen soll aus unterschiedlichen fachlichen Sichtweisen gemeinsam über Lösungswege diskutiert werden, um die GKV als Solidargemeinschaft zu schützen und zugleich weiterzuentwickeln.

Frau Prof. Dr. iur. Simone von Hardenberg
Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fakultät 11, München
#Symposium 60 #Solidaritätsprinzip #Eigenverantwortung #Wirtschaftlichkeitsgebot #gesetzliche Krankenversicherung #Multiprofessionalität
4
Die ICIDH als Vorläufer der ICF war geprägt durch ein dreischrittiges lineares Krankheitsfolgenmodell. Dementsprechend führte ein körperlich oder psychisches „Impairment“ zu einer „Disability“ in den Aktivitäten und diese führte zu einem „Handicap“ in der Teilhabe am Leben der Gesellschaft. Fast nur durch Heilung des Impairments schien demnach das Handicap als Ausschluss vom Leben in der menschlichen Gesellschaft wirklich verringert werden zu können.

Unter tätiger Mitwirkung der Pflege- und Therapiewissenschaften wurde die ICF entwickelt und damit die kausale Folge von Aktivitätseinschränkung und sozial ausschließendem Handicap relativiert: Selbst wenn das Impairment und auch die Aktivitäten nicht wieder hergestellt oder geheilt werden konnten (z. B. bei Querschnittlähmung oder vielen alterns- und geriatrisch relevanten Erkrankungen), war durch Gestaltung der Kontextfaktoren die „participation“ am Leben der Gesellschaft, also der Ausgleich des „handicaps“, möglich. Daraus ergab sich für Pflege und Therapie oft als Aufgabe, Selbstbestimmung in der „participation“ zu unterstützen gerade da, wo das Ziel „Selbstständigkeit“ nicht (mehr) zu erreichen war.

Diese Erkenntnis korrespondierte mit Entwicklungen des internationalen und nationalen Rechts. Die französische und die amerikanische Revolution hatten Menschenrechte formuliert, die auf traditionsreiche religiöse Bewegungen zurückgingen. Die UNO hatte den menschrechtlichen Ansprüchen normativ – wenn auch nicht faktisch – weltweit zur Geltung verholfen. Die UN-Behindertenrechtskonvention forderte für Menschen mit Behinderungen die gleiche „participation“ wie bei Menschen ohne Behinderungen. Zahlreiche Parlamente ratifizierten dieses Recht auf Teilhabe („participation“). Das deutsche Parlament beschloss im § 1 Sozialgesetzbuch IX als Ziel aller medizinischen und pflegerischen, therapeutischen, sozialarbeiterischen Rehabilitation „Selbstbestimmung“ und „Teilhabe am Leben der Gesellschaft“. Dieses Doppelziel ist logisch nur zu verwirklichen, wenn nicht fremdbestimmte, sondern nur selbstbestimmte Teilhabe gefördert wird. Die Förderung fremdbestimmter Teilhabe verstößt gegen das Gesetz, auch wenn diese vielen fürsorglich bevormundenden Anbietern als angeraten erscheint. Das war besonders für die deutsche Sozialmedizin und „public health“ wichtig. Denn dass „public health“, dessen eine Quelle in der deutschen Sozialhygiene bestand, nach dem zweiten Weltkrieg keine allgemein akzeptierte deutsche Übersetzung fand, lag in der deutschen Geschichte der Sozialhygiene im Dritten Reich: Jüdische Vertreter des Faches wurden ermordet oder flohen. Viele deutsche Fachvertreter hingegen verstanden ihr Fach als fürsorglich bevormundende Sorge um die „Volksgesundheit“ einschließlich der ermordenden „Ausmerzung kranker und schädlicher Elemente“. Der Begriff der sozialhygienisch/sozialmedizinisch gesicherten Volksgesundheit war nach der Befreiung buchstäblich verbrannt. An ihn konnte nicht mehr angeknüpft werden. Eine deutsche Übersetzung des Begriffs „Public Health“ stand nicht mehr zur Verfügung.

Heute ist „Gesundheit“ parlamentarisch definiert als „selbstbestimmte Teilhabe“. Selbstbestimmte Teilhabe wurde zum Ziel von Professions-Pflege und Therapie.

In dem Vortrag wird auf die Folgen der ICF und ihrer Umsetzung in Diagnostik, Evidence-basierter Praxis, Therapie und Pflege eingegangen. Das Verständnis von „Gesundheit“ als „selbstbestimmter, gleichberechtigter Teilhabe“ hat enorme Auswirkungen auf die Indikation von Behandlungen, auf die Wahl von outcomes und auf die Notwendigkeit, die externe Evidence von Populationsstudien in den individuellen Aufbau interner Evidence der Teilhabeziele, Ressourcen und Kontexte des Einzelnen einzubinden. Denn wir pflegen und behandeln individuelle Personen. Und die Fachpflege wird ihre Orientierung vom heute noch oft postulierten Ziel der „Selbstständigkeit“ auf das Ziel „Selbstbestimmte Teilhabe“ umstellen müssen: gerade da, wo Selbständigkeit nicht mehr erreichbar ist.
Herr Univ.-Prof. Dr. phil. (habil.) usw. Johann Behrens
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Interdisziplinäres Zentrum für Altern Halle (IZAH), Halle
Gelernter Sanitäter und Anthropologe/Ethnologe, Gründungs-Direktor des ersten Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaften an einer öffentlichen Medizinischen Fakultät im deutschsprachigen Raum (D-A-CH), Mitgründer und Vorstand der DFG-Sonderforschungsbereiche 186 (Bremen) und 580 (Halle/Jena) sowie des Zentrums für Sozialpolitik (Bremen). ,
#Symposium 60 #selbstbestimmte Teilhabe #participation #Selbständigkeit #ICF #Evidence-basierte Praxis
5
Eltern von Kindern mit erhöhtem Unterstützungsbedarf aufgrund von chronischen Erkrankungen oder einer Behinderung müssen die Herausforderungen des Alltags bewältigen, häufig ohne die Unterstützung professioneller Dienste. Dafür entwickeln Sie als selbstorganisiert Pflegende (sP) kreative Lösungen (Pflegeinnovationen oder Pflegeschätze) [1, 2]. Sie sind Expertinnen und Experten für ihre individuelle Lebens- und Pflegesituation, meist ohne sich ihrer Kompetenz und ihres Einfallsreichtums bewusst zu sein. Das Bewusstsein über die eigene Fähigkeit, für Alltagsherausforderungen kreative Lösungen finden und diese bewältigen zu können, kann die Selbstwirksamkeitsüberzeugung (self-efficacy) der Eltern erhöhen. Diese korreliert mit der Gesundheit und Lebensqualität der Eltern und der Kinder [3, 4].

In dem hier beschriebenen Teilvorhaben des BMBF-Projekts „Pflegeschätze“ haben wir uns das Ziel gesetzt, partizipativ mit den Eltern co-kreative Methoden und Serious Games zu entwickeln, welche dabei unterstützen, die kreativen Lösungsideen der Eltern für Alltagsherausforderungen im Leben mit den Kindern herauszuarbeiten. Die sogenannten „Pflegeschatz-Methoden“ haben das Potential, auch pflegende Angehörige älterer pflegebedürftiger Personen in der Selbsthilfe effektiv zu unterstützen [5]. Die „Pflegeschatz-Methoden“ werden in einer folgenden, hier noch nicht beschriebenen Interventionsstudie hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Lebensqualität untersucht.

Die Umsetzung der partizipativen Methodenentwicklung erfolgt in einem iterativen Prozess mit offenen Feedbackgesprächen, Feldnotizen und einer teilstrukturierten Evaluation.

Als Ergebnis präsentieren wir die co-kreativen Methoden und Serious Games, die für die Identifizierung von Pflegeinnovationen bzw. „Pflegeschätzen“ mit den Eltern entwickelt wurden. Sie können im Kontext der Selbsthilfe und moderierter Gruppen angewendet werden. Parallel entwickelte unterstützende Materialien und Moderationsanleitungen fördern eine niedrigschwellige und langfristige Umsetzung durch sP.

Über pflegeschaetze-fk11@hm.edu können Interessierte sich über die Studie informieren und zur Teilnahme an der Studie anmelden.

Referenzen

[1] Duncan
TS, Riggare S, Koch S, Sharp L Hägglund M. From Information Seekers to
Innovators: Qualitative Analysis Describing Experiences of the Second
Generation of E-Patients. J Med Internet Res. 2019 Aug 15;21(8): e13022.
https://DOI: 10.2196/13022.
[2] Nickel S, Lüdecke D, Helmreich, Broll J. Zur Wirksamkeit
eines neuen Beratungsangebots für Eltern pflegebedürftiger Kinder. Eine
kontrollierte Studie. Pflege 2024: Online veröffentlicht: October 24, 2024 https://doi.org/10.1024/1012-5302/a001018 .
[3] Fang Y,
Boelens M, Windhorst DA, Raat H, van Grieke, A. Factors associated with
parenting self-efficacy: A systematic review. J Adv Nurs 2021; 77(6): 2641-2661.
[4] Hamovitch
EK, Acri MC, Bornheimer LA. An analysis of the relationship between parenting
self-efficacy, the quality of parenting, and parental and child emotional
health. J Fam Soc Work. 2019; 22(4-5): 337-351.
[5]
Damaševičius R, Maskeliūnas R, Blažauskas T. Serious Games and Gamification in
Healthcare: A Meta-Review. Information 2023, 14(2). https://doi.org/10.3390/info14020105 .
Frau Prof. Dr. rer. medic. Astrid Herold-Majumdar
Hochschule für angewandte Wissenschaften München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, München
#Symposium 60 #participatory research #co-creation #parental caregiver #care innovation #serious games
6
Einleitung
Die sozialgesetzlichen Prinzipien Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit (§ 70 SGB V) bilden das konzeptionelle Fundament des Handelns des Medizinischen Dienstes (MD) als sozialmedizinische Experteninstitution innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der ihr zugeordneten sozialen Pflegeversicherung (SPV) [1]. Am 01.01.2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) mit dem Ratifikationsgesetz in Kraft gesetzt. Das darauf aufbauende, seit dem 01.07.2001 geltende Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ steht „für den in der Behindertenpolitik vollzogenen Paradigmenwechsel“ [2]. Es entfaltet seine novellierende Wirkung bis in die anderen Sozialgesetzbücher und verfolgt in Fortsetzung durch das in vier zeitversetzten Reformstufen bis zum Jahr 2023 in Kraft getretene Bundesteilhabegesetz das Ziel, „Teilhabe und Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderungen je nach Bedarf zu unterstützen, zu ermöglichen oder zu fördern“ [2]:

Von einer Barmherzigkeitslogik hin zu einem Recht auf selbstbestimmte Teilhabe
In diesem Kontext wird das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10, 25–37) neu gelesen: Barmherzigkeit erfordert unmittelbare Anwesenheit am Ort des Leids, ist immer individuell begrenzt – sowohl durch die Reichweite tatsächlicher Hilfeleistung, die Not wendet, als auch durch die Möglichkeiten der helfenden Person (Selbstbegrenzung, keine Selbstüberforderung). Teilhabe hingegen basiert auf systemischer Verantwortung und struktureller Verankerung von Rechten und Leistungen. Inklusion und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen und Arbeitsleben versteht sich nicht nur als „eine Angelegenheit der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, sie ist eine Querschnittsaufgabe für alle Ressorts“ [3]. Insbesondere im Hinblick auf das sektoral ausdifferenzierte und föderal zu verantwortende Gesundheitswesen kommt hier traditionell dem MD eine kooperativ systemstabilisierende, aber auch ko-kreativ systemgestaltende praktisch-sozialmedizinische „Brückenfunktion“ [4] zu.

Personbezogene Begutachtung
Die sozialmedizinische Expertise des MD entfaltet sich exemplarisch augenfällig im Bereich der Hilfsmittelversorgung. Zu den Hilfsmitteln gehören u. a. Sehhilfen, Hörhilfen, Körperersatzstücke (Prothesen), Absauggeräte, Mobilisationshilfen oder aber auch Messgeräte für Körperzustände/-funktionen bis hin zu smarten Assistenztechnologien. In der Mehrzahl der Fälle soll der Einsatz von Hilfsmitteln durch apparative Kompensation Behinderungen ausgleichen oder mindern. Weitere Indikationen einer Versorgung mit Hilfsmitteln sind therapeutisch oder präventiv bedingt. Ziel bleibt stets, Teilhabe zu ermöglichen, Selbstbestimmung zu fördern und Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen zu sichern – auch im Spannungsfeld zwischen Innovation, Ressourcenschonung und ethischer Verantwortung.

Die indikationsgerechte Prüfung des MD auf der Grundlage der Rahmentheorie des biopsychosozialen Modells soll sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen gemäß § 70 SGB V bedarfsgerecht, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, qualitätsgesichert, das Maß des Notwendigen nicht überschreitend, zweckmäßig, wirtschaftlich und menschlich versorgt werden. Mit rund 11,2 Mrd. Euro betragen die auch für den GKV-Leistungsbereich Hilfsmittel kontinuierlich steigenden Ausgaben 3,4 Prozent. Im Jahr 2023 wurden im Auftrag der Krankenkassen durch den MD bundesweit 238.000 versichertenbezogene Begutachtungen anlässlich einer Hilfsmittelversorgung durchgeführt.

Ausblick
Im Zuge der digitalen Transformation werden zunehmend auch durch sogenannte künstliche Intelligenz (KI) unterstützte Hilfsmittel, z. B in Form smarter und adaptiver Assistenztechnologie, die Patientenversorgung modifizieren. Abzuwarten bleibt, inwieweit diese Technologien Behinderungsausgleich und Teilhabe nachhaltig verändern und verbessern können [5].
Herr Patrick Schunda
Medizinischer Dienst Hessen, Oberursel
#Symposium 60 #Teilhabe #Barmherzigkeit #Hilfsmittel #Kokreation #Medizinischer Dienst
Fr
19 Sep
10:30 - 12:00
WS18
Mitgestalten statt mitlaufen: Teilhabe und Ko-Kreation als Schlüssel in der digitalen Gesundheitsförderung
Digital
Raum: Seminarraum 520 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 60)
Beitrag:
1

Hintergrund

Der digitale Transformationsprozess revolutioniert alle Lebensbereiche, das Gesundheitswesen bildet dabei keine Ausnahme. Technologische Innovationen und digitale Lösungen verändern nicht nur Gesundheitsangebote und –dienstleistungen, sie beeinflussen zunehmend auch Formen von Gesundheitsförderung und Prävention [3,4]. Aus Public Health-Perspektive sind Erkenntnisse für effiziente Strategien entscheidend, wie digitale Ansätze, die gesundheitliche Chancengleichheit fördern oder beeinträchtigen können (digital divide). Schwerpunkte liegen auf Ungleichheiten im Zugang zu digitalen Angeboten, erforderliche Skills wie die digitale Gesundheitskompetenz sowie den ethischen, rechtlichen und sozialen Auswirkungen (ELSI) [2,5]. Ko-Kreation wird als ein wesentlicher Ansatz betrachtet, um bestehenden Herausforderungen zu begegnen und die Akzeptanz von digitalen Gesundheitslösungen zu erhöhen. Derzeit gibt es umfassende Entwicklungen (Stichwort: KI; Digital-Gesetz), was sowohl für Patient:innen als auch für Expert:innen schwer zu überblicken ist. Es ist es von entscheidender Bedeutung sich proaktiv auf die digitalen Transformationen einzustellen [1] . Der Workshop verfolgt die Fragen:
  • Was sind aktuell die drängendsten Themen digitaler Gesundheitsförderung und Prävention?
  • Worin liegen hier Herausforderungen aber auch Chancen?
  • Wie kann Ko-Kreation effektiv genutzt werden, um Ungleichheiten im Zugang zu digitalen Gesundheitslösungen zu adressieren und die gesundheitliche Chancengleichheit angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen zu fördern?

Methode

Der Workshop verfolgt die Methode:
  • Einführung: Das Thema der digitalen Transformation im Gesundheitswesen wird ca. 10 Minuten vorgestellt. Hierbei werden die Teilnehmenden mit den grundlegenden Konzepten und Trends vertraut gemacht, die den digitalen Wandel prägen.
  • Einzelarbeit: Die Teilnehmenden werden in Einzelarbeit relevante Themen und erste spezifische Herausforderungen eruieren, die sie im Rahmen ihrer fachlichen Expertise und eigenen Erfahrungen wahrnehmen. Diese Phase dient als Basis zur Strukturierung der nachfolgenden Diskussionen.
  • Zwischenphase: Im Plenum werden die Themen vorgestellt und es werden von den Teilnehmenden die drei relevantesten gewählt. Dies dient zur Fokussierung der Themen innerhalb der vorgegebenen Zeit.
  • Kleingruppenphase: In Kleingruppen vertiefen, diskutieren und halten die Teilnehmenden die wichtigsten Themen, die dazugehörigen, zuvor identifizierten Herausforderungen und mögliche Potentiale auf Flip-Charts fest.
  • Zwischenphase: Im Plenum werden zusammenfassend die Herausforderungen und Potentiale aus den Gruppen mittels Flip-Charts vorgestellt.
In der finalen Phase haben die Teilnehmenden die Gelegenheit die bisherigen Ergebnisse im Plenum zu kommentieren und zu diskutieren. Dabei werden konkrete Handlungsansätze und -erfordernisse formuliert und der Blick auf mögliche Einbeziehung von Akteuren im Sinne der Ko-Kreation gelegt.

Ergebnisse

Der Workshop wird in mehreren Phasen strukturiert, mit dem Ziel in einem intensiven Austausch zu gehen. Er bietet insgesamt eine Plattform für einen offenen Austausch von Themen, wie die Identifikation von Herausforderungen und die Erarbeitung von Potentialen im Kontext der digitalen Transformation im Gesundheitswesen. Durch verschiedene Phasen wird ein Raum geschaffen, der es allen Teilnehmenden ermöglicht, sich aktiv einzubringen und von den Erfahrungen und Perspektiven anderer zu lernen.

Diskussion

Der Workshop leistet einen praxisorientierten Beitrag zur Frage, wie digitale Transformation im Gesundheitswesen unter Beteiligung vielfältiger Akteur:innen sozial gerecht und nachhaltig gestaltet werden kann. Er zielt nicht nur auf Wissenstransfer, sondern auch auf die Stärkung kollektiver Reflexions- und Gestaltungsfähigkeit angesichts beschleunigter technologischer Entwicklungen. Die Ergebnisse dienen der AG Digitale Gesundheitsförderung und Prävention der DGSMP als Grundlage für weitere Arbeitsprozesse und damit auch als eine Bedarfsorientierung für die weitere AG-Arbeit.

Referenzen

[1] Petzold T, Steidle O. Digitale Transformation deutscher Gesundheitseinrichtungen. Bundesgesundheitsbl. 2023;66:972–981. https://doi.org/10.1007/s00103-023-03743-y.
[2] Maaß L, Dockweiler C, Hocke-Bolte Z, et al. Digital Public Health in Deutschland: Status quo, Herausforderungen und Zukunftsperspektiven. Bundesgesundheitsbl. 2025;68:176–184. https://doi.org/10.1007/s00103-024-03989-0.
[3] Stark AL, Albrecht J, Dockweiler C. Digitale Transformation in Settings – Entwicklung eines neuen Begriffsverständnisses digitalisierter Settings entlang des Settingansatzes. In: Dockweiler C, Stark AL, Albrecht J, editors. Settingbezogene Gesundheitsförderung und Prävention in der digitalen Transformation. Baden-Baden: Nomos; 2023. p. 19–52.
[4] Scherenberg V. Digitalisierung in Prävention und Gesundheitsförderung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), editor. Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden [Internet]. 2022 [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i130-1.0.
[5] Zeeb H, Pigeot I, Schüz B, et al. Digital Public Health – ein Überblick. Bundesgesundheitsbl. 2020;63:137–144. https://doi.org/10.1007/s00103-019-03078-7.
Herr Dr. Kamil J. Wrona
Universität Bielefeld, Bielefeld
Herr Dr. Dirk Bruland
Hochschule Bielefeld, Bielefeld
Frau Joanna Albrecht
Universität Siegen, Siegen
Frau Tessa Schulenkorf
Universität Siegen, Professur für Digital Public Health, Siegen
#Workshop 60
Fr
19 Sep
10:30 - 12:00
VS6
Gesundheit und Arbeit
Gesundheit und Arbeit
Raum: Seminarraum 521 (Standort: Forum 3, 2. OG, Anzahl der Plätze: 34)
Beiträge:
1

Hintergrund

Sedentäres Verhalten und körperliche Inaktivität gelten als Risikofaktoren für die Entstehung von Erkrankungen. Auch häufiges sowie langandauerndes Sitzen und damit verbunden reduziertes Bewegungsverhalten am Arbeitsplatz kann zu diesem Risiko beitragen. Aus diesem Grund untersuchten wir wie viel Zeit Bürobeschäftigte eines großen deutschen Unternehmens sitzend, stehend und körperlich aktiv verbringen. Wir untersuchten auch, ob sich dieses Verhalten zwischen der Arbeit im Homeoffice und in Präsenz im Büro unterscheidet.

Methode

Wir führten eine Querschnittsstudie von Juli bis November 2021 an einem Unternehmensstandort mit etwa 6000 Beschäftigten durch. Alle Beschäftigten waren eingeladen teilzunehmen, wenn sie innerhalb einer Arbeitswoche sowohl im Homeoffice als auch im Büro in einer sitzenden Tätigkeit arbeiten. Das Sitz- und Bewegungsverhalten wurde mithilfe des Beschleunigungssensors activPAL3 an mehreren Tagen im Homeoffice und im Büro gemessen. Da die verschiedenen Zeitanteile des Bewegungsverhaltens stark voneinander abhängig sind und sich auf eine maximale Dauer, z. B. einen achtstündigen Arbeitstag summieren, wurden sie mithilfe der Kompositionsdatenanalyse (engl. „Compositional Data Analysis, kurz: CoDA) untersucht und in zwei statistisch unabhängige Parameter, isometrische Log-Ratios (ILR), umgewandelt. ILR1 entspricht der im Sitzen verbrachten Zeit im Verhältnis zur stehenden und körperlich aktiven Zeit. ILR2 entspricht der im Stehen verbrachten Zeit im Verhältnis zur körperlich aktiven Zeit. Es wurden gemischte lineare Regressionsmodelle mit wiederholten Messungen durchgeführt, um die Mittelwerte und 95% Konfidenzintervalle (KI) der Zeit, die sitzend, stehend und körperlich aktiv verbracht zu schätzen, sowie um auf Unterschiede zwischen Homeoffice und Büro mit Hilfe der CoDA-Variablen (ILR1 und ILR2) zu testen. Die Hauptmodelle für ILR1 und ILR2 wurden für Geschlecht, Alter, Beruf und Woche der Messphase adjustiert.

Ergebnisse

Die Stichprobe umfasst n=102 Bürobeschäftigte (Frauen: n=27, Durchschnittsalter: 38,9 Jahre) welche die Belegschaft gut repräsentiert. Während der Arbeitszeit verbrachten die Büroangestellten durchschnittlich 378 Minuten, 95% KI [467, 493] sitzend, 78 Minuten [64, 93] stehend und 18 Minuten [16, 21] körperlich aktiv, wenn sie im Homeoffice arbeiteten. Sie verbrachten durchschnittlich 342 Minuten, 95% KI [323, 361] sitzend, 116 Minuten [101, 131] stehend und 31 Minuten [29, 34] körperlich aktiv, wenn sie im Büro arbeiteten. Die Ergebnisse der CoDA-Variablen zeigten, dass während der Arbeitszeit die Zeitdauer im Sitzen im Verhältnis zur Zeitdauer nicht sitzend (ILR1) und die Zeitdauer im Stehen im Verhältnis zur körperlich aktiven Zeit (ILR2) zunahmen, wenn im Homeoffice gearbeitet wurde.

Diskussion

Die Zeit, die während der Arbeitszeit im Sitzen verbracht wurde, überwog an beiden Arbeitsorten und schien bei der Arbeit im Homeoffice zuzunehmen. Laut CoDA verbrachten die Beschäftigten mehr Zeit mit Stehen relativ zur körperlich aktiven Zeit, wenn sie zu Hause arbeiteten. Sitzunterbrechungen sollte von Arbeitgebern an beiden Arbeitsplätzen durch organisatorische Vorkehrungen (z. B. Pausen während und zwischen Online-Meetings) und Informationen über gesundes Sitz- und Bewegungsverhalten gefördert werden.
Frau Dr. Janice Hegewald
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin
#Präsentation #Gesundheitsförderung & Prävention #Bildschirmarbeitsplatz #Arbeitsumgebung #Arbeit
2
Hintergrund: Die Arbeitswelt spielt für einen großen Teil der Bevölkerung eine zentrale Rolle in ihrem Alltag und steht nachweislich in Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit. Gleichzeitig unterliegt sie einem stetigen Wandel. Im Rahmen des Gesundheitsmonitorings des Robert Koch-Instituts wurde wiederholt die subjektiv wahrgenommene Gesundheitsgefährdung durch Erwerbsarbeit erfasst. Der vorliegende Beitrag vergleicht stratifizierte Prävalenzen der subjektiven Gesundheitsgefährdung durch Erwerbsarbeit aus zwei methodisch vergleichbaren Erhebungen im Zeitverlauf.

Methode: Datengrundlage sind die Studien Gesundheit in Deutschland aktuell GEDA 2014/2015-EHIS (n=12.952) und die erste Befragungswelle der Panelstudie Gesundheit in Deutschland 2024 (n=19.609). Beide Erhebungen basieren auf Einwohnermeldeamtsstichproben und einem sequenziellen Mixed-Mode-Design (Web- oder Papierfragebögen). Die Studienpopulation wurde für die Analysen auf Teilnehmende im Alter zwischen 18 und 64 Jahren, die in Voll- oder Teilzeit erwerbstätig waren beschränkt. Die subjektiv wahrgenommene Gesundheitsgefährdung durch Erwerbsarbeit wurde mittels einer Likert-Skala erfasst und für die Analysen dichotomisiert (gar nicht/wenig vs. stark/sehr stark). Geschlechterstratifizierte Prävalenzen wurden berechnet und zusätzlich nach formalem Qualifikationsniveau (CASMIN-Klassifikation: niedrig, mittel, hoch) stratifiziert. Zur Kontrolle von Drittvariablen wie Alter, formalem Qualifikationsniveau und Erwerbssituation wurden adjustierte Prevalence Ratios (PR) mit 95%-Konfidenzintervallen (95%-KI) mittels Poisson-Regressionen berechnet. Die Analysen wurden entsprechend der amtlichen Bevölkerungsstatistiken gewichtet.

Ergebnisse: Insgesamt berichteten sowohl 2014/15 als auch 2024 rund ein Viertel der Befragten eine starke oder sehr starke Gesundheitsgefährdung durch ihre Erwerbsarbeit. Männer gaben dies häufiger an als Frauen. Im Zeitvergleich zwischen 2014/15 und 2024 zeigt sich bei Frauen ein marginaler Anstieg der subjektiv wahrgenommenen Gesundheitsgefährdung durch Erwerbsarbeit. Die Analyse nach formalem Qualifikationsniveau zeigt, dass Männer mit niedrigem oder mittlerem Qualifikationsniveau in beiden Erhebungen häufiger eine starke Gesundheitsgefährdung wahrnehmen als Männer mit hohem Qualifikationsniveau. Im Trendvergleich zeigen sich diesbezüglich zunächst keine Veränderungen. Lediglich bei Frauen mit mittlerem Qualifikationsniveau ist ein marginaler aber statistisch signifikanter Anstieg in der Prävalenz der subjektiven Gesundheitsgefährdung durch Erwerbsarbeit zu verzeichnen. Auch bei Kontrolle für Drittvariablen in den multivariablen Regressionsmodellen zeigen sich Ungleichheiten nach formalem Qualifikationsniveau bei Männern in beiden Erhebungen (z.B. 2024: niedrig: PR 2,08, 95%-KI 1,78–2,43; mittel: PR 1,88, 95%-KI 1,66–2,13), während sich bei Frauen lediglich ein erhöhtes Risiko in der Gruppe mit mittlerem Qualifikationsniveau in 2024 verzeichnen lässt (PR 1,18; 95%-KI 1,08–1,30).

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass knapp ein Viertel der Befragten eine starke bis sehr starke subjektive Gesundheitsgefährdung durch Erwerbsarbeit wahrnimmt. Über den 10-Jahres-Zeitraum wird insbesondere bei Frauen ein marginaler Anstieg dieser Wahrnehmung deutlich. Der Befund einer besonders hohen Prävalenz unter Erwerbstätigen mit niedrigem oder mittlerem formalen Qualifikationsniveau unterstreicht die Notwendigkeit gezielter Maßnahmen zur berufsgruppenspezifischen Prävention und Gesundheitsförderung. Künftige Forschung sollte bestimmte Berufsgruppen oder Mehrfachbelastungen, beispielsweise durch Vereinbarkeitskonflikte zwischen Care- und Erwerbsarbeit, stärker in den Fokus nehmen. Vor diesem Hintergrund wird der Indikator zur subjektiv wahrgenommenen Gesundheitsgefährdung durch Erwerbsarbeit im Rahmen des Panels Gesundheit in Deutschland künftig regelmäßig erhoben, um tiefergehende Analysen unter Nutzung der Paneldatenstruktur zu ermöglichen.
Herr Florian Beese
Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin
#Präsentation
3

Hintergrund

Adäquates Selbstmanagement von Asthma verbessert die Prognose und Lebensqualität. Die Umsetzung des Asthma-Selbstmanagements im Arbeitsalltag wird u.a. von psychosozialen Arbeitsbedingungen bestimmt. [1] Um diese beeinflussen zu können, sollten sich Beschäftigte mit Asthma kommunikative Fertigkeiten und Wissen (z.B. über relevante Arbeitnehmer:innenrechte) aneignen. Deshalb wurde ein Schulungsmodul für Rehabilitand:innen mit Asthma entwickelt, das in zwei Reha-Kliniken über 12 Monate implementiert und evaluiert wurde.

Methode

Es erfolgte eine randomisiert-kontrollierte Studie mit Prä-Post-Messungen (T1, T2) und 3-Monats-Follow-up (T3). Die Interventionsgruppe (IG) erhielt zusätzlich zum üblichen Rehabilitationsprogramm die Schulung „Asthma und Arbeit“, die Kontrollgruppe (CG) eine Schulung zum Ernährungsverhalten (jeweils 2x50 Minuten). Die primären Outcomes umfassten die Verhaltensabsicht (T2), d.h. die Absicht, bestimmte Veränderungen am Arbeitsplatz umzusetzen, und das Asthma-Selbstmanagement am Arbeitsplatz (T3). Zu den sekundären Outcomes zählten schulungsbezogenes Wissen, Asthmakontrolle (Asthmakontrolltest), Lebensqualität (Asthma Quality of Life Questionnaire nach Marks), das Auftreten von Exazerbationen und die subjektive Erwerbsprognose (nach Mittag & Raspe). Prä-Post-Vergleiche wurden mittels t-Tests und Chi-Quadrat-Tests und Intergruppenvergleiche mittels univariater Kovarianzanalysen ausgewertet. Zusätzlich wurden qualitative Interviews mit Rehabilitand:innen nach ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz geführt. Die Auswertung der Interviews erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz. [2]

Ergebnisse

Aktuell wurden Daten von 126 Proband:innen (ca. 70% der finalen Stichprobe) eingeschlossen. Eine tendenziell signifikante Verbesserung der Verhaltensabsicht zu T2 zeigte nur die IG (p=.054, d=.18). Beide Gruppen verbesserten sich signifikant hinsichtlich ihrer Selbstmanagementstrategien zu T3 (IG: p<.001, d=.67; CG: p<.001, d=.62). Auch Wissensstand, Asthmakontrolle, Lebensqualität und Exazerbationen verbesserten sich in beiden Gruppen signifikant. Nur die IG zeigte eine kurzfristige Verbesserung der subjektiven Erwerbsprognose zu T2 (p=.04, d=.22). Die IG hatte einen signifikant höheren Wissensstand als die CG (T3: p=.02, r=.92), insbesondere in den Subskalen „Kommunikation“ (T3: p=.003, r=.95) und „Job Crafting“ (T3: p=.05, r=0.89). Bei anderen Outcomes zeigten sich keine Gruppenunterschiede. In den Interviews (n=15) wurden Selbstmanagementstrategien in der „Symptomprävention“ (z.B. Stundenreduktion oder Auslöservermeidung) und im „akuten Symptommanagement“ (z.B. Homeoffice bei Symptomen oder Einsatz des Notfallsprays) berichtet.

Diskussion

Auch drei Monate nach Reha-Ende hat die IG mehr schulungsbezogenes Wissen als die CG, weitere Effekte zu T3 konnten nicht beobachtet werden. Dennoch wird vom erfolgreichen Einsatz neuer Selbstmanagementstrategien nach der Schulung berichtet.

Referenzen

[1] Heinrichs K, Vu-Eickmann P, Hummel S, Gholami J, Loerbroks A. What are the perceived influences on asthma self-management at the workplace? A qualitative study. BMJ Open. 2018;8(8):e022126.
[2] Kuckartz U. Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 4th ed. Weinheim und Basel: Beltz Juventa; 2018.
Frau Dr. Julia Salandi
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Präsentation #Arbeit, Asthma, Asthmakontrolle, Lebensqualität, randomisiert-kontrollierte Studie, Rehabilitation, Selbstmanagement
4

Hintergrund

Viele Menschen, gerade auch Büroangestellte, bewegen sich häufig nicht genug, um von gesundheitswirksamen Effekten körperlicher Aktivität zu profitieren. Der Arbeitsplatz stellt jedoch gerade hier ein geeignetes Setting dar, um die körperliche Aktivität von erwachsenen Menschen zu fördern. Hier werden zunehmend digitale Interventionen erprobt, bei denen die Abbruchquoten im Vergleich zu Vor-Ort-Angeboten jedoch höher sind. Relevant ist nach wie vor die Frage, wie sich Menschen (digitale) Bewegungsangebote am Arbeitsplatz idealerweise vorstellen, und wie eine mittel- bis langfristige Teilnahme realisiert werden könnte.

Methode

Im Anschluss an ein digital durchgeführtes Bewegungsprogramm in einem Unternehmen wurden Teilnehmende und Abbrecher*innen qualitativ zu ihren Erfahrungen und Empfehlungen befragt. Das Programm selbst konnte im Büro oder Homeoffice durchgeführt werden. Die Befragten erhielten pro Woche zwei Bewegungsvideos mit jeweils einer Übung, die durch wissensbasierte Aspekte und motivationsfördernde Informationen auf Basis des Modells der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz ergänzt wurden. Nach der Programmphase erfolgten qualitative Interviews mit einem Leitfaden, der Fragen zur Bewegung im Alltag und bei der Arbeit, zu bewegungsbezogener Gesundheitskompetenz, zum Programm, sowie zu der Perspektive der Befragten auf Bewegungsangebote am Arbeitsplatz enthielt. Die Auswertung erfolgte auf Basis der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz [1].

Ergebnisse

Befragt wurden 11 Büroangestellte (6 Teilnehmende und 5 Abbrecher*innen; 8 Frauen und 3 Männer; Altersdurchschnitt: 49 ± 8 Jahre), die Interviews dauerten im Mittel 17:05 Minuten. Die meisten Befragten halten Bewegungsangebote am Arbeitsplatz für sehr relevant, weil sich nach ihrer Erfahrung gerade die Arbeit am Computer negativ auf ihre Gesundheit auswirkt, z. B. in Form von Augen-, Nacken- und Rückenschmerzen. Alle haben die Erfahrung gemacht, dass es schwerfällt, regelmäßige Bewegung in den Arbeitsalltag zu integrieren. Die Abbrecher*innen haben dem digitalen Bewegungsprogramm keine hohe Priorität im Arbeitsalltag beigemessen und deshalb die Teilnahme abgebrochen. Die Teilnehmenden hingegen konnten das Programm gut in ihren Arbeitsalltag integrieren. Prinzipiell begrüßen alle Befragten Bewegungsangebote am Arbeitsplatz, vor allem, wenn diese individualisiert auf den Arbeitsplatz und die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Dabei unterscheiden sie zwischen digitalen- und vor-Ort-Angeboten, Angeboten, die alleine oder in der Gruppe stattfinden, solchen mit Kleingeräten oder ohne, außerdem zwischen längeren Einheiten und kurzen Bewegungspausen. Die Priorität der Befragten lag auf der Unterscheidung von digitalen- und Vor-Ort-Angeboten, eine Kombination aus beidem wäre für sie optimal.

Diskussion

Aus Sicht der meisten Befragten besteht ein hoher Bedarf nach Bewegungsangeboten am Arbeitsplatz, sowohl digital als auch vor Ort. Optimal wären aus ihrer Sicht hoch individualisierbare Angeboten. Damit beschreiben sie im Kern das Konzept der precision prevention, das bislang jedoch kaum umgesetzt wird [2]. Um auf die Bedürfnisse von Büroangestellten einzugehen, sollten Bewegungsangebote am Arbeitsplatz als blended interventions [3], also in einer Kombination aus digitalen und Vor-Ort-Angeboten gestaltet werden.

Referenzen

[1] Kuckartz
U, Rädiker S. Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis,
Computerunterstützung. 5. Aufl. Weinheim: Beltz Juventa; 2022.
[2] Mess
F, Blaschke S, Gebhard D, Friedrich J. Precision prevention in occupational
health: a conceptual analysis and development of a unified understanding and an
integrative framework. Front Public Health. 18. September 2024;12:1444521.
[3] Yang
M, Duan Y, Liang W, Peiris DLIHK, Baker JS. Effects of Face-to-Face and eHealth
Blended Interventions on Physical Activity, Diet, and Weight-Related Outcomes
among Adults: A Systematic Review and Meta-Analysis. Int J Environ Res Public
Health. 14. Januar 2023;20(2):1560.
Herr Leonard Oppermann
Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
#Präsentation #Betriebliche Gesundheitsförderung #Bildschirmarbeitsplatz #Bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz #Qualitative Forschung
5
Einleitung
Nicht nur, weil in diesem Setting ein Großteil der Bevölkerung erreicht werden kann, sondern auch aufgrund des umfangreich untersuchten Zusammenhangs zwischen arbeitsbezogenen Faktoren und depressiver Symptomatik (1, 2), ist der Arbeitsplatz ist ein relevanter Ort für die Prävention depressiver Symptomatik. Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, ob Informationen über psychosoziale Arbeitsbedingungen (Führungsqualität, Entwicklungsmöglichkeiten, Kontrolle über die Arbeitszeit, Einfluss bei der Arbeit und Arbeitsmenge) die Vorhersage depressiver Symptomatik verbessern können, im Vergleich zur Vorhersage durch die Prävalenz depressiver Symptome allein.

Methode
Dafür haben wir Daten der ersten beiden Wellen (t1=2011/2012, t2=2017) der BAuA-Studie zur mentalen Gesundheit bei der Arbeit (S-MGA) verwendet, einer Kohortenstudie die auf einer repräsentativen Stichprobe sozialversicherungspflichtig Beschäftigter in Deutschland basiert (3). Fünf psychosoziale Arbeitsbedingungen wurden anhand des Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) und depressive Symptomatik anhand des Patient Healthcare Questionnaire (PHQ-9) erhoben, wobei wir im Rahmen der Studie zwischen Nicht-Fall (keine depressive Symptomatik; PHQ-9-Summenscore <5) und Fall depressiver Symptomatik (leichte bis schwerste depressive Symptomatik; PHQ-9-Summenscore 5–27) unterschieden haben. Die Analysen wurden geschlechtsstratifiziert durchgeführt (n= 983 Frauen; n= 986 Männer). Gemäß des Bayes Theorem wurde die vorherige (a-priori) Wahrscheinlichkeit (Prävalenzrate der depressiven Symptomatik) mit der Vorhersage-Wahrscheinlichkeit nach Hinzuziehen der Informationen zu den psychosozialen Arbeitsbedingungen (a-posteriori) verglichen (4). Diese Informationen stammen aus den Testeigenschaften Sensitivität und Spezifität der, in einer vorherigen Studie identifizierten Cut-off Werte auf den COPSOQ-Skalen für die Klassifikation depressiver Symptomatik in Fälle und Nicht-Fälle. Zur Validierung der Ergebnisse diente die dritte Welle der S-MGA (t3=2023/24) als Basis.

Ergebnisse
Die Wahrscheinlichkeit leichte bis schwerste depressive Symptomatik richtig vorherzusagen konnte von a-priori (Frauen: 46,5 %; Männer: 36 %) zu a-posteriori durch die Informationen zu den betrachten psychosozialen Arbeitsbedingungen gesteigert werden; beispielsweise um bis zu 11 Prozent (Arbeitsmenge) bei Frauen und bis zu 8 Prozent (Entwicklungsmöglichkeiten) bei Männern. Hinsichtlich der Führungsqualität konnte die Vorhersage-Wahrscheinlichkeit bei Frauen um 8 Prozent und bei Männern um 7 Prozent gesteigert werden.

Schlussfolgerung
Die Ergebnisse zeigen, dass Kenntnisse über psychosoziale Arbeitsbedingungen, in der Vorhersage der Entwicklung depressiver Symptomatik bei Erwerbstätigen eine Rolle spielen können. Folglich deutet dies darauf hin, dass bei der Entwicklung von Präventionsstrategien insbesondere mögliche Schwellenwerte der Arbeitsplatzressourcen, Führungsqualität und Entwicklungsmöglichkeiten, sowie der Anforderung Arbeitsmenge, berücksichtigt werden sollten.

Referenzen

[1] Conway PM, Rose U, Formazin M, Schöllgen
I, d’Errico A, Balducci C, et al. Long-term associations of psychosocial
working conditions with depressive symptoms and work-related emotional
exhaustion: comparing effects in a 5-year prospective study of 1949 workers in
Germany. International Archives of Occupational and Environmental Health.
2023:1-14.
[2] Theorell
T, Hammarström A, Aronsson G, Träskman Bendz L, Grape T, Hogstedt C, et al. A
systematic review including meta-analysis of work environment and depressive
symptoms. BMC public health. 2015;15(1):1-14.
[3] Rose
U, Schiel S, Schröder H, Kleudgen M, Tophoven S, Rauch A, et al. The study on
mental health at work: design and sampling. Scandinavian journal of public
health. 2017;45(6):584-94.
[4] Bours
MJ. Bayes’ rule in diagnosis. Journal of Clinical Epidemiology.
2021;131:158-60.
Frau Ruth Schäfers
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin
#Präsentation #Mentale Gesundheit #Arbeitsanforderung und Belastung #Prävention
6
Hintergrund: Landwirt:innen sind bedeutsamen körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden stark beeinträchtigen können. Speziell der Einsatz von Pestiziden, hohe finanzielle Belastungen sowie der Klimawandel können die Gesundheit von Landwirt:innen beeinträchtigen (1–3). Internationale Studien zeigen einen starken Anstieg der Prävalenz in den letzten 10 Jahren von psychischen Erkrankungen sowie Suiziden unter Landwirt:innen. In der internationalen Literatur lassen sich jedoch bislang keine deutschen Kennzahlen finden und wissenschaftliche Erkenntnisse zur psychischen Gesundheit von Landwirt:innen in Deutschland bleiben bislang rar. In Deutschland ist aber bereits erkennbar, dass es aufgrund von geringen Arbeitsunfähigkeitstagen, aber einer dafür langen Falldauer, enormes Präventionspotenzial im Bereich der psychischen Gesundheit gibt. Die vorliegnede Studie geht der Frage nach, welche Forschungsergebnisse zur psychischen Gesundheit von Landwirt:innen in Deutschland bereits vorliegen und welche weiteren Forschungsbedarfe sich daraus ableiten lassen.

Methode: Es wurde eine systematische Literaturübersicht mittels des Population-Concept- Context (PCC) Frameworks erstellt. Das a-priori erstellte Review-Protokoll wurde bei OSF registriert (https://osf.io/yagbp/). Als Auswahlkriterien wurden verwendet: a) Sprache: Englisch oder Deutsch, b) Veröffentlichung zwischen 2014-2024, c) Originalstudie, d) Population: Landwirt:innen (mindestens 50% innerhalb der Studienpopulation), e) Konzept: psychische Gesundheit und f) Kontext: Deutschland. Es wurden die Datenbanken Web of Science und Google-Scholar genutzt sowie zusätzliche Referenzen durch den Kontakt zu Expert:innen.

Ergebnisse: Durch die systematische Recherche der Datenbanken wurden initial 440 Quellen identifiziert. Zusätzlich konnten durch die Konsultation von Expert:innen und das Prüfen der Referenzen von relevanten Publikationen weitere 21 Publikationen identifiziert werden. Von allen 461 identifizierten Publikationen gingen 36 Publikationen in das Volltext-Screening ein, anschließend wurden 11 Publikationen eingeschlossen. Die eingeschlossenen Studien wurden zwischen 2016 und 2024 publiziert, wovon sechs Studien auf einem Querschnittsdesign, drei auf einem randomisiert kontrollierten Studiendesign und zwei auf einem qualitativen Studiendesign basieren. Es werden Ergebnisse zur psychischen Gesundheit und empfundenen Stressoren benannt. Die quantitativen Daten zur psychischen Gesundheit belegen ein höheres empfundenes Stresslevel, ein vermehrtes Auftreten von Symptomen einer Angststörung, ein höheres Burnout-Risiko und vermehrte Schlafstörungen als in der deutschen Allgemeinbevölkerung. Konkrete Prävalenzen für die Gesamtgruppe der Landwirt:innen in Deutschland zu psychischen Erkrankungen konnten nicht identifiziert werden. Als Stressfaktoren konnten sieben Bereiche identifiziert werden, 1) Umwelt- und klimabedingte Stressfaktoren, 2) wirtschaftliche Stressfaktoren, 3) bürokratische und regulatorische Stressfaktoren, 4) gesellschaftliche Herausforderungen, 5) soziale und familiäre Herausforderungen, 6) persönliche Stressfaktoren und 7) Arbeitsbedingungen. Zudem konnte aus den qualitativen Daten entnommen werden, dass zum Thema psychische Erkrankungen bisher nur ein geringes Wissen und Bewusstsein unter den Landwirt:innen vorhanden ist, was zu einer verspäteten Inanspruchnahme von Hilfen zu führen scheint.

Diskussion: Die Ergebnisse der systematischen Recherche zeigen im internationalen Vergleich einen geringen Wissensstand über die psychische Gesundheit von Landwirt:innen in Deutschland, mit fehlenden wichtigen Daten, z. B. zu Prävalenzen, aber deutlichen Hinweisen auf hohe psychische Belastungen und umfassenden Beanspruchungsfolgen. Weitere Basisforschung und epidemiologische Untersuchungen sind erforderlich, um die psychische Gesundheit von Landwirt:innen in Deutschland beurteilen zu können um zukünftig passgenaue Interventionen entwickeln zu können.

Referenzen

1.      [1] Hagen BNM, Albright A,
Sargeant J, Winder CB, Harper SL, O’Sullivan TL, et al. Research trends in
farmers’ mental health: A scoping review of mental health outcomes and
interventions among farming populations worldwide. PLoS One. 2019 Dec
1;14(12). https://doi.org/10.1371/journal.pone.0225661
2.       [2] Klingelschmidt J, Milner
A, Khireddine-Medouni I, Witt K, Alexopoulos EC, Toivanen S, et al. Suicide
among agricultural, forestry, and fishery workers: A systematic literature
review and meta-analysis. Vol. 44, Scandinavian Journal of Work, Environment and
Health. Nordic Association of Occupational Safety and Health; 2018. p. 3–15. https://doi.org/10.5271/sjweh.3682
3.       [3] Yazd SD, Wheeler SA, Zuo
A. Key risk factors affecting farmers’ mental health: A systematic review.
Vol. 16, International Journal of Environmental Research and Public Health.
MDPI; 2019. https://doi.org/10.3390/ijerph16234849
Frau Louisa Scheepers
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Düsseldorf
#Präsentation #Landwirtschaft #psychische Gesundheit #psychische Belastung #Deutschland
7
Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung weisen Promotionsstudent:innen eine schlechtere mentale Gesundheit auf. Es ist jedoch nur wenig über die Auswirkungen von psychosozialen Stressoren auf die mentale Gesundheit bekannt. Ziel dieser Studie ist es einerseits, psychosoziale Stressoren, Stressempfinden sowie psychische Beanspruchungen bei Promotionsstudent:innen zu ermitteln und andererseits zu untersuchen, welche psychosozialen Stressoren mit Stressempfinden und psychischer Beanspruchung assoziiert sind.

Promotionsstudent:innen einer Universität haben einmal im Sommer 2023 (T1; n=267) oder im Winter 2023/2024 (T2; n=244) an einer Onlinebefragung teilgenommen. Psychosoziale Stressoren wurden mit 16 Items des DYNAMIK-Fragebogens (zur Erfassung von psychosozialen Stressoren im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung) und mit der Kurzversion des Effort-Reward-Imbalance (ERI) Fragebogens gemessen. Psychische Beanspruchung wurde mit 12 Items der deutschen Version des General Health Questionnaire (GHQ) erfasst. Stressempfinden wurde mit 10 Items der deutschen Version der Perceived Stress Scale (PSS) gemessen. In multiplen linearen Regressionsanalysen wurde untersucht, welche psychosozialen Stressoren mit Stressempfinden und psychischer Beanspruchung assoziiert sind für zwei Studienpopulationen (T1 und T2).

Für beide Studienpopulationen zeigte sich ein Ungleichgewicht von Effort und Reward (ER-Ratio, Mittelwert= 1,34, Standardabweichung= 0,45 an T1; M= 1,27, SD= 0,52 an T2). In für Alter und Geschlecht adjustierten Regressionsanalysen zeigten sich Assoziationen zwischen ER-Ratio, Entgrenzung, Unterstützung von Vorgesetzten und Stressempfinden sowie psychischer Beanspruchung zu beiden Zeitpunkten. So zeigte sich beispielsweise, dass erhöhte Unterstützung durch Vorgesetzte mit geringerem Stressempfinden bei Promotionsstudent:innen assoziiert war (B= 1,49, p<0,05 für T1 und B=-1,20, p<0,05 für T2). Ein höheres ER-Ratio war mit erhöhter psychischer Beanspruchung assoziiert (B=3,85, p<0,05 für T1).
​​
Beide Studienpopulationen (an T1 und T2) zeigten ein stärkeres Ausmaß an psychischer Beanspruchung und eines Ungleichgewichts von Effort und Reward, verglichen mit Ergebnissen zu Promotionsstudent:innen aus Deutschland und Belgien, die in Querschnitts- bzw. Längsschnittstudien untersucht wurden . Für Promotionsstudent:innen an einer Universität zeigten sich unterschiedlich stark ausgeprägte Assoziationen zwischen psychosozialen Stressoren und psychischer Beanspruchung sowie Stressempfinden. Die Nutzung des ERI Fragebogens kann hilfreich sein für die Untersuchung von Assoziationen zu mentaler Gesundheit und Stressempfinden bei Promotionsstudent:innen. Zukünftige Studien sollten eine Kausalität der untersuchten Assoziationen unter Verwendung eines Längsschnittdesigns prüfen, sodass Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der mentalen Gesundheit gegeben werden können.

Frau Meike Heming
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
#Präsentation #psychische Gesundheit #psychische Belastung #psychosoziale Stressoren #Gesundheitsförderung & Prävention
8

Hintergrund

Das Erleben von Mobbinghandlungen am Arbeitsplatz ist mit verschiedenen psychischen Belastungen und gesundheitlichen Folgen verbunden, wie etwa Depressionen, Angststörungen oder Herzproblemen (1, 2). Studien deuten darauf hin, dass psychosoziale Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz das Risiko für Mobbinghandlungen erhöhen können (3). Ziel dieser Studie ist es, den Zusammenhang zwischen psychosozialen Arbeitsbedingungen und Mobbing am Arbeitsplatz durch verschiedene Personenkreise (a) Kolleg*innen, b) Vorgesetzte und c) andere Personen im Arbeitskontext) im Rahmen einer repräsentativen Studie zu untersuchen.

Methode

Die erste vorläufige Analyse basiert auf Daten von insgesamt 5.015 abhängig Erwerbstätigen einer repräsentativen Telefonbefragung zum Thema Mobbing in der Arbeitswelt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Studie wurde finanziert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Um den Zusammenhang zwischen verschiedenen psychosozialen Arbeitsbedingungen und dem Auftreten von Mobbing durch a) Kolleg*innen, b) Vorgesetzte und c) andere Personen im Arbeitskontext, wie beispielsweise Kundschaft, Schüler*innen oder Patient*innen, zu untersuchen, wurden drei separate logistische Regressionen berechnet. Berücksichtigt wurden selbstberichtete Faktoren wie Arbeitszufriedenheit, Sinnhaftigkeit der Arbeit, die Bedeutung von Arbeitszufriedenheit und Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden für die Führungskraft, soziale Unterstützung am Arbeitsplatz, Einfluss auf Art und Umfang der Tätigkeit, Zeitdruck, Arbeitsrückstand, Wechsel der Arbeitsgruppe sowie Wechsel der Führungskraft. Die Analysen wurden für Alter, Geschlecht, Bildungsstand (CASMIN) und Beschäftigungsumfang (Vollzeit/Nicht-Vollzeit) kontrolliert.
​​​​

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass Mobbing am Arbeitsplatz – unabhängig davon, von wem es ausgeht – mit bestimmten psychosozialen Belastungsfaktoren assoziiert ist. Über alle drei Gruppen (a-c) hinweg zeigte sich, dass Mobbing mit signifikant weniger Zeit für die Erledigung von Aufgaben verbunden war (Kolleg*innen: OR=1,36; Vorgesetzte: OR=1,46; andere Personen: OR=1,34; jeweils p<0,001). Zudem zeigte sich, dass Mobbing durch a) Kolleginnen und b) Vorgesetzte mit einer geringeren sozialen Unterstützung am Arbeitsplatz einherging (Kolleg*innen: OR=0,72; Vorgesetzte: OR=0,70; jeweils p<0,001). Es zeigten sich jedoch auch gruppenspezifische Unterschiede je nach Ursprung des Mobbings. Mobbing durch a) Kolleg*innen war zusätzlich mit einer signifikant höheren Unzufriedenheit mit der Arbeit verbunden (OR=0,60; p<0,001). Wurde das Mobbing durch b) Vorgesetzte erlebt, ging dies signifikant häufiger mit einem Wechsel der Arbeitsgruppe einher (OR=1,65; p<0,001). Mobbing durch andere Personen im Arbeitskontext war hingegen mit einem geringeren Einfluss auf die Art der eigenen Tätigkeit assoziiert (OR=0,80; p<0,001).

Diskussion

Auch wenn es sich um eine querschnittliche Untersuchung handelt und kausale Zusammenhänge nur eingeschränkt abgeleitet werden können, liefern die Ergebnisse wertvolle Erkenntnisse über die Beziehung zwischen Mobbing und psychosozialen Arbeitsbedingungen. Weitere Studien sind notwendig, um zu untersuchen, inwiefern eine Verbesserung bestimmter Belastungsfaktoren einen entscheidenden Beitrag für die Prävention von Mobbing leisten kann. Mögliche Ansätze könnten dafür die Reduktion von Arbeitsüberlastung durch realistische Arbeitsziele, eine angemessene Ressourcenverteilung, die Förderung einer positiven und unterstützenden Teamkultur, die Sicherstellung ausreichender Zeit für die Erledigung von Aufgaben sowie die Verbesserung der sozialen Unterstützung durch regelmäßige Feedbackgespräche und Teamentwicklungsmaßnahmen bieten. Ein verringertes Risiko für das Auftreten von Mobbing am Arbeitsplatz könnte die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden nachhaltig verbessern helfen.

Referenzen

[1] Mikkelsen EG, Hansen ÅM, Persson R, Byrgesen MF, Hogh A. Individual consequences of being exposed to workplace bullying. In: Einarsen SV, Hoel H, Zapf D, Cooper C, editors. Bullying and harassment in the workplace: Theory, research and practice. 3rd edition. Boca Raton: CRC Press; 2020. p. 163–208.
[2] Köllner V. Mobbing am Arbeitsplatz. In: Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Meyer M, editors. Fehlzeiten-Report 2017. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 2017. p. 121–9.
[3] Conway PM, Burr H, Rose U, Clausen T, Balducci C. Antecedents of Workplace Bullying among Employees in Germany: Five-Year Lagged Effects of Job Demands and Job Resources. IJERPH 2021; 18(20):10805.
Frau Antonia Magdalena Buß
Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Leipzig
#Symposium 60
Fr
19 Sep
10:30 - 12:00
WS20
Wie mit „Art of Hosting“ Co-Kreation und Beteiligungsprozesse strategisch geplant und gestaltet werden können
Co-Creation
Raum: Hörsaal 4, Forum 4 (Standort: Forum 4, Anzahl der Plätze: 96)
Beitrag:
1
Partizipativ arbeiten bedeutet einen Rahmen zu schaffen, in dem gute Gespräche, Kompromissfindung und Kollaboration auf Augenhöhe stattfinden kann. Doch wie kann man als Prozess- oder Projektverantwortliche*r, in Forschungsprojekten, in der Gestaltung eines Workshops oder von Projektpartnerschaften geeignete Bedingungen für Teilhabe und Co-Kreation schaffen?
"Art of Hosting" (vollständig: The Art of Hosting and Harvesting Conversations that Matter) ist ein Ansatz für partizipative Führung und kollektive Prozessgestaltung. Es geht darum, Räume zu schaffen, in denen ehrlicher Austausch, voneinander Lernen, Co-Kreation und gemeinsame Entscheidungen möglich werden. Der Ansatz versteht Partizipation als Haltung und setzt Methoden wie Circle, Pro Action Cafe, Check-in, Open Space, u.a. strategisch und passend zu Situation, Zielsetzung und Teilnehmenden ein. Art of Hosting als Methodologie kann zur Durchführung ("facilitation") von Partizipativer Forschung ebenso wie für unterschiedliche Beteiligungsformate angewendet werden.
In diesem Workshop möchten wir Eckpunkte von Art of Hosting vorstellen, mit Beispielen aus unserer Arbeit praktische Anwendungen illustrieren und anschließend in interaktiver Gruppenarbeit und individueller Reflexion den Teilnehmenden die Möglichkeit geben Elemente von Art of Hosting auszuprobieren und durch die eigene Erfahrung zu lernen.
00-05 Begrüßung, Vorstellung, Thema (5 min)
​​​05-10 Check In (5 min)
10-20 Beispiele aus dem Gesundheitsbereich (Robert Koch Institut) und der EU-Kommission (10 min)
20-35 Gruppenarbeit - (15 min)
35-45 Input: fourfold practice (10 min)
45-65 Gruppenarbeit (20 min)
65-75 Input: 8 breaths of process design (10 min)
75-80 Individuelle Reflexion (5 min)
80-90 Abschluss (10 min)

Referenzen

[1] Sandfort J, Sarode T. Art of hosting frameworks and methods as participatory research. In D. Burns, J. Howard, S. M. Ospina (Eds.) Art of hosting frameworks and methods as participatory research. SAGE Publications Ltd., 2021. (Vol. 2, pp. 412-426).
[2] The Art of Hosting and Harvesting Conversations that Matter [cited 15.04.2025] Available from: artofhosting.org
Frau Dr. Flora Haderer
#Workshop 60 #Partizipative Ansätze #Beteiligungsprozess
Fr
19 Sep
10:30 - 11:00
PW16
Ältere
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1
Hintergrund
Der demografische Wandel bringt eine wachsende ältere Bevölkerung mit sich, deren Versorgung zunehmend zur gesellschaftlichen Herausforderung wird. In diesem Zusammenhang gewinnt das Konzept des „Aging-in-Place“ immer mehr an Bedeutung [1]. Es ermöglicht älteren Menschen mithilfe technischer Unterstützungen möglichst lange selbstbestimmt daheim zu leben, fördert soziale Teilhabe und trägt positiv zum emotionalen Wohlbefinden bei [2]. Gleichzeitig entstehen durch das Verbleiben im häuslichen Umfeld neue Risiken. Eine neue Statistik zeigt, dass 48,5 % aller tödlichen Unfälle in Deutschland im häuslichen Umfeld geschehen (n=16.388). Rund 91 % (n=14.874) dieser Fälle betreffen Personen im Alter von 65 Jahren und älter [3]. Notfallsysteme spielen deshalb eine zentrale Rolle, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden. Bestehende Systeme stoßen jedoch auf Akzeptanzbarrieren: Notfallarmbänder müssen dauerhaft getragen oder manuell ausgelöst werden [4], Sicherheitskameras beeinträchtigen das Gefühl von Privatsphäre [5], und Sturzmatten wirken nur lokal begrenzt. Hinzu kommen hohe Kosten, umfangreiche technische Modernisierungsmaßnahmen und organisatorisch komplexe Einrichtungsprozesse. Es fehlt an nutzerzentrierten Lösungen, die die Bedürfnisse älterer Menschen und ihrer Angehörigen berücksichtigt. Das Forschungsprojekt „stand-by.care“ verfolgt das Ziel, ein alltagstaugliches, niedrigschwelliges Notfallwarnsystem für die eigene Wohnsituation zu entwickeln. Durch die aktive Einbindung verschiedener Beteiligter schon während der Entwicklung soll eine hohe Akzeptanz und Zugänglichkeit sichergestellt werden.

Methodik
Zur Erhebung und Konkretisierung der Anforderungen wurde ein mehrstufiger Ansatz gewählt. Von Dezember 2024 bis Februar 2025 wurden 13 semi-strukturierte Interviews mit alleinlebenden Senioren, Angehörigen und Fachexperten aus dem Gesundheitswesen durchgeführt. Ziel war es, zentrale Anforderungen, Bedürfnisse und Barrieren zu identifizieren. Die Interviews wurden transkribiert und anhand der strukturierten Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Auf dieser Grundlage wurden empirisch fundierte Personas mit unterschiedlichen Lebensrealitäten entwickelt, die mithilfe des Goal-Directed Designs erstellt wurden.

Ergebnisse
Insgesamt nahmen 13 Personen an der Studie teil. Das durchschnittliche Alter betrug 78 Jahre in der Gruppe der Senioren, 51 Jahre bei Angehörigen und 39 Jahre bei Fachexperten. Die Analyse ergab ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Sicherheit und dem Erhalt von Autonomie. Technische Notfalllösungen wurden häufig als unflexibel, stigmatisierend oder als Eingriff in die Privatsphäre empfunden. Zentrale Anforderungen waren eine einfache Bedienbarkeit, diskrete Integration in den Alltag, Geräteunabhängigkeit und die Möglichkeit, das Schutzbedürfnis individuell anzupassen. Ergänzend wurde die Einbindung vertrauter Bezugspersonen gewünscht. Auf der Basis dieser Interviews wurden acht systematische Personas entwickelt, die typische Nutzerkonstellationen abbilden. Diese umfassen Dimensionen wie Lebenssituation, Motivation, technische Vorerfahrung, wahrgenommene Barrieren sowie Anforderungen und Einstellungen zu Datenschutz und Finanzierung. Die Personas reichen von technikaffinen Nutzern mit klaren Erwartungen bis hin zu sozial isolierten Senioren mit starkem Unterstützungsbedarf.

Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass Interviews und Personas eine differenzierte Erfassung der heterogenen Zielgruppe ermöglichen. Im Gegensatz zu traditionellen technikzentrierten Ansätzen wurden aus empirischen Daten detaillierte Personas entwickelt, die in funktionale und technische Anforderungen überführt wurden. Dies liefert praxisnahe Impulse für Entwickler, UX/UI-Designer und Product-Owner. Die entwickelten Personas sind DSGVO-konform, da sie aus Merkmalen verschiedener realer Personen kombiniert wurden. Die Studie zeigt, wie durch aktive Nutzerbeteiligung eine ko-kreative, akzeptanzfördernde Technologie entstehen kann, die Teilhabe im Alter stärkt. Aufgrund der kleinen Stichprobe sind die Ergebnisse vorläufig. Nächste Schritte beinhalten die Weiterentwicklung der Interfaces sowie Usability-Studien im häuslichen Umfeld.

Referenzen

[1] Genge C, McNeil H, Debergue P, Freeman S. Technology to support aging in place: key messages for policymakers and funders. Front Psychol. 2023; 14: 1287486.
[2] Wiles JL, Leibing A, Guberman N, Reeve J, Allen RE. The meaning of “aging in place” to older people. Gerontologist. 2012; 52(3): 357-66.
[3] Statistisches Bundesamt (Destatis). Todesursachen. Anzahl der Gestorbenen nach Unfallkategorien. Sterbefälle nach Unfallkategorien 2023 [Internet]. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt; 2024 [cited 2025 Apr 14]. Available from: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/Tabellen/sterbefaelle-unfaelle.html.
[4] Heinbüchner B, Hautzinger M, Becker C, Pfeiffer K. Satisfaction and use of personal emergency response systems. Z Gerontol Geriatr. 2010; 43(4): 219-23.
[5] Zwijsen SA, Niemeijer AR, Hertogh CM. Ethics of using assistive technology in the care for community-dwelling older adults: an overview of the literature. Aging Ment Health. 2011; 15(4): 419-27.
Frau Leona Stolberg
Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm, Institut DigiHealth, Neu-Ulm
#Poster #Ambient Assisted Living #Aging-in-Place #Notfallwarnsystem #Personas #Partizipation
2

Introduction

Digital technologies, such as websites, apps or wearables, offer new opportunities to promote physical activity (PA), although their use declines with age. This study investigated the use pattern, acceptance, and user characteristics of digital technologies for PA promotion among people aged 65 years and older in Germany.

Methods

A nationwide panel sample of 1020 adult internet users living in Germany participated in a cross-sectional survey with 30 items on digital technology use in health context [1]. Data were collected using computer-assisted telephone interviews in November 2022. This study is a secondary data analysis of responses of people aged 65 years and older on survey items that addressed the digital technology use for PA promotion, participant sociodemographics, and digital health literacy measured using the eHealth Literacy Scale (eHEALS). Data were analysed using relative frequencies and the association between digital technology use and participant characteristics was tested using logistic regression.

Results

Of the 1020 survey participants, 187 were aged 65 years or older (range: 65-92 years, mean=73, SD=6). Of these, 54% were male, 54% had completed primary or secondary education, 73% lived in large cities, 48% reported a household income below the national average, and 62% reported a high digital health literacy. Overall, 31% (57/187) reported using digital technologies, such as smartphones or tablets (68%), activity trackers (51%), or computers (44%) for PA promotion. Reasons for use were to measure own PA (63%), to remember to exercise (56%), and to find exercise ideas (42%). Use frequency was mainly weekly to daily (89%). Digital technologies for PA promotion were rated as easy to use (82%) and their feedback as helpful for enhancing PA (74%). Digital technology use for PA promotion was associated with higher vs. low-moderate digital health literacy (OR=4.53, 95% CI: 1.83-11.18), but not with sex, education, income, or residence city-size. More users than non-users of digital technologies for PA were confident in making health decisions based on online information (54% vs. 28%), had a digitised social network (49% vs. 31%), and were interested in digital health technologies (70% vs. 42%). However, 68-72% of users and non-users preferred to receive health information on paper or face-to-face.

Conclusion / Discussion

Older adults who are digitally literate, have a digitised social network and are interested in digital technologies tend to use and accept such technologies for PA promotion. Any long-term behaviour change and health benefits of such technologies in this age group require further research.

Referenzen

[1] De Santis KK, Muellmann S, Pan C-C, Hoffmann S, Spallek J, Haug U, et al. Digitisation and health: Second nationwide survey of internet users in Germany. Digital Health. 2024;10:20552076241301457. DOI: 10.1177/20552076241301457.
Frau Dr. Karina Karolina De Santis
Leibniz Institute for Prevention Research and Epidemiology - BIPS, Bremen
Leibniz ScienceCampus Digital Public Health Bremen, Bremen
#Präsentation #Digital technologies #Physical activity promotion #Older people #Survey
3

Hintergrund

Hörbeeinträchtigungen sind eine zunehmend häufigere Herausforderung, denen es sich im Zuge der alternden Bevölkerungen zu stellen gilt. Neben Schwierigkeiten bei der Kommunikation im Pflege- und Behandlungsalltag [1] können Hörbeeinträchtigungen einen Risikofaktor für die Entwicklung von Demenzerkrankungen im Alter darstellen [2]. Dieser Risikofaktor kann durch ein Hör-Screening identifiziert werden und eröffnet die Möglichkeit zur Modifikation und Minimierung dessen. Derzeit werden Hör-Screenings an älteren Personen weder standardisiert noch flächendeckend eingesetzt. Ziel des Scoping-Reviews ist es, einen Überblick über bestehende Hör-Screening-Tools zu liefern, anhand gewählter Kriterien gegenüber zu stellen und eine Grundlage zur Entwicklung einer Handlungsempfehlung zur Hör-Screening-Toolentwicklung/-evaluation zu bilden.

Methode

Die Literaturrecherche für das Scoping-Review erfolgte im August 2023 mit der Datenbank PubMed. Die Suchergebnisse wurden auf Titel und Abstract mittels vordefinierter Ein- und Ausschlusskriterien (z.B.: nur deutsche/ englische Studien; publiziert zwischen 2013-2023; ältere Bevölkerung ohne Hörgeräte; Fokus Evaluation von Tools) im Doppelblindverfahren geprüft. Anschließend wurden die Volltexte der vorläufig eingeschlossenen Studien analysiert. Für die Organisation und das Management des Reviews wurde das Online-Programm Rayyan verwendet, sowie das PICO-Schema herangezogen.

Ergebnisse

Es wurden 6.736 Studien gescreent und 153 Studien zur Volltextanalyse herangezogen. Insgesamt wurden 67 Studien, das heißt 1% (67/3.736) aller gescreenten Studien, eingeschlossen, da sie allen erforderlichen Kriterien entsprachen. Im Anschluss an die Volltext-Analyse erfolgt ein Vergleich der eingeschlossenen Studien anhand der Kriterien der Testgenauigkeit, den beteiligten Akteur_innen, Nutzen sowie Limitationen. Die gesichteten Tools lassen sich in Selbst-Reports (z.B. Fragebögen und Selbst-Tests), objektivierte Messmethoden (z.B. DIN-Test) und objektive Messmethoden (z.B. otoakustische Emissionen) unterteilen. Die verglichenen Evaluationsstudien liefern kaum Hinweise darüber, inwiefern die untersuchten Tools geeignet für die Anwendung an potenziell pflegebedürftigen älteren Personen sind und wie gut sie sich in den Pflege- und Behandlungsalltag integrieren lassen.

Diskussion

Für das zielgerichtete Einsetzen von Ressourcen ermöglicht ein Hör-Screening, welches für ältere Personen geeignet ist, eine Selektion vor der audiologischen Diagnostik. Um zu bewerten, ob ein Screening für ältere Personen verschiedener Pflegegrade geeignet ist, müssen Attribute für ein entsprechendes Screening zukünftig untersucht werden. Weiterhin gilt es herauszufinden, welche Attribute die Inanspruchnahme seitens der Anwender_innen fördern und eine flächendeckende Versorgung gewährleisten.

Referenzen

[1] Andrusjak W, Barbosa A, Mountain G. Hearing and vision care provided to older people residing in care homes: a crosssectional survey of care home sta. BMC Geriatrics. 2021;21:32. DOI: 10.1186/s12877-020-01959-0
[2] Livingston G, Huntley J, Liu KY, Costafreda SG, Selbæk G, Alladi S et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing Commission. Lancet. 2024;404(10452):572-628. DOI: 10.1016/S0140-6736(24)01296-0
Frau Mai Linh Nguyen
Jade Hochschule, Oldenburg
#Präsentation #ältere Bevölkerung #Hörscreening #Scoping Review #Prävention
4

Hintergrund

Seit den 1990er Jahren ist das höhere Alter zunehmend in den Fokus des öffentlichen Diskurses und institutioneller Interessen gerückt. Der Schwerpunkt liegt dabei meist auf den „ungenützten Potentialen“ des Alters und der Alten, die einer gesteigerten Eigen- sowie Fremdnutzung zugeführt werden sollen. Die Definition der Weltgesundheitsorganisation von 2002 für „aktives Altern“ veranschaulicht diesen Ansatz: „Unter aktivem Altern versteht man den Prozess der Optimierung der Möglichkeiten von Menschen, im zunehmenden Alter ihre Gesundheit zu wahren, am Leben ihrer sozialen Umgebung teilzunehmen und ihre persönliche Sicherheit zu gewährleisten, und derart ihre Lebensqualität zu verbessern“ [1]. Der Umgang mit dem „alten Leben“ gerät von zwei Seiten zugleich in den Zugriff moderner Technologien: Zum einen betrifft dies das individuelle Altern von Körper und Geist, das als Funktionsstörung verstanden wird und mittels Technologien der Lebenswissenschaften (Life Sciences) repariert oder optimiert werden soll (vgl. Anti-Aging und Healthy Ageing). Zum anderen steht die Bevölkerungsgruppe der Älteren im Blick, die – vermessen durch statistische Indikatoren und als gesundheitlich sowie ökonomisch defizitär eingestuft – ein zentrales Objekt wirtschaftsliberaler Bevölkerungstechnologien darstellt. Der Beitrag geht der Frage nach, wie heutige Biotechnologien und biopolitisch orientierte Gouvernementalität persönliche Zielsetzungen im späteren Leben beeinflussen. Welches Menschenbild bzw. welche Konzeption des Lebens liegt diesen neuen Altersnormen zugrunde?

Methode

Die modernen normativen Bilder eines erfüllten Alters konkretisieren, was Michel Foucault bezüglich der Ziele der Biomacht diagnostizierte: sie ziele auf „...das Leben verstanden als Gesamtheit grundlegender Bedürfnisse, konkretes Wesen des Menschen, Entfaltung seiner Anlagen und Fülle des Möglichen“ [2]. Die „Erfindung“ des Alters – oder präziser gesagt, normativer Altersbilder und der mit ihnen verbundenen Wertungen – geschieht auf der Grundlage von Wissensformen. Jede Untersuchung von Altersbildern kann daher bei einer Reflexion der gesellschaftlich wirksamen Wissensformen ansetzen, welche den Diskursen über Alter und Altern zugrunde liegen. Zeitgenössische Alterskonzeptionen entstehen auf der Grundlage neuzeitlicher Naturbegriffe und jener wissenschaftlichen Wissensform, die der Wissenssoziologe Max Scheler als „Beherrschungswissen“ (im Unterschied zum „Bildungswissen“ und „Erlösungswissen“) charakterisierte [3]. Ausgehend von Schelers Typologie der Wissensformen werden drei unterschiedliche Zugänge zum Alter(n) untersucht, die sich ergänzen oder konkurrieren können, wobei der Fokus auf dem aktuellen Altersdiskurs liegt [vgl. 4].

Ergebnisse

Die normativen Konzeptionen der Gesundes-Altern-Bewegungen müssen vor dem Hintergrund einer fortschreitenden „Institutionalisierung des Lebens“ verstanden werden. Sie beruhen insbesondere auf einer Vorstellung, die mit den Zielen der Foucault'schen Biopolitik konform geht: Erhaltung, Optimierung und Steigerung eines naturwissenschaftlich-zeitlichen, aber ungeschichtlichen „menschlichen Lebens“. Das Alter als Lebensphase mit eigener Normativität wird dadurch eliminiert, da es eine Grenze der Biomacht darstellt: Entweder muss das „alte Leben“ nützlich, aktiv und produktiv gemacht werden wie das mittlere Lebensalter, oder es soll – insofern es widerständig ist – auf technologische Weise verschwinden. Es handelt sich um eine Art Reduktionskonzept des Alters, das „nichts weiter als“ das mittlere Lebensalter sein soll.

Diskussion

Alternative kulturgeschichtliche Wissensformen, wie sie von Max Scheler beschrieben wurden, könnten eine erweiterte Grundlage für einen gesundheitsfördernden Lebensstil im Alter eröffnen und ergänzende Rahmenkonzepte jenseits technologischer Optimierung und utilitaristischer Ansätze bieten.

Referenzen

[1] World Health Organization. Active Aging: A Policy Framework. Geneva: WHO; 2002.
[2] Foucault M. Sexualität und Wahrheit 1. Der Wille zum Wissen. Frankfurt am Main: Suhrkamp; 1976.
[3] Scheler M. Die Wissensformen und die Gesellschaft. Bern: Francke; 1960.
[4] Stronegger W, Attems K, editors. Altersbilder und Sorgestrukturen. Baden-Baden: Nomos; 2020. (Edition: Bioethik in Wissenschaft und Gesellschaft; vol. 8).
Herr Prof. Dr. Willibald Stronegger
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie. Medizinische Universität Graz., Graz
#Präsentation
Fr
19 Sep
11:00 - 11:30
PW17
Ältere
Raum: Foyer 2. OG (Standort: Forum 3, 2. OG)
Beiträge:
1

Hintergrund

Sachsen-Anhalt (LSA) verzeichnet die älteste Bevölkerung Deutschlands [1]. Mit dem demografischen Wandel steigt die Prävalenz chronischer Erkrankungen und Multimorbidität [1–3]. Um altersbedingte Krankheiten zu verhindern und eine angemessene medizinische Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen, sicherzustellen, sind präventive Maßnahmen wie Impfungen essenziell [4]. Trotz nationaler Impfempfehlungen für Personen ab 60 Jahren werden diese nur teilweise befolgt [5]. Ziel dieser Untersuchung ist es, (1) die tatsächliche Impfquote sowie (2) die Determinanten, Beweggründe und Barrieren der Impfbereitschaft in der älteren Bevölkerung Sachsen-Anhalts (≥60 Jahre) zu analysieren.

Methode

Im Rahmen des Projektes „Prävention im Alter in Sachsen-Anhalt“ (PrimA LSA), gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und das Land Sachsen-Anhalt, wurde die Impfinanspruchnahme ab 60 Jahren analysiert. (1) Zur Darstellung der Impfquoten für Influenza, Pneumokokken und Herpes Zoster wurden die Abrechnungsdaten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) für den Zeitraum 2011–2020 ausgewertet. (2) Ergänzend wurde das subjektive Impfverhalten sowie damit verbundene Einstellungen und Barrieren durch eine Bevölkerungsbefragung ermittelt. Die Befragung fand zwischen April und Juni 2021 in zwei städtischen und zwei ländlichen Kommunen Sachsen-Anhalts statt.

Ergebnisse

(1) Die Auswertung der Abrechnungsdaten umfasste 760.868 Personen. Die Impfquoten für alle untersuchten Impfungen lagen im Jahr 2020 in Sachsen-Anhalt höher als im übrigen Bundesgebiet. Für Influenza betrug die Impfquote 63,6 % (Deutschland: 48 %), für Pneumokokken 8,1 % (Deutschland: 9,1 %) und für Herpes-Zoster 4,2 % (Deutschland: 2,7 %). (2) Zur Untersuchung der subjektiven Einschätzung der Impfinanspruchnahme nahmen 864 Personen über 60 Jahre an der Bevölkerungsbefragung teil. Im Gegensatz zur tatsächlichen Inanspruchnahme wurde die subjektive Inanspruchnahme deutlich höher eingeschätzt (Influenza 80,1 %; Pneumokokken 63,2 %; Herpes-Zoster 30,3 %). Hinsichtlich möglicher Barrieren zeigten 84,7 % der Befragten eine positive Einstellung zum Impfen. Die Mehrheit der Befragten (56,7 %) hatte keine Angst vor möglichen Impfnebenwirkungen, 30,1 % waren nur etwas beunruhigt. Insbesondere Frauen gaben häufiger an, Angst vor Nebenwirkungen zu haben (p < 0,001). Die Angst vor Nebenwirkungen hatte einen signifikanten Einfluss auf die Inanspruchnahme der Influenza- und Pneumokokkenimpfung (pI < 0,001; pP = 0,031). Für die Herpes-Zoster-Impfung zeigte sich hingegen kein signifikanter Zusammenhang. Die Empfehlung des Hausarztes bzw. der Hausärztin hatte bei allen Impfungen einen signifikanten Einfluss auf die Impfentscheidung (p < 0,001). Als Barrieren wurden in diesem Zusammenhang zu lange Wartezeiten auf einen Termin, weite Anfahrtswege oder Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Impfungen genannt.

Diskussion

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine positive Impfhaltung mit einer höheren Impfbereitschaft einhergeht. Trotz einer überwiegend positiven Einstellung gegenüber Impfungen sind gezielte Aufklärungskampagnen erforderlich, um die Impfquoten weiter zu steigern. Besonders sollte die Schlüsselrolle der Hausärztinnen und Hausärzte gestärkt werden. Zudem sollte die Gesundheitskompetenz älterer Menschen gefördert werden, um die Impfakzeptanz und die Prävention von altersbedingten Krankheiten zu verbessern.

Referenzen

[1] Holst K. Das Gesundheitswesen in Sachsen-Anhalt: Ausgewählte Basisdaten der gesundheitlichen Versorgung 2024/2025 [Internet]. Berlin; 2024. [cited 2024 Jul 02]. Available from: https://www.vdek.com/LVen/SAH/fokus/Basisdaten/_jcr_content/par/publicationelement/file.res/2024-04-23_Basisdaten_SAH-internet.pdf.
[2]  Eisentraut R. Alternde Bevölkerung und ländlicher Raum Sachsen-Anhalts: Bürgerschaftliches Engagement als Chance für eine solidarische Gesellschaft. In: DGD-Jahrestagung 2011: Schrumpfend, alternd, bunter? Antworten auf den demographischen Wandel [Internet]. 2012 [cited 2024 Jul 02]. Available from: https://www.hof.uni-halle.de/web/dateien/dgd-online_01_2012_Schrumpfend__alternd__bunter.pdf#page=28.
[3]  Fabbri E, Zoli M, Gonzalez-Freire M, Salive ME, Studenski SA, Ferrucci L. Aging and Multimorbidity: New Tasks, Priorities, and Frontiers for Integrated Gerontological and Clinical Research. J Am Med Dir Assoc. 1. August 2015;16(8):640–7.
[4] Ständige Impfkommission (STIKO). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut – 2019/2020. 22. August 2019 [cited 2024 Jul 02]. Available from: https://edoc.rki.de/handle/176904/6254.5.
[5] World Health Organization (WHO). Managing seasonal vaccination policies and coverage in the European Region [Internet]. 2024 [cited 2024 Jul 02]. Available from: https://www.who.int/europe/activities/managing-seasonal-vaccination-policies-and-coverage-in-the-european-region.
Frau Sophie Nestler
Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Magdeburg
#Poster #Sachsen-Anhalt #Impfinanspruchnahme #Prävention #Influenza #Pneumokokken #Herpes Zoster
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Hintergrund: Angesichts einer zunehmend alternden Bevölkerung wird die Förderung von Gesundheit und Prävention im Lebensumfeld älterer Menschen zu einer zentralen Herausforderung. Das Projekt "Altersgerecht und gesund leben im Quartier", gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und durchgeführt mit Praxispartnern setzt hier an. Es untersucht ko-kreative Ansätze zur Erleichterung einer gesunden Lebensweise älterer Menschen in urbanen und ländlichen Kontexten. Der Fokus liegt darauf, durch Teilhabe die Bedarfe älterer Menschen, insbesondere aus benachteiligten Gruppen, zu analysieren und Barrieren abzubauen.
Methode: Derzeit befindet sich das Projekt in der zweiten Erhebungsphase. Die erste Phase umfasste Expert:inneninterviews mit Vertreter:innen aus Politik, Praxis und Forschung, die mit der Grounded Theory ausgewertet wurden. In der aktuellen Phase wird in einem städtischen Quartier ein Pilotprojekt durchgeführt, das innovative ko-kreative Methoden einsetzt: Die Nadelmethode, Netzwerkkarten kombiniert mit Interviews sowie Stadtteilbegehungen mit teilnehmenden Beobachtungen ermöglichen tiefe Einblicke in die Lebensrealitäten vor Ort. Zusätzlich werden Studierende über Lehrforschungsseminare integriert, was die Praxisnähe und den Austausch zwischen theoretischem Wissen und praxisorientierter Forschung fördert. Aufbauend auf die zweite Erhebungsphase wird ab Herbst 2025 eine weitere Erhebungsphase an verschiedenen städtischen und ländlichen Standorten in Bayern erfolgen. Die gesamte Projektplanung aller Schritte wird am Poster dargestellt.
Ergebnisse: Die bisherigen Erhebungen zeigen, dass Faktoren wie Fußläufigkeit eine entscheidende Rolle für die Gesundheitsförderung im Alter spielen. Darüber hinaus wurden spezifische Herausforderungen identifiziert, denen insbesondere Frauen und ältere Migrant:innen gegenüberstehen. Altersarmut erweist sich als maßgebliches Thema, das die Möglichkeiten für gelingendes Altern erheblich beeinflusst. Eine umfassende Auswertung der gesammelten Daten der Interviews und im Pilotprojekt wird bis Sommer 2025 erwartet und wird vertiefende Einsichten liefern, die im Rahmen der Tagungspräsentation erörtert werden sollen.
Diskussion: Die ersten Ergebnisse verdeutlichen, dass ko-kreative Methoden in der Gemeinwesenarbeit essenziell sind, um gesunde und altersgerechte Lebensumfelder zu fördern. Die direkte Beteiligung und Mitgestaltung durch Betroffene ermöglicht es, Barrieren gezielt zu adressieren und individualisierte Lösungsansätze zu entwickeln. Die methodische Vielfalt erlaubt eine umfassende Betrachtung der strukturellen und individuellen Gegebenheiten, die für ein gesundes Altern notwendig sind. Jedoch stehen der langfristigen Implementierung solcher Gesundheitsstrategien in unterschiedlichen räumlichen Kontexten auch Herausforderungen entgegen. Durch die enge Zusammenarbeit mit Expert:innen sowie die Einbeziehung von Studierenden werden neue Perspektiven gewonnen und partizipative Lösungen gefördert. Die kommenden Auswertungsschritte werden dazu dienen, konkrete Handlungsempfehlungen zu formulieren. Diese praxisorientierte Forschung hebt die Relevanz ko-kreativer Strategien in der Gesundheitsförderung und Prävention hervor und strebt eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität in einer alternden Gesellschaft an.
Frau Prof. Dr. Sigrid Mairhofer
Hochschule München, München
Frau Isabelle Riedlinger
Hochschule München, München
#Poster #Gemeinwesenorientierte Gesundheitsförderung
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Hintergrund


Digitalisierung kann eine bedeutsame Strategie sein, um die medizinische Versorgung in ländlichen Räumen im Angesicht des demografischen Wandels und eines drohenden Fachkräftemangels aufrechtzuerhalten. Eine Online Health Community (OHC) kann als digitale Schnittstelle zwischen Bürger*innen, medizinischen Leistungserbringer*innen und kommunalen und ökonomischen Interessenvertreter*innen fungieren, um regionale Versorgungsbedarfe zu erfassen und gezielte Versorgungsangebote zu realisieren.

Methode


Um die Einstellungen älterer Menschen im ländlichen Raum des südlichen Sachsen-Anhalt zu Digitalisierung im Allgemeinen und deren Bereitschaft, Förderfaktoren und Barrieren zur Teilnahme an einer zukünftigen Online Health Community zu ermitteln, führten wir 20 leitfadengestützte Interviews und fünf Fokusgruppen mit älteren Menschen sowie zwei Experteninterviews mit einer Sozialarbeiterin und einem Bürgermeister aus der Region des südlichen Sachsen-Anhalts durch.

Ergebnisse


Mittels reflexiver thematischer Analyse ermittelten wir, dass die Teilnehmenden Prozesse der Digitalisierung als eine die Identität bedrohende Verunsicherung erleben. Diese wirkt sich auf die Bereiche der alltäglichen Beziehungsgestaltung und Technologienutzung der älteren Menschen aus, die sich in einem Spannungsfeld aus digitaler Kompetenzerwartung und der Befürchtung eines altersbedingten Ausschlusses befinden. Diese Verunsicherung wirkt sich negativ auf die Bereitschaft der Teilnahme an einer OHC aus.

Diskussion


Die Studie konnte zeigen, dass neben bekannten Barrieren wie mangelnder Digitalität und einem fehlenden Internetanschluss auch eine Verunsicherung durch Prozesse der Digitalisierung eine bedeutsame Barriere darstellen kann, die bei der Entwicklung digitaler Anwendungen wie einer OHC miteinbezogen werden sollten.
Herr Jonathan Bay
Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Profilzentrum Gesundheitswissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
#Präsentation #Digitalisierung #Ältere Menschen #Ländlicher Raum #Versorgungsforschung
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Hintergrund
Muskuloskelettale Erkrankungen wie Osteoarthritis, rheumatoide Arthritis, Osteoporose oder Fragilitätsfrakturen stellen in der immer älter werdenden europäischen Bevölkerung ein erhebliches Gesundheitsproblem für die Betroffenen als auch ein finanzielles Problem für die Gesundheitssysteme dar.1 Mit Hilfe intelligenter Implantate, die mit Sensoren ausgestattet sind, welche verschiedene Parameter wie z.B. Umgebungstemperatur, ph-Wert oder Belastung messen und die Daten an eine zentrale Datenplattform senden, soll der Heilungsprozess nach einer Operation überwacht und Komplikationen frühzeitig erkannt werden. Damit die Entwicklung solcher intelligenten Implantate nicht an den Bedürfnissen und der Akzeptanz der Betroffenen vorbeigeht, werden diese aktiv in den Entwicklungs- und Forschungsprozess einbezogen.

Methode
In dem Projekt SmILE (Smart Implants for Life Enrichment), für fünf Jahre gefördert von der Europäischen Union und dem Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, sind 12 europäische Länder beteiligt. Verschiedene Institutionen entwickeln gemeinsam folgende sechs „Smart Implants“: 1. Osteosyntheseplatte, 2. Osteosynthese-Nagel, 3. Hüft-Endoprothese, 4. Knie-Endoprothese, 5. Sensor für Schulterbänder, und 6. instrumentierte Gehhilfe und Orthese. In drei der beteiligten Länder (Deutschland, Portugal, Luxemburg) wird ein Patientenbeirat etabliert, der in den Forschungsprozess einbezogen werden soll. Dazu muss zunächst die Zielgruppe definiert werden, um mögliche Rekrutierungsstrategien und -wege länderspezifisch zu entwickeln. Ist der Beirat etabliert, werden die Teilnehmenden in das Projekt eingeführt, geschult und Themenfelder, in denen sie mitarbeiten können/wollen identifiziert. Weiterhin ist geplant, dass regelmäßige themenspezifische Workshops stattfinden, in denen ein reger Austausch zwischen Forschenden und Patientenvertreter*innen stattfindet. Die Ergebnisse aus den Workshops werden protokolliert und dem Gesamtprojekt zur Verfügung gestellt.

Ergebnisse
Da das Projekt bei Einreichung des Abstracts gerade erst gestartet ist, liegen noch keine konkreten Ergebnisse vor. Dennoch werden schon jetzt Herausforderungen deutlich wie z.B. die Identifizierung der Zielgruppe, die Koordination der Workshops zwischen Forschenden und Beirat in drei europäischen Ländern, der Austausch zwischen Forschenden und Beirat auf Augenhöhe, oder die Motivierung von Teilnehmenden des Beirats über 5 Jahre hinweg. Auf dem Kongress werden erste Erkenntnisse aus dem Beteiligungsprozess vorgestellt.

Zusammenfassung
Die aktive Beteiligung von Patient*innen an Prozessen der Gesundheitsforschung wird zunehmend als wichtig erkannt und eingefordert, damit deren Bedürfnisse angemessen berücksichtigt werden.2,3 Dies ist jedoch noch relatives Neuland und stellt Forschende wie Patient*innen vor verschieden Herausforderungen, insbesondere bei komplexen, länderübergreifenden Forschungsprojekten.

Referenzen

[1] Jiang F, Lu C, Zeng Z, Sun Z,
Qiu Y. Global burden of disease for musculoskeletal disorders in all age
groups, from 2024 to 2050, and a bibliometric-based survey of the status of
research in geriatrics, geriatric orthopedics, and geriatric orthopedic diseases.
J Orthop Surg Res. 2025 Feb 19;20(1):179. doi:
10.1186/s13018-025-05580-y.
[2] Wicks P, Richards T, Denegri S,
Godlee F. Patients' roles and rights in research. BMJ. 2018 Jul 25;362:k3193.
DOI: 10.1136/bmj.k3193.
[3] Gibson A, Welsman J, Britten N.
Evaluating patient and public involvement in health research: from theoretical
model to practical workshop. Health Expect. 2017 Oct;20(5):826-835. doi:
10.1111/hex.12486.
Frau Dr. Maike Schnoor
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck
#Poster #Ko-Kreation #Smart implants #muskuloskelettalen Erkrankungen #ältere Bevölkerung
Fr
19 Sep
13:00 - 14:30
K3
Abschluss, Keynote (Annika Frahsa) und Preisverleihungen
Moderation: Dr. PH Susanne Jordan

Keynote: Prof. Dr. Annika Frahsa (Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern)

Verleihung der DGSMP-Preise für herausragende Master- und Dissertationsarbeiten, sowie Preis "Junge Perspektiven"

Ausblick auf die Jahrestagung 2026 in Göttingen
Raum: Hörsaal 3 (Standort: Forum 3, EG, Anzahl der Plätze: 210)
Beitrag:
1
Migration is an important feature of our social world bringing many opportunities through cultural diversity. It also requires consideration from a public health perspective. For example, evidence is needed to inform health policy and the adaptation of health services so that all communities’ health needs are taken into account. However, there is a paradox. On the one hand, refugees and migrants have research fatigue: they are tired of being researched and not seeing concrete changes from research evidence. On the other hand, they are excluded as a population from many research areas and their experiences and health data is not being captured. Therefore, we need new directions. It is important to conduct impactful research with, not on, refugees and migrants about a wide variety of health issues. In this presentation, I describe the need for a shift to a participatory health research paradigm in this field to support impactful research partnerships. I will highlight the importance of using innovative and inclusive methods to create energising and engaging spaces for participation.
Frau Prof. Dr. Annika Frahsa
Universität Bern, Bern
#Präsentation
Programmänderungen vorbehalten.